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Chance für eine wirksame Kooperation und Partnerschaft mit Subsahara-Afrika: Programmorientierte Ansätze

Stephan Klingebiel / Stefan Leiderer

1 Verbesserte Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit als wichtige Kooperationsgrundlage

Angesichts der Bedeutung, die die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) für viele afrikani-sche Staaten besitzt, ist ihr möglichst wirksamer Einsatz von großer Relevanz. Der reine Transfer von Ressourcen stellt keineswegs sicher, dass die angestrebten entwicklungspoli-tischen Ziele auch erreicht werden können.

Bestandsaufnahmen haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass die Wirkungen von EZ oftmals begrenzt und unbefriedigend sind (vgl. UNDP 2005, 126 ff.; World Bank 1998). Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Die Vielzahl von Gebern und EZ-Maßnahmen kann beispielsweise zu nicht abgestimmten, teilweise widersprüchlichen Konzepten (etwa im Rahmen von Sektorstrategien) und kontraproduktiven entwicklungspolitischen Maß-nahmen führen. Ein weiteres Problem kann in isolierten „EZ-Inseln“ bestehen, die keinen oder nur einen geringen Modellcharakter und nur begrenzte Ausstrahlungskraft besitzen.

Sie können mitunter die eigenen Umsetzungskapazitäten der Partnerseite sogar schwä-chen, weil Geber außerhalb der normalen administrativen Strukturen des Landes vorge-hen. Hinzu kommt, dass Partnerländer vielfach einen erheblichen Aufwand betreiben müssen (d. h. sogenannte Transaktionskosten tragen müssen), um mit den EZ-Strukturen umzugehen (Aufwand für Geberdelegationen, Berichtspflichten gegenüber einzelnen Ge-bern etc.).

Seit Ende der 1990er Jahre findet deshalb eine intensive Debatte über eine verbesserte Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit (aid effectiveness) statt. Im Zuge dieser Debatte wurden programmorientierte Ansätze (Programme-Based Approaches – PBAs) innerhalb weniger Jahre zu einem vieldiskutierten Thema in der EZ. Sie unterscheiden sich dabei wesentlich von früheren Bemühungen, Einzelprojekte zu bündeln und diese mit der Partnerseite besser abzustimmen.

Die im März 2005 von Geber- und Partnervertretern formulierte Paris-Erklärung (Paris Declaration on Aid Effectiveness) ist das bislang wichtigste Dokument, das die aktuelle Agenda zur Verbesserung der EZ-Wirksamkeit darlegt. Die Erklärung enthält unter ande-rem nachprüfbare, quantitative Zielindikatoren und fasst in fünf Bereichen Prinzipien für die EZ zusammen: (i) Ownership bei den Partnerländern, (ii) Verknüpfung der Strategien und Vorgehensweisen der Partner- und Geberseite, (iii) Harmonisierung der Geberaktivi-täten, (iv) Ergebnisorientierung sowie (v) gemeinsame Verantwortlichkeit der Geber- und Partnerseite für Ergebnisse. Um diese Prinzipien umzusetzen, sind aus Sicht der Paris-Erklärung PBAs ein wichtiger Schritt.

Was unterscheidet PBAs von bisherigen Ansätzen in der EZ? PBAs basieren auf der Überzeugung, dass der beste Weg bei der Hilfe darin besteht, sinnvolle Politiken der Part-ner möglichst unmittelbar zu unterstützen. Nicht mehr einzelne, durch jeden Geber identi-fizierte Projekte sowie jeweils eigene Umsetzungsstrukturen stehen im Vordergrund,

son-dern der Dialog über geeignete Politiken und daran anschließend deren direkte Unterstüt-zung vor allem durch Finanzierungsbeiträge.

Ein solches Vorgehen setzt voraus, dass Geber ein ausreichendes Vertrauen in die Partner-seite setzen können (good enough governance). Repressive Regime oder systematische Korruption stehen einem solchen Vorgehen beispielsweise entgegen. Sogenannte Ar-mutsminderungsstrategien (Poverty Reduction Strategy Papers – PRSPs) sind die wich-tigste Grundlage, um über geeignete Ziele und Ansätze in den wichwich-tigsten politischen Be-reichen zu diskutieren. In den geeigneten Fällen sind es insbesondere allgemeine oder sektorale Budgetfinanzierungen, die als Hilfe eingesetzt werden können. D.h. die Partner-seite erhält die Ressourcen, um eine Politik umsetzen zu können, die auch von der Geber-gemeinschaft als geeignet angesehen wird, um Armutsprobleme im Land überwinden zu können.

