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China und Indien: Neue Geber in Afrika

Thomas Fues

1 Chinas und Indiens Interesse an Afrika

Afrikas Entwicklungsperspektiven und seine internationale Verhandlungsposition haben sich durch das massive Auftreten neuer Partner, vor allem China und Indien, in den letzten Jahren spürbar verändert. Es sind vor allem die vielfältigen Kooperationsangebote Chinas, die dem Kontinent attraktive Ergänzungen – in Einzelfällen auch Alternativen – zu den Beziehungen mit westlichen Industrieländern bieten. Der chinesische Afrika-Gipfel in Peking (November 2006), auf dem 48 afrikanische Staaten – darunter 40 Staats- und Re-gierungschefs – vertreten waren, markiert den bisherigen Höhepunkt einer sich überaus dynamisch entwickelnden Partnerschaft. Das chinesische Interesse an Afrika geht längst über den Wunsch nach Versorgungssicherheit bei Energieträgern und Rohstoffen und über eindimensionale, merkantilistische Absichten hinaus. Die Volksrepublik China verfolgt vielmehr eine vielschichtige, langfristig angelegte Strategie zur Vertiefung der sino-afrika-nischen Beziehungen, die neben Handel auch zinsvergünstigte Kredite, Direktinvestitio-nen und Gemeinschaftsunternehmen, Infrastrukturprojekte, Entwicklungsvorhaben sowie politische Kooperation, Kultur und Tourismus umfasst. Charakteristisch für das chinesi-sche Vorgehen ist der Fokus auf Ausbau der jeweiligen bilateralen Verbindungen; die mu-lilateral-kontinentale Dimension tritt dahinter zurück. Auf dem Afrika-Gipfel hat sich China zur Verdoppelung seiner aktuellen Entwicklungsleistungen an den Kontinent bis zum Jahr 2009 verpflichtet und übertrifft damit in zeitlicher Hinsicht die Zusage der G8 von Gleneagles (2005), die Hilfe an Afrika bis 2010 um 100 % zu steigern. Darüber hin-aus hat China konkrete Schritte gegenüber Afrika zur Ausweitung von Schuldenerlass, Handel und Direktinvestitionen angekündigt.

Die positive Resonanz in weiten Teilen Afrikas auf die chinesische Präsenz ist auch da-durch bestimmt, dass die Außenpolitik der Volksrepublik China strikt den Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Partnerländer befolgt – auf Grund-lage der 1954 geprägten „Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz“. Unnachgiebig zeigt sich China im Hinblick auf die Ein-China-Position, die sich gegen die diplomatische An-erkennung Taiwans richtet. Während afrikanische und westliche Kritiker den Verzicht auf Konditionalität als Unterminierung der Bemühungen um Transparenz, gute Regierungs-führung, Demokratie und Menschenrechte beklagen, verweist die Gegenseite auf den Vor-rang von breitenwirksamer Entwicklung, Armutsbekämpfung und nationaler Souveränität vor politischen Zielen. Tatsache ist, dass der westliche Druck auf Länder mit Menschen-rechtsverletzungen und Demokratiedefiziten wie Sudan, Simbabwe und Angola durch die unkonditionierten Hilfeleistungen Chinas konterkariert wird.

Noch weitgehend uneingelöst ist der Anspruch Chinas, die Zusammenarbeit mit regiona-len Organisationen voranzubringen. Zwar hat der Peking-Gipfel den kontinentaregiona-len Be-zugsrahmen für die chinesische Außenpolitik und die kollektive Selbstwahrnehmung Af-rikas gegenüber dem Partnerland gestärkt. Offen bleibt aber, wie China langfristig mit den Bestrebungen von Afrikanischer Union (AU) und New Partnership for Africa’s Develop-ment (NEPAD) zur Förderung guter Regierungsführung sowie zur Souveränitätsein-schränkung bei gravierenden Menschenrechtsverletzungen umgehen will. Das Verhalten

gegenüber dem African Peer Review Mechanism könnte zum Testfall für die Ernsthaftig-keit Chinas werden, regionale Initiativen solidarisch zu unterstützen.

