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Direkte und indirekte Messung der Diskriminierung

3 Empirische Ergebnisse

3.2 Analyse des Gesamtmodells

3.2.8 Direkte und indirekte Messung der Diskriminierung

In den bisherigen Abschnitten haben wir mit dem Geschlecht und dem Integrationsgrad zwei potenzielle Dimensionen der Diskriminierung von Ausländer/innen und Eingebürgerten untersucht. Die Frage der Herkunftsländer werden wir in den Abschnitten 3.3 und 3.4 betrachten. An dieser Stelle möchten wir die Diskriminierungsfrage direkt und indirekt untersuchen. Im ersten Unterabschnitt wenden wir ein innovati-ves Verfahren, welches von Gerfin/Lechner (2000) beschrieben wurde an.33 Im zweiten Unterabschnitt wird die Diskriminierungsfrage indirekt aus den Ergebnissen der logistischen Regression abgeleitet.

3.2.8.1 Direkte Messung der Diskriminierung

Die Grundidee des sog. Matchingverfahrens besteht darin, dass Personen nur dann miteinander verglichen werden sollten, wenn sie ähnliche Voraussetzungen mitbringen, welche für das zu vergleichende Ereignis wichtig sind.34 So ist die Wahrscheinlichkeit, erwerbslos zu sein, für gut ausgebildete 28-jährige Schweizer in Zürich sicher anders, als für 54 jährige schlecht ausgebildete Ausländerinnen in Brig. Ist man am Ver-gleich zwischen Schweizer/innen und Auslände/innen interessiert, sollten die in Zürich wohnenden, gut

33 Die Schätzungen wurden von Prof. Gerfin, Universtität Bern, durchgeführt. Die Darstellung der Ergebnisse verantwortet das Büro BASS.

34 Eine detaillierte Beschreibung des Matchinverfahrens liefert bspw. Gangl/di Prete (2004)

BASS

ausgebildeten Schweizer deshalb mit gut ausgebildeten, gleichaltrigen Ausländern, welche auch in Zürich wohnen, verglichen werden. Genau diese Idee wird mit dem Matchingverfahren verfolgt.

Mit Hilfe eines statistischen Verfahrens (Propensity Score Matching) wird in einem ersten Schritt der Analy-se für jeden Schweizer bzw. für jede Schweizerin im Datensatz nach einer vergleichbaren, d.h. mit denAnaly-sel- densel-ben Merkmalen ausgestatteten ausländischen Person «gesucht». Die Resultate bilden die Basis für einen neuen Datensatz, in dem jedem Schweizer bzw. jeder Schweizerin ein «vergleichbarer» Ausländer bzw.

eine «vergleichbare» Ausländerin gegenüber steht. Der Datensatz wird nach den vorgängig definierten Kriterien, den zu berücksichtigenden Ausstattungsmerkmalen, «gematched».

Für das Matching, d.h. das Generieren des neuen, «gematchten» Datensatzes, wurden folgende Variablen berücksichtigt:

■ Alter

■ Höchste abgeschlossene Ausbildung

■ Zivilstand

■ Kinder bis 24

■ Alleinerziehend

■ Umgangssprache zu Hause oder Beruf

■ Erwerbslosenquote im Wohnkanton

■ Grösseklasse der Wohngemeinde

■ Gemeindetyp

■ Wirtschaftsregion

Wichtig ist der Hinweis, dass die Sprachkomptenz für das Matching nicht verwendet werden konnte, weil sich diese Variable zwischen Schweizer/innen und Ausländer/innen zu stark unterscheidet. Ebenfalls aus-geschlossen wurden Variablen, die nur für den einen oder anderen Bevölkerungsteil vorliegen (bspw. die Nationalität).

