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IV. Diskussion

IV.6 Fractalkine als Biomarker im ischämischen Schlaganfall

Die genauen Funktionen des Chemokins Fractalkine werden noch kontrovers diskutiert.

Es mehren sich jedoch Hinweise auf eine neuroprotektive Eigenschaft. Eine Hypothese ist die inhibitorische Wirkung von Fractalkine auf Mikroglia (85-88), die in der Neuroinflammation als spezialisierte ZNS-Makrophagen destruierende Aktionen entfalten. Beispielsweise bewirkte eine in vitro-Gabe von Fractalkine auf Mikroglia eine Inhibierung der Zelltod-Mechanismen via des Fas-Ligand-assoziierten Zelltods und anderer proapoptotischer Mechanismen (130). Ferner ließ sich in einem Zellkultur-Modell das Überleben von Hippocampus-Neuronen durch die Zugabe von Fractalkine induzieren (131). Fractalkine könnte auch nach einem hypoxischen Schaden des Gehirns zum Überleben von Neuronen beitragen.

In der vorliegenden Arbeit zeigte sich, dass zu bestimmten Zeitpunkten signifikante Unterschiede der Plamakonzentrationen von Fractalkine von Patienten nach einem Schlaganfall verglichen mit Kontrollprobanden mit CVRF in Abhängigkeit von dem

70 Schweregrad vorliegen. Zu den Zeitpunkten 3 d, 7 d und tendenziell nach 90 d lagen die Fractalkine-Werte bei Patienten nach moderat/schwerwiegenden Schlaganfällen niedriger vor. Mit der vorliegenden Arbeit kann nicht untersucht werden, inwiefern Fractalkine eine aktive Rolle einnimmt, oder nur reaktiv als Entzündungsantwort reagiert. Jedoch ist das Ergebnis, dass sich bis 90 Tage nach dem Ereignis Unterschiede der Plasmakonzentrationen zeigen, ein Hinweis auf einen möglichen individuellen Regulationsmechanismus, da die Post-Schlaganfall-Inflammation zu diesem Zeitpunkt abgeklungen sein sollte. Ferner scheint ebenfalls eine schnelle Regulation von Fractalkine stattzufinden, da bereits die frühen Werte Unterschiede im Verlauf aufzeigen.

Donohue et al. beschrieben eine Assoziation von Fractalkine-Plasma-Spiegeln mit dem Schlaganfall-Outcome nach 180 Tagen (132). In der vorliegenden Arbeit bestätigte sich dieses Ergebnis nicht, da die absoluten Fractalkine-Werte hier keinerlei Assoziation zu dem Langzeit-Outcome aufzeigten. Es konnte jedoch die frühe Dynamik von Fractalkine zwischen sechs Stunden und drei Tagen als unabhängig mit dem 90 d-Outcome verbunden identifiziert werden. In Übereinstimmung hiermit zeigte sich ferner eine inverse Korrelation der Fractalkine-Dynamik mit dem Ausmaß der Zellschädigung, gemessen am Schadensmarker S100B nach 24 Stunden. Die Diskrepanz der Befunde von Donohue et al. und den vorliegenden Ergebnissen könnte auf verschiedene Patienten-kollektive zurückzuführen sein. In der vorliegenden Studie sind relativ wenig schwer betroffene Patienten eingeschlossen worden, was wiederum auf den strikten Ausschlusskriterien, vor allem hinsichtlich von Infektionen beruhen wird. Des Weiteren sind in der Arbeit von Donohue et al. in der Anzahl recht unterschiedliche Gruppen miteinander verglichen worden – die Hauptaussage der Arbeit gründet sich auf einen Vergleich von 44 Patienten mit einem mRS von 0-3 vs. vier Patienten mit einem mRS von

>3 (132).

Neben der Hypothese des inhibitorischen Potenzials von Fractalkine auf Mikroglia mag eine weitere Erklärung die chemotaktische Anlockung peripherer Immunzellen sein. In einem Schlaganfall-Modell in der Maus wurde eine Einwanderung von Immunzellen gezeigt, die ihren Höhepunkt ein bis drei Tage nach der Ischämie hatte (72). Auch die Makrophagen-Infiltration steigt zwischen Tag eins und vier nach einem experimentellen Schlaganfall signifikant an (133). Wie oben beschrieben, wurde durch Urra et al. eine Assoziation des Anteils nicht-klassischer Monozyten mit gutem Schlaganfall-Outcome

71 postuliert. Eine signifikante Abnahme dieser Subpopulation nach zwei Tagen nach dem Ereignis ist ebenfalls beschrieben worden (123, 124). Diese Ergebnisse könnten in Einklang mit dem dargestellten zeitlichen Verlauf von Fractalkine gesehen werden.

