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Stellungnahmen von ORF und BWB nach der mündlichen Verhandlung

1.11.1. Stellungnahme der BWB

Mit Schreiben vom 21.06.2013 nahm die BWB einerseits zur Niederschrift des Tonbandprotokolls der mündlichen Verhandlung und andererseits zu den Ergebnissen der

bilateralen Gespräche mit dem ORF über Zusagen bzw. Auflagen das gegenständliche Angebotskonzept betreffend Stellung.

Im Hinblick auf die ergänzenden Ausführungen des Amtssachverständigen im Rahmen der mündlichen Verhandlung (seitens der BWB als Gutachtensergänzung bezeichnet) und das Gutachten äußerte sich die BWB dahingehend, dass sie die Ergebnisse des Gutachtens – vor allem die Marktabgrenzung, die Darstellung der Marktverhältnisse und die Darstellung der Auswirkungen des neuen Angebots auf Reichweiten und Werbeumsätze bzw.

Werbemarktanteile – wegen methodischer Mängel und nicht ausreichender Befundaufnahme für nicht schlüssig halte.

Kritik zur Methodik des Gutachtens

Die Gutachtensergänzung beinhalte in weiten Teilen eine Analyse der Rechtsprechung, wobei jedoch die Auslegung des Rechts der KommAustria obliege. Die vom Amtssachverständigen festgestellte Übereinstimmung mit oder Abweichung von der Praxis europäischer oder deutscher Wettbewerbsbehörden erscheine der BWB insofern als Grundlage der Entscheidung der KommAustria nach Maßgabe des Gutachtensauftrags irrelevant. In diesem Zusammenhang bemängelte die BWB überdies, dass die Fundstellen der vom Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung wiedergegebnen Zitate aus der Fachpresse und der Entscheidungen des OLG Düsseldorf bzw. des Bundeskartellamtes weder bekannt gegeben noch Unterlagen hierzu vorgelegt worden seien. Die BWB habe daher weder den Kontext der Aussagen in Erfahrung bringen, noch überprüfen können, ob diese Aussagen auch zutreffend wiedergegeben worden seien. Die Gutachtensergänzung sei daher unschlüssig soweit sie sich auf diese Informationen stütze.

Weiters kritisierte die BWB, dass das Gutachten zur Gänze auf eine empirische Befundaufnahme durch eine Marktbefragung verzichtet habe, die nach Ansicht der BWB als Instrument ökonomischer Expertise maßgeblich sein sollte. Dies sei von der BWB bereits in ihrer Stellungnahme vom 21.05.2013 zum Gutachten moniert worden. Es erscheine der BWB auch nicht gerechtfertigt, empirische Erhebungen im Hinblick auf die Verfahrensdauer von sechs Monaten zu unterlassen. Im Fusionskontrollverfahren würden bei grundsätzlich fünfmonatiger Verfahrensdauer regelmäßig Marktbefragungen von gerichtlichen Sachverständigen durchgeführt. Die BWB habe außerdem in wesentlich kürzerer Zeit eine Marktbefragung zu wesentlichen, für die Marktabgrenzung relevanten Aspekten durchgeführt, die der Amtssachverständige zum Ausgangspunkt weiterer Erhebungen/Überprüfungen hätte machen können.

Kritik zum Prüfmaßstab des Gutachtens

Das Gutachten habe selbst als für die Marktabgrenzung im Bereich Werbung die Prüfung entscheidend befunden bzw. erklärt, inwiefern Produkte aus Sicht der Werbetreibenden gleiche oder ähnliche Bedürfnisse befriedigten. Die Sicht der Werbetreibenden sei allerdings nicht erhoben oder in einem Befund dargestellt worden. Zusammenfassend seien daher nach Ansicht der BWB das Gutachten und die Gutachtensergänzung aufgrund des Abweichens vom selbst vorgegebenen Beurteilungsmaßstab unschlüssig.

