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1 Einleitung

1.2 DNA-Replikation

1.2.3 Die Replikation in Eukaryoten und Archaeen

Abb. 6: Struktur eines Replisoms am Beispiel von E. coli. Die Helikase (DnaB) umschließt den Folgestrang und trennt die DNA-Doppelhelix in zwei Einzelstränge. Kurze RNA-Primer werden von der Primase (DnaG) synthetisiert. Zwei Pol III DNA-Polymerasen sind über die beiden

-Untereinheiten mit dem -Komplex (clamp loader) verbunden, welche ebenfalls an die Helikase (DnaB) binden. Die beiden Pol III DNA-Polymerasen interagieren mit jeweils einer Ringklemme (sliding clamp), wodurch ihre Prozessivität stark erhöht wird. Die DNA-Synthese am Folgestrang erfolgt aufgrund der antiparallelen Doppelhelix diskontinuierlich. Modifiziert nach Ref.49

1.2.3 Die Replikation in Eukaryoten und Archaeen

Die eukaryotische und archaelle Replikationsmaschinerie unterscheidet sich im Wesentlichen durch die Anzahl der beteiligten Enzyme und Proteine von der in Prokaryoten, wobei die eukaryotische Replikation die größte Komplexizität aufweist.

Neben zahlreichen weiteren Enzymen und Proteinen sind hier mindestens drei DNA-Polymerasen beteiligt: Pol α (Primase), Pol δ und Pol ε.9 Es wird vemutet, dass die Pol δ für die Synthese des Folgestranges und die Pol ε für die Synthese des Leitstranges verantwortlich ist,52, 53 während die Pol γ die Synthese, Reparatur und Rekombination mitochondrialer DNA übernimmt.54, 55

Aufgrund zahlreicher Gemeinsamkeiten mit dem eukaryotischen Replikationsapparat, können archaelle Proteine als Modelle zur Studie der eukaryotischen Replikation herangezogen werden.56-59

12 1.3 Transkription

Die Transkription von DNA in RNA (Ribonukleinsäure) wird in vivo von RNA-Polymerasen übernommen. Die Initiation der Transkripton erfolgt an Promotoren. In Prokaryoten besteht ein Promoter aus zwei Sequenzen, welche -10 bzw. -35 Nukleotide in 5´-Richtung (upstream) vor dem Transkriptionsstart liegen. Die Promotersequenz wird von der -Untereinheit des RNA-Polymerase Holoenzyms (´) erkannt und nach Entwindung der DNA findet die RNA-Synthese komplementär zum DNA-Templatstrang statt (Abb. 7).60 Für eine effiziente Initiation der Transkription benötigen RNA-Polymerasen eine purin-reiche Sequenz am 5´-Ende des Transkriptes.61-63

Abb. 7: Transkription von DNA in Prokaryoten. (A) Strukturen der vier Nukleobasen Adenin (A), Guanin (G), Cytosin (C) und Uracil (U). (B) Aufbau eines Ribonukleotides. (C) Schematische Darstellung der Transkription von DNA in Prokaryoten. Die Bereiche -10 bzw. -35 liegen in 5´-Richtung (upstream) vor dem Transkriptionsstart und bilden den Promoter. Das erste zu transkribierende Nukleotid wird mit +1 gekennzeichnet. Nach Bindung der RNA-Polymerase werden Ribonukleotide (rNTPs) durch das Enzym zum RNA-Transkript umgesetzt. Modifiziert nach Ref.60

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Während der Initiationsphase, in der das Enzym an den Promoter gebunden bleibt, werden ca. 7 bis 10 nt synthetisiert. Erst nach einer Konformationsänderung erfolgt die Freisetzung des Promoters. In der darauf folgenden Elongationsphase wird dann das vollständige RNA-Transkript hergestellt.64 Die Termination der Transkription kann über verschiedene Wege erfolgen. Bei der Rho-unabhängigen, intrinsischen Termination wird eine Haarnadelschleife durch die naszierende RNA ausgebildet, welche gefolgt von mehreren Uridin-Resten den Stopp der RNA-Synthese sowie die Dissoziation des Elongationskomplexes zur Folge hat.65 In vitro wird die Transkription von DNA standardmäßig mit rekombinanten RNA-Polymerasen der Bakteriophagen SP6, T7 und T3 durchgeführt.66

