• Keine Ergebnisse gefunden

3 Ergebnisse und Diskussion

3.1 Generierung einer Variante der Therminator DNA-Polymerase mit

3.1.2 Ergebnisse

3.1.2.10 Charakterisierung der Variante L408Q

3.1.2.10.1 Steady state kinetische Untersuchungen

Um nähere Informationen über den Einfluss der Mutation L408Q auf die Einbau-Effizienz sowie die Selektivität der Variante zu erhalten, wurden steady state kinetische Messungen unter „single-completed-hit“ Bedingungen12, 13 durchgeführt.

Als Substrate wurden dNTPs sowie rNTPs eingesetzt. Die Messungen wurden mit einem RNA-Primer (18 nt) und verschiedenen DNA-Templaten (28 nt) durchgeführt, welche für den kanonischen Einbau von dCMP bzw. rCMP gegenüber einem dG im Templat bzw. für den nicht-kanonischen Einbau gegenüber einem dA im Templat kodierten. Zur Beurteilung wurden jeweils die Effizienzen (kcat/KM) der

46

entsprechenden Reaktionen miteinander verglichen (Tabelle 3). Mit der Variante L408Q konnte eine 5fach höhere Effizienz bei der Inkorporation eines korrekt gepaarten dCMP (dCMP:dG) im Vergleich zum Wildtyp gemessen werden.

Verglichen mit der Wildtyp DNA-Polymerase zeigte die Variante L408Q eine etwas geringere Diskriminierung (13fach) beim Einbau eines fehlgepaarten dCMP (dCMP:dA) im Vergleich zum korrekt gepaarten dCMP (dCMP:dG).

Bemerkenswerterweise verfügte die Variante über eine ca. 750fach höhere Effizienz bei der kanonischen Inkorporation von rCMP (rCMP:dG) als die Wildtyp DNA-Polymerase, wobei die Enzymvariante noch in der Lage war ein korrekt gepaartes rCMP (rCMP:dG) mit einer 840fach höheren Effizienz zu inkorporieren als ein fehlgepaartes rCMP (rCMP:dA).

Tabelle 3: Steady state kinetische Untersuchungen des kanonischen/nicht-kanonischen Einzeleinbaus von dCMP sowie rCMP durch die Therminator Wildtyp DNA-Polymerase (WT) und die Variante L408Q (L408Q). Verwendet wurden 18 nt RNA-Primer/28 nt DNA-Templat-Komplexe. a n. b. nicht bestimmt: Konversion < 2% nach 3 Stunden. b Abweichungen aus mehreren Experimenten sind nicht signifikant. c Effizienz verglichen mit der Reaktion mit dCTP.

Pol: DNA-Polymerase: T: Templatbase; Nt: verwendetes Nukleotid. Modifiziert nach Ref.125 5´- GGG AUC AGU CAG GAC GCC-3´

_____________________________________________________________________

47 3.1.2.10.2 Transkription der E. coli tRNAAsn

Die ausgewählte E. coli tRNAAsn 170 verfügt über sechs aufeinander folgende Pyrimidine am 5´-Ende des Transkriptes und stellt deshalb eine schwieriges Templat für eine RNA-Polymerase dar (siehe 1.3). Es sollte untersucht werden, ob die Variante L408Q in der Lage ist diese 76 nt lange tRNA zu transkribieren Hierfür wurden Primerverlängerungsreaktionen mit einem 5´-32P-markierten RNA-Primer (18 nt)/DNA-Templat (76 nt)-Komplex durchgeführt. Wie Abb. 23 entnommen werden kann, wurde der RNA-Primer bereits nach einer Reaktionszeit von 1 Stunde durch die L408Q Variante zum Volllängenprodukt verlängert. Nach 22 Stunden war ein vollständiger Umsatz der RNA-Primer erfolgt (Abb. 23, Spur 1-3 Gelauschnitt rechts). Im Gegensatz hierzu war die Therminator Wildtyp DNA-Polymerase zu keinem Zeitpunkt in der Lage ein Vollängenprodukt zu bilden (Abb. 23, Spur 1-3 Gelauschnitt links).

48

Abb. 23: Transkription der E. coli tRNAAsn mit Therminator DNA-Polymerasen.