Im Ergänzungsgutachten seien Recherchen vorgestellt worden, aus denen sich ergeben habe, dass – auf den Videoplattformen der Bertelsmann AG sowie der Pro7Sat1-Gruppe – bestimmte Markeninhaber lnStream-Video-Werbung auch im Umfeld nutzergenerierter Videos einsetzen würden. Hier wäre es naheliegend gewesen, die von der BWB befragten Marktteilnehmer IP sowie Puls4/SevenOneMedia mit der Frage zu konfrontieren, welche Funktion InStream-Video-Werbung im nutzergenerierten Umfeld im Vergleich zur lnStream-Video-Werbung im Online-lnventar eines TV-Programmes habe. So hätte man Aufschluss über die Funktion und relevante Eigenschaften (wie Preise, etc.) und damit über die

Vergleichbarkeit der Werbeform in den verschiedenen Umfeldern erhalten können. Allein der im Ergänzungsgutachten erbrachte Nachweis, dass die Werbeform in beiden Umfeldern eingesetzt werde, lasse diesen Rückschluss nicht zu.

Weiters brachte die BWB vor, dass Erhebungen bezüglich der Vergleichbarkeit der Werbeformen auf Facebook und Twitter nicht durchgeführt worden seien und die Erhebung des Amtssachverständigen daher insgesamt keinen Aufschluss über die Vergleichbarkeit des Werbeangebots auf diesen Online-Plattformen mit dem verfahrensgegenständlichen neuen Angebot gäben.

Der Amtssachverständige – so die BWB weiter – beziehe sich in den ergänzenden Ausführungen auf die Ergebnisse der Markterhebungen des deutschen Bundeskartellamts und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen. Das Ergänzungsgutachten habe jedoch nicht nachvollziehbar gemacht, warum deutsche Daten auch für Österreich maßgeblich sein sollen. Gerade in der Online-Werbung sei der österreichische Markt von – im Vergleich zu anderen geografischen Märkten (etwa den USA oder Deutschland) – unterschiedlichen Entwicklungen geprägt. Die Bezugnahme auf Studien und Erhebungen zu anderen geografischen Märkten könne daher – ohne jede Befragung von Marktteilnehmern in Österreich – nicht schlüssig zur Begründung von Aussagen zum österreichischen Markt herangezogen werden.

Insgesamt sei es auch nicht nachvollziehbar und schlüssig, wenn der Amtssachverständige mit dem Hinweis auf Einzelbeispiele (z.B. neue Angebote von YouTube, Facebook, Google, Twitter) oder auf den Umstand, dass bestimmte Gegebenheiten nicht einheitlich bewertet werden könnten, Rückschlüsse auf Marktabgrenzungen ziehe oder ablehne. Nach Kenntnis der BWB sollte solchen ökonomischen Bewertungsmethoden eine möglichst breite, repräsentative, empirische Erhebung unter verschiedenen Markteilnehmern (Anbietern, Werbetreibenden, Agenturen) zugrundeliegen. Dabei sei es üblich, sich bei der Auswertung an jenen Fakten zu orientieren, die von der Mehrheit der Befragten als gegeben bzw.

entscheidend angesehen würden. Das Vorbringen des Amtssachverständigen erlaube insbesondere bezüglich der neuen Angebote von YouTube, Facebook, Google, Twitter keine verallgemeinerungsfähige Einschätzung von deren Relevanz für österreichische Werbekunden. Daher seien insbesondere die Aussagen des Gutachtens zur Einbeziehung dieser Angebote in den sachlich relevanten Markt nicht schlüssig begründet.