Insbesondere auf nicht-klassische Monozyten hat Fractalkine eine anlockende Wirkung, welche im Zustand des Schlaganfalls jedoch bislang nicht nachgewiesen wurde. Im Myokardinfarkt ist die Anlockung muriner Ly6Clow-Monozyten u.a. durch Fractalkine reguliert. Diese Zellen werden im post-ischämischen Myokard als reparativ angesehen (134, 135). Falls auch im Schlaganfall ein ähnlicher Bezug von Fractalkine mit der Anlockung protektiv und/oder reparativ wirkender Immunzellen bestehen sollte, wäre dies ein weiteres Argument für eine durch dieses Chemokin vermittelte Neuroprotektion. Gegen diese Theorie spricht eine kürzlich publizierte experimentelle Studie, die beschreibt, dass unter Abwesenheit funktioneller Ly6Clow-Monozyten keine strukturelle Änderung nach einem Schlaganfall bei Mäusen eintritt (136). Allerdings fand hier nur eine Beobachtung über 14 Tage nach dem Ereignis statt, sodass mögliche Langzeiteffekte und das Langzeit-Outcome hierin unbeachtet blieben. Hilfreich wären hierbei zukünftige Studien, die zum einen die chemotaktische Wirkung von Fractalkine im Schlaganfall untersuchen und zum anderen FACS-Analysen von Immunzellen und insbesondere Monozyten-Subpopulationen, in denen u.a. der korrespondierende Fractalkine-Rezeptor CX3CR1 mitgemessen wird.

Die meisten Biomarker, die im Schlaganfall eine nachgewiesene Bedeutung haben, sind mit schlechtem Outcome verknüpft. In der vorliegenden Arbeit konnte nur eine Korrelation von Fractalkine mit s-CRP und TIMP-1 bei den Kontrollprobanden entdeckt werden. Auch 90 Tage nach dem Ereignis waren keine Assoziationen zu den weiteren Inflammationsmarkern IL-6, CRP, MMP-9, TIMP-1 und MCP-1 vorhanden, was die besondere Dynamik von Fractalkine unterstreicht.

Die ursprüngliche Motivation, Fractalkine in Projekt 1 zu messen, ist darin begründet, dass Fractalkine eine Rolle in der Atherogenese zugesprochen wird (137-140), v. a.

wiederum aufgrund der chemotaktischen Wirkung auf Monozyten (66, 81). Fractalkine wird ebenfalls auf Endothelzellen präsentiert und ist in allen Stadien atherosklerotischer Läsionen aufzufinden (81). In der Analyse der histopathologischen Ergebnisse in Projekt 1 fanden sich überraschenderweise ebenso wie im Vergleich der Patientengruppen keine Assoziationen zum Schweregrad der atherosklerotischen Läsion. Ebenfalls konnten keine Verknüpfungen zu den Zellzahlen der

Monozyten-72 Subpopulationen gefunden werden. Auch in diesem Hinblick wären künftige FACS-Analysen, die CX3CR1 auf der Oberfläche von Monozyten miteinschließen, interessant. In Projekt 2 fand sich eine Korrelation von Fractalkine mit s-CRP, was im Einklang mit der beschriebenen Assoziation von Fractalkine mit dem kardiovaskulären Risiko stehen könnte (141). Um eine Verfälschung der Ergebnisse in Projekt 2 durch den Einfluss von CVRF auf die Fractalkine-Werte zu umgehen, wurden solche Kontrollprobanden eingeschlossen, die CVRF aufzeigten. Ferner ist in die logistische Regressionsanalyse das Vorhandensein von CVRF als Faktor mit eingegangen. Die Dynamik von Fractalkine zwischen 6 h und 3 d ist aber als unabhängiger Faktor für das 90 d-Outcome hervor-gegangen.