Hinsichtlich der Umwelt- und Sozialwirkungen chinesischer Direktinvestitionen und Inf-rastrukturprojekte werden zunehmend Befürchtungen laut, dass internationale Standards durch China ausgehebelt werden könnten, insbesondere da es in der Volksrepublik China an einer kritischen Öffentlichkeit mangelt. China hat zwar die Paris-Erklärung zur Wirk-samkeit der internationalen Entwicklungszusammenarbeit unterschrieben, offenbar aus Empfängerperspektive, entzieht sich aber den Harmonisierungsbemühungen im lungsausschuss (DAC) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung (OECD). Dies bedeutet auch, dass das Land keine systematischen Informationen zu Volumen, Schwerpunkten und Instrumenten seiner Geberprogramme liefert. Beachtens-wert sind jedoch erste Kooperationsansätze Chinas gegenüber dem DAC sowie auf Part-nerlandebene in Kenia und Tansania.

Auch Indien hat seine Beziehungen zu Afrika in letzter Zeit merklich ausgebaut, aller-dings auf einem Niveau weit unterhalb des chinesischen Engagements. Ähnlich motiviert wie China und teils in offener Rivalität mit dem ostasiatischen Nachbar geht es Indien um langfristige Rohstoff- und Energieversorgung, Absatzmärkte, Direktinvestitionen und po-litischen Einfluss. Sektorale indische Stärken liegen vor allem im Bereich der pharmazeu-tischen Generika und der Informations- und Kommunikationstechnologien, konkurrieren also nicht direkt mit chinesischen Interessen. Der Pekinger Afrika-Gipfel hat die Debatte in Indien angefacht, wie der eigenen Marginalisierung auf dem afrikanischen Kontinent entgegengewirkt werden kann. Verglichen mit China setzt Indien stärker multilaterale Akzente durch Wirtschaftsverträge mit (sub-)regionalen Organisationen wie NEPAD, Southern African Development Community (SADC) und Economic Community of West African States (ECOWAS). Als größte Demokratie der Welt befindet sich Indien in Har-monie mit den erklärten gesellschaftspolitischen Werten von AU und NEPAD; trifft sich in seinem absoluten Souveränitätsverständnis aber mit der chinesischen Position. In der Gesamtbetrachtung entspricht Indiens Entwicklungszusammenarbeit (EZ) nicht den DAC-Standards, insbesondere bezüglich des Eigeninteresses an Lieferbindung und an nationa-lem Prestigegewinn. Die Zusammenarbeit mit westlichen Gebern im DAC-Kontext steht noch ganz am Anfang.

2 Herausforderungen für die OECD-Welt

Ein zentrales Thema für Deutschland, die EU und die gesamte OECD-Welt ist die Frage, wie China und Indien in den Prozess zur Geberharmonisierung, Programmfinanzierung und Lieferaufbindung auf Basis der Paris-Erklärung – gerade im Hinblick auf die Zusam-menarbeit mit Afrika – eingebunden werden können. Beide Länder haben bisher wenig Neigung zur vollen Integration in die DAC-Verfahren gezeigt. China war in Einzelfällen zur Kooperation bereit, z. B. durch Einbeziehung eines chinesischen Beobachters in den DAC Peer Review der britischen EZ sowie durch Teilnahme am Dialogprozess des DAC für EZ-Offizielle aus Nicht-Mitgliedsländern. Daneben geht es um die Frage, wie den in-ternationalen Normen und Regelwerken in den Außenwirtschaftsbeziehungen Chinas und Indiens mit Afrika Geltung verschafft werden kann, um die langfristigen Entwicklungs-perspektiven des Kontinents zu stärken. Dies gilt u. a. für Umwelt- und Sozialstandards, z. B. im Infrastrukturbereich und in der Rohstoffförderung, sowie für Verfahren zur

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derung von Good Governance, beispielsweise durch die Extractive Industries Transparen-cy Initiative (EITI). Zudem befinden sich bilaterale politische Kontakte zunehmend in einer Wettbewerbssituation mit anderen Akteuren. Initiativen zur Verbesserung der Wirk-samkeit und der stärkeren Ausrichtung auf Partnerinteressen im Sinne der Paris-Erklärung zu Aid Effectiveness werden auch in diesem Lichte bedeutsamer.

