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IV. Diskussion

IV.2 Monozyten-Subpopulationen als potenzielle Vulnerabilitätsmarker für ACI-Stenosen?

Die Zellzahlen der Monozyten-Subpopulationen sind bei Vorliegen der Atherosklerose verändert. Ein Ziel dieser Arbeit war es, die mögliche zusätzliche Änderung in Abhängigkeit von der Plaque-Vulnerabilität zu untersuchen. Die Hypothese, dass eine der Monozyten-Subpopulationen als klinischer Biomarker für die Vulnerabilität von Carotis-Stenosen dienen könnte, konnte jedoch nicht bestätigt werden. Für keine der

63 Subpopulationen fanden sich signifikante Unterschiede zwischen den Patientengruppen mit symptomatischer respektive asymptomatischer Stenose. Auch die histopatho-logische Untersuchung blieb in dieser Hinsicht ohne ein Ergebnis. Eine Assoziation eines Monozyten-Subsets zum ersten Messzeitpunkt mit dem Vulnerabilitätsgrad oder anderen histologischen Kriterien konnte nicht gefunden werden.

Jedoch waren die Zellzahlen der intermediären Monozyten sowohl bei Vorliegen einer asymptomatischen Stenose als auch unter dem Zustand des Schlaganfalls stark erhöht gegenüber Kontrollpatienten. Es konnte gezeigt werden, dass letztere Veränderung unabhängig von Risikofaktoren besteht und dass somit zwei unterschiedliche Bedingungen vorliegen, die mit einer Expansion der intermediären Monozyten einhergehen. Dieser Umstand könnte dazu beitragen, dass mögliche Effekte des Vulnerablitätsgrades auf die Zellen unentdeckt blieben, da der Zustand der zerebralen Ischämie und der nachfolgenden inflammatorischen Prozesse einen solchen überlagern könnten. Aufgrund der Beobachtung, dass auch der Schlaganfall selbst einen deutlichen Einfluss auf die Monozyten hat, wurden die asymptomatischen Patienten hinsichtlich der histologisch begutachteten Vulnerabilität untersucht. Dieses ermöglichte einen Vergleich asymptomatischer, aber aktiver, also rupturgefährdeter Plaques mit inaktiven, stabilen. Die histopathologische Untersuchung der asymptomatischen Plaques war allerdings möglicherweise auf zu kleine Patientengruppen gestützt, um eine mögliche Assoziation aufzudecken. Hierfür wäre demzufolge eine Studie mit einem anderen Design hilfreich: So wäre es beispielsweise zielführend, Messungen allein an asymp-tomatischen Patienten durchzuführen und Gruppen beispielsweise mit anhand der in dieser Arbeit verwendeten histologischen Kriterien graduierten Plaques zu bilden. Bei einer entsprechenden Gruppengröße könnten so evtl. bislang verborgen gebliebene Verknüpfungen identifiziert werden.

Es ist aber dennoch fraglich, ob die Monozyten-Subpopulationen dann eine Rolle als Biomarker erhalten könnten. Denn es wurde unter anderem in der vorliegenden Studie auch deutlich, dass die Monozyten-Subpopulationen unter vielfachen, weiteren Bedingungen Änderungen unterworfen sind. Auch die in der Einleitung beschriebenen inflammatorischen und immunologischen Zustände haben einen Einfluss auf die Monozyten, ebenso wie einige medikamentöse Therapien. Beispielsweise führt die Einnahme von Glukokortikoiden zu einer signifikanten Änderung der Zellzahlen der

64 Monozyten-Subpopulationen (112). Möglicherweise sind die Monozyten-Subpopu-lationen daher zu unspezifisch, um als klinischer Biomarker zur Schlaganfall-Prädiktion dienen zu können.

