• Keine Ergebnisse gefunden

Eine rechtliche Betrachtung der Aufgaben der Diplomatie

35

ausüben wollte, entschied der IGH, dass es keinen sogenannten genuine link, also eine echte Verbindung zu Liechtenstein, gibt und daher das diplomatische Schutzrecht nicht ausgeübt werden könne. Der IGH führte weiters in seinem Urteil aus, dass es zwar jedem Staat selbst überlassen sei, die Voraussetzungen zur Erlangung der Staatsbürgerschaft festzulegen, es jedoch erst durch das Vorhandensein von wechselseitigen Pflichten und Rechten und einer damit einhergehenden starken Verbundenheit zum Staat zur rechtsgültigen Ausübung des Schutzrechtes kommen kann. Eine solche Verbundenheit konnte im Fall Nottebohm nicht festgestellt werden.166

Zu erwähnen ist jedoch, dass es nach der IGH Entscheidung zum Fall Nottebohm teils abweichende Entscheidungen und Vorgangsweisen in der Praxis gab, in welchen das alleinige existieren einer Staatsbürgerschaft zur Ausübung des diplomatischen Schutzrechtes führte.167

36

zu unterrichten und darüber an die Regierung des Entsendestaates zu berichten,

e) freundschaftliche Beziehungen zwischen Entsendestaat und Empfangsstaat zu fördern und ihre wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen auszubauen“171

Zur Einrichtung einer diplomatischen Mission bedarf es immer einer zwischenstaatlichen Übereinkunft zwischen Empfangs- und Entsendestaat und auch bei der Entsendung von Diplomaten hat der Empfangsstaat die Möglichkeit ein Veto einzulegen und so die Entsendung einer bestimmten Person zu verhindern. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass die Beendigung von diplomatischen Beziehungen keines zweiseitigen Aktes mehr bedarf, sondern jederzeit auch ohne Begründung von nur einem Staat erklärt werden kann.172 Der Zweck der diplomatischen Missionen ist deshalb vielfach ein politischer, welcher auch von tagesaktuellen politischen Themen stark beeinflusst wird.173 Es kann daher durchaus vorkommen, dass Diplomaten von Empfangsstaaten abgelehnt werden, um so dem Entsendestaat zu verdeutlichen, dass der Empfangsstaat mit seiner Politik nicht einverstanden ist.

Als Beispiel für die Wichtigkeit der Diplomatie dient hier die GASP in der EU, welche die Sicherheit Europas gewährleisten soll und für ihr Funktionieren immer auch auf gute zwischenstaatliche Beziehungen angewiesen ist. Die in Artikel 43 und 44 angeführten Maßnahmen und Missionen, welche zur Bekämpfung des Terrorismus beitragen sollen, können nämlich nur durch ein gemeinsames und auf zwischenstaatlicher Ebene gut abgestimmtes Vorgehen der Mitgliedsstaaten durchgeführt werden.174 Die Diplomatie ist zudem auch eines der topaktuellen Themen, wenn es zum Beispiel um eine Lösung des Syrien-Konfliktes geht,175 und die Wurzeln der Institution der Diplomatie reichen weit zurück bis zu bereits lange vergangenen Konflikten.176 Immer wieder ist zu beobachten, dass Nationen anscheinend beharrlich auf ihren Standpunkt bestehen, und wenn man der medialen Berichterstattung im Syrien-Konflikt folgt, kann der Eindruck gewonnen werden, dass es bei manchen Ländern in erster Linie gar nicht um die Auflösung der blutigen Schlachten, sondern lediglich um die Durchsetzung ihrer eigenen Interessen und die damit verbundenen Vorteile geht.

171 Art. 3 WÜD, BGBl 1966/66 idgF.

172 Vgl Dorf, Völkerrecht2 (2016) 119 Rz 37ff.

173 Vgl Dorf, Völkerrecht2 (2016) 123 Rz 44.

174 Vgl Art 42 Abs 1, Art 43 Abs 1, Art 44 EUV BGBl III 1999/85 idgF.

175 Vgl Harrer, Tageszeitung Der Standard, Aleppo bedeutet vorläufiges Ende der Syrien-Diplomatie,

http://derstandard.at/2000042675994/Aleppo-bedeutet-vorlaeufiges-Ende-der-Syrien-Diplomatie (abgerufen am 29.10.2016).

176 Vgl Seidel, Geheimdienste, Diplomatie und Krieg (2013) 7f.

37

6.1 Verstöße gegen völkerrechtliche Übereinkommen in Bezug auf die Diplomatie

Auch Edward Snowden musste sich von Beginn an im Klaren darüber gewesen sein, dass sein Fall tiefe Gräben auf diplomatischer Ebene aufreißen und es für ihn nicht leicht werden wird, ein Land zu finden, welches ihm Schutz gewährt und damit der Großmacht USA die Stirn bietet.

