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Studie IIa: Gewinnung und Kultivierung von GABAergen Vorläuferzellen

4. Material und Methoden

4.4. Studie Ib: Fokale Applikation von Botulinumtoxin

4.5.2. Studie IIa: Gewinnung und Kultivierung von GABAergen Vorläuferzellen

GABAerge Vorläuferzellen wurden in unserem Institut aus Rattenfeten präpariert und kulti-viert. Für die Gewinnung der GABAergen Vorläuferzellen wurde die laterale oder mediale ganglionische Eminenz (LGE bzw. MGE) des sich entwickelnden Telencephalons aus Ratten-feten präpariert und das Gewebe nach Protokollen der Arbeitsgruppe um Ashok Shetty

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(HATTIANGADY et al. 2008; WALDAU et al. 2010; s. Abb. 15) aufbereitet. Sie konnten zeigen, dass sich nach Transplantation in die CA3 des Hippokampus aus LGE-Zellen etwa 70 % der überlebenden Zellen in GABAerge Neurone entwickeln (HATTIANGADY et al.

2008). Aufgrund der Ergebnisse unserer ersten Transplantationsstudien im PTZ-Modell (s. Abschnitt 5.5.3) und Schwierigkeiten bei der Verpaarung der Spendertiere, verwendeten wir in der Folge auch Vorläuferzellen aus der MGE nach einem neueren Protokoll der AG Shetty (WALDAU et al. 2010). Aus MGE-Vorläuferzellen waren drei Monate nach Transplantation 10 % der überlebenden Zellen positiv für einen anti-GABA Antikörper (WALDAU et al. 2010). Allerdings differenzierte sich etwa die Hälfte der MGE-Zellen in GDNF-positive Astrozyten. GDNF selbst besitzt antikonvulsive Eigenschaften (KANTER-SCHILFKE 2007), so dass auch die Astrozytenpopulation für die Anfallsunterdrückung von Nutzen sein könnte. Mit beiden Zellpopulationen, aus LGE und MGE, erzielte die Gruppe um Ashok Shetty deutliche antikonvulsive Effekte in einem chronischen Epilepsiemodell (HATTIANGADY et al. 2008; WALDAU et al. 2010), so dass wir uns entschieden, beide Hirnregionen zur Präparation von Vorläuferzellen zu nutzen (s. Abb. 15).

Abb. 15 Verwendete Zellen für die Transplantation GABAerger Vorläuferzellen.

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Für die Gewinnung von Feten wurden weibliche Wistar-Ratten in unserem Institut terminiert verpaart (Tag nach der Verpaarung 0,5). Beginnend an Tag 11,5 nach Verpaarung wurde täg-lich Bromodeoxyuridin (5-bromo-2’-deoxyuridine, BrdU) intraperitoneal injiziert (50 mg/kg).

Die Injektion erfolgte bei einer vertikal gehaltenen Ratte im dorsal gelegenen Abdomen, um die Feten nicht zu verletzen. BrdU ist ein synthetisches Nukleosid, das als Thymidin-Ana-logon während der DNA-Replikation in proliferierenden Zellen anstelle von Thymidin in die DNA integriert wird. Es konnte gezeigt werden, dass auf diese Weise 93 % der Vorläufer-zellen mit BrdU markiert werden (ZAMAN et al. 2000; HATTIANGADY et al. 2008). So können die Zellen nach Transplantation immunhistologisch von den Wirtszellen des Empfän-gertieres unterschieden werden. Für die Entnahme der Feten an Tag 14,5 (WALDAU et al.

2010) wurden die Muttertiere zunächst palpatorisch auf Anzeichen einer Trächtigkeit unter-sucht und bei positivem Tastbefund für eine Hysterektomie tief anästhesiert (Chloralhydrat, i.p., 360 mg/kg, gelöst in 0,9 % NaCl, Injektionsvolumen 10 ml/kg). Die Bauchhöhle wurde eröffnet und der tragende Uterus entfernt. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Muttertier intrakar-dial euthanasiert (Chloralhydrat nach Wirkung dosiert). Der Uterus wurde eröffnet und die Embryonen aus Amnion und Chorion herausgelöst und in einer Petrischale mit kaltem Kulti-vierungsmedium (s. Abschnitt 10.2) gesammelt. Die Embryonen waren zu diesem Zeitpunkt etwa 1 cm groß. Der Kopf wurde abgetrennt und die Vorderhirnblase (s. Abb. 16) vom Rest des Gehirns entfernt und in eine weitere Petrischale überführt.