Mit dem neuen Datensatz wird dann in einem zweiten Schritt mit Hilfe einer logistischen Regression ge-schätzt, welche Effekte die einzelnen erklärenden Variablen auf die Wahrscheinlichkeit haben, erwerbslos zu sein. Mit Hilfe einer Dummy-Variablen, welche Auskunft drüber gibt, ob jemand AusländerIn oder SchweizerIn ist, wird der Einfluss dieser Variablen neuerlich geprüft. Würde die Wahrscheinlichkeit, er-werbslos zu sein, vollständig von den zum «matchen» verwendeten Ausstattungsmerkmalen erklärt, müsste der geschätzte Einfluss der «AusländerInnen-Dummy» gleich null sein, da der Datensatz in Bezug auf diese Merkmale gematched wurde und in dieser Variable folglich keine Varianz mehr vorhanden wäre.

Zeigen die Resultate jedoch noch einen signifikanten Einfluss der Variable «Nationalität», bedeutet dies, dass trotz gleicher Ausstattungsmerkmale die Tatsache, dass jemand einen Schweizer Pass besitzt oder nicht, einen von den Ausstattungsmerkmalen unabhängigen Einfluss besitzt. Die so erzielten Resultate können mit den Resultaten derselben logistischen Regressionsgleichung, welche mit dem ungematchten Datensatz erzielt wurden, verglichen werden.

Das Matching-Verfahren wurde zweimal, jeweils getrennt nach Geschlecht, durchgeführt. Im Zusammen-hang mit der Fragestellung interessiert der Vergleich der geschätzten Effektkoeffizienten der «Dummy-Variablen», welche zwischen AusländerIn und SchweizerIn unterscheidet. In Tabelle 31 werden diese

BASS

Koeffizienten, einmal vor und einmal nach dem Matching, jeweils für die Männer bzw. für die Frauen, ausgewiesen.35

Tabelle 31: Parametervergleich für Männer bzw. Frauen erwerbslos zu sein mit Matchingverfahren

Vor Matching Nach Matching Erklärter Anteil Exp (B) Sig Exp (B) Sig

Männer

Dummy-Ausländer 1.33 *** 1.09 * 72.7%

Pseudo-R2 12.0% 14.3%

Frauen

Dummy-Ausländerin 1.33 *** 1.17 * 48.5%

Pseudo-R2 13.5% 19.3%

Quelle: Volkszählung 2000, BfS (Berechnungen durch Prof. Gerfin, Uni Bern)

Die Resultate, welche mit dem Datensatz vor dem Matching erzielt werden, weisen darauf hin, dass so-wohl Frauen als auch Männer mit ausländischer Nationalität im Vergleich zu Männern bzw. Frauen mit schweizerischer Nationalität unter Kontrolle der in der logistischen Regressionsanalyse berücksichtigten Variablen ein um 33 Prozent höheres Risiko aufweisen (1-1.33), erwerbslos zu sein36.

Wird ein Datensatz verwendet, welcher mit Hilfe des Matching-Verfahrens nur «vergleichbare» Schweize-rInnen und AusländeSchweize-rInnen enthält, reduziert sich der Unterschied, welcher in Bezug zum Erwerbslosig-keitsrisiko steht, bei den Männern um 72.7 Prozent und bei den Frauen um 48.5 Prozent37. Ausländische Männer haben unter Berücksichtigung gleicher Ausstattungsmerkmale ein um 9 Prozent höheres Risiko erwerbslos zu sein als Schweizer Männer. Bei ausländischen Frauen ist dieses Risiko im Vergleich zu den Schweizerinnen um 17 Prozent höher. Allerdings sind die Koeffizienten nur schwach signifikant.

Die Resultate verweisen darauf, dass auch «vergleichbare» Schweizer/innen und Ausländer/nnen ein un-terschiedliches Risiko aufweisen, von Erwerbslosigkeit betroffen zu sein. Es kann jedoch gezeigt werden, dass, je homogener die Vergleichsgruppen in Bezug auf ihre Ausstattungsmerkmale sind, um so geringer die Unterschiede zwischen der schweizerischen und ausländischen Bevölkerung ausfallen. Die ursprüngli-che geschätzte Differenz von 33 Prozent wird bei den Männern um ca. drei Viertel und bei den Frauen fast um die Hälfte reduziert. Die Unterschiede bei den Männern lassen sich demnach mit den beobachtba-ren Ausstattungsmerkmalen besser erkläbeobachtba-ren als bei den Frauen.

