• Keine Ergebnisse gefunden

I. Einleitung

I.2 Stenosen der Arteria carotis interna (ACI)

I.2.1 Epidemiologie der ACI-Stenose

Etwa 10 – 15 % aller ischämischen Schlaganfälle entstehen auf dem Boden einer Stenose der Arteria carotis interna (ACI) (8). Die meisten durch Carotis-Stenosen verursachten Schlaganfälle sind durch eine arterio-arterielle Embolie begründet (ca. 80 %). Bei etwa 20 % der Fälle handelt es sich um hämodynamisch bedingte Ischämien.

Laut einer 2010 erschienenen Metaanalyse von vier epidemiologischen Studien mit insgesamt 23706 Studienteilnehmern beträgt die Prävalenz einer hochgradigen, d.h.

mehr als 70-prozentigen ACI-Stenose bei unter 50 Jahre alten Männern 0,1 % und bei über 80-jährigen Männern 3,1 %. Bei Frauen liegt die Spannweite bei gleichen Altersgruppen bei 0 % bis 0,9 %. Moderate Stenosen (<70 %) liegen bei bis zu 7,5 % der über 80-jährigen Männern und 5,0 % der über 80-jährigen Frauen vor (9).

Abbildung 1: Geschlechts- und altersspezifische Prävalenzen der moderaten (A) und hochgradigen (≥70 %) ACI-Stenose (B). Mit freundlicher Genehmigung aus: de Weerd et al.

2010 (9).

I.2.2 Diagnostik der ACI-Stenose

Klinischer Standard zur Diagnose und Quantifizierung einer ACI-Stenose ist die Doppler-Sonographie. Dieses Verfahren kann jedoch nicht nur Aufschluss über den Stenosegrad geben, sondern gibt in einem gewissen Rahmen auch Informationen über morpho-logische Aspekte der Plaque. So ist beispielsweise beschrieben worden, dass eine sich in der Sonographie echoreich darstellende Stenose als prognostisch günstiges Zeichen zu werten ist (10). Ebenso kann die Plaque-Oberfläche Aufschluss geben, indem etwaige Unregelmäßigkeiten Anzeichen für ein erhöhtes Risiko einer Plaqueruptur aufzeigen

3 können. Zur Stenosegraduierung im Ultraschall bestehen verschiedene Maße, die ver-wendet werden. Das NASCET-Maß beschreibt den lokalen Durchmesser des stenosierten Lumens im Vergleich zum distalen, normal weiten Lumen, wohingegen das ECST-Maß als Vergleichswert den gedachten Durchmesser im Stenosebereich nutzt.

Weitere gebräuchliche diagnostische Verfahren sind die computertomographische Angiographie (CTA) und die Magnetresonanz-Angiographie (MRA) sowie die invasive digitale Subtraktionsangiographie (DSA), die den eigentlichen Goldstandard zur Quanti-fizierung von ACI-Stenosen darstellt (4).

Eine weitere sonographische Technik zur Plaque-Evaluation stellt die Darstellung von Micro Embolic Signs (MES) in der A. cerebri media mittels transcranieller Doppler-sonographie dar (11). Diesbezüglich wurde gezeigt, dass die Rate der detektierten embolischen Partikel pro Zeiteinheit positiv mit dem Auftreten von Schlaganfällen und TIA korreliert (12).

I.2.3 Therapie der ACI-Stenose

In mehreren internationalen Studien wurde untersucht, ob sich sogenannte asympto-matische ACI-Stenosen, die bislang weder klinisch noch bildmorphologisch passagere oder bleibende zerebrale Ischämien verursacht haben, von den symptomatischen Stenosen durch ihr Risiko eine erneute Symptomatik hervorzurufen, unterscheiden. Im Folgenden wird auf die vier wichtigsten Studien eingegangen, die sich mit der Carotis-Stenose befassen und auch regelmäßig Eingang in die Therapieempfehlungen der Leitlinien finden.

Zur Therapie symptomatischer ACI-Stenosen:

NASCET (North American Symptomatic Carotid Endarterectomy Trial) (13) ECST (European Carotid Surgery Trial) (14)

Zur Therapie asymptomatischer ACI-Stenosen:

ACAS (Asymptomatic Carotid Atherosclerosis Trial) (15) ACST (Asymptomatic Carotid Surgery Trial) (16)

4 Diese vier randomisierten, kontrollierten Studien untersuchten vornehmlich das Schlaganfallrisiko aufgrund einer ACI-Stenose und die Effekte durch die chirurgische Therapie, d. h. die Thrombendarteriektomie.

Aus den Ergebnissen geht hervor, dass Stenosen, die bereits eine Symptomatik (gemeint sind damit Schlaganfälle jeglicher Schwere einschließlich TIA) verursacht haben, im Vergleich zu asymptomatischen Stenosen ein deutlich erhöhtes Risiko für einen erneuten Schlaganfall bergen (10). Das Risiko steigt, wie aus der unten stehenden Tabelle 1 deutlich wird, mit dem Grad der Stenose. Aus den vorliegenden Daten wurde entsprechend geschlussfolgert, dass bei hochgradigen (d.h. ≥70-prozentigen) symptomatischen ACI-Stenosen die Indikation zur Operation bestehen sollte, so wie es auch in den deutschen Leitlinien vorgesehen ist (1).