Zusammenfassend wurde daher seitens der BWB festgehalten, dass die Marktabgrenzung sowie die Analyse der Auswirkungen des neuen Vorhabens auf den Wettbewerb auf diesen Markt durch das Gutachten und das Ergänzungsgutachten insgesamt nicht schlüssig erfolgt seien.

ln der Sache hielt die BWB abschließend fest, dass die genaue Abgrenzung des Marktes im Hinblick darauf, dass sich im Bereich der Bewegtbildwerbung in Österreich der Markt erst in der Startphase befände, auch hätte offen gelassen werden können. ln der sachlichen Beurteilung hätte man dann aber jedenfalls auch prüfen können/müssen, ob bei Annahme eines eigenen Markt(segment)es für diesen Bereich, die Auswirkungen des neuen Angebotes in der allgemeinen Marktabgrenzung des Gutachtens bereits adäquat berücksichtigt worden seien. ln diesem Kontext bedürfte besonderer Berücksichtigung, dass

 es in der Bewegtbildwerbung derzeit noch wenige Anbieter gebe, die – sofern sie nicht über Videoinhalte verfügen – spezifische Investitionen tätigen müssten;

 die Marktumsätze insgesamt in diesem Segment noch gering seien;

 die Auswirkungen des Markteintritts des ORF in diesem Bereich spezifisch vor dem Umstand gewürdigt werden müssten, dass der ORF über ein bereits öffentlich-rechtlich finanziertes und hochwertiges Inventar an Videoinhalten verfüge, das größer sei und deutlich höhere Reichweiten erziele als das Inventar sämtlicher privater Anbieter in Österreich.

Mit einer solchen differenzierten Vorgehensweise wäre nach Ansicht der BWB dem Zweck der Auftragsvorprüfung gemäß §§ 6 ff ORF-G, nämlich der Prüfung der Auswirkung eines neuen öffentlich-rechtlichen Angebots auf die Wettbewerbssituation anderer in Österreich aktiver Medienunternehmen, besser Rechnung getragen worden.

Zu den Verhandlungen zwischen BWB und ORF über die Änderung des ORF-Antrags

ln den bilateralen Verhandlungen mit dem ORF sei soweit Übereinstimmung erzielt worden, dass die BWB bei Annahme der nachfolgend konkretisierten Zusagen zum verfahrensgegenständlichen Angebotskonzept keine unverhältnismäßigen negativen Auswirkungen des neuen Angebots auf die Wettbewerbssituation mehr erwarte. Ein Verzicht auf die Berufung könne bei derzeitigem Kenntnisstand (also vor Ergehen einer Entscheidung der KommAustria) jedoch nicht abgegeben werden. Allerdings hielt die BWB fest, dass sie die soeben dargelegte Einschätzung der Auswirkungen der Zusagen auf das verfahrensgegenständliche Angebotskonzept materiell nicht ändern werde, wenn die KommAustria die Genehmigung gemäß § 6b Abs. 2 ORF-G mit Auflagen verbinde, die diesen Zusagen entsprächen. Die mit der BWB verhandelten Auflagen beträfen ausschließlich die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb, denen im Gutachten des Amtssachverständigen keine besondere Bedeutung beigemessen worden sei. Die Auferlegung weitergehender Maßnahmen zum Schutz der Angebotsvielfalt gemäß § 6b Abs. 2 ORF-G bleibe der KommAustria unbenommen, um Beeinträchtigungen der Nutzer durch aufdringliche Werbeformen (insbesondere die lnStream-Video-Werbung) weiter zu beschränken, als dies in Form der Verhandlungen mit der BWB möglich gewesenen sei.

Zusagen/Auflagen für die Durchführung des Angebotskonzepts für TVthek (gültig für alle Verbreitungswege):

 Keine Video-Werbung bei Archiv-Sendungen und bei Kindersendungen.

 Verzicht auf Video-Unterbrecherwerbung (Mid-Rolls) beim Abruf von TV-Sendungen.

Diese Beschränkung gehe dem Grunde nach und im Hinblick auf das Fehlen von Ausnahmen (z.B. für Sportsendungen) über das Unterbrecherwerbeverbot (§ 15 ORF-G) hinaus. Materiell bedeute dies, dass dem Nutzer pro Nutzungsvorgang beim Abruf eines oder mehrerer Beiträge aus ein und derselben TV-Sendung lediglich ein Pre-Roll und/oder ein Post-Roll nach Ende einer TV-Sendung ausgespielt werde. Dies gelte unabhängig von der Reihenfolge oder der Vollständigkeit des Abrufs der Beiträge einer TV-Sendung. Das erneute Ausspielen eines Pre-Roll und/oder eines Post-Roll sei gestattet, wenn der Nutzer Beiträge einer anderen TV-Sendung aufrufe und der Nutzungsvorgang zumindest 10 Minuten oder ein Vielfaches hiervon betragen habe.