Wenn wir berücksichtigen, dass wir die Sprachkompetenz nicht als Matchingkriterium verwenden konn-ten und gleichzeitig die Koeffizienkonn-ten nur schwach signifikant sind, muss die Frage aufgeworfen werden, ob unter Berücksichtigung dieser Variable überhaupt noch ein signifikanter Diskriminierungseffekt resul-tiert hätte.

3.2.8.2 Indirekte Messung der Diskriminierung

In den bisherigen Abschnitten haben wir jeweils die unkorrigierten und die korrigierten Erwerbslosigkeits-risiken unterschieden. Die unkorrigierten ChancenErwerbslosigkeits-risiken ergeben sich dabei als Division der beobachteten

35 Wir haben uns auf Grund des komplexen Verfahrens für die Berechnungen auf eine 10 Prozent Stichprobe der Volkszählung 2000 beschränkt.

36 Berücksichtigt werden folgende Variablen: AusländerIn (ja/nein); Alterskategorie, Höchste abgeschlossene Ausbildung; Zivilstand;

Kinder bis 24 (ja/nein); Alleinerziehend (ja/nein); Haushaltstyp; dieselbe Wohngemeinde vor 5 Jahren; Umgangssprache zu Hause oder Beruf; Erwerbslosenquote im Wohnkanton; Grösseklasse der Wohngemeinde; Gemeindetyp; Wirtschaftsregion

37 1(1.09 1 1.33 1 )( )=0.727; 1(1.09 1 1.33 1 )( )=0.485

BASS

Erwerbslosenquoten zur Referenzbevölkerungsgruppe, die in diesem Zusammenhang die gebürtigen Schweizer/innen sind. Also:

Beobachtete Erwerbslosigkeitsquote Gruppe A Unkorrigiertes Erwerbslosigkeitsrisiko =

Beobachtete Erwerbslosigkeitsquote der gebürtigen Schweizer/innen Für die eingebürgerten Schweizer/innen, die in der Schweiz geboren wurden, beträgt das unkorrigierte Erwerbslosigkeitsrisiko bspw. (vgl. dazu Tabelle 24)

3.52%

2.51%=1.40

Die durchgeführten logistischen Regressionanalysen erlauben es, das mit vielen Einflussfaktoren korrigierte Erwerbslosigkeitsrisiko zu berechnen. Für die Gruppe der eingebürgerten Schweizer/innen beträgt dieses Risiko bspw. 1.33 (vgl.Tabelle 24 und Anhang Tabelle A1). Die berücksichtigten individuellen und struktu-rellen Faktoren sowie die Haushaltscharakteristika führen somit zu einer Reduktion des Erwerbslosigkeits-risikos gegenüber den gebürtigen Schweizer/innen von 1.40 auf 1.33. Dies entspricht einer Reduktion um 5 Prozent. Trotz den vielen berücksichtigten Faktoren verbleibt somit ein um 30 Prozent höheres Risiko für die eingebürgerten Schweizer/innen. Die Erklärungskraft der zusätzlichen Faktoren beträgt nur 5 Prozent.

In Tabelle 32 sehen wir, dass die Reduktion des Erwerbslosigkeitsrisikos mit dem Integrationsgrad variiert.

