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4. Zusammenstellung der Methoden und Ergebnisse

4.3 Ökotoxikologische Eigenschaften

Die Ökotoxikologie untersucht schädliche Einflüsse von Stoffen auf Struktur und Funktion von Populationen und Ökosystemen. Zum Unterschied zur Toxikologie fokussiert die Ökotoxikologie nicht auf das einzelne Individuum.

4.3.1 Akute aquatische Toxizität

Gemäß der REACH-Verordnung wird die aquatische Toxizität an drei repräsentativen Spezies (Fisch, Wirbellose und Alge) geprüft. Sehr schwer wasserlösliche Substanzen zeigen in der Regel keine aquatische Toxizität. Für das Studiendesign ist es wichtig, dass die Substanz in gelöster Form vorliegt. Bei der Prüfung schwer wasserlöslicher Stoffe wie ATBC wird mit dem WAF-Konzept gearbeitet. Hierbei wird eine gesättigte Lösung der Prüfsubstanz hergestellt und ungelöste Substanzanteile abgetrennt.

Prüfung der Toxizität gegenüber Fischen:

Die Prüfung der akuten Fischtoxizität wurde in Anlehnung an die OECD-Standardmethode 203 am Blauen Sonnenbarsch in Süßwasser durchgeführt (Foulds 1974). Das WAF-Konzept für schwerlösliche Substanzen wie ATBC war zu diesem Zeitpunkt noch nicht etabliert und wurde somit in dieser Studie nicht berücksichtigt. Die regulatorische Bewertung der Prüf-ergebnisse erfolgte unter Bezug auf die höchste eingebrachte Substanzmenge, von der keine toxischen Effekte ausgingen, unabhängig von der Frage, ob die Substanz gelöst vorlag oder nicht. Fische wurden für 96 Stunden der Testsubstanz in Ausgangskonzentrationen bis zu 120 mg/l nominal ausgesetzt. Die Prüfbedingungen waren ein pH-Wert von 6,5 – 7,6, eine gelöste Sauerstoff-Konzentration von 70 - 95 % und eine Temperatur von 23 – 24°C. Der Test wurde im Durchflussverfahren, d.h. mit Wassererneuerung durchgeführt. Ermittelt wurde die Mortalität nach 24, 48, 72 u. 96 Stunden. Bei hohen Konzentrationen wurden negative Effekte auf die Aktivität und die Beweglichkeit der Fische beobachtet. Nach Beendigung der Exposition und einer anschließenden Erholungsphase von 48 Stunden waren diese Effekte jedoch vollständig reversibel.

Stoffsicherheitsbewertung:

Für diese Studie wurde der LC50-Wert bezogen auf die nominale Konzentration für 96 Stunden auf > 38 - < 60 mg/l festgelegt. Alternativ steht heute eine in-vitro Prüfung der akuten Toxizität an Fischeiembryonen zur Verfügung. Ein OECD-Standardprüfprotokoll liegt bereits vor, das aber noch nicht verabschiedet und in Kraft getreten ist. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass es beim Fischembryo im Gegensatz zum adulten Fisch zu Unterschieden in der Resorption und im Metabolismus der Fremdsubstanz kommen kann. Zur Prüfung auf neurotoxische Effekte ist diese Methode jedoch nicht geeignet.

Prüfung der Toxizität gegenüber Daphnien:

Diese Prüfung wurde in Anlehnung an die Prüfmethode OECD 202 an juvenilen Daphnien (Alter < 24 h) durchgeführt. Die Tiere wurden der Testsubstanz für 24 Stunden bei 20°C ohne Futterzugabe ausgesetzt. Es wurde die in diesem Test maximal lösliche Konzentration von 1 mg/l ATBC bei pH 7,1 geprüft. Nach 24 Stunden konnte keine Immobilisation der Daphnien beobachtet werden (Rübelt 1997).

Stoffsicherheitsbewertung: Es traten keine negativen Effekte bei den Daphnien auf. Die Konzentration bei der 50 % der Tiere immobilisiert werden (EC50) liegt damit mit > 1 mg/l oberhalb der Wasserlöslichkeit für diese Studie.