1.4 Entstehung und Reparatur von DNA-Schäden

UV-Strahlung, reaktive Sauerstoff-Spezies (ROS), alkylierende Agenzien oder spontane Hydrolyse sind einige Beispiele exogener und endogener Einflüsse, die zu verschiedensten Schädigungen der DNA führen können. Dazu zählen oxidierte, deaminierte oder alkylierte Nukleobasen, Cyclobutan-Pyrimidin-Dimere (CPDs), Einzelstrangbrüche (SSBs) oder Doppelstrangbrüche (DSBs) sowie DNA-Addukte.35,67 Schätzungen zu Folge entstehen in einer humanen Zelle 104 bis 106 DNA-Schäden pro Tag.67, 68

Ist die Last an DNA-Schäden zu groß, kann der programmierte Zelltod (Apoptose) eingeleitet werden.67, 69 Um dies zu verhindern, verfügt die Zelle über verschiedene DNA-Reparatursysteme. Im Einzelnen sind dies die direkte Reparatur (direct repair, DR) beispielsweise über die O6-Alkylguanin-Transferase (AGT), die Basenexzisionsreparatur (base excision repair, BER), die Nukleotidexzisionsreparatur (nucleotide excision repair, NER), die Homologe Rekombination (homologous recombination, HR), das Verknüpfen nicht-homologer Enden (non-homologous end joining, NHEJ) oder aber die Fehlpaarungsreparatur (MMR, siehe 1.2.1.4) (Abb. 8). Die Reparaturprozesse unterschieden sich stark

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hinsichtlich ihrer Komplexität, wobei bis zu mehr als 30 Proteine beteiligt sein können.67

Abb. 8: Ursachen und Reparaturwege häufig vorkommender DNA-Schäden. Modifiziert nach Ref.67

1.5 Bypass von DNA-Schäden

Obwohl ein Großteil der DNA-Schäden durch zelluläre Reparaturmechanismen wieder behoben werden kann (siehe 1.4), bleibt ein biologisch signifikanter Teil bestehen. Dieser führt zum Stopp der replikativen DNA-Polymerase,70 woraufhin spezialisierte TLS (translesion synthesis)-DNA-Polymerasen zum Einsatz kommen, mit deren Hilfe eine Vielzahl von DNA-Schäden überlesen werden können (Abb. 9).

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Abb. 9: Darstellung verschiedener DNA-Schäden und die spezifischen TLS-DNA-Polymerasen.

a) Fehleinbau von G gegenüber dem 3´-T eines TT (6-4) Photoproduktes durch die E. coli pol V;

b) Effiziente Verlängerung eines fehlgepaarten Primer/Templat-Komplexes durch die E. coli DNA-Polymerase IV führt zur Verschiebung des Leserasters (frameshift); c) Fehrerbehafteter Einbau von dCMP gegenüber einer abasischen Stelle (X) durch die dCMP-Transferaseaktivität des Rev1 Proteins; d) Fehlerfreier Bypass eines TT (6-4) Photoproduktes durch die DNA-Polymerase und das Rev1 Protein; e) Fehlerfreier Bypass eines TT cis-syn Photodimers durch die DNA-Polymerase ; f) Fehleinbau von dGMP gegenüber T beim Auffülen einer Lücke durch die DNA-Polymerase ; g) Deletion einer Läsion (X) durch die DNA-Polymerase . Modifiziert nach Ref.71

1.5.1 Dpo4 als Modell-TLS-DNA-Polymerase

Mit einer Häufigkeit von ca. 10 000 Schäden in einer Zelle pro Tag72 sind abasische Stellen die am häufigsten unter physiologischen Bedingungen auftretende Läsion der DNA.73 Sie entstehen durch hydrolytische Spaltung der glykosidischen Bindung zwischen der Nukleobase und der Desoxyriboseeinheit (Abb. 10).74

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Abb. 10: Strukturen einer natürlichen (A) und einer stabilisierten (B) abasischen Stelle.

Ein klassisches Modellenzym für Studien von abasischen Stellen ist die Dpo4 TLS-DNA-Polymerase, die eine Homologie zur humanen DNA-Polymerase  aufweist.57 Die Dpo4 DNA-Polymerase dient häufig als Modellenzym für TLS-DNA-Polymerasen, da erst kürzlich Kristallstrukturen der DNA-Polymerase  von Biertümpfel et al.75 gelöst werden konnten. Diese thermostabile distributive TLS-DNA-Polymerase aus Sulfolobus solfataricus P2 wird der Y-Familie zugeordnet und verfügt über Mechanismen zum Bypass (Überlesen) verschiedener DNA-Läsionen.