Als Beispiel für das rücksichtslose Vorgehen der USA dient ein Ereignis, welches sich abspielte, als Snowden noch im Transitbereich des Flughafens in Moskau festsaß. Die Amerikaner / Amerikanerinnen vermuteten jedoch, dass er sich bereits bei der Abreise aus Moskau im Präsidentenflugzeug des bolivianischen Präsidenten befinden würde. Nachdem sich das Flugzeug bereits im europäischen Luftraum befand, erhielt es vonseiten Frankreichs und Portugals, vermutlich auf Anweisung der USA, keine Genehmigung zum Einflug in den jeweiligen Luftraum und war letztlich gezwungen, in Wien zu landen. Was folgte waren gegenseitige Schuldzuweisungen auf diplomatischer Ebene.177 Daraus ergibt sich die rechtliche Schlussfolgerung, dass dadurch Artikel 2 Absatz 1 lit. b der Diplomatenschutzkonvention178 verletzt wurde.

„Art. 2 Diplomatenschutzkonvention (1) Die vorsätzliche Begehung

a) einer Tötung, einer Entführung oder eines sonstigen Angriffs auf die Person oder Freiheit einer völkerrechtlich geschützten Person;

b) eines gewaltsamen Angriffs auf die Diensträume, die Privatwohnung oder die Beförderungsmittel einer völkerrechtlich geschützten Person, der geeignet ist, deren Person oder Freiheit zu gefährden;

c) einer Bedrohung mit einem solchen Angriff;

d) eines Versuchs eines solchen Angriffs und

e) einer Teilnahmehandlung an einem solchen Angriff

wird von jedem Vertragsstaat nach innerstaatlichem Recht mit Strafe bedroht.“179

In casu fand ein gewaltsamer Angriff auf ein Beförderungsmittel einer völkerrechtlich geschützten Person statt, welcher auch geeignet war diese Person, also den bolivianischen Präsidenten, zu gefährden. Aus einer schriftlichen Anfrage an das Europäische Parlament ging zudem die Antwort hervor, dass durch den Vorfall auch aus Sicht des EP die Immunität des bolivianischen Präsidenten missachtet wurde.180

177 Vgl Reinbold, Zeitschrift Spiegel, Verwirrung um Snowden: Flugzeug von Präsident Morales zu Wien-Stopp gezwungen, http://www.spiegel.de/politik/ausland/snowden-geruechte-boliviens-praesidentenmaschine-muss-in-wien-landen-a-909108.html (abgerufen am 16.10.2016).

178 Art 2 Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschließlich Diplomaten, BGBl 1977/488 idgF.

179 Art 2 Übereinkommen über die Verhütung, Verfolgung und Bestrafung von Straftaten gegen völkerrechtlich geschützte Personen einschließlich Diplomaten, BGBl 1977/488 idgF.

180 Vgl ABl 65 v 05.07.2013, E-008072-13, E-008095/13, E-008175/13 Anfragen durch die Abgeordneten des EP Rueda ua; Anfragebeantwortung durch die Vizepräsidentin der Hohen Kommission Ashton.

38

Eine Entscheidung des IGH zum Fall LaGrand soll nachfolgend eine weitere Verletzung des Völkerrechts darstellen und die Wichtigkeit der Vertretung der Staatsbürger durch ihr Heimatland aufzeigen.

Fall LaGrand – Entscheidung durch den IGH181

Hierbei ging es darum, dass im Zuge einer Hinrichtung zweier deutscher Staatsbürger in den USA das Völkerrecht verletzt wurde. Den beiden hingerichteten Personen wurde nämlich seitens der USA kein Rechtsbeistand durch das deutsche Konsulat gewährt und die Vollstreckung der Todesstrafe wurde, trotz Intervention des IGH, vollzogen.182 Konkret entschied der IGH, dass der Artikel 36 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen183 verletzt wurde, da die Gebrüder LaGrand nicht unverzüglich nach ihrer Verhaftung über das Recht, einen Rechtsbeistand über das deutsche Konsulat heranziehen zu können, informiert wurden. Der IGH sah es in seinen Ausführungen als gegeben an, dass die Verwehrung dieser Rechte mitunter zur Hinrichtung geführt hat, da Deutschland nicht mehr in der Lage war, sich für ihre Staatsbürger einzusetzen. Auch die Rechtsvertretung der Republik Deutschland führte in der Verhandlung vor dem IGH an, dass sie den Artikel 36 des WÜK verletzt sieht und verlangte von den USA eine Zusicherung ein solches Verhalten in Zukunft unterbleiben zu lassen und die in der WÜK verankerten Rechte zu gewähren.184

In diesem Fall mussten die Verhandlungen auf diplomatischer Ebene mit größter Sorgfalt geführt werden, da beide Länder keinesfalls die guten zwischenstaatlichen Beziehungen untereinander riskieren wollten. Dies führte dazu, dass seitens der Medien die Interventionen durch Deutschland teilweise als zu wenig intensiv bewertet wurden.185

181 IGH v 27.06.2001, Fall LaGrand (Deutschland gg Vereinigte Staaten von Amerika).

182 Vgl IGH v 27.06.2001, Fall LaGrand (Deutschland gg Vereinigte Staaten von Amerika) 13ff.

183 BGBl 1969/318 idgF.

184 Vgl IGH v 27.06.2001, Fall LaGrand (Deutschland gg Vereinigte Staaten von Amerika) 11f.

185 Vgl Pickert, TAZ: Den Haag verurteilt die USA,

http://www.taz.de/1/archiv/archiv-start/?ressort=au&dig=2001%2F06%2F28%2Fa0066&cHash=2ccf2deab51cc55f82addff0e218e916 (abgerufen am 06.03.2017)

39

7. Die Rolle von Edward Snowden und die rechtlichen Aspekte eines