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Stellungnahme der BWB zum Gutachten des Amtssachverständigen

Mit Schreiben vom 21.05.2013 nahm die BWB zum Gutachten des Amtssachverständigen Stellung und fügte ihrem Schreiben wiederum ergänzende Fragen an. Der ORF brachte seinerseits keine schriftliche Stellungnahme zum Gutachten ein, behielt sich jedoch eine kurze Äußerung im Rahmen der in Aussicht genommenen mündlichen Verhandlung vor.

Die BWB gliederte ihre Stellungnahme zum Gutachten des Amtssachverständigen in sechs Abschnitte. Im ersten Teil übt sie Kritik an der im Gutachten vorgenommenen Abgrenzung des sachlich relevanten Werbemarktes und bemängelt in diesem Kontext zunächst, dass ihre bis dato vorgebrachten Argumente nicht entsprechend gewürdigt worden wären. So hätte sie dargelegt, dass aus Sicht der Werbetreibenden nutzergenerierte Kurzforminhalte als Werbeumfeld für Online-Video-Werbung nicht mit professionellen Langforminhalten austauschbar seien, was sowohl durch die Marktteilnehmer Laola.1, SevenOneMedia, Servus TV und Krone TV als auch die ausführlich dargestellte Entscheidung des deutschen Bundeskartellamtes (Analyse zur gemeinsamen ProSiebenSat.1/RTL-Plattform) bestätigt worden sei. Die BWB habe hierzu mehrfach erläutert, dass nutzergenerierte Inhalte von Werbekunden als problematisches Werbeumfeld gesehen würden, weil das Umfeld für Werbespots nicht kontrollierbar sei und dies Gefahren für das Markenimage impliziere. Auch die EK (Entscheidung zur gemeinsamen ProSiebenSat.1/RTL-Plattform, M.5881) gehe klar von einem eigenen Marktsegment für Online-Videowerbung im Zusammenhang mit professionellen Video-Inhalten aus und hebe zudem hervor, dass Online-Videowerbung im Zusammenhang mit professionellen Video-Inhalten weniger eng mit anderen Arten der Online-Werbung verknüpft scheine, als etwa Anzeigen- und Suchwerbung.

Weiters bemängelt die BWB, dass auch ihr Vorbringen hinsichtlich eines einheitlichen Werbemarktes für TV und InStream-Video-Werbung im Gutachten nicht spezifisch gewürdigt worden wäre. Zwar erkenne das Gutachten prinzipiell an, dass Reichweite und Art der Auswahl von Online-Werbung (Vermarktungsformen) Kriterien seien, die bei der Marktabgrenzung relevant sind, wende diese aber nicht konsequent an. Geprüft und im Ergebnis abgelehnt werde zwar die Existenz eines einheitlichen Online-Offline-Werbungsmarktes, die speziellen Vorteile, die sich bei der Vermarktung von Fernsehwerbung und InStream-Video-Werbung aus einer Hand im Hinblick auf Reichweite und die Möglichkeit der Fortsetzung von Werbekampagnen ergäben, würden dabei aber nicht näher untersucht. Auch bei der Prüfung der Substitutionswirkung von InStream-Video-Werbung mit InPage- oder InText-Video-Ads sei auf das Vorbringen der BWB nicht eingegangen worden. Dadurch würde der Hinweis etlicher Marktteilnehmer auf die Möglichkeit zielgruppengenauer Verlängerung klassischer TV-Kampagnen im Online-Bereich durch den Einsatz von InStream-Video-Werbung und die mit der Werbe-Kombination aus TV und Online verbundene Erhöhung des Markenimages nicht berücksichtigt. Hierdurch entstünden für Werbekunden zudem spezielle Reichweitenvorteile.

Schließlich fehle im Gutachten eine Begründung, weshalb der programmbegleitende Aspekt eines Abrufangebots von Fernsehsendern im Rahmen der Abgrenzung des sachlich relevanten Sehermarktes als relevantes Kriterium angesehen werde, hingegen nicht in Zusammenhang mit dem Werbemarkt. Die EK habe jedenfalls eine Überprüfung der Trennung von online und offline Werbung im Zusammenhang mit professionellen Inhalten im Bereich Linearfernsehen und Internet angekündigt und das Bundeskartellamt qualifiziere InStream-Video-Werbung als nächstes Substitut zur Fernsehwerbung, unter anderem wegen

der Ähnlichkeit bei der Wahrnehmung durch den Nutzer. Die BWB hielt hierzu auch fest, dass die Anerkennung eines engen Substitutionsbezuges zwischen InStream-Video und Fernsehwerbung nicht dagegen spreche, dass sich das Angebot von InStream-Video-Werbung – perspektivisch – erweitere und dass andere Marktteilnehmer (Medienhäuser, Presseverlage, Inhaber und Produzenten audiovisueller Inhalte) in den Markt einstiegen oder ihre derzeit doch geringen Aktivitäten erfolgreich erweiterten. Aktuell sei das Angebot für InStream-Video-Werbung im Umfeld professioneller Videoinhalte aber weitgehend noch in der Hand von TV-Anstalten.