A) 5´-32P-markierte Primerverlängerungsreaktionen mit einem RNA-Primer (P-tRNA)/DNA-Templat (T-tRNA)-Komplex. Der eingesetzte Primer/(P-tRNA)/DNA-Templat-Komplex ist teilweise dargestellt.

p: Primer; 1-3: Reaktionen mit rNTPs als Substrat nach Reaktionszeiten von 1, 3 und 22 Stunden;

4: Kontrolle mit dNTPs nach einer Reaktionszeit von 22 Stunden. Die Reaktionen wurden mit je 250 nM gereinigter DNA-Polymerase durchgeführt. Gelausschnitt links: Therminator Wildtyp DNA-Polymerase; Gelausschnitt rechts: L408Q Variante. B) Sekundärstruktur der E. coli tRNAAsn (RNA-Sequenz modifziert nach tdbD00001950, tRNA Datenbank der Universität Leipzig).

Modifiziert nach Ref.125

3.1.2.10.3 Herstellung funktionaler RNA-Ribozyme

In weiteren Experimenten sollte festgestellt werden, ob durch die Variante L408Q auch funktionale RNA synthetisiert werden kann. Hierfür wurde eine Modellstruktur ausgewählt, anhand derer die Funktionalität untersucht werden sollte. Bei dieser handelte es sich um das Hammerhead-Ribozym (HHR), einem häufig charakterisierten RNA-Motif, das über eine Phosphodiesterase-Aktivität verfügt und dadurch in der Lage ist sich selbst oder ein spezifisches Substrat zu spalten.171, 172 Die

_____________________________________________________________________

49

Untersuchung der Spaltaktivität von HHRs wurde mit einem nach Wieland und Hartig modifizierten Assay durchgeführt.172 Die Spaltung erfolgte hierbei in trans unter Verwendung eines spezifischen RNA-Spalt-Substrats. Im ersten Schritt sollte das Hammerhead-Ribozym in einer Primerverlängerungsreaktion mit einem RNA-Primer (18 nt)/DNA-Templat (53 nt)-Komplex durch die DNA-Polymerasen transkribiert werden. Anschließend wurde das DNA-Templat mit DNaseI verdaut und die gereinigten Transkriptionsprodukte mit dem spezifischen 5´-32P-markierten RNA-Spaltsubstrat (13 nt) hybridisiert. Danach erfolgte die Spaltreaktion bei 37 °C mit unterschiedlichen Reaktionszeiten von 30 min bis 24 Stunden. Die erhaltenen 7 nt langen Spaltprodukte wurden mittels denaturierender PAGE analysiert (Abb. 24 A und B). Wie in Abb. 24 C dargestellt ist, konnten mit Hilfe der Variante L408Q aktive HHRs transkribiert werden. Durch diese konnten mehr als 90 % des RNA-Substrats nach einer Reaktionszeit von 24 Stunden gespalten werden. Im Gegensatz dazu wurden keine Spaltprodukte bei Verwendung der HHRs erhalten, für deren Transkription die Therminator Wildtyp DNA-Polymerase eingesetzt wurde.

50

Abb. 24: Aktivitätstest synthetisierter Hammerhead-Ribozyme (HHRs). A) Schema des durchgeführten Assays zur Transkription von HHRs mit nachfolgender Spaltung eines RNA-Substrates. B) Denaturierende PAGE zur Analyse der Spaltprodukte. Transkriptionsreaktionen erfolgten mit je 250 nM gereinigter Therminator DNA-Polymerase bei 55 °C für 8 Stunden.

Spaltreaktionen erfolgten mit 500 nM 5´-32P-markiertem Substrat (13 nt) bei 37 °C. 1 bis 7: Die Reaktionszeiten betrugen 30 min, 1, 2, 4, 6, 8 und 24 Stunden. WT: Therminator Wildtyp DNA-Polymerase; L408Q: Variante L408Q. C) Kinetik von Spaltreaktionen der transkribierten HHRs.

