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Strategien zur Erreichung der MDGs

Umsetzung der MDG-Agenda in Subsahara-Afrika

2 Strategien zur Erreichung der MDGs

Es war auch folgerichtig, dass mit dem Beginn des neuen Millenniums von den Ländern selbst und von den Gebern Weichenstellungen vorgenommen wurden, mit denen ein neues Paradigma der Zusammenarbeit begründet wurde:

Die Erstellung eigener Entwicklungsprogramme zur Armutsreduzierung durch die Länder selbst (Poverty Reduction Strategy Papers – PRSPs).

Die Orientierung der Länder und der Gebergemeinschaft an gemeinsamen Zielen, die sich an den MDGs ausrichten; mit den PRSPs bzw. den daraus abgeleiteten Sektor-programmen als operationalen Plänen zur Erreichung der Ziele.

Die Anpassung der Gebergemeinschaft an die Programme und die Verfahren der Partnerländer mit dem Ziel der Steigerung der Wirksamkeit der Hilfe (Agenda der Paris Declaration on Aid Effectiveness von 2005 – Ownership, Alignment, Harmoni-sation).

Schließlich die Unterstützung „guter Politiken“ und „guter Regierungsführung“ durch Schuldenerlass und zusätzliche Mittel. Dies auch vor dem Hintergrund, dass in Afrika politische Prozesse in Gang kamen (New Partnership for Africa’s Development – NEPAD), die ein höheres Maß an Eigenverantwortung, Entwicklungsorientierung und demokratischer Perspektive signalisierten.

Die erste Generation von PRSPs

Die erste Generation der üblicherweise auf drei Jahre ausgelegten PRSPs stieß zu Recht auf Kritik. Die Strategien waren meist von einer kleinen Gruppe von Technokraten mit Blick auf die Wünsche der internationalen Geber, insbesondere IWF und Weltbank, er-stellt worden. Ziel war die reibungslose Umsetzung des Schuldenerlasses, dessen Voraus-setzung die Erstellung der PRSPs war.

Trotz der Schwächen beim Prozess der Erstellung der ersten Generation der PRSPs erhiel-ten die Strategiepapiere allmählich eine wachsende Bedeutung: In den Ländern selbst

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wurden häufig zum ersten Mal die Politiken am Ziel der Armutsreduzierung gemessen und auch zivilgesellschaftliche Gruppen konnten öffentlich die Rechenschaft der Regie-rung zur Umsetzung entsprechender Politiken einfordern. Die Gebergemeinschaft nahm trotz verbreiteter Skepsis die Dokumente als Grundlage der Regierungspolitik ernst und begann, ihre Unterstützung an den PRSPs zu orientieren.

Die wesentliche inhaltliche Schwäche der PRSPs war ihre einseitige entwicklungsstrategi-sche Orientierung an den „sozialen Sektoren“ und die Vernachlässigung produktiver In-vestitionen. Die Betonung von Bildungs- und Gesundheitsindikatoren bei den MDGs ver-leitete dazu, die Mittelallokation unmittelbar an diesen Zielen zu orientieren und die stei-genden Ausgaben für die Bildungs- und Gesundheitssektoren im Rahmen der PRSPs als

„armutsorientiert“ zu bezeichnen. Zweifellos sind steigende Ausgaben in Bildung und Gesundheit notwendig, insbesondere nach Jahren stagnierender oder gar sinkender Pro-Kopf-Ausgaben in diesen Bereichen. Es wird hierbei jedoch häufig übersehen, dass Ge-sundheitsziele, wie z. B. die Senkung der Kinder- und Müttersterblichkeit (MDG 4 und 5) oder die Bekämpfung von Infektionskrankheiten (MDG 6) nur durch komplexe Interven-tionspakete erreicht werden können, welche z. B. Investitionen in die Landwirtschaft (Er-nährungssicherung) und in die Infrastruktur (Wasser, Transport, Energie) enthalten. Eine isolierte Aufstockung der Gesundheitshaushalte greift zu kurz. Ebenso kann der Fokus auf die Primarschulbildung (MDG 2) zu einer Fehlleitung von Mitteln zum Bau von Primar-schulen führen, wenn nicht gleichzeitig komplementäre Investitionen in die Lehrerbil-dung, die Infrastruktur und die Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität vorge-nommen werden. Insbesondere die Förderung der Sekundarschulen und der höheren Bil-dung ist zentral für die Erreichung aller MDGs, denn die Entwicklung personeller und institutioneller Kapazitäten mit entsprechend ausgebildetem Personal ist eine wesentliche Bedingung für die Umsetzung von Politiken in allen Sektoren und damit für die Armuts-reduzierung generell.