Prüfung der Toxizität gegenüber Algen:

Es wurde ein Test auf Hemmung des Algenwachstums gemäß OECD 201 durchgeführt (Lebertz 2009). Die Toxizität von ATBC wurde gegenüber der einzelligen Grünalgenart Desmodesmus subspicatus über mehrere Generationen untersucht. Der Test wurde in einem Kulturmedium über einem Zeitraum von 72 Stunden bei einer Temperatur von 24 – 25°C und einer Beleuchtungsstärke von ca. 8000 Lux durchgeführt. Es wurden fünf verschiedene ATBC-Konzentrationen getestet: 10, 20, 40, 80 und 100 mg/l (nominale Konzentration). Aufgrund der geringen Wasserlöslichkeit der Testsubstanz wurde mit dem WAF-Konzept (Water Accomodated Fraction) gearbeitet. Für jede Testkonzentration wurde eine Sättigungskonzentration hergestellt und die ungelöste Substanz abfiltriert. Die Stabilität der Testsubstanz über den Versuchszeitraum wurde IR spektroskopisch geprüft. Die Zelldichte wurde zu den Zeitpunkten 0, 24, 48 und 72 Stunden durch Trübungsmessung bestimmt. Der Endpunkt für diese Prüfung war die Abnahme der Wachstumsrate durch die Exposition mit der Prüfsubstanz ATBC. Als Ergebnis wurde der NOEC-Wert ermittelt, d.h. die höchste Konzentration, bei der noch kein statistisch signifikanter Effekt auf die Wachstums-rate im Vergleich zur Kontrolle auftrat. Der NOEC wurde über eine statistische Auswertung unter Verwendung der Programms ToxTatPro Version 2.10.03 berechnet.

Stoffsicherheitsbewertung: Der abgeleitete NOEC-Wert für diesen Test beträgt 4,7 mg/l. Die effektive Konzentration konnte nicht eindeutig bestimmt werden. Es muss davon aus-gegangen werden, dass ungelöste Anteile nicht vollständig entfernt wurden.

Hemmung der Atmung von Belebtschlamm:

In diesem Test gemäß OECD 209 konnte kein inhibitorischer Effekt beobachtet werden und somit keine Toxizität gegenüber Mikroorganismen gezeigt werden (Lebertz 2009). Ein inhibitorischer Effekt zeigt sich in einer Reduktion des Sauerstoffverbrauchs. Es wurde Belebtschlamm aus einer vorwiegend kommunalen Kläranlage verwendet. Die Prüfsubstanz wurde in synthetischem Abwasser getestet. Es wurde ein Limit-Test bei einer maximalen nominalen Konzentration von 1000 mg/l durchgeführt. Die Expositionsdauer betrug 3 Stunden unter ständiger Belüftung bei einer Temperatur von ca. 19°C und einem pH-Wert von 8. Die Hemmwirkung in % wurde berechnet aus dem gemessen Sauerstoffverbrauch der Probe mit ATBC im Vergleich zu 2 Proben ohne Prüfsubstanz. Als Positivkontrolle zur Überprüfung der Sensitivität des Belebtschlamms wurde 3,5-Dichlorphenol eingesetzt. Die Prüfergebnisse sind gültig, da die Differenz der Sauerstoffzehrung der beiden Kontrollen 15 % nicht überschritten hat und der EC50-Wert von 3,5-Dichlorphenol im Bereich zwischen 5 und 30 mg/l liegt.

Stoffsicherheitsbewertung: Die Testsubstanz führte zu keiner Hemmung, somit war auch eine Messung der Nitrifikation nicht erforderlich. Der EC10-Wert liegt damit bei > 1000 mg/l (nominal) bei einer Expositionszeit von 3 Stunden.

Gesamteinschätzung der aquatischen Toxizität:

Die Kurzzeitstudien im aquatischen Kompartiment zeigten keine akute Toxizität im Bereich bis zur Wasserlöslichkeit von ATBC, d.h. alle L(E)C-Werte liegen über der Wasserlöslichkeit.

Jedoch hat ATBC einen hohen LogKow und damit kann eine schädliche Langzeitwirkung auf die Wasserorganismen nicht ausgeschlossen werden. Laut CLP-Verordnung wäre für ATBC mit einem LogKow von 4,86 eine Einstufung als chronisch gewässergefährdend erforderlich (Kriterium: LogKow ≥ 4 oder BCF ≥ 500). Mit zunehmenden LogKow nimmt die aquatische Toxizität im Allgemeinen zu. Mit dem LogKow erhöht sich die Affinität zu biologischen Membranen und damit kann es zur Störung der Membranfunktion kommen (z.B. Schädigung membranständiger Proteine durch hydrophobe Wechselwirkungen). Da kein experimentell ermittelter Biokonzentrationsfaktor vorliegt, wurde der NOEC-Wert für die chronische Toxizität bestimmt, um die Einstufung abzusichern. Daphnien erwiesen sich in den akuten Studien als die empfindlichste Spezies im aquatischen Bereich, so dass eine chronische Studie mit Wasserflöhen durchgeführt wurde. Hierzu wurde ein Limit-Test an der Grenze der Wasserlöslichkeit durchgeführt.

