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Staatsbürgerschaftsrecht: Unter welchen Voraussetzungen hätte Edward Snowden österreichischer Staatsbürger werden können und welche Rolle spielt die

Unionsbürgerschaft

In Österreich sind die Voraussetzungen zur Erlangung der Staatsbürgerschaft im Staatsbürgerschaftsgesetz151 geregelt. Dieses Staatsbürgerschaftsgesetz erfuhr erst im Jahr 2013 eine umfassende Novellierung, in welcher auch die zeitlichen Grenzen für einen Mindestaufenthalt neu geregelt wurden und überdies die Möglichkeit, für besonders gut

145 Vgl Bittner/Hügel ua, Gesellschaftliche Verantwortung in der digital vernetzten Welt (2014) 112.

146 Vgl Kuhnle, Völkerwanderung nach Deutschland: Über die größte deutsche Krise nach dem Zweiten Weltkrieg (2015) 21.

147 Vgl Aust/Ammann, Digitale Diktatur: Totalüberwachung, Datenmissbrauch, Cyberkrieg (2016) 106f.

148 Vgl Bierdel/Lakitsch, Flucht und Migration: Von Grenzen, Ängsten und Zukunftschancen (2014) 55f.

149 Vgl Bayer, Das kleine Buch der großen Antworten: ... gibt Fragen auf Antworten (2016) 61.

150 Vgl Bierdel/Lakitsch, Flucht und Migration: Von Grenzen, Ängsten und Zukunftschancen (2014) 56.

151 BGBl 1985/311 idgF.

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integrierte Personen, geschaffen wurde, sich schneller einbürgern zu lassen.152 Um die österreichische Staatsbürgerschaft zu erhalten, muss die Person gemäß Artikel 10 Absatz 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes folgende Voraussetzungen erfüllen:

„Verleihung

§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn

1. er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war;

2.

er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;

3. er nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist;

4.

gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist;

5. durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft die internationalen Beziehungen der Republik Österreich nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6.

er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;

7.

sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder der Fremde seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern kann und

8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde.“153

Gemäß Art. 10a des Staatsbürgerschaftsgesetzes ist es überdies erforderlich, dass der Antragsteller über Deutschkenntnisse verfügt und sich zudem über die Historie Österreichs und das politische und gesellschaftliche Leben informiert hat.154 Eine weitere wichtige Regelung wurde im Hinblick auf Asylwerber in Art. 11a Absatz 4 Zusatz 1 Staatsbürgerschaftsgesetz getroffen. Demnach muss einer Person, welcher der Asylstatus rechtmäßig verliehen wurde, bereits nach sechsjährigem dauerhaften Aufenthalt in Österreich die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden, sofern nicht etwaige im Gesetz genannte Ausschlussgründe vorliegen.155 Für Edward Snowden hätte dies bedeutet, dass er, im Falle der Asylgewährung, bereits nach sechs Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft erlangen hätte können.

152 Vgl Öhlböck, Publikation auf der Website des Rechtsanwaltes Öhlböck: Staatsbürgerschaftsrecht neu http://www.raoe.at/news/single/archive/staatsbuergerschaftsrecht-neu/ (abgerufen am 24.02.2017).

153 Art 10 Absatz 1 Staatsbürgerschaftsgesetz, BGBl 1985/311 idgF.

154 Vgl Art 10a Staatsbürgerschaftsgesetz, BGBl 1985/311 idgF.

155 Vgl Art 11a Abs 4 Z1 Staatsbürgerschaftsgesetz, BGBl 1985/311 idgF.

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Weiters ist in diesem Zusammenhang die im Art.10 Abs. 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes geregelte Verfassungsbestimmung zu erwähnen, wonach die Republik Österreich jemandem, ohne Rücksichtnahme auf zeitliche und weitere, im Gesetz geregelte Voraussetzungen die Staatsbürgerschaft aufgrund besonderer Leistungen, welche die Interessen der Republik fördern, verleihen kann.156 Österreich hätte sich somit die Kenntnisse des Snowden betreffend Datenschutz und Sicherheit im technologischen Bereich durchaus zu Nutze machen können und ihm in weiterer Folge auf diesem Weg die Staatsbürgerschaft verleihen können.

In Bezug auf das Unionsrecht darf die Unionsbürgerschaft keinesfalls mit der österreichischen Staatsbürgerschaft verwechselt werden, da die Unionsbürgerschaft vielmehr eine Ergänzungsfunktion erfüllt und jemand auch nur dann Unionsbürger sein kann, sofern er bereits Staatsbürger eines EU-Mitgliedsstaates ist. Auch mit der Unionsbürgerschaft sind Rechte und Pflichten verbunden.157 Nachfolgend sollen einige Rechte dargestellt werden:

„Artikel 20 AEUV

(2) Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben die in den Verträgen vorgesehenen Rechte und Pflichten. Sie haben unter anderem

a) das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten;

b) in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und bei den Kommunalwahlen, wobei für sie dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats;

c) im Hoheitsgebiet eines Drittlands, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, nicht vertreten ist, Recht auf Schutz durch die diplomatischen und konsularischen Behörden eines jeden Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates;

d) das Recht, Petitionen an das Europäische Parlament zu richten und sich an den Europäischen Bürgerbeauftragten zu wenden, sowie das Recht, sich in einer der Sprachen der Verträge an die Organe und die beratenden Einrichtungen der Union zu wenden und eine Antwort in derselben Sprache zu erhalten.