Entgegen der Erwartung, dass die operative Beseitigung der atherosklerotischen Plaque zu einer Abnahme der erhöht vorliegenden intermediären Monozyten führen könnte, kam es im zeitlichen Verlauf bis 90 Tage nach der ersten Messung zu einem signifikanten weiteren Anstieg derselben bei Patienten ohne weitere nachgewiesene atherosklerotische Gefäßstenosen. Dies war insofern unerwartet, da zum einen der Effekt der Rekrutierung der Monozyten zu der Läsion wegfallen müsste und zum anderen eine mögliche Einflussnahme der Operation auf die Werte, die nach drei Monaten gemessen wurde, unwahrscheinlich ist. Als mögliche Ursache hierfür käme eine Reaktion auf das Patch-Material in Frage, das als körperfremder Faktor zu einer Expansion bestimmter Monozyten führen könnte. In der Literatur ist ein solcher Effekt bisher weder untersucht, noch als Begleiteffekt im Rahmen einer Studie beschrieben worden. Auch bei Betrachten der histologischen Kriterien der Plaques zeigten sich unerwartete Befunde: Bei Patienten mit asymptomatischen, aber aktiven Plaques kam es zu einer Abnahme des Anteils klassischer und einer Zunahme des Anteils nicht-klassischer Monozyten. Mit dieser Arbeit kann für diese Beobachtung keine Erklärung gefunden werden. Ein systemischer Effekt durch die Entfernung der Plaque in Abhängigkeit von der Plaque-Komposition wäre theoretisch denkbar, ist aber bei der Vielzahl der atherosklerotischen Läsionen, die bei einem Patienten mit ACI-Stenose angenommen werden müssen, eher unwahrscheinlich. Eine hypothetische Erklärung wäre auch ein individuelles Inflammationspotenzial der Patienten: Möglicherweise sind solche die Patienten, die vulnerable Plaques ausbilden, besonders anfällig für Änderungen, die an den Gefäßen stattfinden. Zukünftige, erweiterte Messungen, v. a. von weiteren Zytokinen wären hilfreich, um einen systemischen Effekt der Plaque-Entfernung nachzuweisen. Der genaue Zusammenhang und Mechanismus, der einem solchen zugrunde liegt, wäre jedoch am ehesten (tier-) experimentell zu untersuchen.

MCP-1 war in dieser Arbeit bei Patienten mit symptomatischer ACI-Stenose erhöht im Vergleich zu solchen mit asymptomatischen Stenosen. MCP-1 wird auch durch den akuten Schlaganfall hochreguliert, jedoch ist die Erhöhung nur von kurzer Dauer (<12 h) (73). Ein Effekt hierdurch ist im vorliegenden Kollektiv unwahrscheinlich, da die

65 Blutentnahmen nach dem beschriebenen Peak stattfanden. MCP-1 unterschied sich nicht zwischen Kontrollen und Patienten mit asymptomatischen ACI-Stenosen, was in Übereinstimmung mit einer größeren Studie steht (113). Jedoch bestätigte sich der beschriebene Unterschied nicht in Hinblick auf die histologischen Vulnerabilitätskriterien: MCP-1 unterschied sich nicht zwischen Patienten mit asymptomatischen, aber histologisch als aktiv gewerteten Plaques und solchen mit asymptomatischen, inaktiven Plaques. Eine Untersuchung an einem größeren Kollektiv bestehend aus Patienten mit asymptomatischen Stenosen wäre sicherlich auch hier sinnvoll, um die mögliche Verwendbarkeit von MCP-1 als Biomarker weiter zu prüfen. In mehreren experimentellen Studien wurde bereits eine vulnerabilitätsfördernde Wirkung von MCP-1 bei atherosklerotischen Stenosen diskutiert (114-116).

Auch Fractalkine wird eine Rolle bei atherosklerotischen Erkrankungen zugeschrieben und ist anders als MCP-1 v. a. an der Chemotaxis nicht-klassischer Monozyten beteiligt.

Überraschenderweise fanden sich in Projekt 1 keinerlei Unterschiede der Plasma-Fractalkine-Konzentration zwischen den Gruppen. Dies könnte auf die Auswahl des Patientenkollektivs zurückzuführen sein: Die Kontrollgruppe bestand zu 91 % aus Parkinson-Patienten, da diese selten kardiovaskuläre Begleiterkrankungen aufweisen.