2 Aktuelle Herausforderungen programmorientierter Ansätze

PBAs, die auf die unmittelbare Unterstützung der Partnerregierung ausgerichtet sind, müs-sen von bestimmten Voraussetzungen ausgehen. Grundsätzlich lasmüs-sen sich zwei idealtypi-sche Ländergruppen in Subsahara-Afrika identifizieren, wobei sich in der Realität viele Länder auf einem Kontinuum zwischen beiden Ländertypen befinden und sich außerdem die politischen Bedingungen in den Ländern fortlaufend verändern:

Arme Länder (Niedrigeinkommensländer) mit einer insgesamt verantwortlichen und guten Politik: Im Kern der Diskussion über PBAs und v. a. den Einsatz von Budget-hilfen stehen Niedrigeinkommensländer, also die Mehrzahl der subsaharischen Staa-ten, mit einer guten governance performance. D.h. ein wichtiges Handlungsprinzip ist die Selektivität bei der Auswahl der Länder, die sich insbesondere für Budgethilfe qualifizieren, u. a. in Bezug auf Mindestanforderungen an die Politik der Regierung, Reformbereitschaft etc. Dabei geht es allerdings nicht darum, dass diese Länder schon alle angestrebten Ziele erreicht haben müssen, sondern dass sie glaubhaft machen können, dass sie die vereinbarten Politiken auch tatsächlich umsetzen (Budgettranspa-renz, wirksame Maßnahmen gegen Korruption etc.).

Fragile Länder und Länder mit gravierenden Governance-Problemen: Dabei handelt es sich um eine Gruppe mit sehr unterschiedlich gelagerten Herausforderungen, die von unzureichenden Möglichkeiten, ein legitimes Gewaltmonopol herstellen zu nen (Konfliktländer etc.) bis zur fehlenden Legitimität einer Regierung reichen kön-nen. In solchen Fällen fehlt es vielfach an ausreichenden Strukturen, um mit zusätzli-chen Ressourcen sinnvoll umgehen zu können, oder an grundsätzlizusätzli-chen Vorausset-zungen für eine glaubwürdige Politik der Partnerseite.

Es bestehen allerdings neben Budgethilfen weitere Möglichkeiten, um sinnvolle Finanzie-rungsbeiträge leisten zu können. Durch Korbfinanzierungen (pooling von Mitteln) und ähnliche Ansätze können Geber selbst unter schwierigen politischen Bedingungen erhebli-che Fortschritte bei der Wirksamkeit erreierhebli-chen. Korbfinanzierungen können beispielswei-se unter der vollständigen Kontrolle der Geber bleiben (etwa bei repressiven Regimes), ermöglichen aber ein gemeinsames Vorgehen ohne die hohen Transaktionskosten jeweils eigener Umsetzungsstrukturen der beteiligten Geber.

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Budgethilfen und Korbfinanzierungen sind relativ neue EZ-Instrumente. Allerdings wur-den bereits in der Vergangenheit Ansätze genutzt, die Ähnlichkeiten aufweisen. Dies gilt für Entschuldungsanstrengungen vor allem im Rahmen der HIPC-Initiative, durch die die jeweiligen Länder deutlich größere Haushaltsspielräume erhalten, sowie für Strukturan-passungskredite der 1980er und 1990er Jahre.

Neben diesen früheren Erfahrungen liegen mittlerweile auch erste Studien zu Budgethilfen vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Wirkungen dieser Instrumente in aller Re-gel kaum einem einzelnen Geber zuordnen lassen. Außerdem ist zu beachten, dass eine Reihe der angestrebten Wirkungen (mehr ownership beim Partner, Armutswirkungen etc.) langfristiger Natur sind und Erfahrungen mit PBAs erst seit wenigen Jahren gesammelt werden.

Die bislang verfügbaren Erfahrungen beruhen vor allem auf einer umfassenden geberge-meinschaftlichen Evaluierung von allgemeiner Budgethilfe (IDD 2006), die auf sieben Länderfällen basiert und im Rahmen des Entwicklungshilfeausschusses (DAC) der OECD durchgeführt wurde. Hinzu kommen eine aktuelle von der Weltbank herausgegebene Ver-öffentlichung zu Budgethilfeerfahrungen (Koeberle / Stavreski / Walliser (Hrsg.) 2006), sowie eine Reihe von Untersuchungen, die vor allem von einzelnen Gebern (u. a. von der Kreditanstalt für Wiederaufbau – KfW) angestellt wurden.

Die Ergebnisse der Studien lassen sich in folgender Form zusammenfassen: Budgethilfen haben in den meisten Fällen positive Wirkungen entfalten können. Die gebergemein-schaftliche Studie kommt beispielsweise zu dem Ergebnis, dass in fünf von sieben unter-suchten Fällen (Burkina Faso, Mozambik, Ruanda, Uganda, Vietnam) die Wirkungen ein-deutig positiv waren („clearly positive“), während für zwei Länderfälle (Malawi und Nica-ragua) die Ergebnisse uneinheitlicher ausfielen. D. h. dort, wo die entsprechenden Instru-mente bislang zum Einsatz kamen, also überwiegend in Niedrigeinkommensländern mit einer hohen Abhängigkeit von EZ und einer relativ guten governance performance, sind die Ergebnisse in verschiedener Hinsicht gut.

Bei den Erfahrungen sind insbesondere folgende Punkte von Interesse:

Durch Budgethilfen nimmt der Anteil der Mittel zu, der den nationalen Budgetprozes-sen unterliegt. Dadurch haben u. a. die jeweiligen Parlamente bessere Mitwirkungs-möglichkeiten. Das Instrument wirkt sich insgesamt positiv auf die governance-Situation eines Landes aus.