Neben abasischen Stellen können auch Läsionen wie cis-syn Cyclobutan-Thymin-Thymin-Dimere (CPDs) oder Cisplatin-DNA-Addukte überlesen werden.70, 76, 77 Eine Besonderheit dieser TLS-DNA-Polymerase ist die Eigenschaft, dass sie über unterschiedliche Mechanismen zum Bypass von Läsionen verfügt. Wie von Fiala und Suo78 gezeigt werden konnte, kommen beim Überlesen von abasischen Stellen im Templat, hauptsächlich zwei Mechanismen zum Einsatz, die in Konkurrenz zu einander stehen. Einerseits ein Mechanismus entsprechend der „A-rule“, nach der bevorzugt ein Adenin gegenüber einer abasischen Stelle inkorporiert wird,79-82 alternativ dazu kann die Läsion im Templat auch durch einen sogenannten "Lesion loop-out“ Mechanismus („5´-rule“) überlesen werden. Bei diesem wird die abasische Stelle extrahelikal in einer Lücke zwischen dem kleinen Finger, einer zusätzlichen Domäne bei DNA-Polymerasen der Y-Familie, und der Fingerdomäne aufgenommen.

Die in 5´-Richtung folgende Base dient dabei als Templat zur Auswahl des nächsten dNTPs. Bleibt die Läsion extrahelikal, so entsteht ein -1 frameshift. Im Falle eines

„Realignments“ kann es zu Mutationen kommen (Abb. 11).70, 78, 83 Die Präferenz,

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welcher der beiden Wege genutzt wird, hängt sowohl vom Sequenzkontext des DNA-Templates als auch von der Reaktionstemperatur ab.70, 78

Abb. 11: Mögliche Mechanismen der Dpo4 DNA-Polymerase beim Überlesen von abasischen Stellen. Weg 1: Inkorporation von dATP gegenüber der Läsion entsprechend der „A-rule“; Weg 2:

„Lesion loop-out“ Mechanismus. Hier wird die Läsion extrahelikal aufgenommen und die in 5´-Richtung folgende Base als Templatbase zur Auswahl des eintretenden dNTPs verwendet.

Bleibt die Läsion extrahelikal bestehen, entsteht ein -1 frameshift; durch „Realignment“ wird dies verhindert. Modifiziert nach Ref.78

1.6 Biotechnologische Anwendungen von DNA-Polymerasen

1.6.1 Polymerase-Kettenreaktion (PCR)

Die wohl bekannteste Anwendung von DNA-Polymerasen ist der Einsatz in der Polymerase-Kettenreaktion (PCR, polymerase chain reaction) nach Kary Mullis.84 Mittlerweile wurde die klassische Methode der exponentiellen DNA-Amplifikation mittels zweier Primeroligonukleotide für verschiedenste Anwendungen weiterentwickelt. Beispielsweise kann die Produktbildung durch die Zugabe des Fluoreszenzfarbstoffes SYBRGreen I in Echtzeit verfolgt werden.85 Aus dem breiten Spektrum der Anwendungen der PCR86 sei hier ein wichtiges Beispiel genannt. Die Detektion sogenannter SNPs (Einzelnukleotidpolymorphismen, single nucleotide polymorphisms). Bei diesen handelt es sich um einzelne Nukleotide, die innerhalb

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eines kodierenden Gens oder aber einer nicht-kodierenden Region des Genoms ausgetauscht sind. Kommt diese Variation mit einer Häufigkeit von mindestens 1%

innerhalb der Bevölkerung vor, so spricht man von SNPs.87 Es wird vermutet, dass SNPs die Prädisposition für bestimmte Krankheiten beeinflussen, wie im Falle der Faktor-V-Leiden-Mutation oder des Einzelnukleotidaustausches im Apolipoprotein-E-Gen, welche für das Auftreten von Venenthrombose bzw. der Alzheimer Krankheit verantwortlich gemacht werden.88-90 Außerdem sollen durch die Erforschung von SNPs zukünftig wichtige Informationen über die Ursachen individueller Reaktionen auf Medikamente (pharmacogenomics) gewonnen werden können.91, 92 Verschiedene PCR-basierte Methoden wie die allelspezifische PCR, die Invader PCR oder der TaqMan-Assay können zur Detektion von SNPs eingesetzt werden.90, 93-96