Die Umsätze stellen den Anteil des 7 nt langen Spaltproduktes bezogen auf das eingesetzte Substrat dar. Die Graphik wurde mit Hilfe von GraphPad Prism 4 erstellt. Modifiziert nach Ref.125

3.1.2.10.4 Einbau von 2´-OH-modifiziertem dCTP

Im nächsten Schritt wurde die Fähigkeit der Therminator Wildtyp DNA-Polymerase sowie der L408Q Variante getestet, verschiedene 2´-OH-modifizierte Nukleotide umzusetzen. Hierzu wurde 2´-NH2-dCTP, 2´-F-dCTP sowie 2´-O-Methyl-dCTP als Substrat eingesetzt. In 5´-32P-markierten Primerverlängerungsreaktionen wurden verschiedene RNA-Primer (18 nt)/DNA-Templat (28 nt)-Komplexe verwendet, die für die Inkorporation von ein bis drei aufeinanderfolgenden modifizerten Nukleotiden codierten. Wie aus Abb. 25 entnommen werden kann, war bereits die Therminator

_____________________________________________________________________

51

Wildtyp DNA-Polymerase in der Lage mehrere 2´-F-dCMP zu inkorporieren (Abb.

25, B-D WT Spur 3), während lediglich ein rCMP bzw. ein 2´-O-Methyl-dCMP umgesetzt wurde (Abb. 25, B-D WT Spur 1 und 4). Bei Verwendung von 2´-NH2-dCMP als Substrat, war nur ein sehr geringer Primerumsatz durch den Einbau eines Nukleotides zu beobachten (Abb. 25, B-D WT Spur 2). Es zeigte sich, dass im Falle der Therminator Wildtyp DNA-Polymerase die Fähigkeit zur Inkorporation von 2´-O-Methyl-modifiziertem dCMP deutlich von der Templatsequenz abhängig war.

Mit steigender Anzahl von Guaninen direkt nach dem Primerende, wurde das Substrat deutlich schlechter umgesetzt (Abb. 25, B und D WT Spur 4). Im Gegensatz zur Wildtyp DNA-Polymerase konnten durch die L408Q Variante bis zu drei rCMP aufeinanderfolgend eingebaut werden, was dem maximalen Einbau entsprechend der Templatsequenz entsprach (Abb. 25, B-D L408Q Spur 1). Bei 2´-F-dCMP waren dies bis zu vier modifizierte Nukleotide (Abb. 25, B-D L408Q Spur 3). Desweiteren wurde jeweils ein 2´-NH2-dCMP bzw. 2´-O-Methyl-dCMP unter vollständigem Primerumsatz inkorporiert (Abb. 25, B-D L408Q Spur 2 und 4). Bei der L408Q Variante konnte außerdem kein negativer Einfluss durch die zunehmende Anzahl von Guaninen nach dem Primerende beobachtet werden (Abb. 25, B und D L408Q Spur 1 bis 4).

52

Abb. 25: Akzeptanz von 2´- modifizierten dCTPs durch die Therminator Wildtyp DNA-Polymerase sowie die Variante L408Q. A) Struktur der verwendeten 2´-modifizierten dCTPs.

B-D) 5´-32P-markierte Primerverlängerungsreaktionen erfolgten mit je 25 nM gereinigter Wildtyp DNA-Polymerase (WT) bzw. Variante L408Q (L408Q) bei 55 °C für 30 min mit verschiedenen RNA-Primer (P-3 way substrate rv)/DNA-Templat-Komplexen. B) Templat T1 (T-3way-template-1 G) mit verschiedenen Substraten. 0: ohne Substrat; 1: rCTP (R = OH), 2: 2´-NH2-dCTP (R = NH2); 3: 2´-F-dCTP (R = F); 4: 2´-O-Methyl-dCTP (R = O-Methyl). C) und D) wie B) mit den Templaten T2 (T-3way-template-2 G) bzw. T3 (T-3way-template-3 G). Die eingesetzten Primer/Templat-Komplexe sind teilweise dargestellt.