Budgethilfen haben zu einer besseren Verknüpfung von EZ mit nationalen Politiken (alignment) und den nationalen Budgetzyklen geführt. Die Budgethilfeinstrumente der Geber sind bislang allerdings erst teilweise harmonisiert.

Budgethilfen haben zu einer größeren Transparenz des Ausgabeverhaltens beigetra-gen; accountability-Strukturen werden gestärkt. Allerdings bestehen weiterhin paral-lele EZ-Strukturen außerhalb des öffentlichen Budgets.

Capacity development hat bei den Gebern meist einen hohen Stellenwert. Die Ange-bote der Geber sind jedoch in diesem Bereich bislang meist unzureichend aufeinander abgestimmt.

Die Transaktionskosten auf der Partner- und Geberseite sind durch Budgethilfen bis-lang nicht zurückgegangen, sondern haben tendenziell zugenommen. Der wichtigste Grund hierfür ist im Fortbestand von EZ-Strukturen für einzelne Maßnahmen bei

ei-nem gleichzeitigen Aufbau von neuen Strukturen und Instrumenten zu sehen. Zu be-achten ist ferner, dass diese Kosten zu einem großen Teil auf der Geberseite (statt auf Empfängerseite) anfallen und dem Aufbau längerfristiger Kooperationsstrukturen dienen.

Budgethilfen begünstigen teilweise den Ausbau öffentlicher Dienstleistungen, ohne allerdings deren Qualität ausreichend zu beachten.

Insgesamt zeigen die Studien, dass nicht in allen Situationen bzw. Länderfällen Budgethil-fen ein geeignetes Instrument sind, in verschiedenen Situationen aber eine sinnvolle und wichtige Rolle spielen können. Dabei sollten allerdings keine überzogenen Erwartungen mit dem Instrument verbunden werden.

3 Schlussfolgerungen für den deutschen G8-Vorsitz und die EU-Ratspräsidentschaft

Angesichts der Relevanz von EZ für die meisten Länder Subsahara-Afrikas ist die Debatte über ihre Wirksamkeit von größter Bedeutung. Deutschland sollte deshalb die Möglichkei-ten nutzen, um diese Diskussion voranzubringen.

Hierzu ist eine Ausrichtung an folgenden Punkten sinnvoll:

Der Umfang von EZ ist für Subsahara-Afrika zweifellos wichtig. Insofern sind die Zielvereinbarungen im Rahmen des G8-Gipfels und des EU-Stufenplans wichtige E-tappen. Allerdings sollte Deutschland darauf hinwirken, die Debatte auch unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit zu führen. Ein bloßes Aufstocken des EZ-Umfangs stellt keineswegs sicher, dass die Herausforderungen in Subsahara-Afrika bewältigt werden können. Im Einzelfall kann „mehr Hilfe“ sogar kontraproduktiv sein.

Die konsequente Umsetzung der Paris-Agenda durch die Geber und die Partner ist wichtig. Ihre Bedeutung sollte unterstrichen werden.

PBAs sind für die Umsetzung der Paris-Prinzipien zentral. Deutschland sollte die in-ternationale Debatte in diesem Feld stärker mitgestalten. Die deutsche Politik könnte eine sichtbarere Rolle bei der Diskussion spielen, wie die künftige entwicklungspoliti-sche Architektur (aid architecture), d. h. weiterer Anpassungsbedarf von Instrumen-ten, Ausbau gemeinschaftlicher vor Ort-Strukturen etc., aussehen sollte.

Deutschland könnte bei der Frage, in welcher Weise sich PBA-Grundsätze auch unter schwierigen Rahmenbedingungen umsetzen lassen, Vorschläge entwickeln. Korbfi-nanzierungen und vergleichbare Ansätze spielen eine bislang unzureichende Rolle in der internationalen Diskussion.

Schließlich kann Deutschland die Debatte über geeignete Strukturen im Bereich öf-fentlicher Finanzen auf der Partnerseite als zentrales Thema verankern. Bislang spielt die Einnahmenseite etwa beim Politikdialog zwischen Gebern und Partnerländern ei-ne zu geringe Rolle. Daher sollten solche Ansätze gestärkt werden, die sowohl die Ef-fektivität als auch die Transparenz der Einnahmenmobilisierung in den Vordergrund rücken.

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Literatur

Chambers, R. (2005): Ideas for development, London: Earthscan

IDD (International Development Department) (2006): Evaluation of general budget support:

sythesis report, Birmingham: University of Birmingham

Klingebiel, S. / S. Leiderer / P. Schmidt (2005): Programme financing and public budgets: new instruments and starting-points of development policy, Bonn: Deutsches Institut für Entwick-lungspolitik, (Discussion Paper 3/2005)

Koeberle, S. / Z. Stavreski / J. Walliser (Hrsg.) (2006): Budget support as more effective aid? Re-cent experiences and emerging lessons, Washington, DC: World Bank

UNDP (United Nations Development Programme) (2005): Bericht über die menschliche Entwick-lung 2005, Berlin

World Bank (1998): Assessing aid – what works, what doesn’t work and why?, Washington, DC

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