Anmerkung: Qualitativ werde eine Video-Unterbrecherwerbung am Begriff der einheitlichen TV-Sendung gemessen. Der Nutzer könne direkt einen Beitrag der in mehrere Beiträge filetierten TV-Sendung abrufen. Vor dem direkt ausgewählten Beitrag werde ein Pre-Roll-Spot ausgespielt; in diesem Beitrag oder allen folgenden Beiträge derselben TV-Sendung (wenn der Nutzer die Sendung dann zu Ende sieht) werde höchstens noch ein Post-Roll ausgespielt.

 Die verlängerte Bereitstellungsdauer von maximal 30 Tagen – statt bisher 7 Tagen – für Sendereihen solle nicht für fiktionale Unterhaltungssendungen (Spielfilme und Serien) beantragt werden.

Diese Stellungnahme der BWB wurde dem ORF am 24.06.2013 amtssigniert per E-Mail übermittelt.

1.11.2. Stellungnahme des ORF vom 24.06.2013

Mit Schreiben vom 24.06.2013 übermittelte auch der ORF eine Stellungnahme und bezog sich hierbei auf die in der mündlichen Verhandlung angekündigten bilateralen Gespräche mit

der BWB und eine allfällige Berücksichtigung der positiven Ergebnisse der Gespräche bei der Entscheidung.

Folgende inhaltliche – mit den schriftlichen Ausführungen der BWB übereinstimmende – Zusagen wurden seitens des ORF für die TVthek (gültig für alle Verbreitungswege) bekannt gegeben:

 Keine Video-Werbung bei Archiv-Sendungen und bei Kindersendungen.

 Verzicht auf Video-Unterbrecherwerbung (Mid-Rolls) beim Abruf von TV-Sendungen.

Diese Beschränkung gehe dem Grunde nach und im Hinblick auf das Fehlen von Ausnahmen (z.B. für Sportsendungen) über das Unterbrecherwerbeverbot (§ 15 ORF-G) hinaus. Materiell bedeute dies, dass dem Nutzer pro Nutzungsvorgang beim Abruf eines oder mehrerer Beiträge aus ein und derselben TV-Sendung lediglich ein Pre-Roll und/oder ein Post-Roll nach Ende einer TV-Sendung ausgespielt werde. Dies gelte unabhängig von der Reihenfolge oder der Vollständigkeit des Abrufs der Beiträge einer TV-Sendung. Das erneute Ausspielen eines Pre-Roll und/oder eines Post-Roll sei gestattet, wenn der Nutzer Beiträge einer anderen TV-Sendung aufrufe und der Nutzungsvorgang zumindest 10 Minuten oder ein Vielfaches hiervon betragen habe.

Anmerkung: Qualitativ werde eine Video-Unterbrecherwerbung am Begriff der einheitlichen TV-Sendung gemessen. Der Nutzer könne direkt einen Beitrag der in mehrere Beiträge filetierten TV-Sendung abrufen. Vor dem direkt ausgewählten Beitrag werde ein Pre-Roll-Spot ausgespielt; in diesem Beitrag oder allen folgenden Beiträge derselben TV-Sendung (wenn der Nutzer die Sendung dann zu Ende sieht) werde höchstens noch ein Post-Roll ausgespielt.

 Die verlängerte Bereitstellungsdauer von maximal 30 Tagen – statt bisher 7 Tagen – für Sendereihen solle nicht für fiktionale Unterhaltungssendungen (Spielfilme und Serien) beantragt werden.

2. Sachverhalt

2.1. Angebotskonzept für das geänderte Online-Angebot TVthek.ORF.at (TVthek)