Diese Rechte werden unter den Bedingungen und innerhalb der Grenzen ausgeübt, die in den Verträgen und durch die in Anwendung der Verträge erlassenen Maßnahmen festgelegt sind.“158 Die Gewährung dieser Rechte ist von dem Besitz der Staatsbürgerschaft des jeweiligen Landes und der damit einhergehenden Unionsbürgerschaft abhängig und es dürfen seitens der Europäischen Union keine weiteren, als die im Gesetz wiedergegebenen, Voraussetzungen für den Erwerb dieser Rechte und Pflichten statuiert werden.159 Die enge Verknüpfung der Unionsbürgerschaft mit den innerstaatlichen Staatsbürgerschaften ergibt sich auch dadurch,

156 Vgl Art 10 Abs 6 Staatsbürgerschaftsgesetz, BGBl 1985/311 idgF.

157 Vgl Art 9 EUV, BGBl III 1999/85 idgF.; Art 20 AEUV, BGBl III 1999/86 idgF.

158 Art 20 Abs 2 AEUV, BGBl III 1999/86 idgF.

159 Vgl Streinz, Europarecht10 (2016) 393.

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dass niemand die Unionsbürgerschaft verlieren kann, ohne dass er nicht auch zuvor die innerstaatliche Staatsbürgerschaft verloren hat.160 Auch Snowden wäre somit, im Falle der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft, Unionsbürger geworden und wäre somit Träger der vorhin bezeichneten Rechte gewesen.

Fall Micheletti – Entschieden durch den EuGH161:

Dieser Fall enthielt eine Vielzahl an wichtigen unionsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Verleihung der Staatsbürgerschaft und der damit einhergehenden Anerkennung der daraus resultierenden Rechte und Pflichten für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.

Zum einen entschied der EuGH, dass alleine die jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten für die innerstaatlichen Regelungen betreffend die Festlegung der Voraussetzungen für den Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft zuständig seien und zum anderen hielt er jedoch fest, dass diese Bestimmungen nicht gegen geltendes Unionsrecht verstoßen dürfen. Weiters führte EuGH in seinem Urteil an, dass es im Interesse der Europäischen Union sei, dass die Mitgliedstaaten, vor allem in Bezug auf die Gewährung der Grundfreiheiten, die innerstaatlichen Regelungen anderer Mitgliedsstaaten anerkennen.163

Erwachsen einem Staatsbürger Nachteile in einem fremden Staat, welche aus völkerrechtswidrigen Handlungen resultieren, so kann er sich an seinen Heimatstaat wenden und um diplomatischen Schutz ersuchen. Wird das diplomatische Schutzrecht ausgeübt und eine Verletzung des Völkerrechtes festgestellt, so kann ein Schadenersatz verlangt werden oder auch andere Maßnahmen wie beispielsweise Repressalien oder Proteste kommen in Betracht.164 Eine weitere wichtige rechtliche Regelung in Bezug auf Staatsbürgerschaft und auf die im nächsten Thema behandelte Diplomatie ist die sogenannte echte Verbindung, welche als Voraussetzung zur Ausübung des diplomatischen Schutzrechtes vom IGH gefordert wurde, wie der nachfolgende Fall zeigt.

Fall Nottebohm – Entscheidung durch den IGH165:

Der deutsche Staatsbürger Nottebohm hielt sich überwiegend in Guatemala auf und ging dort auch einer Arbeit nach. Da er Nachteile als deutscher Staatsbürger, aufgrund des zweiten Weltkrieges, fürchtete, nahm er die liechtensteinische Staatsbürgerschaft an, welche ihm durch gute Kontakte angeboten wurde. Nachdem Liechtenstein das diplomatische Schutzrecht für ihn

160 Vgl Erklärung von Maastricht v 07.02.1992, ABl 1992 191/98 und Niedobitek, Politiken der Union (2014) 65f.

161 EuGH v 07.07.1992, RS C-369/90, Micheletti Slg 1992, I-4239.

163 Vgl EuGH v 07.07.1992, RS C-369/90, Micheletti Slg 1992, I-4239, 10.

164 Vgl Dorf, Völkerrecht2 (2016) 99 Rz 31ff.

165 IGH v 06.04.1955, Nottebohm (Liechtenstein v. Guatemala).

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ausüben wollte, entschied der IGH, dass es keinen sogenannten genuine link, also eine echte Verbindung zu Liechtenstein, gibt und daher das diplomatische Schutzrecht nicht ausgeübt werden könne. Der IGH führte weiters in seinem Urteil aus, dass es zwar jedem Staat selbst überlassen sei, die Voraussetzungen zur Erlangung der Staatsbürgerschaft festzulegen, es jedoch erst durch das Vorhandensein von wechselseitigen Pflichten und Rechten und einer damit einhergehenden starken Verbundenheit zum Staat zur rechtsgültigen Ausübung des Schutzrechtes kommen kann. Eine solche Verbundenheit konnte im Fall Nottebohm nicht festgestellt werden.166

Zu erwähnen ist jedoch, dass es nach der IGH Entscheidung zum Fall Nottebohm teils abweichende Entscheidungen und Vorgangsweisen in der Praxis gab, in welchen das alleinige existieren einer Staatsbürgerschaft zur Ausübung des diplomatischen Schutzrechtes führte.167