3.1.2.10.5 Einbau von C5-modifiziertem dUTP

Ein neuartiges C5-modifiziertes 2'-Deoxyuridintriphosphat, welches ein Nitroxid-Radikal am C5-Atom der Nukleobase trägt, wurde kürzlich zum Einsatz in der EPR-Spektroskopie synthetisiert und erste Experimente zur Akzeptanz durch DNA-Polymerase durchgeführt.145 In dieser Arbeit wurden verschiedene Therminator DNA-Polymerasen in 5´-32P-markierten Primerverlängerungsreaktionen mit diesen spin-modifizierten Nukleotiden getestet. Die im Vorigen bereits beschriebenen Therminator DNA-Polymerase-Varianten (II, III und ) wurden ebenfalls verwendet (siehe 3.1.2.7). Es zeigte sich, dass ausschließlich die L408Q Variante in der Lage war aufeinanderfolgend 46 C5-modifizierte dUTP-Analoga einzubauen, wobei nach einer Reaktionszeit von 20 min bereits 88% der eingesetzten DNA-Primer zum

_____________________________________________________________________

53

Volllängenprodukt umgesetzt wurden. Im Gegensatz hierzu wurden bei Verwendung der Therminator Wildtyp DNA-Polymerase sowie den Varianten II, III und nur einige wenige C5-modifizierte dUTPs umgesetzt (Abb. 26). Das unterschiedliche Laufverhalten der gebildeten Produkte mit C5-modifiziertem dUTP im PAGE-Gel im Vergleich zum Produkt mit natürlichem dTTP kann auf die sterisch anspruchsvolle Modifikation zurückgeführt werden.

Abb. 26: 5´-32P-markierte Primerverlängerungsreaktionen zum Einbau von C5-modifziertem dUTP mit verschiedenen Therminator DNA-Polymerasen. A) Struktur des verwendeten C5-modifizierten dUTPs. B) 5´-32P-markierte Primerverlängerungsreaktionen wurden mit je 100 nM gereinigter DNA-Polymerase (L408Q, WT) bzw. Therminator DNA-Polymerase (II, III,

) durchgeführt. Der eingesetzte DNA-Primer (BRAF-23C)/DNA-Templat (SO69-PolyA)-Komplex ist teilweise dargestellt. 0: Primer; 1: Negativkontrolle ohne dTTP; 2: Positivikontrolle mit dTTP; 3-6: Primerverlängerungsreaktionen mit C5-modifiziertem dUTP mit unterschiedlichen Reaktionszeiten von 2, 5, 10 und 20 min bei 55 °C. Modifiziert nach Ref.125

54 3.1.3 Diskussion der Ergebnisse

Trotz der ausgeprägten Substratspezifität von Enzymen zur Katalyse biochemischer Reaktionen, ist es möglich durch geringfügige Veränderungen der Aminosäuresequenz Enzyme mit neuen Eigenschaften zu generieren. Durch den Austausch von nur einer Aminosäure (L408Q) konnte eine Variante der Therminator DNA-Polymerase generiert werden, welche über eine deutlich erhöhte Akzeptanz von rNTPs und modifizierten Nukleotiden im Vergleich zum parentalen Wildtyp-Enzym verfügte. Die Herstellung einer zufällig randomisierten Variantenbibliothek erfolgte durch error-prone PCR (epPCR) nach Standardprotokollen. Übereinstimmend mit verschiedenen Literaturquellen128, 129 wurde deutlich, dass die in der epPCR verwendete Mn2+-Konzentration einen starken Einfluss auf die Fehleranfälligkeit der dort eingesetzten Taq DNA-Polymerase hat, was sich auf die Anzahl der im Amplifikat auftretenden Mutationen auswirkte. Aktivitätstests der erhaltenen Varianten mit dNTPs als Substrat zeigten, dass bei Verwendung einer Mn2+ -Konzentration von 0,15 mM noch 48% der 88 untersuchten Varianten aktiv waren, wohingegen bei einer Mn2+-Konzentration von 0,3 mM lediglich 14% aktive DNA-Polymerasen detektiert wurden (Abb. 15). Zum Anlegen einer Enzymbibliothek für die Durchmusterung wurde die geringere Mn2+-Konzentration von 0,15 mM ausgewählt.

Durch die Verwendung einer für die Expression in E. coli optimierten Gensequenz konnte eine ausreichende Proteinmenge für die Durchmusterung im Hochdurchsatz-Screening in einem Expressionsvolumen von 1 ml erhalten werden (Abb. 17). Die Durchmusterung nach Varianten mit einer erhöhten Akzeptanz von rNTPs wurde mittels Oligonucleotide Adressed Enzyme Assay (OAEA) durchgeführt.166 Mit diesem chip-basierten Primerverlängerungsassay (Abb. 18) konnten aus einer relativ kleinen Enzymbibliothek mit ca. 1800 Varianten 512 RNA-aktive Varianten isoliert werden.