Dieser Umstand könnte jedoch dazu beigetragen haben, dass keine Unterschiede zwischen Patienten mit Carotis-Stenosen und Schlaganfällen und der Kontrollgruppe bestanden. Auch wenn bislang keine publizierten Daten zu Fractalkine bei Patienten mit M. Parkinson vorliegen, ist in mehreren Tier-Modellen eine Rolle von Fractalkine in der Parkinson-Erkrankung beschrieben worden (86, 117, 118). Wenn auch beim Menschen eine Assoziation von Fractalkine mit dem M. Parkinson bestehen sollte, wäre dies eine Erklärung für das Ausbleiben einer Fractalkine-Konzentrationserhöhung bei makroangiopathisch erkrankten Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe. Es fand sich eine signifikante Erhöhung von Fractalkine bei wenig betroffenen Schlaganfall-Patienten im Vergleich zu solchen mit schwerwiegenderen Infarkten. Aufgrund dieses Ergebnisses wurde in Projekt 2 Fractalkine in Plasma-Proben eines größeren Schlaganfall-Kollektives gemessen (s. IV.6).

66 IV.3 Monozyten-Subpopulationen und kardiovaskuläres Risiko

Wie bereits erwähnt, konnte eine positive Korrelation intermediärer Monozyten mit dem kardiovaskulären Risiko, gemessen am ESRS, festgestellt werden. Große, pro-spektive Studien haben eine prädiktive Eigenschaft von Monozyten-Subpopulationen für das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse gezeigt. In einem Studienkollektiv von 951 Patienten, von denen im Verlauf 93 ein kardiovaskuläres Ereignis erlitten, haben Rogacev et al. kürzlich beschrieben, dass die intermediären Monozyten einen von den klassischen Risikofaktoren unabhängigen Prädiktor für solche Ereignisse darstellen (119). Im Gegensatz zu diesem Ergebnis wurde eine ähnlich geplante Studie mit im Verlauf 123 Erkrankten publiziert, die jedoch die klassischen Monozyten und nicht die intermediären als unabhängig prädiktiv bezeichnet (120). Die klassischen Monozyten wurden bislang kaum als kardiovaskuläre Erkrankungen fördernd beschrieben (121) und es ist unklar, weshalb die genannten zwei relativ großen Studien zu diesem unterschiedlichen Ergebnis kommen. Interessanterweise kamen Berg et al. zu dem Resultat, dass der Anteil sowohl intermediärer, als auch nicht-klassischer Monozyten invers mit der Intima-Media-Dicke (IMD) der ACI assoziiert ist (120). Rogacev et al.

kommen in einer früheren Studie auch diesbezüglich zu einem gegensätzlichen Ergebnis: Die absoluten Zahlen CD16-positiver Monozyten waren hier positiv, allerdings nicht unabhängig, mit der IMD assoziiert (122). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass auch bezüglich der CVRF in Zusammenhang mit den Monozyten-Subpopulationen bislang kein abschließendes und übereinstimmendes Ergebnis vorliegt. Den Ergebnissen der vorliegenden Studie folgend und auf Basis der Mehrzahl der weiteren zu diesem Thema bislang publizierten Daten ist eine Assoziation des intermediären Subsets mit dem kardiovaskulären Risiko am wahrscheinlichsten. Dies stände ebenfalls in Übereinstimmung mit dem mutmaßlich hohen proatherogenen Potenzial dieses Subtyps.