Dort wurde unter Zuhilfenahme eines Stereomikroskops das Telencephalon eröffnet, sodass beide Hemisphären sichtbar wurden. Nun wurden die laterale und mediale ganglionische

Abb. 16 Schematische Darstellung des Vorder- und Mittelhirns eines E 14 Ratten-fetus. Modifiziert nach RALLU et al. 2002.

Abb. 17 Schematische Darstellung des eröffneten Telencephalons mit Blick auf die laterale und mediale ganglionische Eminenz. Modifiziert nach FARRIES 2001.

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Eminenz (LGE bzw. MGE), die sich als zwei basolateral gelegene, unterschiedlich große Bla-sen vom Restgewebe abhoben (s. Abb. 17), herauspräpariert und separat in Falcons mit eisge-kühltem Dissoziationsmedium (s. Abschnitt 10.2) aufgefangen.

Auf diese Weise wurde mit allen Embryonen verfahren, die sich im gleichen Entwicklungs-stadium befanden und keine Zeichen von pathologischen Prozessen aufwiesen. Im Anschluss an die Präparation wurden die Falcons mit dem so gewonnenen Gewebe unter die sterile Zell-kulturbank verbracht und das Material durch vorsichtiges Titruieren mit einer Pasteurpipette mit rund-geschmolzener Öffnung zerkleinert. Ab diesem Schritt haben wir zwei unterschied-liche Protokolle der AG Shetty verfolgt.

1. Direkte Zelltransplantation, modifiziert nach HATTIANGADY et al. (2008):

Dieses Protokoll wendeten wir zu Beginn unserer Studie an, als wir selbst Ratten terminiert verpaarten und die tragenden Tiere mit BrdU behandelten. Für eine Übersicht über verwen-dete Medien und Zusätze, s. Abschnitt 10.2.

Das Gewebematerial wurde nach Gewinnung durch Zugabe von frischem Dissoziationsme-dium verdünnt und anschließend durch 70 µm-Filter in ein 50 ml Falcon überführt. Es folgte ein Waschschritt (Zentrifugation bei 200 G für 8 min bei 4 °C). Das Pellet wurde resuspen-diert und zwei weitere Male durch Zentrifugation gewaschen. Die Zellzahl und Viabilität wurde anschließend mittels Trypanblaufärbung evaluiert und bei einer Rate an vitalen Zellen über 75 % eine Inkubation in Proliferationsmedium durchgeführt. Dem Proliferationsmedium wurde der Caspase-Inhibitor Ac-YVAD-cmk (500 µM, Enzo Life Sciences, Lörrach) und der neurotrophische Faktor FGF-2 (200 ng/ml, PAN Biotech, Aidenbach) zugesetzt, diese Be-handlung führte laut HATTIANGADY et al. (2008) zu einer erhöhten Rate an überlebenden Zellen nach Transplantation. Es folgte eine Inkubation von drei Stunden auf einem Schüttler im Brutschrank bei 37 °C. Anschließend wurden die Zellen erneut zweimal durch Zentrifuga-tion wie oben beschrieben gewaschen und gezählt. Die Resuspension des Zellpellets erfolgte nun mit 40 µl Neurobasal®-Medium (Invitrogen, Darmstadt). Die Viabilität der Zellen wurde erneut überprüft, danach wurde die Zelldichte für die Transplantation auf 1x105 lebende Zel-len pro µl eingestellt.

2. Zelltransplantation nach Kultivierung, modifiziert nach WALDAU et al. (2010):

Dieses Protokoll verwendeten wir, nachdem die Generierung tragender Tiere in unserem Institut nicht mehr möglich war. Mögliche Ursachen für die schlechten

Verpaarungsergeb-61

nisse, das Verwerfen tragender Tiere sowie eine gestörte Embryonalentwicklung könnten einerseits eine vom Züchter berichtete endemische Keimbelastung des von uns verwendeten Rattenstammes sein, andererseits auch eine Lärmbelastung der Tiere durch Bauarbeiten in unserem Institut. Aus diesem Grund bestellten wir terminiert tragende Ratten eines nicht keimbelasteten Stammes vom Versuchstierzüchter (RccHan®, Harlan, Horst, Niederlande).