Hinzu kommt, dass eine nachhaltige Reduzierung der Einkommensarmut (MDG 1) nur möglich ist, wenn ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum erzielt wird, das sich in Ein-kommenssteigerungen für die Armen niederschlägt. Dies erfordert komplexe Politiken zur Förderung von Investitionen im öffentlichen und privaten Sektor. Diese ergeben sich nicht aus den Zielen selbst, sondern nur aus den Potenzialen eines Landes in den verschiedenen Wirtschaftssektoren, die durch entsprechende Politiken erschlossen werden müssen. Die meisten PRSPs der ersten Generation geben wenig Hinweise auf Politiken und Prioritä-tensetzungen zur Förderung von Arbeitsplätze schaffendem Wachstum. Vor allem die Strategien zur Förderung privater Investitionen sind undeutlich und wenig kohärent, so dass es nicht verwundert, wenn es im Doing Business-Bericht der Weltbank von 2005 heisst: “...that African nations impose the most regulatory obstacles on enterpreneurs and have been the slowest reformers over the past year. ” (World Bank 2005, 11)

Neue Ansätze

Die zweite Generation der PRSPs, also die Strategien, die etwa seit dem Jahr 2005 ent-worfen wurden, sind deutlich stärker wachstumsorientiert und legen größeres Gewicht auf die Steigerung produktiver Investitionen in der Landwirtschaft und der verarbeitenden Industrie. Weiterhin unklar bleibt jedoch die Frage der Komplementarität zwischen öffent-lichen und privaten Investitionen. Zwar wird allgemein von einem erheböffent-lichen Bedarf an öffentlicher Infrastruktur in Subsahara-Afrika ausgegangen, welcher von der Weltbank,

der EU oder der britischen Kommission für Afrika mit mehreren Milliarden US$ jährlich beziffert wird. Auf Länderebene gibt es jedoch kaum ausgearbeitete Investitionsprogram-me, die sich explizit an den Engpässen in den produktiven Sektoren orientieren würden.

Woran es nach wie vor mangelt, sind operative Programme zur Umsetzung der PRSPs, welche die Komplementaritäten zwischen öffentlichen und privaten Investitionen oder zwischen „produktiven“ und „sozialen“ staatlichen Interventionen in den Blick nehmen.

Denn es sind gerade diese Komplementaritäten, die den Erfolg von Politiken ausmachen und die bei der Erreichung der MDGs entscheidend sind. Es ist das Verdienst der Task Force-Berichte des UN Millennium Projekts, die multisektoralen Zusammenhänge bei der Erreichung der einzelnen MDGs systematisch herausgearbeitet und die Interventionspake-te definiert zu haben, die typischerweise berücksichtigt und umgesetzt werden müssen, um die MDGs zu erreichen (UN Millennium Projekt 2005).

Die Logik dieser Vorgehensweise ist es, alle notwendigen Interventionen zur Erreichung eines Ziels über verschiedene Sektoren hinweg zu definieren (needs assessment), die In-terventionen für alle MGD-/PRSP-Ziele zu aggregieren, deren Kosten zu bestimmen und anschließend eine Prioritätensetzung nach Maßgabe der verfügbaren Mittel vorzunehmen.

Ziel ist es, die für die Zielerreichung besonders kritischen komplementären Interventions-pakete möglichst weitgehend zu finanzieren und nicht – wie es übliche Praxis ist – sekt-orale Prioritätensetzungen nach Maßgabe der aktuellen politischen Diskussion vorzuneh-men (z.B. PRSP I: Bildung und Gesundheit; PRSP II: Infrastruktur).