IV.4 Monozyten-Subpopulationen im ischämischen Schlaganfall

Die vorliegende Arbeit präsentiert erstmalig absolute Zellzahlen der Monozyten-Subpopulationen bei Schlaganfall-Patienten. In Übereinstimmung mit den bisherigen Ergebnissen und Hypothesen zeigte sich nahezu eine Verdopplung der Zellzahlen

67 intermediärer Monozyten nach einem Schlaganfall gegenüber Kontrollpatienten, welche unabhängig von dem kardiovaskulären Risiko bestand. Theoretisch wäre eine intervenierende Rolle der Monozyten-Subpopulationen in die postischämische Immunantwort nach einem Schlaganfall denkbar. Interessanterweise waren die relativen Werte der klassischen und die der nicht-klassischen Monozyten, wenn auch nicht signifikant, tendenziell mit dem Schweregrad eines Schlaganfalls verknüpft. Die Fraktion der nicht-klassischen Monozyten verhielt sich dabei gleichsinnig wie das Chemokin Fractalkine, dessen Rezeptor CX3CR1 auch im Wesentlichen auf diesen Zellen präsentiert wird. Der Gradient von Fractalkine ist unter bestimmten Bedingungen mitbestimmend für die Bewegung und Eigenschaften der „patrolling monocytes“, welche vielfach sowohl in in vitro als auch in in vivo-Studien als protektiv angesehen worden sind.

In der ersten Untersuchung von Monozyten-Subsets im Schlaganfall bei Menschen konnten Urra et al. eine Assoziation des Anteils nicht-klassischer Monozyten mit einem guten Outcome und kleinerer Infarktgröße darstellen (123). Umgekehrt verhielten sich CD14-positive Monozyten, was im Einklang zu o. g. tendenziellen Ergebnissen der vorliegenden Arbeit in Bezug auf den Schweregrad steht. Als wesentlicher Unterschied zu der Studie von Urra et al. muss beschrieben werden, dass in jener Studie auch Patienten mit hämorrhagischen Schlaganfällen eingeschlossen worden sind und auch Patienten mit schlaganfallassoziierten Infektionen nicht ausgeschlossen wurden. Die Vergleichbarkeit der beiden Studien ist insofern nur bedingt möglich. Wie aus mehreren klinischen Untersuchungen bekannt ist, ist eine Änderung der Zellzahlen bestimmter Monozyten-Subpopulationen unter dem Zustand von verschiedenen Infektionen anzunehmen. Es ist somit wahrscheinlich, dass eine Einflussnahme der Infektion auf die Ergebnisse von Urra et al. besteht. Kürzlich wurden von Kaito et al. weitere Ergebnisse zu Monozyten-Subpopulationen im Schlaganfall publiziert (124). Auch diese Arbeit beinhaltet wie diejenige von Urra et al. nur relative Werte der Monozyten-Subpopulationen und zeigt einen zeitlichen Verlauf, in dem deutlich wird, dass klassische und intermediäre Monozyten anteilig zunehmen, während der Anteil nichtklassischer Monozyten bis sieben Tage nach dem Ereignis abfällt. Eine Assoziation der Monozyten-Subpopulationen mit dem klinischen Schweregrad oder Outcome anhand von Scores, wie NIHSS oder mRS, wird von Kaito et al. im Gegensatz zu Urra et al.

jedoch nicht berichtet. Wohl aber postulieren die Autoren eine Rolle der intermediären

68 Monozyten für den Gewebsschaden nach einem Schlaganfall, da der Anteil dieser Zellen bei progressiv verlaufenen Schlaganfällen dauerhaft erhöht war (124).

Weiterführende Untersuchungen wären diesbezüglich, auch in Hinblick auf künftige potenzielle neuroprotektive Therapieansätze, wünschenswert. Konkret wäre es interes-sant, das Zusammenspiel der Monozyten-Subpopulationen und zugehöriger Chemokine bei Schlaganfall-Patienten näher zu charakterisieren. Auch eine erweiterte FACS-Analyse unter Einschluss der entsprechenden Rezeptoren auf den Monozyten wäre zweckdienlich, um etwaige Assoziationen der Plasmakonzentrationen der Chemokine mit der Rezeptordichte zu untersuchen.

IV.5 Histologische Merkmale der ACI-Stenose

Mehrere der in dieser Arbeit gewählten histologischen Kriterien wiesen signifikante Unterschiede zwischen symptomatischen und asymptomatischen ACI-Stenosen auf. So war der Anteil der Blutungsresorption in symptomatischen Plaques signifikant höher als in asymptomatischen, während letztere eine stärkere Wandfibrosierung aufwiesen.