1.6.2 Next Generation Sequencing

DNA-Polymerasen finden ebenfalls Anwendung im next generation sequencing. Seit Einführung dieser relativ neuen Sequenzierungstechnologien im Jahr 200497 wurden mehrere hundert Publikationen zum Thema veröffentlicht, was den hohen Stellenwert dieser Technologien in der aktuellen Forschung wieder spiegelt. Das Spektrum der Anwendungen reicht von zahlreichen Sequenzierungsprojekten zur Entschlüsselung kompletter Genome über Transkriptomanalysen97, 98 bis hin zur Sequenzierung von Metagenomen.97, 99, 100 Bei den am häufigsten genutzten Systemen 454 FLX (Roche Applied Sciences), Solexa 1G (Illumina) und SOLiD (Applied Biosystems) erfolgt im ersten Schritt eine Amplifikation der zu sequenzierenden Probe mittels DNA-Polymerasen. Entweder in einer Emulsions-PCR (Roche Applied Sciences, Applied Biosystems) oder über Brückenamplifikation (bridge amplification) (Illumina). Die nachfolgenden Sequenzierungsschritte unterscheiden sich je nach Anbieter und beeinhalten eine Pyrosequenzierung (Roche Applied Sciences) oder die Seqenzierung aufgrund Nukleotid-abhängiger Fluoreszenzsignale (Illumina, Applied Biosystems).97,98

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1.6.3 Herstellung nicht-natürlicher DNA-Analoga

Auch bei der enzymatischen Synthese von nicht-natürlichen DNA-Analoga durch den Einbau modifizierter Nukleotide werden DNA-Polymerasen genutzt.101, 102 Die Polymerisation von 2´-O,4´-C-verknüpften LNA (locked nucleic acid)- Nukleotiden103, 104 sowie threosyl- oder glyceryl-modifizierten Nukleotiden führt zu DNA-Analoga wie LNA, TNA oder GNA.105-108 Zur Umsetzung von nicht-natürlichen Substraten sind häufig maßgeschneiderte Enzymvarianten erforderlich, die durch Methoden der gerichteten Evolution erhalten werden können (siehe 1.7).86,

109-115

1.7 Gerichtete Evolution

Obwohl die kommerzielle Verfügbarkeit verschiedener DNA- und RNA-Polymerasen die Biotechnologie revolutioniert hat, sind die Anwendungen der Wildtyp-Enzyme aufgrund ihres eingeschränkten Substratspektrums oder der geringen Thermostabilität limitiert.116 Eine weit verbreitete Methode zur Generierung von Enzymen mit veränderten Eigenschaften stellt die gerichtete Evolution (directed evolution) dar. Bei den Methoden der gerichteten Evolution werden einzelne Sequenzabschnitte oder auch die gesamte Gensequenz des Zielproteins zufällig verändert, wodurch Varianten mit veränderter Aminosäuresequenz entstehen. Häufig hat dies eine Veränderung der Eigenschaften des Zielproteins zur Folge. Der Vorteil dieser Methode gegenüber dem rationalen Design (rational design),117-122 bei dem gezielt Aminosäuren ausgetauscht werden, besteht vor allem darin, dass keine detaillierten Kenntnisse über die Struktur des Enzyms erforderlich sind. Ziele bei der Generierung von DNA-Polymerase-Varianten mit veränderten Eigenschaften sind häufig ein erweitertes Substratspektrum,109-112, 115, 116, 123-125 die Erhöhung der Thermostabilität116, 126 oder eine erhöhte Genauigkeit.47, 122, 127

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1.7.1 Zufällige Mutagenese mittels error-prone PCR

