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3 Empirische Ergebnisse

3.2 Analyse des Gesamtmodells

3.2.7 Strukturelle Grössen

Erwerbslaufbahnen sind stark vom institutionellen und strukturellen Umfeld in denen sie einbettet sind, determiniert. In diesem Abschnitt wird es darum gehen, die allgemeine strukturelle Einbettung der Er-werbsmarktperformance zu erkunden, um in den nächsten Abschnitten deren spezifische Einfluss auf die ausländischen Erwerbstätigen besser zu verstehen.

Berufe, Branchen und konjunkturellen Dimensionen prägen die individuelle Wahrscheinlichkeit erwerbslos zu werden. Eine erhöhte regionale Erwerbslosigkeit dürfte die individuelle Erwerbslosigkeitswahrschein-lichkeit negativ beeinflussen. Um die regionale Erwerbslosigkeit zu operationalisieren, haben wir für die Volkszählungauswertung die kantonale Erwerbslosenquote des Jahres 2000 verwendet. In den SAKE

Da-BASS

ten konnten wir auf Grund ihrer Panelstruktur über die Periode 92-03 die jährlichen kantonalen Erwerbs-losenquoten sowie deren Veränderungen, aber auch die kantonale jährliche Arbeitsmarktanspannung integrieren31. Damit sind wir in der Lage den konjunkturellen Verlauf und dessen strukturellen Einfluss auf die individuelle Erwerbslosigkeit in den SAKE Auswertungen besser zu berücksichtigen.

Ähnliches lässt sich vom geographischen Umfeld sagen. Grosse Städte bieten einerseits diversifizierte und breite Erwerbsmöglichkeiten an, ziehen aber gleichzeitig ein grosses Arbeitskräfteangebot an. Es darf daher vermutet werden, dass der Gemeindetyp und die Gemeindegrösse, in der sich Individuen aufhalten, einen Einfluss auf die individuelle Erwerbslosigkeit besitzen. Ähnliches kann für die Rolle der Grossregio-nen vermutet werden, die regioGrossregio-nenspezifische wirtschaftspolitische Eigenschaften aufweisen.

Die Auswertung der strukturellen Einflussgrössen der Volkszählung in Tabelle 29 zeigt die Rolle der gene-rellen Erwerbslosigkeit auf die individuelle Wahrscheinlichkeit erwerbslos zu sein. Steigt die generelle Er-werbslosigkeit um 1 Prozent, steigt das relative Chancenverhältnis um 7 Prozent. Die Rolle des Gemeinde-typs deutet auf eine Konzentration der Erwerbslosigkeit in den grossen Ballungszentren hin. Individuen, die in agrarischen, agrar-gemischten und touristischen Gemeinden leben, weisen ein deutlich tieferes Chancenverhältnis auf als diejenigen, die in den Zentren leben. Ähnliches gilt für die Einwohner/innen der Deutschschweizer Kantone, insbesondere der Zentralschweiz, wo das Chancenverhältnis 0.68 des Chan-cenverhältnisses der Region lémanique und gar der Hälfte des ChanChan-cenverhältnisses des Kantons Tessin entspricht.

Tabelle 29: Der korrigierte (*) Einfluss der strukturellen Merkmale auf das relative Erwerbslosigkeitsrisiko (Chancenverhältnis im Vergleich zur jeweiligen Referenzgruppe) – Volkszählung

Strukturelle Eigenschaft Exp (B) Sig

Kantonale Erwerbslosenquote 1.07***

mehr als 100 000 (=Referenz) 1.00 Grösseklasse der Gemeinde

Industrielle und tertiäre Gemeinden 0.94**

Suburbane Gemeinen 0.99 Gemeindetyp

Région lémanique (=Referenz) 1.00 Wirtschaftsregion

Ticino 1.28***

(*) Korrigiert: Grundlage sind die Regressionsschätzungen, die für verschiedene Einflussfaktoren korrigieren; Unkorrigiert: Grundlage sind die effektiv beobachteten Erwerbslosenquoten;

*** : Signifikanz auf dem 1-Prozent Niveau, **: Signifikanz auf dem 5% Niveau, *: Signifikanz auf dem 10% Niveau Quelle: BFS, Volkszählung 2000 (vgl. Anhang Tabelle A1)

31 Die Arbeitsmarktanspannung ist in keinem Modell statistisch signifikant. Wir haben diese Variable nicht weiter berücksichtigt.

BASS

SAKE-Daten 1992 bis 2003

Beziehen wir uns auf die SAKE Auswertungen, können wir die Rolle der Branchen- und Berufszugehörig-keit berücksichtigen und den Einfluss der lokalen Erwerbslosenquote auf die Beschäftigungsperformance besser abbilden, da wir den ganzen Konjunkturverlauf analysieren. Aus Gründen der Übersichtlichkeit haben wir den Gemeindetyp und die Gemeindegrösse durch die Dummy-Variable Agglomeration ersetzt.

Die SAKE Auswertungen sind, auch was die Bedeutung der strukturellen Einflussfaktoren auf die Erwerbs-losenwahrscheinlichkeit angeht, den Volkszählung-Auswertungen sehr ähnlich. Eine höhere lokale Er-werbslosigkeit führt zu einer Verschlechterung der Beschäftigungsperformance. Eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage führt somit erwartungsgemäss zu einem erhöhten individuellen Erwerbslosigkeitsri-siko. In einer Agglomeration zu wohnen erhöht zudem das Chancenverhältnis um knapp 20 Prozent. Die Berücksichtigung der jährlichen kantonalen Erwerbslosenquote reduziert den regionalen Einfluss auf die Beschäftigungsperformance. Im Gesamtmodell scheint nur noch die Zentralschweiz günstigere Beschäfti-gungszustände zu bewirken32.