Letzteres Ergebnis ist in Übereinstimmung mit der aktuellen Vorstellung der erhöhten Plaque-Stabilität durch einen fibrosierenden Prozess. Wie schon eingangs beschrieben ist die Infiltration mit Makrophagen ein wichtiges Element in der Atherogenese, das unter anderem auch zur Vulnerabilität beiträgt. Symptomatische Plaques waren deutlich stärker von Makrophagen durchsetzt, wobei das Signifikanzniveau hier knapp verfehlt wurde. Die Beobachtung, dass Makrophagen häufiger in symptomatischen ACI-Plaques anzutreffen sind, wurde bereits auch in früheren Studien beschrieben (125, 126). Es ist des Weiteren auch eine Assoziation zwischen der Makrophagenmenge und Dicke der fibrösen Kappe postuliert worden (36). Eine dünne fibröse Kappe ist wiederum ein Risiko für die Plaque-Ruptur, welche in vielen Arbeiten häufiger in symptomatischen Plaques gefunden wurde (39). In der vorliegenden Studie ist, vermutlich der relativ geringen Fallzahl geschuldet, im Gegensatz hierzu kein signifikanter Unterschied diesbezüglich festgestellt worden; bei 63 % in symptomatischen und 25 % in asymptomatischen Plaques fanden sich Lumenaufbrüche. Limitierend für die histologische Auswertung muss an dieser Stelle die Möglichkeit der inkompletten

69 Erfassung der Plaques beschrieben werden, denn möglicherweise könnten durch die intraoperative Präparation Teile der Plaques nicht berücksichtigt worden sein.

Die lumennahe Infiltration von Immunzellen war in symptomatischen Plaques dominanter ausgeprägt. Eine solche könnte hypothetisch ebenfalls zu einer erhöhten Thrombogenität der Plaque-Oberfläche beitragen. Auch die Bildung von Cholesterinkristallen kann durch Vergrößerung des Plaque-Volumens eine Ruptur begünstigen (127, 128). Patienten mit symptomatischen Plaques wiesen zu 100 % Cholesterinkristalle auf, asymptomatische in signifikant weniger Fällen. Die Ausbildung von Vasa vasorum ist ebenfalls ein häufiges Merkmal größerer Plaques (37, 38, 129) und konnte in dieser Arbeit in allen Präparaten nachgewiesen werden.

Schlussendlich hat die verblindete Einschätzung eines Neuropathologen, inwiefern eine Plaque in der Gesamtschau „aktiv“ ist, ebenfalls zu einem zuverlässigen Unterscheidungsmerkmal geführt. Die aufgeführten Kriterien wären somit für die Beurteilung der Plaque-Vulnerabilität in Folge-Studien durchaus geeignet und könnten z.B. wie erwähnt zur Graduierung bislang asymptomatischer ACI-Stenosen herangezogen werden.

IV.6 Fractalkine als Biomarker im ischämischen Schlaganfall

Die genauen Funktionen des Chemokins Fractalkine werden noch kontrovers diskutiert.

Es mehren sich jedoch Hinweise auf eine neuroprotektive Eigenschaft. Eine Hypothese ist die inhibitorische Wirkung von Fractalkine auf Mikroglia (85-88), die in der Neuroinflammation als spezialisierte ZNS-Makrophagen destruierende Aktionen entfalten. Beispielsweise bewirkte eine in vitro-Gabe von Fractalkine auf Mikroglia eine Inhibierung der Zelltod-Mechanismen via des Fas-Ligand-assoziierten Zelltods und anderer proapoptotischer Mechanismen (130). Ferner ließ sich in einem Zellkultur-Modell das Überleben von Hippocampus-Neuronen durch die Zugabe von Fractalkine induzieren (131). Fractalkine könnte auch nach einem hypoxischen Schaden des Gehirns zum Überleben von Neuronen beitragen.

