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4. Zusammenstellung der Methoden und Ergebnisse

4.2 Studien zum Umweltverhalten

Zum Umweltverhalten zählt sowohl die Verteilung der Chemikalie zwischen den Kompartimenten Wasser, Luft, Boden und Sediment als auch die Abbau- und Transformationsprozesse in den einzelnen Kompartimenten.

Screening-Test auf leichte biologische Abbaubarkeit:

Bei diesem Test handelt es sich um ein Screening-Verfahren auf leichte biologische Abbaubarkeit unter aeroben Bedingungen im wässrigen Medium. Gemäß dem OECD Methodenkatalog stehen mehrere Prüfmethoden zur Verfügung. Abhängig von den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Substanz (Wasserlöslichkeit, Dampfdruck, Adsorptionspotential) sollte eine passende Methode ausgewählt werden. Für ATBC wurde das Verfahren des geschlossenen Flaschentests (OECD 301D) verwendet (Lebertz 2009).

Gemessen wird der durch den Abbau verursachte Sauerstoffbedarf über einen Zeitraum von 28 Tagen unter Verwendung eines nicht voradaptierten Inokulums in einem sauerstoff-reichen Medium. Für das Inokulum wurden Mikroorganismen aus einer kommunalen Kläranlage und aus einer Bodenprobe kombiniert verwendet. Als Medium wurde ultrareines Wasser unter Zusatz einer Nährstofflösung verwendet. Zur Überprüfung der Aktivität der Mikroorganismen wurde als Kontrollsubstanz das biologisch leicht abbaubare und gut wasserlösliche Natriumbenzoat in einer Konzentration von 3,2 mg/l eingesetzt. ATBC wurde in einer Konzentration von 1,6 mg/l eingesetzt. Der Test wurde über 28 Tage im Dunkeln bei einer Temperatur von 19 – 21°C durchgeführt. Folgende Testansätze wurden geprüft: 15 Flaschen mit Prüfsubstanz und Inokulum, 15 Flaschen mit Kontrollsubstanz und Inokulum, 15 Flaschen nur mit Inokulum (Blindwert) und 15 Flaschen mit Prüfsubstanz, Kontroll-substanz und Inokulum zur Toxizitätskontrolle. Der Gehalt an gelöstem Sauerstoff im Medium wurde zum Startpunkt 0 und nach 7, 14, 21 und 28 Tagen mit einer Sauerstoff-elektrode gemessen. Der biochemische Sauerstoffbedarf (BOD) wurde aus der Differenz zwischen Prüfzeitpunkt und Startpunkt unter Berücksichtigung der Sauerstoffzehrung des Inokulums (Blindwert) berechnet. Dieser Wert wird dann noch durch die Konzentration der Substanz in der Flasche dividiert. Der Abbau in % ergibt sich gemäß folgender Gleichung:

% biologischer Abbau = BOD (mg O2 / mg Prüfsubstanz)

ThOD (mg O2 / mg Prüfsubstanz) x 100

Der theoretische Sauerstoffbedarf (ThOD) wird aus der Summenformel der Substanz berechnet. Das ist die Gesamtmenge an Sauerstoff, die zur vollständigen Oxidation erforderlich wäre. In der Toxizitätskontrolle wurden 47 % Abbau nach 14 Tagen gemessen.

Damit konnte kein inhibitorischer Effekt auf die Mikroorganismen festgestellt werden (Kriterium für diesen Test gemäß OECD-Protokoll: mindestens 25 % Abbau innerhalb von 14 Tagen). Die Kontrollsubstanz wurde innerhalb von 7 Tagen zu 72 % abgebaut, damit erfüllt

der Test das Validitätskriterium gemäß OECD-Protokoll mit mehr als 60 % Bioabbau inner-halb eines 14-Tage-Fensters. Für ATBC wurde in diesem Test ein Bioabbau von 16 % nach 28 Tagen erreicht. Die Abbaukurven wurden grafisch dargestellt.

Abbildung 2: Grafische Darstellung der Ergebnisse zum leichten Bioabbau (Quelle: Final Report SGS Institut Fresenius, Study-No.: IF-09/01533953)

Stoffsicherheitsbewertung: Das OECD-Kriterium für eine leichte biologische Abbaubarkeit (> 60 % Bioabbau innerhalb eines 14-Tage-Fensters) wurden nicht erreicht. ATBC ist somit unter diesen Testbedingungen als nicht leicht biologisch abbaubar einzustufen.

Zu berücksichtigen ist, dass ATBC ein hohes Adsorptionsvermögen an den Belebtschlamm zuzuschreiben ist sowie eine geringe Wasserlöslichkeit im Prüfmedium. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Substanz nicht im ausreichenden Maße den Mikro-organismen zum Abbau zur Verfügung stand. Die mangelnde Bioverfügbarkeit unter diesen Testbedingungen wäre somit eine Erklärung für das schlechte Ergebnis.