3 Schlussfolgerungen für den deutschen G8-Vorsitz und die EU-Ratspräsidentschaft

Im Rahmen ihrer EU- und G8-Präsidentschaft bieten sich der Bundesregierung eine Reihe von Möglichkeiten, die sprunghaft gewachsene Präsenz Chinas und Indiens in Afrika zu thematisieren und vorwärtsweisende Initiativen zu entfalten. Ein prioritäres Anliegen soll-te es dabei sein, den beiden Ländern die Vorsoll-teile und Notwendigkeit eines vertiefsoll-ten Ge-berdialogs zur optimalen Unterstützung der afrikanischen Entwicklungsprioritäten und zur fristgerechten Erreichung der MDGs vor Augen zu führen. Die Bundesregierung muss sich jedoch darauf einstellen, dass der DAC von China und Indien nicht als geeignetes zwischenstaatliches Forum für Erfahrungsaustausch und Koordination akzeptiert werden wird. Für diesen wahrscheinlichen Fall sollte sich Berlin auf die Unterstützung der laufen-den Reformbestrebungen im UN-Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) konzentrieren.

Insbesondere das von der Staatengemeinschaft auf dem Millennium+5-Gipfel 2005 be-schlossene zweijährige Development Cooperation Forum unter Federführung des ECOSOC könnte zur geeigneten Plattform für die gesamte Gebergemeinschaft entwickelt werden. Die Verständigung mit den neuen Gebern sollte hier institutionell verankert wer-den. Bestehende inhaltliche Differenzen mit China und Indien in EZ-Programmen mit Drittländern, insbesondere im Bereich gute Regierungsführung, Demokratisierung und Menschenrechte, sollten in einem konstruktiven entwicklungspolitischen Dialog bei Aner-kennung der legitimen außenpolitischen Ziele Chinas und Indiens thematisiert werden.

Auch die jährliche Überprüfung der Umsetzungsfortschritte bei den MDGs im ECOSOC lässt sich als Ansatzpunkt für ein besseres Zusammenwirken der Geber in Afrika nutzen.

Dabei sollte die Bundesregierung positiv an die asiatischen Erfolge bei der Armutsbe-kämpfung, speziell Verringerung der absolut Armen in China um 400 Millionen innerhalb von 25 Jahren, anknüpfen und China und Indien Möglichkeiten zur situationsgerechten Übertragung ihrer Erfahrungen in den afrikanischen Kontext einräumen. Als vorbildhaft werden beispielsweise die chinesischen Erfahrungen in der Agrartechnologie (Bewässe-rungslandwirtschaft und Reisanbau) betrachtet, mit deren Hilfe der Ernteertrag in Afrika möglicherweise drastisch erhöht werden könnte. Die chinesischen Fortschritte bei der Ma-lariabekämpfung könnten Afrika den Weg zu einer effektiveren Gesundheitspolitik wei-sen.

Ein weiterer Schwerpunkt der deutschen EU- und G8-Präsidentschaft könnte darin liegen, den Dialog mit China und Indien im Hinblick auf Stärkung und Reform der multilateralen Entwicklungsagenturen, insbesondere des UN-Systems, zu suchen. Im Rahmen der multi-lateral ausgerichteten Utstein-Gruppe, der neben Deutschland Belgien, Dänemark, Finn-land, Großbritannien, Kanada, Niederlande, Norwegen, Schweden und die Schweiz ange-hören, setzt sich Berlin bereits seit langem für die Steigerung der Wirksamkeit des Entwicklungsbereichs ein. Der Anfang November 2006 vorgelegte Bericht einer von UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzten hochrangigen Beratungsgruppe zur

systemwei-ten Kohärenz präsentiert zahlreiche Reformempfehlungen, die bisher auf wenig Gegenlie-be Gegenlie-bei der G77/China getroffen sind. Die Bundesregierung könnte sich gegenüGegenlie-ber China und Indien dafür einsetzen, gemeinsam die Reform der UN-Entwicklungsorganisationen in Angriff zu nehmen, um das drohende Scheitern Afrikas bei der Erreichung der MDGs abzuwenden.