NASCET ECST

Stenosegrad N Zeit (Monate) Schlaganfallrate Stenosegrad N Zeit (Monate) Schlaganfallrate

<50 % 690 60 19 %

Stenosegrad N Zeit (Monate) Schlaganfallrate Stenosegrad N Zeit (Monate) Schlaganfallrate

6069 % 131 36 6 % 6079 % 642 60 10 %

7079 % 94 36 5 % 8099 % 918 60 10 %

80–99 % 88 36 3 %

Tabelle 1: Schlaganfallrisiko in Abhängigkeit vom Stenosegrad gemäß NASCET, ECST, ACAS und ACST. Zur Quantifizierung der Stenosen wurden unterschiedliche Maße verwendet (s.

I.2.2). Modifiziert nach: Golledge et al. 2008 (10).

Die großen Studien NASCET und ECST konnten ferner belegen, dass im Fall einer hochgradigen symptomatischen Stenose die Operation der rein medikamentösen Therapie in Bezug auf das Auftreten neuer ipsilateraler Schlaganfälle überlegen ist. Die Thrombendarteriektomie (TEA) ist daher momentan das Verfahren der Wahl zur Therapie hochgradiger symptomatischer ACI-Stenosen.

5 Die klassische TEA erfolgt nach Abklemmen des Gefäßes durch eine Längsarteriotomie und anschließender Entfernung der Plaque mittels eines Dissektors. Oft wird das Gefäßsegment anschließend mit einer Patch-Plastik versorgt. Als Alternative hat sich die Eversionsendarteriektomie etabliert, bei der im Gegensatz hierzu eine Transsektion des Gefäßes stattfindet und hiernach die Gefäßwand nach außen „gekrempelt“ wird, sodass die Plaque in Form eines Eversionszylinders oder Teile eines solchen gewonnen wird.

Abschließend wird die ACI wiederum an den Abgang re-inseriert.

Im Rahmen der TEA können schwerwiegende Komplikationen auftreten, wie ein iatrogener Schlaganfall oder eine Verletzung der N. laryngeus recurrens und N.

hypoglossus (17, 18). Aufgrund der chirurgischen Manipulation in Nähe des Glomus caroticum kann es auch postoperativ zu erheblichen Blutdruckschwankungen kommen, die ihrerseits, vor allem bei kardiovaskulär komorbiden Patienten, Komplikationen hervorrufen können. Bezogen auf die Mortalität und Schlaganfälle wurde die 30-Tages-Komplikationsrate auf 6,34 % beziffert (19). Die Operation sollte laut der Leitlinien, basierend auf den Ergebnissen der NACSET- und der ECST-Studie, daher in Zentren erfolgen, die eine Komplikationsrate von weniger als 6 % aufweisen, damit der sekun-därpräventive Effekt der Therapie einer symptomatischen ACI-Stenose gewahrt bleibt.

Besonders profitieren Patienten von der Therapie, wenn der Stenosegrad zwischen 70

% und 95 % liegt und wenn der Eingriff möglichst zeitnah nach dem Ereignis stattfindet, da die Gefahr einer erneuten Ischämie insbesondere in der Frühphase hoch ist (20). Schwieriger gestaltet sich die Frage, inwiefern Patienten mit einer bislang asymptomatischen ACI-Stenose im Sinne einer Primärprävention einer chirurgischen Therapie unterzogen werden sollten. Die oben erwähnten ACAS- und ACST-Studien beschreiben eine jährliche Risikoreduktion für das Auftreten eines Schlaganfalls von 1 % nach Operation einer asymptomatischen Stenose. Hier muss die Komplikationsrate unter 3 % liegen, damit ein präventiver Effekt zu verzeichnen ist. Eine Analyse über vier Studien zeigte unter anderem, dass eine TEA an 53 Patienten mit asymptomatischer ACI-Stenose durchgeführt werden muss, um einen Schlaganfall innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren zu verhindern, so dass statistisch gesehen 52 Patienten einer unnötigen Operation unterzogen würden (21). Einige neuere Studien postulieren sogar eine Gleichwertigkeit von medikamentöser und operativer Therapie (17). Die Indika-tionsstellung zur TEA bei hochgradigen asymptomatischen ACI-Stenosen ist daher momentan schwierig zu stellen.

6 Aufgrund der Tatsache, dass es außer dem Vorliegen einer stattgehabten Symptomatik kaum zuverlässige prognostische Marker bzw. Untersuchungen gibt, die eine Risiko-stratifizierung bezüglich der Vulnerabilität von Carotis-Stenosen zulassen, wird nach neuen Methoden gesucht, um die Notwendigkeit einer chirurgischen Intervention - auch bislang asymptomatischer Stenosen - besser abschätzen zu können.