Eine klassische Methode der gerichteten Evolution zur Generierung einer Mutantenbibliothek stellt die error-prone PCR (epPCR) dar. Bei dieser fehleranfälligen PCR wird die Mutationshäufigkeit im Wesentlichen durch drei Einflussfaktoren bestimmt: die Genauigkeit der DNA-Polymerase, die Länge des mutierten Gens sowie die Anzahl der PCR-Zyklen.128 Aufgrund ihrer vergleichsweise geringen Genauigkeit wurde ursprünglich die Taq DNA-Polymerase für die in vitro Mutagenese verwendet.128, 129 Mittlerweile sind noch weitere fehleranfällige DNA-Polymerasen kommerziell verfügbar.130, 131 Zur weiteren Verringerung der Genauigkeit der Enzyme können Mn2+ sowie unterschiedliche Mengen dNTPs in der PCR eingesetzt werden.128, 129 Mit dieser Methode wurden randomisierte Variantenbibliotheken erhalten, aus denen DNA-Polymerasen mit verschiedensten Eigenschaften hervorgingen.125, 132-135 Die Vorgehensweise zur Herstellung und Durchmusterung solcher Bibliotheken ist beispielhaft in Abb. 12 dargestellt.

Abb. 12: Prinzip der Herstellung und Durchmusterung einer mittels error-prone PCR randomisierten Variantenbibliothek. Randomisierte Gene werden in einen Expressionsvektor eingebracht und ein Wirtsstamm mit den rekombinanten Vektoren transformiert. Nach Vereinzelung und Expression der erhaltenen Klone können die Enzyme auf die gewünschte Aktivität hin durchmustert werden. Bei Bedarf können weitere Randomisierungsrunden folgen.

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21 1.7.2 Rekombinations-basierte Mutagenese

Durch Rekombinations-basierte Methoden wie die Rekombination mehrerer Gene (gene shuffling oder staggered extension process, StEP)136-138 können ebenfalls Bibliotheken von Enzymvarianten erhalten werden. Auch durch die Vermehrung des Zielgens in einem Wirtsstamm mit fehlerhaften DNA-Reparaturmechanismen (mutator strains) können Mutationen eingebracht werden.116, 139 Ein neuer Ansatz ist die von Schwaneberg und Mitarbeitern entwickelte SeSaM-Methode (sequence saturation mutagenesis) durch die ein hoher Grad der Randomisierung einer Zielsequenz ermöglicht wird.140

1.7.3 Screening- und Selektionsverfahren

Zur Identifizierung neuer Varianten stehen zahlreiche Screening- und Selektionsverfahren zur Verfügung, die in abhängig von der gewünschten Eigenschaft angewandt werden können. Wichtig zur Identifizierung von Enzymvarianten mit neuen Eigenschaften ist die Verknüpfung des erzeugten Genotyps mit dem daraus resultierenden Phänotyp.141, 142

Beispielsweise kann die natürliche Aktivität von DNA-Polymerasen bei der in vivo Selektion von DNA-Polymerasen mit geringer Genauigkeit genutzt werden. Der Bakterienstamm E. coli trpE65 ist nicht in der Lage Tryptophan zu synthetisieren und wächst deshalb nicht ohne Zugabe von Tryptophan. Selektiert werden Bakterien, die nach der Transformation mit Plasmiden, welche rekombinante DNA-Polymerasen enthalten, ohne Zugabe von Tryptophan wachsen können. Aufgrund der höheren Fehleranfälligkeit der auf dem Plasmid codierten DNA-Polymerase sind reverse Mutation im Gen trpE65 entstanden, die für das Wachstum der Bakterien verantwortlich sind.116, 143

Die von Holliger und Mitarbeitern entwickelte CSR (compartmentalized self-replication)132 ist besonders für die Selektion von DNA- und RNA-Polymerasen geeignet und basiert auf dem Prinzip der Wasser-in-Öl-Kompartimentierung von

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Tawfik und Griffiths.141 Beispielsweise konnten durch CSR DNA-Polymerasen mit erhöhter Thermostabilität und erhöhter Resistenz gegen Heparin selektiert werden.132 Diese Methode nutzt die natürliche Aktivität der DNA-Polymerase, um ihr eigenes randomisiertes Gen zu replizieren (Abb. 13). Im ersten Schritt werden rekombinante Plasmide mit randomisierten Gensequenzen in einen E. coli Expressionsstamm eingebracht und exprimiert. Die Bakterien werden einzeln in einer Wasser-Öl-Emulsion, welche Reaktionspuffer, Primer und dNTPs enthält, kompartimentalisiert und anschließend durch einen Hitzedenaturierungsschritt lysiert. Die exprimierte DNA-Polymerase sowie das randomisierte Gen-Templat gelangen so in das Kompartiment mit Primern und dNTPs. In der darauf folgenden PCR werden die Template in Kompartimenten mit PCR-aktiven DNA-Polymerasen amplifiziert. Diese Gene können anschließend für eine weitere CSR-Runde verwendet werden.132