Ein Vorteil dieser Methode liegt darin, dass nur ein sehr geringes Hintergrundsignal erzeugt wird. Unspezifisch gebundener Fluoreszenzfarbstoff kann durch Waschen von der Chip-Oberfläche entfernt und somit von der Detektion ausgeschlossen

_____________________________________________________________________

55

werden. Für Versuche zur Durchmusterung von Variantenbibliotheken im Hochdurchsatz wurden DNA-Primer verwendet. Zum Einen aufgrund der höheren Stabilität unter den Assay-Bedingungen und zum Anderen aus Kostengründen. Von den 512 Varianten, die eine Aktivität bei der Konversion von rNTPs zeigten, waren 37 Varianten in der Lage längere DNA/RNA-Transkriptionsprodukte als die Wildtyp DNA-Polymerase zu synthetisieren.

Die aktivsten Varianten G3, H3 sowie die Variante L408Q (A5), wurden zur Sequenzierung ausgewählt. Interessanterweise war in allen drei Varianten die Aminosäure Leu408 durch Gln ausgetauscht. Eine Ursache hierfür liegt in der Natur der epPCR. Moleküle, die in frühen PCR-Zyklen amplifiziert werden, treten häufiger in der erzeugten Variantenbibliothek auf (amplification bias). Diese Problematik trifft auf alle Mutagenese-Protokolle zu, die einen Amplifikationsschritt enthalten.173 Die Varianten G3 und H3 enthielten außerdem weitere Mutationen, welche in verschiedenen Domänen der DNA-Polymerase zu finden waren. Im Gegensatz hierzu war in der Variante L408Q keine weitere Mutation zu finden, woraus abgeleitet werden konnte, dass diese Mutation für die stark erhöhte RNA-Aktivität der DNA-Polymerasen verantwortlich war. Variante G3 wies Mutationen in der N-terminalen Domäne (G77S), der 3´ 5´-Exonuklease (E276D, A281V, E300K), der Handflächendomäne (L408Q, N568K) und der Daumendomäne (Y653C) auf. Bei der Variante H3 waren die Mutationen in der N-terminalen Domäne(I171V), der Handflächendomäne (L408Q) sowie in der Daumendomäne (I618F) lokalisiert. Zwei weitere Mutationen lagen in der Fingerdomäne der DNA-Polymerase (K476E, I488F) (Abb. 27). Trotz der L408Q-Mutation zeigten die Varianten G3 und H3 eine geringere Aktivität bei der RNA-Synthese als die Variante L408Q. Verantwortlich hierfür ist vermutlich der Einfluss weiterer Mutationen der Varianten G3 und H3 (Tabelle 1).

56

Abb. 27: Mutierte Positionen in verschiedenen RNA-aktiven Therminator DNA-Polymerase-Varianten. A) Variante G3 (Y653 fehlt, da dieser Bereich nicht in der Kristallstruktur aufgelöst war); B) Variante H3; C) Variante A5; Die mutierten Aminosäuren sind in rot dargestellt. Die einzelnen Domänen der DNA-Polymerase sind farbig wie folgt dargestellt: gelb: N-Terminale Domäne; grün: 3´ 5´-Exonuklease; orange: Handfläche; blau: Finger; violett: Daumen.174 Es wurde die Kristallstruktur der 9°N DNA-Polymerase (pdb 1QHT) verwendet. Die Abbildungen wurden mit PyMol175 erstellt.

Die in allen drei Varianten ausgetauschte Aminosäure Leu408 liegt in einem hochkonservierten Sequenzmotiv, dem sogenannten Motiv A. Dieses ist in zahlreichen DNA-Polymerasen verschiedener Familien vorhanden, was die evolutionäre Wichtigkeit dieses Motivs verdeutlicht.119, 153, 176-178 Abb. 28 zeigt die Sequenzanalyse von Motiv A in verschiedenen prokaryotischen, archaeellen und eukaryotischen DNA-Polymerasen.