Da diese Tiere am Tag der Fetenentnahme (Tag 14 nach Befruchtung) geliefert wurden, konnten wir keine in-utero Markierung mit BrdU durchführen. Daher haben wir das Protokoll von WALDAU et al. (2010) verwendet, nach dem die Zellen zunächst als Stammzellen kulti-viert und während dieser Zeit in-vitro markiert werden können. Für eine Übersicht über die verwendeten Medien und Zusätze s. Abschnitt 10.2. Dem Protokoll folgend wurden die Zellen nach Gewinnung in einem Kulturmedium (unter Zusatz von B-27® Supplement ohne Retinsäure) mechanisch dissoziiert. Danach wurden sie durch Zentrifugation gewaschen (200 G, 8 min, 4-8° C). Die Zellzahl und Viabilität wurde anschließend mittels Trypanblaufärbung evaluiert. Etwa 300000 Zellen wurden jeweils in eine T25 Zellkulturflasche (Greiner) mit 5 ml angewärmtem Proliferationsmedium überführt und unter Standardbedingungen (37 ° C, 5 % CO2) für etwa eine Woche kultiviert. Während dieser Kultivierungsphase wurde je nach Bedarf Medium zugegeben und adhärente Zellen wurden durch Schwenken der Flasche vom Boden gelöst. Durch die Zugabe von bestimmten Wachstumsfaktoren („fibroblast growth factor 2“, FGF-2, 20 ng/ml und „epidermal growth factor“, EGF, 20 ng/ml) und den Verzicht auf Retinsäure blieben die Zellen in einem Vorläuferstadium, proliferierten und bildeten sogenannte “Neurosphären” in Kultur, d.h. einzelne Zellen lagerten sich zu kugeligen Gebilden zusammen, die frei schwebend im Medium wuchsen. Die Faktoren verhinderten ein weiteres Differenzieren der Zellen. Während der Zeit der Kultivierung wurden die Zellen durch Zugabe von BrdU (10 ng/ml) markiert. Nach einer Woche in Kultur konnten die Zellen für Transplantationsversuche verwendet werden. Die Zellen wurden teilweise vor der Transplantation vereinzelt (durch Zusatz von 3 ml Accutase® und mechanische Dissoziation); zum größten Teil wurden sie aber als ganze Neurosphären transplantiert.

Transplantationsmedium war auch hier Neurobasal®-Medium (Invitrogen, Darmstadt).

Alternativ konnten die Zellen nach Aufteilung für 1-2 Passagen weiter kultiviert werden. Für das Passagieren der Zellen wurde das verbrauchte Medium mit den Neurosphären entnommen und in ein Falcon überführt. Es wurde etwa 10 Minuten gewartet, bis sich die Neurosphären

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deutlich sichtbar am Boden des Falcons abgesetzt hatten. Dann wurde der Überstand entfernt.

Zeitgleich wurden in die ehemalige Kulturflasche etwa 3 ml Accutase® (Invitrogen, Darm-stadt) pipettiert, um bereits adhärent gewordene Sphären abzulösen. Hierfür wurde die Flasche für einige Minuten zur Inkubation zurück in den Brutschrank gestellt. Nach Ablauf dieser Zeit wurde mikroskopisch kontrolliert, ob die Zellen sich abgelöst hatten und im posi-tiven Falle die Accutase® mitsamt den Zellen zu dem abgesunkenen Zellpellet gegeben.

Durch mehrmaliges Auf- und Abpipettieren mit kleiner werdendem Pipettenspitzendurch-messer bis hin zu einer rund-geschmolzenen Pasteurpipette, wurden die Sphären mechanisch dissoziiert. Danach wurden sie zentrifugiert (200 G, 8 Minuten bei Raumtemperatur) und der Überstand entfernt. Im Anschluss wurden sie je nach Zelldichte 1:2 bzw. 1:4 auf neue Ge-webskulturflaschen aufgeteilt. Anstelle einer Passage war auch das Einfrieren der Zellen etwa 1:10 in Gefriermedium (Kulturmedium mit 10 % Dimethylsulfoxid, DMSO) zunächst für 24 Stunden bei – 80 °C und danach in flüssigem Stickstoff möglich.

Während der letzten in-vitro Versuche meiner Arbeit wurden in einer Zelllinie einer Kollegin innerhalb unseres Zellkulturbereiches eine veränderte Morphologie und ein schlechtes Wachstumsverhalten nach Auftauen festgestellt. Bis zur Feststellung der Ursache setzen wir prophylaktisch Antibiotika (Penicillin/Streptomycin, 100 µg/ml, Biochrom AG, Berlin) und Antimykotika (Fungizone, 0,25 µg/ml, Invitrogen) zu unseren Primärzellkulturen zu (s. Abschnitt 10.2). Verschiedene Tests ergaben, dass die Zelllinie mit Mykoplasmen befallen war. Sie wurde entsorgt und die Zellkulturräumlichkeiten gereinigt und desinfiziert. Wir führten auch an unseren Primärzellen wiederholt Mykoplasmentests (Venor®GeM Advance, Minerva Biolabs) durch, alle für Versuche verwendeten Zellen waren frei von Mykoplasmen.