In der vorliegenden Arbeit zeigte sich, dass zu bestimmten Zeitpunkten signifikante Unterschiede der Plamakonzentrationen von Fractalkine von Patienten nach einem Schlaganfall verglichen mit Kontrollprobanden mit CVRF in Abhängigkeit von dem

70 Schweregrad vorliegen. Zu den Zeitpunkten 3 d, 7 d und tendenziell nach 90 d lagen die Fractalkine-Werte bei Patienten nach moderat/schwerwiegenden Schlaganfällen niedriger vor. Mit der vorliegenden Arbeit kann nicht untersucht werden, inwiefern Fractalkine eine aktive Rolle einnimmt, oder nur reaktiv als Entzündungsantwort reagiert. Jedoch ist das Ergebnis, dass sich bis 90 Tage nach dem Ereignis Unterschiede der Plasmakonzentrationen zeigen, ein Hinweis auf einen möglichen individuellen Regulationsmechanismus, da die Post-Schlaganfall-Inflammation zu diesem Zeitpunkt abgeklungen sein sollte. Ferner scheint ebenfalls eine schnelle Regulation von Fractalkine stattzufinden, da bereits die frühen Werte Unterschiede im Verlauf aufzeigen.

Donohue et al. beschrieben eine Assoziation von Fractalkine-Plasma-Spiegeln mit dem Schlaganfall-Outcome nach 180 Tagen (132). In der vorliegenden Arbeit bestätigte sich dieses Ergebnis nicht, da die absoluten Fractalkine-Werte hier keinerlei Assoziation zu dem Langzeit-Outcome aufzeigten. Es konnte jedoch die frühe Dynamik von Fractalkine zwischen sechs Stunden und drei Tagen als unabhängig mit dem 90 d-Outcome verbunden identifiziert werden. In Übereinstimmung hiermit zeigte sich ferner eine inverse Korrelation der Fractalkine-Dynamik mit dem Ausmaß der Zellschädigung, gemessen am Schadensmarker S100B nach 24 Stunden. Die Diskrepanz der Befunde von Donohue et al. und den vorliegenden Ergebnissen könnte auf verschiedene Patienten-kollektive zurückzuführen sein. In der vorliegenden Studie sind relativ wenig schwer betroffene Patienten eingeschlossen worden, was wiederum auf den strikten Ausschlusskriterien, vor allem hinsichtlich von Infektionen beruhen wird. Des Weiteren sind in der Arbeit von Donohue et al. in der Anzahl recht unterschiedliche Gruppen miteinander verglichen worden – die Hauptaussage der Arbeit gründet sich auf einen Vergleich von 44 Patienten mit einem mRS von 0-3 vs. vier Patienten mit einem mRS von

>3 (132).

Neben der Hypothese des inhibitorischen Potenzials von Fractalkine auf Mikroglia mag eine weitere Erklärung die chemotaktische Anlockung peripherer Immunzellen sein. In einem Schlaganfall-Modell in der Maus wurde eine Einwanderung von Immunzellen gezeigt, die ihren Höhepunkt ein bis drei Tage nach der Ischämie hatte (72). Auch die Makrophagen-Infiltration steigt zwischen Tag eins und vier nach einem experimentellen Schlaganfall signifikant an (133). Wie oben beschrieben, wurde durch Urra et al. eine Assoziation des Anteils nicht-klassischer Monozyten mit gutem Schlaganfall-Outcome

71 postuliert. Eine signifikante Abnahme dieser Subpopulation nach zwei Tagen nach dem Ereignis ist ebenfalls beschrieben worden (123, 124). Diese Ergebnisse könnten in Einklang mit dem dargestellten zeitlichen Verlauf von Fractalkine gesehen werden.