Screening-Test auf inhärenten biologischen Abbau:

Als weiterer Screening-Test zum Nachweis eines potentiellen Bioabbaus von ATBC unter aeroben Bedingungen wurde ein modifizierter MITI II-Test (OECD 302C) beschrieben (Miti 1992). Das Testprinzip ist wie oben beschrieben, d.h. es wird der biochemische Sauerstoff-bedarf (BOD) gemessen und über den theoretischen SauerstoffSauerstoff-bedarf (ThOD) der Bioabbau in Prozent berechnet. Der Test wird in einer vollautomatischen geschlossenen Apparatur

Biodegradability acc. to OECD 301D

0 20 40 60 80 100

0 5 10 15 20 25 30

Time (d)

% Degradation (% ThOD)

Test Substance Sodiumbenzoate Tox-Control

durchgeführt. Für das Inokulum wurde Belebtschlamm aus verschiedenen kommunalen Kläranlagen und aus Sedimentproben kombiniert verwendet. 9 mg der Testsubstanz wurden in 300 ml Kulturmedium eingebracht. Der Test wurde über 28 Tage bei einer Temperatur von 25 ± 1°C mit kontinuierlicher Durchmischung durchgeführt. Das entstandene CO2 wurde mit Natronkalk absorbiert. Als Negativkontrolle wurde Medium mit Inokulum angesetzt. Zur Kontrolle der Aktivität der Bakterien wurde die Referenzsubstanz Anilin verwendet. Die Kontrollsubstanz erfüllte das Validitätskriterium mit mehr als 60 % Bioabbau innerhalb eines 14-Tage-Fensters. ATBC ist unter diesen Testbedingungen inhärent biologisch abbaubar.

Die Testbedingungen sind hier weniger stringent als beim Test auf leichte biologische Abbaubarkeit. So wird beispielsweise bei diesem Test mit höheren Inokulum-Konzentrationen gearbeitet.

Stoffsicherheitsbewertung: In diesem Test konnte innerhalb von 28 Tagen ein Bioabbau von 82 % erreicht werden.

Abbaubarkeit im Boden:

Im Boden konnte ein leichter biologischer Abbau für ATBC gezeigt werden. Der Test wurde in Anlehnung an die Standardmethode ASTM D 5988 "Standard Test Method for Determining Aerobic Biodegradation of Plastic Materials in soil" durchgeführt (Farrell 2000).

Das Prinzip der Methode beruht auf dem Monitoring der Umwandlung der Kohlenstoffatome der Prüfsubstanz in Kohlendioxid während vorgegebener Versuchsbedingungen. Der verwendete Versuchsboden wurde auf ein Wasserrückhaltevermögen von 60 % eingestellt.

Für die Positivkontrolle wurde als Substrat mikrokristalline Cellulose zugesetzt. Zur Negativkontrolle wurde der Versuchsboden ohne Substrat inkubiert. 134 mg ATBC wurden mit 50 g Versuchsboden für 42 Tage bei 30 ± 1°C im Biometer-Kolben unter aeroben Bedingungen im Dunkeln inkubiert. Während der Probenahme wurde die Apparatur für jeweils 20 Minuten belüftet um eine ausreichende Sauerstoffversorgung zu gewährleisten.

Die gebildete CO2-Menge wurde in regelmäßigen Zeitintervallen gemessen. Dazu wurde das CO2 in KOH-Lösung absorbiert. Das Carbonat wurde mit BaCl2 ausgefällt und die Restmenge an KOH durch Titration mit HCl bestimmt. Die CO2-Entwicklung durch die Test-substanz wurde relativ zur Kontrolle nur mit Boden ermittelt. Unter Berücksichtigung der theoretisch maximalen CO2-Entwicklung (ThCO2) aufgrund des Kohlenstoffgehaltes von ATBC errechnet sich der Bioabbau in Prozent. Die Mineralisierung der Testsubstanz war durchweg höher als die der Kontrollsubstanz. Der Verlauf der Abbaukurve über den Versuchszeitraum wird auf der folgenden Seite vorgestellt. Der Abbau liegt nach 42 Tagen bei über 100 % ThCO2 und weist damit auf einen „Priming-Effekt“ durch ATBC hin, d.h. der Abbau organischer Bodensubstanz wird durch die Zusätze verstärkt.

Abbildung 3: Abbaukurve bei einer Substratmenge von 268 mg in 50 g Versuchsboden (Quelle: Final Report R.E. Farrell Universities of Saskatchewan and Massachusetts-Lowell)

Stoffsicherheitsbewertung: ATBC erfüllt die für diesen Test festgelegten Kriterien für eine leichte biologische Abbaubarkeit mit 60% Abbau bezogen auf den ThCO2 innerhalb eines 14-Tage-Fensters. Die Zeitdauer bis zum Erreichen der 60 %-Marke für die verwendete Konzentration von 1,6 mg Kohlenstoff pro g Boden lag bei 10,9 Tagen.