3 Schlussfolgerungen – Staatshaushalte als Angelpunkt der Entwicklungspolitik

Diese Vorgehensweise erfordert ein Maß an Planung der staatlichen Politiken und ihrer Umsetzung im Staatshaushalt, das von Kritikern wie Easterly als Planungseuphorie be-zeichnet wird (Easterly 2006). Es gehört indes zu den Kernaufgaben des Staates, einen Haushalt aufzustellen, der sich an den Zielen der Politik orientiert. Dass dies in Subsahara-Afrika erst in jüngerer Zeit – mit der Zunahme der Budgethilfe durch die Geber – als eine wichtige Aufgabe erkannt wurde, liegt auch daran, dass die Geber allzu lange ihre Projek-te außerhalb der nationalen HaushalProjek-te geplant und umgesetzt haben. Erst mit der Erkennt-nis, dass damit nationale Politik- und Planungsprozesse unterminiert und den Parlamenten der Partnerländer das Haushaltsrecht weitgehend vorenthalten wird, weil die Geber letzten Endes über die Prioritäten der Mittelallokation entscheiden, rückten die Staatshaushalte in den Mittelpunkt des entwicklungspolitischen Interesses.

Im Vordergrund der Dialogprozesse zwischen Gebern und Partnerländern über die Staats-haushalte steht die Frage eines rechtsstaatlichen und transparenten Haushaltswesens (pub-lic financial management), einschließ(pub-lich seiner Kontrolle durch Parlamente und Rech-nungshöfe. Hier hat es in den etwa 15 good performing countries in Subsahara-Afrika einige Fortschritte gegeben. Nicht vorangekommen ist allerdings die systematische Orien-tierung der Staatsausgaben an den MDG-/PRSP-Zielen. Die mittelfristigen Finanzplanun-gen der Partnerländer (Medium Term Expenditure Frameworks – MTEF) sind auch nach mehreren Jahren des Dialogs auf Grundlage von regelmäßigen Public Expenditure Re-views in den meisten Ländern noch immer nicht systematisch an die Ziele der PRSP ange-passt. Nun sind Budgetprozesse auch in Subsahara-Afrika im Kern politische Prozesse

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und die Struktur der öffentlichen Ausgaben lässt sich nur auf längere Sicht – durch inkre-mentelle Veränderungen – umorientieren. Mit der Aussicht auf zusätzliche Budgetfinan-zierungen (durch Schuldenerlass und neue Mittel) vor dem Hintergrund der G8- Beschlüs-se von Gleneagles 2005 ergibt sich jedoch eine Chance, über die Verwendung dieBeschlüs-ser Mit-tel nicht auf Grundlage gegebener Haushaltsstrukturen („x % mehr für alle Sektorhaushal-te“) oder auf Grundlage wirtschaftspolitischer Intuition („mehr Mittel für Bildung und Infrastruktur“) zu entscheiden, sondern die zusätzlichen Mittel systematisch nach der oben geschilderten Vorgehensweise an den MDG-/PRSP-Zielen zu orientieren. Dies hat nichts mit Planungseuphorie zu tun, sondern mit dem Versuch, knappe Mittel möglichst zielori-entiert und effizient einzusetzen. Bei dem vorgesehenen Treffen der Finanzminister der G8 mit ihren afrikanischen Kollegen sollten Vereinbarungen zur praktischen Umsetzung dieses Verfahrens getroffen werden.

Literatur

Asche, Helmut (2006): Durch einen Big Push aus der Armutsfalle? Eine Bewertung der neuen Afrika-Debatte, Bonn: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (Discussion Paper 5/2006) Easterly, William (2006): The white man’s burden, Oxford: Oxford University Press

Sachs, Jeffrey (2005): The End of Poverty, New York: Penguin Press

UN Millennium Project (2005): Investing in development: a practical plan to achieve the MDGs, New York

World Bank (2005): Doing business 2006: creating jobs, Washington, DC

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