Im Kontext fehle nach Auffassung der BWB eine Befundaufnahme, inwiefern für (den Großteil der) Werbekunden konkret InStream-Video-Werbung auf den Online-Angeboten von TV-Veranstaltern austauschbar sei mit InStream-Video-Werbung oder anderen Formen der Displaywerbung in Online-Angeboten, die keine Reichweite über ein TV-Programm generieren könnten. Die BWB argumentiert weiters, dass die Annahme eines einheitlichen Werbemarktes anstelle von zwei getrennten Märkten (1. für klassische Online-Werbung und 2. InStream-Video-Werbung) im Endergebnis dazu führe, dass die Besonderheiten der InStream-Video-Werbung und die Auswirkungen des neuen Angebots in diesem Markt nicht (ausreichend) berücksichtigt würden.

Im zweiten Teil ihrer Stellungnahme erklärt die BWB im Hinblick auf die Analyse vergleichbarer Angebote das Gutachten insoweit für ergänzungsbedürftig, als entgegen der bisherigen Vorgangsweise, in der bei Abgrenzung der relevanten Märkte neben der Nachfragerseite auch die Anbieterseite Berücksichtigung gefunden habe, eine ausführliche Darstellung für den relevanten Werbemarkt zur Gänze unterbleibe. Tatsächlich treffe das Gutachten Aussagen zur Vergleichbarkeit der Vermarktung nur für Online-Angebote von TV-Veranstaltern.

Im dritten Teil ihrer Stellungnahme bezieht sich die BWB auf das Thema „Auswirkungen auf die Angebotsvielfalt“. Hierzu hält sie fest, dass das gutachterliche Ergebnis, wonach eine möglichst geringe Beeinträchtigung der Nutzer durch die geplante Vermarktung als Einflussfaktor bzw. Gestaltungsoption für die Angebotsvielfalt zu werten sei, dazu genutzt werden sollte, entsprechende Auflagen zur Minderung der negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb festzulegen.

Im vierten Teil der Stellungnahme äußert sich die BWB zur gutachterlichen Analyse der Auswirkungen der geänderten TVthek auf die Wettbewerbssituation, wobei in Zusammenhang mit der Darstellung des Marktumfelds neuerlich auf die Aussagen einzelner Marktteilnehmer und die Analysen der EK sowie des Bundeskartellamtes Bezug genommen wird, um die im Gutachten vorgenommene Abgrenzung des sachlich relevanten Werbemarktes in Frage zu stellen. Das Ergebnis des Gutachtens (iSv Einbeziehung von YouToube oder auch Facebook in den Werbemarkt) überzeuge nach Auffassung der BWB insbesondere deshalb nicht, weil eine gründliche Darstellung der Vermarktungs- und Werbeformen der Online-Angebote von YouToube oder Facebook etc. und deren Vergleich mit den als relevanter Markt definierten, in Österreich standardisierten Display Ads verabsäumt worden sei. Nach der Erfahrung der BWB hätten jene Kunden, deren Werbeumsätze von Fokus Media Research erhoben werden, spezifische Bedürfnisse hinsichtlich Reichweite, zeitkritische Umsetzung von Werbekampagnen und Kontrolle des Werbeumfelds zum Schutz des Marken- oder Unternehmensimages. Die Reichweitenerhebung durch ÖWA wiederum diene primär der Vermarktung an diese Kunden. Dass YouTube, Google, Twitter und Facebook an diesen Markterhebungen nicht beteiligt sind, sei laut BWB als Indiz zu werten, dass deren Werbekunden andere Bedürfnisse hinsichtlich des Zugangs, der Kosten und der Wirkung der dort geschalteten Werbung haben.

Im Detail führt die BWB hierzu aus, dass etwa Werbeschaltungen bei Google keine standardisierten Display Ads verwenden würden. Auch gehe es dort nicht um die Vermittlung von Werbebotschaften zur Image- oder Verkaufsförderung, sondern zahle der Kunde vielmehr für eine Bestplatzierung seiner Unternehmenshomepage bei Suchanfragen, die den Unternehmensgegenstand beträfen. In Facebook wiederum könnten ebenfalls keine standardisierten Dispay Ads eingesetzt werden, sondern lediglich Anzeigen in der rechten Spalte der Facebook-Seiten in vorgegebenem Format. Auch die Preisgestaltung und Vermarktung in Form von Auktionen um beschränkten Werbeplatz bei Facebook komme den spezifischen Bedürfnissen von Werbekunden im Bereich der Imagewerbung nicht entgegen, da die Kontrollierbarkeit zum Schutz des Markenimages und die Gewährleistung bestimmter Kapazitäten für die Dauer einer Werbekampagne fehle. Daher bleibe das Gutachten schlüssige Ausführungen und eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der BWB zu dem Thema schuldig, inwiefern Werbeangebote von YouTube, Facebook und Co. tatsächlich mit dem neuen Angebot des ORF vergleichbar wären.