_____________________________________________________________________

57 B-Familie

9 °N DFRSLYPS

RB69 DLTSLYPS

Thermococcus gorgonarius DFRSLYPS Thermococcus litoralis DFRSLYPS

Phi29 DVNSLYPA

hPol alpha DFNSLYPS

hPol delta DFSSLYPS

yPol alpha DFNSLYPS

yRev3 DFQSLYPS

Konsensus DhxSLYPS

A-Familie

Thermus aquaticus DYSQIELR Thermus thermophilus DYSQIELR Escherichia coli (K12) DYSQIELR Mycobacterium tuberculosis DYSQIEMR Mycobacterium leprae DYSQIEMR Rickettsia helvetica DYSQIELR Bacillus subtilis DYSQIELR Haemophilus influenzae DYSQIELR Helicobacter pylori DYSQIELR Lactococcus lactis DYSQIELR Streptococcus pneumoniae DYSQIELR

Konsensus DhSxIELR

Abb. 28: Sequenzanalyse des konservierten Motiv A aus verschiedenen prokaryotischen, archaeellen sowie eukaryotischen DNA-Polymerasen. Leu408 und die dazu analoge Aminosäure sind fett dargestellt. Die Aminosäuresequenzen wurden der Proteindatenbank des National Center for Biotechnology Information (NCBI) entnommen und mit dem Programm „SDSC Biology Workbench“ analysiert.179 Die kursiv dargestellten Konsensussequenzen wurden Ref.153 entnommen.

Von Patel und Loeb konnte ebenfalls eine erhöhte Effizienz beim Einbau von rNTPs aufgrund der Mutation einer konservierten Aminosäure des Motiv A (I614K) erreicht werden. Diese wurde einer veränderten Geometrie im aktiven Zentrum der DNA-Polymerase zugeschrieben.123

Direkt benachbart zum Leu408 der Therminator DNA-Polymerase befindet sich ein Tyrosin (Tyr409). Es wurde gezeigt, dass zu Tyr409 analoge Aminosäurereste in

58

verschiedenen DNA-Polymerasen für die Diskriminierung zwischen dNTPs und rNTPs verantwortlich sind. Diese Position wird häufig auch als „steric gate“

bezeichnet, da die meist aromatischen Seitenketten an dieser Position aufgrund ihres hohen sterischen Anspruches die korrekte Positionierung von rNTPs im aktiven Zentrum der DNA-Polymerase verhindern.117, 119, 153 Anstatt der häufig auftretenden aromatischen Aminosäuren Tyrosin und Phenylalanin kann diese Funktion auch von einem Glutaminsäurerest übernommen werden, wie dies beispielsweise in der DNA-Polymerase I aus Thermus aquaticus der Fall ist.117, 123, 124 Abb. 29 zeigt die Lokalisierung des Motivs A in DNA-Polymerasen der A- und B- Familie. Da es bisher keine Kristallstruktur der Therminator DNA-Polymerase gibt, wurde die Kristallstruktur der Bakteriophagen gp43 RB69 DNA-Polymerase (RB69) im ternären Komplex mit DNA und eintretendem dNTP für den Vergleich herangezogen.

Diese B-Familie Polymerase weist eine ähnliche Struktur wie die 9°N DNA-Polymerase aus Thermococcus species auf,174 welche sich wiederum lediglich in einer Aminosäure (A485) von der Therminator DNA-Polymerase unterscheidet. Von der 9°N DNA-Polymerase ist ebenfalls keine Kristallstruktur mit gebundener DNA verfügbar.

Abb. 29: Strukturausschnitte mit Motiv A der RB69 (B-Familie) und der KlenTaq (A-Familie) DNA-Polymerase. A) Ausschnitt aus der Kristallstruktur RB69 DNA-Polymerase (pdb 1IG9) mit einem eintretenden dTTP (blau) sowie drei Ca2+-Ionen (gelb). B) Ausschnitt aus der Kristallstruktur der KlenTaq DNA-Polymerase (pdb 3KTQ) mit einem eintretenden ddCTP (blau) und zwei Mg2+-Ionen (gelb). Das Motiv A mit den Aminosäureresten Leu415 und Tyr416 (RB 69) bzw. Ile614 und Glu615 (KlenTaq) ist grün dargestellt. Die Abstände der sogenannten „steric gate“-Reste Tyr416 (RB69) sowie Glu615 (KlenTaq) zum eintretenden Nukleotid betragen 3,6 Å bzw. 3,0 Å (gepunktete Linie). Erstellt mit PyMol.175

_____________________________________________________________________

59

In den drei hier beschriebenen Varianten G3, H3 und L408Q ist eine effiziente Inkorporation von Ribonukleotiden trotz der Anwesenheit von Tyr409 möglich.

Deshalb kann vermutet werden, dass durch die Mutation L408Q veränderte Interaktionen von Gln408 mit dem benachbarten Tyr409 oder auch mit einem anderen Aminosäurerest, in ausreichender räumlicher Nähe, für die erhöhte Effizienz bei der RNA-Synthese verantwortlich sind. Aufgrund solcher Interaktionen könnte sich die Geometrie des aktiven Zentrums der DNA-Polymerase dahingehend verändert haben, dass eine für die Bildung der Phosphodiesterbindung korrekte Positionierung eines rNTPs möglich ist und auch das gebildete DNA/RNA-Transkript von der DNA-Polymerase beherbergt werden kann. Dies scheint häufig ein Problem zu sein, da die Inkorporation von rNTPs schon mit verschiedenen DNA-Polymerasen gezeigt wurde, die RNA-Synthese allerdings nach dem Einbau weniger Nukleotide abgebrochen wurde.113, 117, 119, 123, 124, 153

Bemerkenswerterweise ist der Glutamin-Rest sterisch nicht weniger anspruchsvoll, als der ursprünglich an dieser Position vorhandene Leucin-Rest. Allerdings hat sich das elektrostatische Potential des Aminosäurerestes durch den Austausch von Leucin durch Glutamin geändert, was die Vermutung nahe legt, dass veränderte Interaktionen mit anderen Aminosäureresten im aktiven Zentrum zu den geänderten Eigenschaften der Variante L408Q beigetragen haben (Abb. 30).

Abb. 30: Connolly-Oberfläche der Aminosäuren Leucin und Glutamin mit Darstellung des elektrostatischen Potentials. Rot: negatives elektrostatisches Potential, blau: positives elektrostatisches Potential. Erstellt mit PyMol.175

Die untersuchten kommerziell erhältlichen Therminator II, Therminator III und Therminator  DNA-Polymerasen besitzen unterschiedliche Mutationen im Motiv A.

Bei der Variante Therminator II ist die aromatische Seitenkette Tyr409 („steric gate“) durch die nicht aromatische hydrophobe Aminosäure Valin ausgetauscht. Die

60

Varianten Therminator III und Therminator  weisen neben weiteren Mutationen auch einen Aminosäureaustausch an Position 408 auf. Bei der Variante Therminator III ist ein Austausch von Leu408 durch ein hydrophiles Serin zu finden, die Variante Therminator weist die aromatische Aminosäure Tryptophan an dieser Position auf.

Interessanterweise zeigten die kommerziell erhältlichen Therminator DNA-Polymerasen, trotz ähnlicher Mutationen wie die Variante L408Q, geringere RNA-Aktivitäten (Abb. 20). Um genaue Rückschlüsse auf die Gründe hierfür zu ziehen, wäre eine Kristallstruktur der Therminator DNA-Polymerase im ternären Komplex mit DNA und einem eintretenden Ribonukleotid hilfreich.

Nach Sättigungsmutagenese an Position 408 wurde eine zweite Variantenbibliothek erstellt und diese nach geringfügigen Anpassungen mit einem fluoreszenzbasierten Durchmusterungsansatz mit SYBRGreen I nach Summerer und Marx144 durchmustert.

Für das zweite Screening wurde dieser Assay gewählt, da nun die Variante L408Q als Positivkontrolle zur Assay-Optimierung und anschließenden Durchmusterung eingesetzt werden konnte. Dieser Assay bietet im Vergleich zum chip-basierten Oligonucleotide Adressed Enzyme Assay den Vorteil, dass die Durchmusterung schneller und kostengünstiger durchgeführt werden kann. Allerdings ist dieser Assay weniger sensitiv, da die gesamte dsDNA im Reaktionsansatz detektiert wird. Dies führt zu einem störenden Hintergrundsignal durch die im Bakterienlysat vorhandene doppelsträngige genomische DNA aus E. coli. Bei Primerverlängerungsreaktionen, bei denen aufgrund geringer Aktivitäten der DNA-Polymerasen nur wenige Nukleotide eingebaut werden, wie im Falle der Inkorporation von Ribonukleotiden, kann das erforderliche Signal-Rausch-Verhältnis (Signal Positivkontrolle/Signal Negativkontrolle) häufig nicht erreicht werden. Für eine reproduzierbare Unterscheidung zwischen aktiven und nicht aktiven DNA-Polymerasen sollte ein Signal-Rausch-Verhältnis von ca. zwei erreicht werden. Bei 31 der 704 durchmusterten Varianten wurde eine mit der Variante L408Q vergleichbare Akzeptanz von Ribonukleotiden detektiert. Diese Aktivität konnte in 5´-32P-markierten Primerverlängerungsreaktionenbei 21 Varianten verifiziert werden, die in der Lage waren >50 Ribonukleotide zu prozessieren. Somit konnte die Anwendbarkeit dieses Assays für die Durchmusterung bestätigt werden. Jedoch

_____________________________________________________________________

61

zeigte keine der Varianten eine höhere RNA-Aktivität als die Variante L408Q (Abb.

22).

Sequenzierungsanalysen ergaben, dass fast ausschließlich aromatische Aminosäuren an Position 408 zu finden waren. Bei drei von zehn sequenzierten Varianten fand ein Austausch zu Phenylalanin statt, sechs Varianten trugen ein Tyrosin. Nur eine Variante enthielt ein Cystein an dieser Stelle (Tabelle 2). Allerdings zeigte diese Mutante eine deutlich geringere Primerverlängerungsaktivität mit rNTPs. Es konnten lediglich ca. 20 Ribonukleotide eingebaut werden (Abb. 22, Bahn 6). Die Enzymvariante Nr. 32 konnte trotz eines Phenylalanins an Position 408 nur ca. zehn Ribonukleotide prozessieren (Abb. 22, Bahn 32). Möglicherweise sind weitere Mutationen für die verringerte RNA-Aktivität verantwortlich. Sequenziert wurde lediglich der Bereich um die randomisierte Aminosäure. Die Randomisierung der Position 408 wurde im Vorfeld, nach Herstellung der Variantenbibliothek, überprüft und zeigte keinen auffällig hohen Anteil an aromatischen Aminosäuren (Abb. 21 B).

Untersuchungen von Kunkel und Mitarbeitern zeigten, dass die Substitution des zu Leu408 homologen Aminosäurerestes (Leu415 in der RB69 DNA-Polymerase) durch Phenylalanin in einem erhöhten Fehleinbau von Nukleotiden sowie einer erhöhten Fehlpaarungsverlängerungsaktivität resultierte.177 Weitere Arbeiten zur Substitution des entsprechenden Leucins in den DNA-Polymerasen yPol  sowie yPol  durch ein Phenylalanin zeigten ähnliche Ergebnisse. Als mögliche Ursache hierfür wurde eine größere Flexibilität im aktiven Zentrum der DNA-Polymerase genannt.180, 181 Dies wäre ein Hinweis darauf, warum vor allem Varianten mit einer aromatischen

Untersuchungen von Kunkel und Mitarbeitern zeigten, dass die Substitution des zu Leu408 homologen Aminosäurerestes (Leu415 in der RB69 DNA-Polymerase) durch Phenylalanin in einem erhöhten Fehleinbau von Nukleotiden sowie einer erhöhten Fehlpaarungsverlängerungsaktivität resultierte.177 Weitere Arbeiten zur Substitution des entsprechenden Leucins in den DNA-Polymerasen yPol  sowie yPol  durch ein Phenylalanin zeigten ähnliche Ergebnisse. Als mögliche Ursache hierfür wurde eine größere Flexibilität im aktiven Zentrum der DNA-Polymerase genannt.180, 181 Dies wäre ein Hinweis darauf, warum vor allem Varianten mit einer aromatischen