Abb. 13: CSR (compartmentalized self-replication) zur in vitro Selektion von DNA-Polymerase-Varianten. 1.: Klonierung und Expression randomisierter Gene. 2.: Kompartimentalisierung der Bakterien in einer Wasser-Öl-Emulsion unter Zugabe von Primern und dNTPs. 3.: CSR nach Freisetzung der DNA-Polymerase. In Kompartimenten mit aktiven DNA-Polymerasen (Kugeln) erfolgt eine Amplifikation der Zielgene. In Kompartimenten mit inaktiven DNA-Polymerasen (Hexagon) erfolgt keine Amplifikation. Amplifizierte Gene können für weitere CSR-Runden eingesetzt werden. Modifiziert nach Ref.132

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Ein von Summerer und Marx für das Hochdurchsatz-Screening (HTS, high throughput screening) von DNA-Polymerasen entwickelter Ansatz nutzt die Eigenschaft des Fluoreszenzfarbstoffs SYBRGreen I zur Detektion von doppelsträngiger DNA (dsDNA).144 Die geringe Eigenfluoreszenz des Farbstoffs wird nach Bindung an die kleine Furche von dsDNA stark erhöht. Die Fluoreszenz wird bei einer Wellenlänge von 485 nm angeregt, die Emmision erfolgt bei 520 nm und kann im Multiwell-Format bestimmt werden. Die Verwendung von SYBRGreen I sowohl in Primerverlängerungsreaktionen als auch beim PCR-basierten Screening ermöglicht einen vielfältigen Einsatz dieser einfachen Methode. Die Messung kann als Endpunktbestimmung erfolgen oder aber die Produktbildung in Echtzeit verfolgt werden (Abb. 14).

Abb. 14: Fluoreszenz-basiertes in vitro Aktivitäts-Screening von DNA-Polymerasen. Die geringe Eigenfluoreszenz des Farbstoffes SYBRGreen I wird nach Bindung an dsDNA stark erhöht.

Aktive DNA-Polymerasen können durch Detektion der Fluoreszenz (ex=485 nm, em=520 nm) von nicht aktiven unterschieden werden. Pol: DNA-Polymerase. Modifiziert nach Ref.144

Mit Hilfe dieser fluoreszenz-basierten Methode wurden DNA-Polymerase-Varianten mit verschiedenen neuen Eigenschaften erfolgreich identifiziert. Einige Beispiele sind DNA-Polymerasen mit einer erhöhten Genauigkeit,47, 127 einer Reversen Transkriptase (RT)-Aktivität,133 der Fähigkeit ausgehend von stark geschädigter DNA zu amplifizieren134 oder auch das Überlesen abasischer Stellen.135

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2 Aufgabenstellung

Ziel dieser Arbeit war die Evolvierung einer DNA-Polymerase mit erweitertem Substratspektrum. Es sollte eine DNA-Polymerase erhalten werden, welche über eine effiziente RNA-Polymerase-Aktivität zur Inkorporation von Ribonukleotiden verfügte. Durch eine DNA-Polymerase, die in der Lage ist Ribonukleotide effizient als Substrat umzusetzen, sollte die Möglichkeit zur promoter-unabhängigen Transkription von beispielsweise durch RNA-Polymerasen schwer zugänglichen Sequenzen geschaffen werden. Zum Erhalt einer DNA-Polymerase mit erhöhter RNA-Polymerase-Aktivität sollten Methoden der gerichteten Evolution eingesetzt werden. Ausgehend von der Gensequenz der Therminator DNA-Polymerase, welche über eine gewisse Akzeptanz für Ribonukleotide verfügte, sollte zuerst eine randomisierte Mutagenese der gesamten Gensequenz durchgeführt werden. Nach Identifizierung einer geeigneten Variante, sollte deren Gensequenz als Ausgangssequenz für eine weitere Mutagenese eingesetzt werden, um eine weitere Verbesserung der gewünschten Eigenschaft zu erreichen. Zur Durchführung dieser Arbeiten sollte vorab ein geeigneter Assay für die Durchmusterung im Hochdurchsatz nach Varianten mit einer erhöhten RNA-Polymerase-Aktivität gefunden und optimiert werden.