Im Hinblick auf die Entwicklungsperspektiven Afrikas und weitere kritische Global Gov-ernance-Herausforderungen (Umwelt, Sicherheit, Welthandel etc.) empfiehlt sich eine Vertiefung der institutionalisierten Zusammenarbeit zwischen der G8 und den Ankerlän-dern, insbesondere China und Indien. Das Kooperationsangebot sollte über die bisher üb-liche, auch für 2007 geplante Einladung an diese Staaten für eine Dialogveranstaltung am Rande des Gipfels hinausgehen. Langfristig ist eine volle Integration wichtiger Ankerlän-der in die Gipfelarchitektur anzustreben, wie dies im Rahmen Ankerlän-der G20 (Finance) bereits auf der Ebene der Finanzminister und Notenbankgouverneure geschehen ist. Mögliche Modelle werden in der internationalen Öffentlichkeit schon breit diskutiert; etwa der als

„L20+“ bezeichnete Vorschlag des früheren kanadischen Premiers, Paul Martin, für ein modifiziertes Gremium der Staats- und Regierungschefs analog zur G20 (Finance). Die Bundesregierung sollte den G8-Vorsitz dazu nutzen, konkrete Schritte für eine strukturelle Erweiterung der Gipfeltreffen in die Wege zu leiten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der informelle Zusammenschluss der maßgeblichen Staaten aus Nord und Süd nicht die uni-versell anerkannte Rolle der Vereinten Nationen für die Weltpolitik untergraben darf.

China tritt in Afrika einerseits als Wachstumsförderer auf, andererseits bestehen Befürch-tungen, dass China Ansätze zur Verbesserung der Regierungsführung in Afrika untermi-niert. Es gilt also vor allem, chinesische Investitionen in Afrika für den Kontinent produk-tiv und nachhaltig im Sinne der Förderung afrikanischer Good Governance-Inititaproduk-tiven zu nutzen. Sinnvoll wäre daher auch eine deutsche Initiative zur Auslotung von trilateralen Kooperationsmöglichkeiten zwischen Europa, China bzw. Indien und Afrika. Eine Mög-lichkeit böte sich etwa in NEPAD-Politikbereichen wie Landwirtschaft, wie bereits in der neuen EU-China-Strategie angedacht. Auch die Verbindung mit der Infrastruktur-Initiative der EU in Afrika oder der EU-Wasserinitiative böten sich an. China und Indien sollten darüber hinaus zur Beteiligung an weiteren Geberrunden in afrikanischen Staaten ermutigt werden. Deutschland kann hier, zusammen mit anderen EU-Mitgliedstaaten, eine fördernde Rolle einnehmen und etwa bilateral einen Dialog vorbereiten, der dann perspek-tivisch auf Ebene mit den ‚neuen Akteuren’ vor Ort weitergeführt werden sollte; EU-Ratspräsidentschaften haben einen Initiativspielraum, den es aktiv zu nutzen gilt.

Nicht zuletzt die aktive chinesische Gipfeldiplomatie in Afrika (China-Afrika-Gipfel im November) verdeutlicht, dass die Ebene der hochrangigen politischen Kontakte mit Afrika auf europäischer Seite ein wichtiges und in den letzten Jahren vernachlässigtes Element ist. Bilaterale Besuche wie von Bundespräsident Köhler oder auch Fachministern in Afri-ka sind daher bedeutungsvolle politische Signale. Wichtig wird darüber hinaus die Vorbe-reitung eines EU-Afrika-Gipfels sein, wie er bereits seit dem Jahr 2003 aussteht.

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