Dank der retrospektiven Fragen ist es möglich, die Rolle der jetzigen und der früheren Branchen- und Berufszugehörigkeit auf die Erwerbslosigkeit zu eruieren. Die Hypothese von Esping-Andersen zur Logik der post-industriellen Gesellschaft ist, dass Erwerbstätige des klassischen fordistischen Produktionssystems von einer erhöhten Erwerbslosigkeit betroffen werden. Dies gilt insbesondere für niedrigqualifizierte Ar-beitskräfte in Arbeitsmärkten, die der beruflichen Ausbildung eine grosse Rolle zuteilen. Aber auch gewis-se Bereiche des post-fordistischen Produktionssystems, wie der Sektor für persönliche Dienstleistungen, weisen eine erhöhte Erwerbsinstabilität in der Form von erhöhter Erwerbslosigkeit auf. Für die erste Grup-pe wird dies damit begründet, dass die Produktivitätszunahmen durch keine entsprechende erweiterte Produktionsmenge kompensiert werden, was zur einer Abnahme der Beschäftigungsnachfrage in diesem Sektor führt. Die Beschäftigungsperformance von Stellen des persönlichen Dienstleistungssektors wird hingegen vom Baumol-Prinzip charakterisiert. Das geringe relative Produktivitätswachstum muss durch sinkende relative Löhne und schwierigere Arbeitsbedingungen kompensiert werden.

So zeigen die Auswertungen in Tabelle 30, dass diese zwei Branchen zusammen mit der Kategorie „kei-ne Angaben“ die grösste Erwerbsinstabilität aufweisen. In den sozialen Dienstleistungen tätig gewesen zu sein, scheint die Erwerbslosenwahrscheinlichkeit hingegen zu reduzieren. Etwas überraschend ist der nicht signifikante Einfluss der öffentlichen Verwaltung. Was die Rolle der Berufserfahrung anbelangt, so ist die Kategorie „ohne Angaben“, die mehrheitlich aus dem Status „frühere Erwerbslosigkeit“ besteht, die stärkste Variable, die die aktuelle Erwerbslosigkeit beeinflusst. Ob diese Zustandsabhängigkeit auf Grund eines Stigmatisierungsprozesses der Erwerbslosigkeit oder auf Grund nicht beobachteter Eigenschaften wie zum Beispiel mangelnder Motivation entsteht, kann mit diesem Ansatz nicht beantwortet werden.

Berufe mit hohem Prestige, wie technische und akademische Berufe, weisen das niedrigste Chancenver-hältnis auf. Dies lässt sich durch die oft mit diesen Stellen verbundenen hohen Ausbildungskosten erklä-ren. Andrerseits überrascht die höhere Erwerbslosigkeit von Führungskräften. Ohne Berücksichtigung der Haushaltressourcen wäre dieser Parameterwert nicht signifikant gewesen. Kontrolliert man somit den stabilisierenden Einfluss von höheren Löhnen, weisen Führungskräften eine leicht höheres Risiko auf er-werbslos zu sein.

32 Diese Regioneninformationen werden wir in den spezifischen Submodellen nicht mehr berücksichtigen, da die Variablen keine statistisch signifikanten Einfluss aufweisen und die konjunkturellen Einflüssen über die Variable lokale Erwerbslosigkeit bereits be-rücksichtigt werden.

BASS

Tabelle 30: Der korrigierte (*) Einfluss der strukturellen Merkmale auf das relative Erwerbslosigkeitsrisiko (Chancenverhältnis im Vergleich zur jeweiligen Referenzgruppe) – SAKE

Strukturelle Eigenschaft Exp (B) Sig

Kantonale Erwerbslosenquote 1.14 ***

Gemeindetyp Agglomeration 1.19 ***

Primärer Sektor 0.34 ***

Soziale Dienstleistungen 0.52 ***

unternehmerische Dienstleistungen 0.83 * Distribution und Vertrieb 0.86 * Industrieller Sektor (=Referenz) 1.00

Öffentliche Verwaltung 0.97

Persönliche Dienstleistungen 1.01 Branche

Keine Angaben 2.10 ***

Hilfsarbeiter/innen 0.58 ***

Fachkräfte in den ersten Sektor 0.62 **

akad. Berufe 0.70 ***

techn. Berufe 0.88

Maschinen Bediener/innen 0.95

Dienst Berufe 0.98

Handwerker/innen (=Referenz) 1.00

Führungskräfte 1.35 **

kauf Angestellte 1.21 **.

Berufe

Ohne Angabe/ Erwerbslos 8.80 ***

Zentralschweiz 0.71 ***

Ostschweiz 0.85 Ticino 0.88

Espace Mittelland 0.92

Nordwestschweiz 0.94 Région lémanique (=Referenz) 1.00

Region

Zürich 1.04 (*) Korrigiert: Grundlage sind die Regressionsschätzungen, die für verschiedene Einflussfaktoren korrigieren; Unkorrigiert: Grundlage

sind die effektiv beobachteten Erwerbslosenquoten;

*** : Signifikanz auf dem 1-Prozent Niveau, **: Signifikanz auf dem 5% Niveau, *: Signifikanz auf dem 10% Niveau Quelle: BFS, SAKE 92-03 (Schätzung nach dem Modell 3 (vgl. Anhang Tabelle A28), ergänzt mit den Regionenvariablen)