Desweiteren sollte die evolvierte DNA-Polymerase eine erhöhte Akzeptanz für 2´-OH-modifizierte Ribonukleotide sowie C5-modifizierte Desoxyribonukleotide aufweisen, um zusätzlich die enzymatische Synthese modifzierter RNA- bzw. DNA-Analoga durch diese DNA-Polymerase zu ermöglichen. Durch den Einbau spin-funktionalisierter Desoxyribonukleotide, die unter anderem für die Anwendung in der EPR-Spektroskopie (Elektronenspinresonanz, electron paramagnetic resonance) entwickelt wurden145 sollten DNA-Analoga mit radikalischen Eigenschaften erhalten werden.

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In einem weiteren Teil der Arbeit sollte der Einfluss elektrostatischer Wechselwirkungen einer TLS (translesion)-DNA-Polymerase beim Überlesen einer abasischen Stelle untersucht werden. Es sollte untersucht werden, ob die Fähigkeit zum Bypass einer abasischen Stelle durch das Eliminieren von kationischen Interaktionen der DNA-Polymerase mit dem Rückgrat der DNA bzw. mit anderen Aminosäureresten im Enzym beeinflusst werden kann. Dies sollte mit der Dpo4 TLS-DNA-Polymerase erfolgen. Zuerst sollte anhand von Kristallstrukturen der Dpo4 DNA-Polymerase eine geeignete kationische Aminosäure identifiziert und diese mittels ortsgerichteter Mutagenese durch eine ungeladene Aminosäure mit ähnlichem sterischen Anspruch substituiert werden. Im Anschluss daran sollte die Fähigkeit zum Bypass der Läsion ermittelt und durch die Bestimmung der spezifischen Aktivität quantifiziert werden.

Im letzten Teil der Arbeit sollten Erkenntnisse zum Mechanismus der Nukleotidauswahl gegenüber einer abasischen Stelle in einer DNA-Polymerase der B-Familie erhalten werden. Es sollte überprüft werden, ob es sich bei dem für die KlenTaq DNA-Polymerase (A-Familie) formulierten amino acid templating Mechanismus82 (siehe 3.3.1) um einen allgemein gültigen Mechanismus handelt, der in verschiedenen DNA-Polymerase-Familien Anwendung findet. Anhand von Kristallstrukturen sollte eine aromatische Aminosäure identifiziert werden, welche die Aufgabe des Tyr671 analog zur KlenTaq DNA-Polymerase übernehmen könnte, ausgewählt werden. Durch ortsgerichtete Mutagenese sollte diese Aminosäure durch Alanin bzw. Tryptophan ersetzt und der Einfluss auf die Nukleotidauswahl sowie die Bypass-Aktivität der Varianten getestet werden. Die Tryptophan-Substitution sollte der eigentlichen Überprüfung des Mechanismus dienen. Durch die Alanin-Substitution sollten zusätzlich die Auswirkungen durch eine stark verkürzte nicht aromatische Seitenkette untersucht werden.

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3 Ergebnisse und Diskussion

3.1 Generierung einer Variante der Therminator DNA-Polymerase mit erweitertem Substratspektrum zur Inkorporation von Ribonukleotiden und Zucker- bzw. Basen-modifizierten Nukleotiden

3.1.1 Einleitung

DNA-Polymerasen werden bereits vielfältig für biotechnologische Zwecke eingesetzt (siehe 1.6).86, 116 Aktuelle Beispiele hierfür sind Anwendungen wie das Next-Generation Sequencing,146 SELEX (Systematic Evolution of Ligands by Exponential Enrichment)147-149 oder die DNA-Nanotechnologie.150-152 Allerdings könnten die Anwendungsmöglichkeiten von DNA-Polymerasen durch die Erweiterung des Substratspektrums noch ausgedehnt werden.

Interessant ist der Ansatz eine DNA-Polymerase mit erhöhter Akzeptanz von Ribonukleotiden (RNA-Polymerase-Aktivität) zu generieren. Dadurch könnte eine Möglichkeit zur promoter-unabhängigen Synthese von RNA geschaffen werden.

Bisher werden standardmäßig promoter-abhängige RNA-Polymerasen in der in vitro Transkription eingesetzt. Diese benötigen jedoch für eine effiziente Initiation der

Bisher werden standardmäßig promoter-abhängige RNA-Polymerasen in der in vitro Transkription eingesetzt. Diese benötigen jedoch für eine effiziente Initiation der