Beträgt der Reduktionsanteil für Ausländerinnen, die als Jahresaufenthalterinnen in der Schweiz schon vor 5 Jahren in der Schweiz wohnten, 64 Prozent, sinkt dieser Anteil auf 0 Prozent für eingebürgerte Schwei-zer/innen, die in der Schweiz geboren wurden. Für die letzte Gruppe bedeutet dies, dass die Berücksichti-gung der individuellen und strukturellen Faktoren keinen Einfluss auf das Erwerbslosigkeitsrisiko zu haben scheint. Dass eine eingebürgerte Schweizerin, die in der Schweiz geboren wurde, eine rund dreissig Pro-zent höhere Erwerbslosigkeitswahrscheinlichkeit aufweist, kann nicht mit einer tieferen Ausbildung oder andere strukturellen Eigenschaften erklärt werden, sondern muss auf nicht beobachtbare Einflussvariablen zurückgeführt werden. Hier wird deutlich, dass die indirekt bemessene Diskriminierungskomponente mit der Integrationsdauer zunimmt. So weisen eingebürgerte Schweizer immer noch eine deutlich höhere Erwerbslosigkeit auf, obwohl sie sich auf Grund ihrer individuellen und strukturellen Eigenschaften nur marginal von der Referenzgruppe der gebürtigen Schweizer unterscheiden. Hingegen erklären die indivi-duellen und strukturellen Eigenschaften, insbesondere die regionale Sprachbeherrschung und das Ausbil-dungsniveau, rund 64 Prozent der erhöhten Erwerbslosigkeit der Aufenthalterinnen, die vor 5 Jahren in der Schweiz gewohnt haben. Dass der erklärte Anteil besonders bei den Ausländerinnen, die noch über keine grosse Integrationsdauer in der Schweiz verfügen, grösser ist, deutet darauf hin, dass besonders diese Frauen grosse Bildungsdefizite und mangelnde Sprachkompetenz aufweisen. Das hohe Chancenver-hältnis dieser Gruppe hat mit einer stark unterschiedlichen Ausstattung mit individuellen und strukturellen Ressourcen zu tun.

BASS

Tabelle 32: Anteil der Reduktion des Erwerbslosigkeitsrisiko durch die Berücksichtigung von individuellen und strukturellen Variablen

Nationalität Status Unkorrigiertes (*) Erwerbslosigkeitsrisiko

Korrigiertes (*)

Erwerbslosigkeitsrisik Reduktion des Risikos Frauen Männer Total Frauen Männer Total Frauen Männer Total von Geburt (=Referenz) 1.00 1.00 1.00 1.00 1.00 1.00

eingebürgert - geb in der CH 1.32 1.44 1.40 1.33 1.34 1.33 0% 7% 5%

Schweizer/-in

eingebürgert - geb im Ausland 2.17 1.94 2.20 1.70 1.72 1.72 22% 11% 22%

Niedergelassene (C) geb. in CH 2.15 2.27 2.18 1.82 1.78 1.85 15% 22% 15%

Niedergelassene (C) geb. im Ausland 2.93 2.32 2.57 1.36 1.32 1.35 54% 43% 47%

Aufenthalter (B) - vor 5 J. in CH 5.21 2.68 4.05 1.88 1.49 1.77 64% 44% 56%

Ausländer/-in

Aufenthalter (B) - vor 5 J. in Ausland 6.84 3.01 5.23 2.77 1.26 2.13 60% 58% 59%

(*) Korrigiert: Grundlage sind die Regressionsschätzungen, die für verschiedene Einflussfaktoren korrigieren; Unkorrigiert: Grundlage sind die effektiv beobachteten Erwerbslosenquoten;

Quelle: BFS Volkszählung 2000 (vgl.Tabelle 24 und Anhang Tabelle A1)

Eine weitere interessante Feststellung ist die Tatsache, dass der durch das statistische Modell erklärte An-teil im Schnitt bei den Frauen höher ist. Ökonomische Argumente leisten einen höheren Erklärungsbeitrag für die weibliche als für die männliche Beschäftigungsperformance. Dies ist wiederum ein Indiz, dass aus-ländische Frauen sich individuell und strukturell stärker von der schweizerischen Referenzbevölkerung unterscheiden als ausländische Männer. Diese unterschiedliche Profile können auf unterschiedliche Migra-tionsstrategie und Migrationspolitik zurückgeführt werden.

Aus beschäftigungspolitischer Sicht deutet der grössere Erklärungsgehalt für die Gruppe der Auslän-der/innen, die eine kürzere Integrationsdauer aufweisen, darauf hin, dass die aktiven arbeitsmarktlichen Massnahmen für diese Gruppen besonders effektiv wären. Aus gesellschaftspolitischer Perspektive hinge-gen deutet der niedrige Erklärungsgehalt insbesondere für Eingebürgerte und Ausländer der zweiten Ge-neration darauf hin, dass deren tiefere Beschäftigungsperformance zum Teil auf diskriminierendes Verhal-ten seiVerhal-tens der Arbeitnehmer zurückzuführen ist.