Schätzung des Adsorptionskoeffienten (Koc) im Boden mittels HPLC:

Die Durchführung erfolgte gemäß OECD 121 bzw. der EU-Prüfmethode C.19. Das Prinzip der Prüfung beruht auf der gleichen Grundlage wie für die Ermittlung des Verteilungs-koeffizienten Oktanol/Wasser (siehe hierzu Seite 10). Die Retentionszeit am Säulenmaterial korreliert mit dem Adsorptionskoeffizienten und wird mittels einer Kalibriergeraden log k‘

gegen logKoc mit dem Kapazitätsfaktor k‘ über die Gleichung k' = (tR - t0)/t0 hergeleitet, wobei tR die Retentionszeit der jeweiligen Test- bzw. Referenzsubstanz ist und t0 die Totzeit. Als Säulenmaterial für die stationäre Phase wurde eine Cyanopropyl-Festphase gebunden an eine Silica-Matrix eingesetzt. Als mobile Phase wurde eine Mischung aus 55 % Methanol und 45 % Wasser verwendet. Zur Erstellung einer Kalibriergeraden wurden sechs Referenz-substanzen mit unterschiedlichen Adsorptionskoeffizienten eingesetzt. Für die Bestimmung der Totzeit wurde Natriumnitrat-Lösung eingespritzt, da es durch die Säule nicht retardiert wird. Der Test wurde mit der Prüfsubstanz und der Mischung aus Referenzsubstanzen bei einer Temperatur von 25 ± 1°C mit einem Injektionsvolumen von 20 µl ausgeführt. Die Detektion der Prüfsubstanz erfolgte mittels eines UV-Detektors bei 220 nm. Mit dem Substanz-Peak bei 12,4 Minuten wurde ein Adsorptionskoeffizient LogKoc von 4,27 (Koc 18.664 L/kg) ermittelt (Henke, 2010).

Stoffsicherheitsbeurteilung: Der ermittelte Adsorptionskoeffizient weißt auf eine hohe Sorption an organische Stoffe in Boden und Sediment hin. Die Adsorption hat den Vorteil, dass die Chemikalie nicht ins Grundwasser gelangen kann. Nachteilige Auswirkungen ergeben sich aber bei Überschwemmungen, da dann schlagartig viel Substanz freigesetzt werden kann.

Biokonzentration:

Lipophile Stoffe neigen dazu sich im Fettgewebe anzureichern. Für aquatische Organismen ist daher entsprechend ein Biokonzentrationsfaktor zu bestimmen. Das ist das Verhältnis der Konzentration des Stoffes im Organismus zur Konzentration im Wasser. Gemäß dem Anhang IX der REACH-Verordnung ist eine Prüfung erforderlich für Stoffe mit einem n-Oktanol/Wasser-Verteilungskoeffizienten LogKow > 3. Diese Stoffe reichern sich um das 1000fache in der n-Oktanol-Phase an und besitzen somit ein Bioakkumulationspotential. Da keine experimentellen Studien vorliegen, wurde für eine Risikobeurteilung der ersten Stufe der Biokonzentrationsfaktor (BCF) abgeschätzt (Fh-ITEM 2009). Der Biokonzentrationsfaktor kann näherungsweise aus dem Oktanol/Wasser-Verteilungskoeffizienten berechnet werden.

Als Grundlage für die Berechnung wurde der experimentell ermittelte LogKow von 4,86 angesetzt. Zur Abschätzung der Biokonzentration im Fisch wurde das Programm EPIWIN (Version 4.0), BCFBAF (Version 3.00) verwendet. Dieses Programm wurde von der US EPA entwickelt. Der über die Software kalkulierte Wert liegt bei 31,57 (l/kg).

Stoffsicherheitsbeurteilung: Aufgrund dieses Ergebnisses kann auf ein geringes Biokonzentrationspotential geschlossen werden. In der CLP-Verordnung ist ein BCF von

≥ 500 festgelegt, ab dem man von einem Biokonzentrationspotential ausgehen muss. Dieses Ergebnis allein reicht jedoch nicht für eine abschließende Beurteilung aus. Zusätzlich wurden die Ergebnisse aus einer Toxikokinetik-Studie in Ratten herangezogen. Es konnte eine schnelle Biotransformation und Eliminierung von ATBC nachgewiesen werden und ein Bioakkumulationspotential wurde nicht identifiziert. Auf eine tierexperimentelle Studie zur Biokonzentration in Fischen (OECD 305) wurde daher verzichtet, zumal die Bioverfügbarkeit von ATBC im Medium Wasser aufgrund der geringen Wasserlöslichkeit und des hohen Adsorptionspotentials an Boden und Sediment als gering eingestuft wurde.