4.3.2 Chronische aquatische Toxizität

Prüfung der chronischen Toxizität gegenüber Daphnien:

Ein Daphnien-Vermehrungstest gemäß OECD 211 wurde durchgeführt (Kuhl, Wydra 2010).

Junge weibliche Daphnien (die Elterntiere), die zu Beginn der Prüfung weniger als 24 Stunden alt waren, wurden der im Wasser gelösten Prüfsubstanz ausgesetzt. Die Dauer der Exposition betrug 21 Tage bei einer Wassertemperatur von ca. 20°C, mit 16 Stunden Licht und 8 Stunden Dunkelheit. Als geeignetes Prüfmedium wurde M4 (Elendt) verwendet. Der semistatische Test wurde als Limit-Test bei der maximal löslichen Konzentration von nominal 1,5 mg/l Testsubstanz in 100 mg DMF/l durchgeführt. Zur Kontrolle wurde ein Ansatz nur mit DMF und einer nur mit Medium getestet. Es wurden jeweils 10 Daphnien pro Test eingesetzt.

Täglich untersucht und protokolliert wurden die Mortalität der Elterntiere und die Anzahl der Nachkommen. Während des Tests gab es keine Anzeichen für eine toxische Wirkung bei den Daphnien. Es konnte kein inhibitorischer Effekt auf die Reproduktionsleistung der Daphnien festgestellt werden. Über eine LC-MS/MS Analytik wurde die mittlere effektive ATBC-Konzentration im Prüfmedium mit 1,11 mg/l quantifiziert. Nachfolgend eine grafische Darstellung der Anzahl der lebensfähigen Nachkommen für die Testsubstanz im Vergleich zu den Kontrollen über den Zeitraum von 21 Tagen:

Abbildung 4: Anzahl der lebensfähigen Nachkommen (Mittelwert) pro Elterntier über den Versuchszeitraum (Quelle: Abschlussbericht IBACON Projekt 56471221)

Stoffsicherheitsbewertung: Der NOEC-Wert beträgt ≥ 1,11 mg/l für die Reproduktions- und Überlebensrate. Es konnte mit dieser Studie gezeigt werden, dass der NOEC-Wert für die chronische Toxizität über dem Einstufungskriterium > 1 mg/l lag. Gleichzeitig liegt das Ergebnis auch über der Wasserlöslichkeit für diesen Test. Eine Einstufung als chronisch gewässergefährdend ist somit nicht erforderlich und auf eine Prüfung der Langzeittoxizität an Fischen wurde verzichtet.

4.3.3 Toxizität für Boden- und Sediment-Organismen

Gemäß der REACH-Verordnung Anhang IX, 9.4 kann für diesen Endpunkt zur Ermittlung der akuten schädlichen Wirkung die Gleichgewichtsverteilungsmethode angewendet werden.

Diese Berechnungsmethode kann bei fehlenden experimentellen Ergebnissen zur Ermittlung des PNEC (predicted no effect concentration) herangezogen werden. Hier geht man davon aus, dass die Empfindlichkeit der Boden- bzw. Sediment-Organismen mit denen im aquatischen Bereich gleichzusetzen ist. Ein Unterschied ergibt sich somit nur aus der Verteilung der Substanz im betroffenen Kompartiment. Die Bioverfügbarkeit hängt von den physikalisch-chemischen Eigenschaften und hier insbesondere vom Adsorptionskoeffizienten ab. Eine Exposition der Organismen erfolgt über den im Porenwasser von Boden oder Sediment gelösten Anteil der Substanz. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Exposition für Teilchenfresser bei sehr adsorptiven Stoffen erheblich höher sein. Diese Methode kann zu Fehleinschätzungen führen, speziell für Substanzen, die einen hohen

0 200 400 600 800 1000 1200 1400

days

Offspring

Control Solvent 1.5 mg/L

2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

LogKow (> 5) aufweisen. Es gibt leider noch zu wenig Erfahrung zur Wirkung von Chemikalien in Boden und Sediment. Die Ergebnisse zur Berechnung für ATBC werden im Abschnitt 5.2 vorgestellt.

Eine chronische schädliche Wirkung für sediment- und bodenbewohnende Organismen ist nicht zu erwarten, da ATBC im Boden leicht biologisch abbaubar ist und weder PBT noch vPvB Eigenschaften besitzt. Zur weiteren Absicherung könnte ein Versuchsvorschlag zur chronischen Toxizität an Regenwürmern und/oder Insekten mit den Endpunkten Wachstum und Reproduktion bei der Behörde vorgelegt werden.

4.4 Toxikologische Eigenschaften