Auch im Hinblick auf die im Gutachten dargestellten Veränderungen der Marktstruktur durch neue Angebote bemängelt die BWB die Einbeziehung der Werbeangebote von YouTube, Facebook und Twitter ohne nähere Erörterung, inwiefern diese Angebote tatsächlich mit dem definierten relevanten Markt vergleichbar seien.

Schließlich übt die BWB Kritik an der gutachterlichen Analyse der Auswirkungen des neuen Angebots auf die Preise und die Wahrscheinlichkeit von sinkenden TKPs. Diese überzeuge insoweit nicht, als das Gutachten sich hierbei ausschließlich auf Preise und Fallbeispiele aus dem Ausland (obwohl Österreich als geografisch relevanter Markt definiert worden sei) stütze und zum anderen das Vorbringen und die Beweise der BWB zu einschlägigen Aussagen der Markteilnehmer in Österreich ignoriere. So würden sinkende TKPs und Einnahmenrückgänge infolge des neuen Angebots des ORF konkret von

 SevenOne Media als Folge der Vergrößerung des am Markt zur Verfügung stehenden Inventars an Premium-Inhalten,

 Servus TV als Folge der Reichweite, des Inventars und der Rabatte des ORF, und

 ATV erwartet; ATV befürchte neben dem Verlust an Einnahmen und Marktanteilen auch einer Abwanderung von 50 % der Werbeausgaben zum ORF.

Auch Marktteilnehmer wie der Standard und krone.tv hätten derlei Befürchtungen kundgetan.

Das Gutachten sei aber auch nicht überzeugend, wenn es den Schluss grundsätzlich ablehne, dass ein neu in den Markt eintretendes Angebot automatisch zu sinkenden Preisen im Gesamtmarkt führen muss. Obwohl der Gutachter für seine Prüfung den IPMZ-Leidfaden heranziehe, gehe er letztlich vom Gegenteil aus, während der IPMZ-Leidfaden marktliche Auswirkungen eines öffentlich-rechtlichen Angebots immer mit folgenden Wettbewerbsnachteilen für private Angebote gleich setze:

 erhöhtem Wettbewerbsdruck,

 sinkender Aufmerksamkeit/Reichweite/Werbeleistung,

 sinkende Einschaltpreise und

 weniger Werbeleistung.

Die Annahme des Gutachters, dass steigende Reichweiten höhere TKP-Preise rechtfertigen würden, könne im hier relevanten Marktumfeld nur das neue Angebot der TVthek betreffen.

Die anderen Marktteilnehmer müssten im Gegenzug mit rückgängigen Reichweiten und Werbebuchungen rechnen und könnten diese Nachteile nur durch Preissenkungen ausgleichen. Komme es dazu, dass der ORF zusätzlich mit starken Rabatten in den Markt geht, so müsse der Preisnachlass der Privaten umso größer ausfallen; dass das konkrete Marktverhalten des ORF solches befürchten lasse, habe die BWB bereits ausgeführt.

Im Hinblick auf die gutachterliche Analyse des aus der Vermarktung der TVthek erwarteten Umsatzpotentials, führt die BWB schließlich aus, dass die veranschlagten Einnahmen auch deutlich höher sein könnten als dies vom ORF dargestellt wurde. Dies werde auch im Gutachten nicht explizit ausgeschlossen. Für die Frage negativer Auswirkungen des neuen Angebots auf den sachlich relevanten Werbemarkt sei festzuhalten, dass die hohe kommerzielle Attraktivität den privaten Anbietern auf dem Markt jedenfalls Werbeerlöse und Aufmerksamkeit entziehen werde.