Insbesondere auf nicht-klassische Monozyten hat Fractalkine eine anlockende Wirkung, welche im Zustand des Schlaganfalls jedoch bislang nicht nachgewiesen wurde. Im Myokardinfarkt ist die Anlockung muriner Ly6Clow-Monozyten u.a. durch Fractalkine reguliert. Diese Zellen werden im post-ischämischen Myokard als reparativ angesehen (134, 135). Falls auch im Schlaganfall ein ähnlicher Bezug von Fractalkine mit der Anlockung protektiv und/oder reparativ wirkender Immunzellen bestehen sollte, wäre dies ein weiteres Argument für eine durch dieses Chemokin vermittelte Neuroprotektion. Gegen diese Theorie spricht eine kürzlich publizierte experimentelle Studie, die beschreibt, dass unter Abwesenheit funktioneller Ly6Clow-Monozyten keine strukturelle Änderung nach einem Schlaganfall bei Mäusen eintritt (136). Allerdings fand hier nur eine Beobachtung über 14 Tage nach dem Ereignis statt, sodass mögliche Langzeiteffekte und das Langzeit-Outcome hierin unbeachtet blieben. Hilfreich wären hierbei zukünftige Studien, die zum einen die chemotaktische Wirkung von Fractalkine im Schlaganfall untersuchen und zum anderen FACS-Analysen von Immunzellen und insbesondere Monozyten-Subpopulationen, in denen u.a. der korrespondierende Fractalkine-Rezeptor CX3CR1 mitgemessen wird.

Die meisten Biomarker, die im Schlaganfall eine nachgewiesene Bedeutung haben, sind mit schlechtem Outcome verknüpft. In der vorliegenden Arbeit konnte nur eine Korrelation von Fractalkine mit s-CRP und TIMP-1 bei den Kontrollprobanden entdeckt werden. Auch 90 Tage nach dem Ereignis waren keine Assoziationen zu den weiteren Inflammationsmarkern IL-6, CRP, MMP-9, TIMP-1 und MCP-1 vorhanden, was die besondere Dynamik von Fractalkine unterstreicht.

Die ursprüngliche Motivation, Fractalkine in Projekt 1 zu messen, ist darin begründet, dass Fractalkine eine Rolle in der Atherogenese zugesprochen wird (137-140), v. a.

wiederum aufgrund der chemotaktischen Wirkung auf Monozyten (66, 81). Fractalkine wird ebenfalls auf Endothelzellen präsentiert und ist in allen Stadien atherosklerotischer Läsionen aufzufinden (81). In der Analyse der histopathologischen Ergebnisse in Projekt 1 fanden sich überraschenderweise ebenso wie im Vergleich der Patientengruppen keine Assoziationen zum Schweregrad der atherosklerotischen Läsion. Ebenfalls konnten keine Verknüpfungen zu den Zellzahlen der

Monozyten-72 Subpopulationen gefunden werden. Auch in diesem Hinblick wären künftige FACS-Analysen, die CX3CR1 auf der Oberfläche von Monozyten miteinschließen, interessant. In Projekt 2 fand sich eine Korrelation von Fractalkine mit s-CRP, was im Einklang mit der beschriebenen Assoziation von Fractalkine mit dem kardiovaskulären Risiko stehen könnte (141). Um eine Verfälschung der Ergebnisse in Projekt 2 durch den Einfluss von CVRF auf die Fractalkine-Werte zu umgehen, wurden solche Kontrollprobanden eingeschlossen, die CVRF aufzeigten. Ferner ist in die logistische Regressionsanalyse das Vorhandensein von CVRF als Faktor mit eingegangen. Die Dynamik von Fractalkine

Monozyten-72 Subpopulationen gefunden werden. Auch in diesem Hinblick wären künftige FACS-Analysen, die CX3CR1 auf der Oberfläche von Monozyten miteinschließen, interessant. In Projekt 2 fand sich eine Korrelation von Fractalkine mit s-CRP, was im Einklang mit der beschriebenen Assoziation von Fractalkine mit dem kardiovaskulären Risiko stehen könnte (141). Um eine Verfälschung der Ergebnisse in Projekt 2 durch den Einfluss von CVRF auf die Fractalkine-Werte zu umgehen, wurden solche Kontrollprobanden eingeschlossen, die CVRF aufzeigten. Ferner ist in die logistische Regressionsanalyse das Vorhandensein von CVRF als Faktor mit eingegangen. Die Dynamik von Fractalkine