Bei der Prüfung der Auswirkungen fokussiere das Gutachten auf den Gesamt-Onlinemarkt, wodurch sich die Auswirkungen des neuen Vorhabens als insgesamt nicht besonders gewichtig darstellen ließen (z.B. Marktanteilsgewinn des ORF von 0,8 %, kleinere Angebote durch Reichweitenzuwächse des ORF-Onlineangebots nicht unter Wettbewerbsdruck). Es sei bedauerlich, dass die gutachterliche Prüfung sich mit den besonderen Umfeld-Bedingungen der InStream-Videowerbung nicht auseinandergesetzt habe. Dieser Markt sei sehr klein und derzeit noch von wenigen Anbietern geprägt, für die ein Markteintritt des ORF jedenfalls erhebliche Konsequenzen habe. Eine Befassung mit dem Vorbringen der BWB und den entsprechenden Beweisanboten hätte die Basis für eine differenziertere Beurteilung bilden können.

Die im Gutachten auf der Annahme, dass die Auslastung im Bereich der InStream-Videowerbung nur bei 8-15 % liege, basierende Umsatzprognose sei nach Meinung der BWB zu tief angesetzt. Hierbei sei nicht berücksichtigt worden, dass bei einem länger als zehn Minuten dauernden Nutzungsvorgang vom ORF auch Mehrfachausspielungen geplant seien. Ebenfalls nicht berücksichtigt wären die Reichweitensteigerungen, die sich durch die umfangreiche inhaltliche Erweiterung der TVthek ergäben. Für eine vollständige Bewertung der Auswirkungen des neuen Angebots wäre daher nach Auffassung der BWB eine Prognose wahrscheinlicher Reichweitensteigerungen im Gutachten notwendig gewesen.

Das InStream-Videowerbung-Angebot des ORF sei für Werbekunden vor allem wegen der – österreichweit mit Abstand höchsten – Reichweiten der ORF-TV-Programme attraktiv; dem Vernehmen nach seien die besten Sendezeiten beim ORF gut ausgebucht. Da sei es – so die BWB weiter – naheliegend, als Ergänzung oder Alternative von Image und Reichweite der TV-Programme des ORF durch Buchung von InStream-Videowerbung zu profitieren. Die Wettbewerber – derzeit vor allem Privat-TV – könnten hier nicht mithalten, insbesondere weil deren TV-Programme doch deutlich niedrigere Reichweiten aufweisen. Vor dem Hintergrund dieser Fakten sei es naheliegend, dass der ORF eine deutlich höhere Auslastung als die angegebenen 8-15 % erreichen könne.

Abschließend geht die BWB im Rahmen dieses Teils ihrer Stellungnahme auf die gesetzlichen Limits gemäß § 18 ORF-G ein und kommt zu dem Schluss, dass das Gesetz keine Schranke für nachteilige Auswirkungen des neuen Angebots auf den Wettbewerb biete. Allerdings biete auch das Gutachten – mangels erforderlicher Differenzierung zwischen klassischer Online-Werbung und InStream-Videowerbung – keinen Schutz vor überproportionalen Nachteilen für österreichische Rundfunkveranstalter, deren Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen Aufgabe des gegenständlichen Verfahrens wäre.

Im fünften Teil ihrer Stellungnahme geht die BWB schließlich auf die seitens des Gutachters vorgeschlagene Maßnahme ein, welche vor dem Hintergrund der dargelegten Kritikpunkte zu kurz greife. Im Übrigen gebe es keine effektive Möglichkeit, die Einhaltung der im Gutachten aufgezählten Maßnahmen effektiv zu kontrollieren. Nach Auffassung der BWB wäre dies nur möglich, wenn die Vermarktung zur Gänze einer selbständigen organisatorischen Einheit des ORF oder einem Dritten übertragen würde.

Zusammenfassend hält die BWB fest, dass weder die Feststellungen im Gutachten, noch die vorgeschlagenen Maßnahmen den von der BWB zu vertretenden Interessen des

Wettbewerbs ausreichend Rechnung tragen würden. Insbesondere seien die im Detail vorgetragenen Bedenken und Beweisanbote der BWB zum Großteil entweder gar nicht oder jedenfalls in der Substanz nicht schlüssig geprüft worden.

Im sechsten und letzten Teil der Stellungnahme formuliert die BWB weitere Fragen, etwa zu den verschiedenen Spielarten des Targeting und den vom ORF verwendeten Targetingformen und deren Vereinbarkeit mit dem ORF-Gesetz, sowie zu den Auswirkungen der Integration des Religionsarchivs in die TVthek.

Mit Schreiben vom 23.05.2013 beraumte die KommAustria eine mündliche Verhandlung zum Gegenstand des Auftragsvorprüfungsverfahrens für den 06.06.2013, um 09:30 Uhr, an und übermittelte dem ORF und der BWB entsprechende Ladungen. Mit der Ladung übermittelte die KommAustria dem ORF zugleich die Stellungnahme der BWB zum Gutachten des Amtssachverständigen und ersuchte den ORF, zur Beantwortung der in der Stellungnahme seitens der BWB aufgeworfenen Fragen mit einem informierten Vertreter zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen.