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IV. Beschreibung des institutionellen Rahmens der italienischen Geld-

2. Die Entwicklung der italienischen Finanzmärkte aufgrund des

2.2. Staatlicher Verschuldungsbedarfund das Ziel des Übergangs

Mit der Öffnung der Schatzwechsel-Versteigerungen für Bieter aus dem Unterneh-mensbereich und Privatpersonen unternahm man bereits 1975 erste allmähliche Schritte zur Schaffung eines Geldmarktes, der Basis für eine verstärkte Nutzung der

244Vgl. Graf von Pückler (1987), S. 607.

245Ende 1962 wurde vom Comitato Interministeriale di Credito ed il Risparmio (CICR) jedoch die Bestimmung erlassen, daß die Zinssätze auf dem Interbankenmarkt nicht über die Zinssätze von Schatzwechseln steigen dürften, vgl. Brocci (1989), S. 67. Ziel der Vorschrift war es, die Attrak-tivität der Schatzwechsel im Vergleich zur Anlage der überschüßigen Bankenliquidität im Inter-bankenmarkt zu erhalten und so eine zinsgünstige Finanzierung der Budgetdefizite zu garantieren.

Dieser staatliche Eingriff stellte aber ein entscheidendes Hindernis für die Entwicklung des Mark-tes dar. Erst 1970 wurde die Bestimmung wieder aufgehoben.

246Vgl. Brocci (1989), S. 66 und siehe Kapitel F.IV.

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Offenmarktpolitik durch die Banca d'ltalia sein sollte. Hauptziel dieser Maßnahme war jedoch eine Ausdehnung der Käuferseite bei Schatzwechselversteigerungen, da der Bankensektor in den vorangegangenen Jahren nicht mehr in ausreichendem Maße zum Ankauf der Wechsel und damit zur Finanzierung der Budgetdefizite bereit gewesen war.247 Diese Maßnahme bedeutete einerseits eine spürbare Verringerung der Subven-tionierung der Haushaltsfinanzierung, da die Banca d'Italia alle nicht gezeichneten Schatzwechsel seither nicht mehr zu vergünstigten Zinssätzen, sondern zu marktge-rechten Konditionen aufkaufte. Andererseits erhöhte sich aus rechtlicher Sicht der Einfluß der Finanzpolitik auf die Geldpolitik, da die Banca d'Italia nun offiziell dazu verpflichtet wurde, alle nicht vom Markt aufgenommene Schatzwechsel anzukaufen, was sie zuvor nur „freiwillig" in Absprache mit dem Schatzamt getan hatte.248 Pro-blematisch war, daß die nun marktgerecht verzinsten öffentliche Wertpapiere haupt-sächlich in Konkurrenz zu den Bankeinlagen traten und außer von Banken kaum ge-handelt wurden, so daß sich kein allgemeiner Geldmarkt - etwa dem britischen Bei-spiel folgend - entwickelte.249

Zu Beginn der achtziger Jahre setzte man in Anlehnung an die Beispiele anderer Län-der die Reformen graduell mit dem Ziel fort, die Rolle Län-der Finanzmärkte in Län-der Kre-ditvermittlung zu stärken und die Bedeutung der Banken zurückzuführen.2so Dadurch sollte der Übergang zu einer indirekten, marktorientierten Geldpolitik ermöglicht wer-den.251 Zusätzlich wollte man eine stärkere internationale Einbindung des italienischen Finanzsystems erreichen, um so eine höhere Effizienz bei der Kapitalvermittlung zu erzielen. Gleichzeitig strebte man über den Bedeutungszuwachs der Kapitalmärkte ei-ne Reduzierung der moei-netären Finanzierung der Staatsverschuldung an, um die Geld-politik von den Einschränkungen, die sie bis dahin von der FiskalGeld-politik erfahren hatte, zu befreien.252

Erster Schritt in diese Richtung war 1981 die sogenannte „Scheidung" von Schatzamt und Banca d'Italia. Dabei wurde die Zentralbank von der Pflicht befreit, bei den Auk-tionen nicht verkaufte Schatzwechsel übernehmen und damit die Finanzierung der Budgetdefizite durch eine Geldmengenausdehnung garantieren zu müssen. Die ,,Scheidung" bedeutete eine Einschränkung des Zugangs der Regierung zu Zentral-bankkrediten, so daß die Finanzierung über die Finanzmärkte gestärkt werden mußte.

Da aber Besitzer von Staatsanleihen aufgrund sehr hoher Inflationsraten und steigen-der Zinsen in den siebziger Jahren hohe Kursverluste erlitten hatten, war die Kaufbe-reitschaft der Anleger bei staatlichen Wertpapieren sehr gering und ihre Liquidi-tätspräferenz hoch. Eine höhere Transparenz, Liquidität und Effizienz der

Finanzmärk-247Vgl. Pagano (1988), S. 135f.

248Vgl. Fazio (1995), S. 81.

249Dennoch tätigte die Notenbank zur Steuerung der Bankenliquidität von 1976 bis 1979 Outrightge-schäfte in diesem Markt.

250

v

gl. Ciampi ( 1990a), S. 61. Eine chronologische Übersicht über die Reformmaßnahmen bietet Pas-sacantando (1996), S. 122-125.

251 Vgl. Muscatelli/Spinelli (1996b ), S. 581.

252Vgl. Passacantando (1996), S. 91f., Ciampi (1987b), S. 82 und S. 86, Dini (1990), S. 72 und Vaciago (1989), S. 45.

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te und neue Finanzprodukte sollten daher für inländische Anleger und für ausländische Investoren die Anlage von Kapital in italienischen Wertpapieren attraktiver machen.

Über die resultierende Erhöhung der Nachfrage nach staatlichen Wertpapieren sollten die Finanzierung der Haushaltsdefizite zu günstigen Konditionen ermöglicht und gleichzeitig positive Auswirkungen auf die Kapitalbilanz erzielt werden.253

Grundlage hierfür war die Entwicklung neuer Finanzmärkte und die Stärkung beste-hender Märkte durch die Einführung neuer Finanzprodukte und marktgerechterer Ver-fahren. Ähnlich wie in Frankreich trug die öffentliche Hand daher wesentlich zum Finanzinnovationsprozeß bei.

Die wichtigste Finanzinnovation dieser Reformphase war 1977 die Einführung von variabel verzinsten Schatzamt-Kreditzertifikaten (certificati di credito de! Tesoro, CCTs) als Anlagealternative zu den bisher emittierten, abdiskontierten Schatzwechseln (buoni ordinari de! Tesoro, BOTs). In zwei wesentlichen Merkmalen unterschied sich das neue Finanzprodukt. Während BOTs eine Laufzeit zwischen drei und zwölf Mona-ten hatMona-ten, also sehr kurzfristig waren, wurden CCTs mit einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren emittiert. Heutzutage dominiert die siebenjährige Laufzeit. Die zweite Neuheit war die Einführung einer variablen Verzinsung.254 Gegenüber den bis dahin üblichen festverzinslichen Staatsanleihen (buoni de! Tesoro poliennali, BTPs, oder certificati de! Tesoro con opzione, CTOs255) wurde der Sparer dadurch vom Zinsände-rungsrisiko und möglichen Kursverlusten bei ansteigenden Zinsen befreit, wodurch die Attraktivität langfristiger Staatsanleihen gesteigert werden konnte. Ihr Anteil am Ver-mögen der Haushalte stieg dementsprechend von 2,3% 1980 auf 15% 1985.256 Aus Sicht der Regierung ermöglichte die variable Verzinsung somit eine Verlängerung der Laufzeit und eine geringere Revolvierungshäufigkeit der Staatsschulden (siehe Tabelle D.7).

Tabelle D.7: Durchschnittliche Laufzeit der italienischen Staatsverschuldung

Jahr 1971- 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1975

Monate 70 43 39 36 30 22 15 15 19 30 41 45

Quelle: Pagano (1988), S. 136, Tabelle 4.1257

253Vgl. Dooley/Spinelli (1989), S. 107 und BIEB (February 1988), S. 47.

254 Seit Ende 1981 wurde ein fester Zinsaufschlag auf den Referenzzinssatz der Schatzwechsel festge-legt. Seit 1994 wählte man dafür den Sechsmonatszins, so daß sich Zinsbindungsdauer und Refe-renzzinssatz entsprechen. Dadurch wurden CCTs vor allem für ausländische Investoren interessan-ter, und ihr Anteil in diesem Bereich stieg von 3% auf ein Drittel. Vgl. Banca d'Italia (1996b), S. 120, Banca d'Italia (1995), S. 124 und Vergi/Trezzi (1997), S. 866.

255 Die Besonderheit der CTOs bestand darin, daß sie mit einer Put-Option ausgestattet waren. Diese ermöglichte dem Investor eine vorzeitige Rückgabe der Anleihe nach drei Jahren und verringerte dadurch das Zinsänderungsrisiko. Vgl. Vergi/Trezzi (1997), S. 881.

256Vgl. Ciampi (1987b), S. 88.

257 J 998 betrug die durchschnittliche Laufzeit der italienischen Staatsverschuldung etwa 54 Monate.

Vgl. BIEB (February 1998b), Figure 47, S. 55.

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Der Vorteil dieser Finanzinnovationen für die Geldpolitik bestand darin, daß die Re-gierung in geringerem Ausmaß auf ihren Kontokorrentkredit (conto corrente di te-soreria) bei der Notenbank zurückgreifen mußte, so daß es zu geringeren, fiskalpoli-tisch bedingten Schwankungen der Basisgeldmenge kam.258 Ein weiterer Vorteil die-ser Entwicklung war, daß der Sekundärmarkt für Staatstitel gegenüber dem Primär-markt an Bedeutung gewinnen konnte.2s9

Als eine weitere Innovation wurden 1982 erstmals Schatzamt-Kreditzertifikate in ECU (certificati de! Tesoro euroscudi, CTEs) emittiert, um so den Präferenzen der Anleger nach einer Fremdwährungsanlage zu entsprechen. Zusätzlich wurden 1994 im kurz-fristigen Bereich Zerokupon-Zertifikate (certificati de! Tesoro Zero-coupon, CTZs) mit einer Laufzeit von zwei Jahren als Ergänzung eingeführt, und Schatzwechsel mit einer Laufzeit von einem bis drei Monaten, die zuvor nur von den Banken erworben werden konnten, wurden auch dem Privatpublikum angeboten.260 Außerdem verschul-dete sich die Regierung verstärkt an den Euromärkten in US-Dollar, Yen und D-Mark, um so das inländische Kapitalangebot durch Kapitalimporte zu ergänzen und höhere Zinsen zu vermeiden. Die Innovationen des Schatzamtes im Zuge des Schuldenmana-gements müssen aufgrund ihrer hohen Akzeptanz bei den Anlegern als Erfolg gewertet werden (siehe Tabelle D.8).

Tabelle D.8: Zusammensetzung des italienischen Markts für Regierungsanleihen 1995 (in%)

BTP BOT CCT CTO CTE CTZ Sonsti e

35,4 22,8 29,2 3,8 2,7 2,6 3,6

Quelle: Vergi/frezzi (1997), S. 871, Schaubild 19.11

Auch auf den Märkten für private Schuldtitel fanden in dieser Zeit staatlich gefördert Finanzinnovationen statt. So erfolgte 1984 die Zulassung von Investmentfonds, die die bisher als Bankeinlage gehaltenen Gelder indirekt auf die Finanzmärkte lenken sollten.

Die Fonds wiesen sofort ein starkes Wachstum auf und trugen so zum Wandel des Sparverhaltens bei.261 1997 flossen Investmentfonds die Rekordsumme von 230 Bil-lionen Lire zu.262

Seit 1987 förderte die Banca d'Italia außerdem die Einführung von certificates of de-posit (CDs), um über eine flexiblere und marktgerechtere Verzinsung der Bankeinla-gen die Zinsreagibilität der Geldnachfrage und des Passivgeschäfts der Banken zu er-höhen und die Wirksamkeit der Zinspolitik zu steigern.263 Jedoch führte die höhere 258Vgl. Pagano (1988), S. 137.

259Vgl. Ciampi (1990b), S. 161-164.

260Vgl. Spaventa (1988), S. lOf.

261 Vgl. Buttiglione/Feni (1994), S. 16, Angelini/Hendry/Rinaldi (1994), S. 13 und Graf von Pückler (1987),

s.

608.

262Vgl. BIEB (February 1998b), S. 44.

263Vgl. Ciampi (1987b), S. 94.

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Verzinsung konkurrierender staatlicher Papiere und eine steuerliche Benachteiligung dazu, daß CDs im Passivmanagement der Banken nur langsam an Bedeutung gewan-nen. 264 Wieder wurde die Funktionsfähigkeit des marktorientierten Finanzsystems dem Finanzierungsbedarf des Staates untergeordnet. Anstelle kurzfristiger CDs gewann der private Repo-Markt durch die Befreiung von der Mindestreservepflicht im Mai 1991 eine gewisse Bedeutung.265 Aufgrund steuerlicher und rechtlicher Hindernisse entwik-kelte er aber nicht die Markttiefe, die für das Liquiditätsmanagement der Banken not-wendig gewesen wäre. 266

Mitte der achtziger Jahre wurde die Doppelbesteuerung von Dividenden abgeschafft, um die Attraktivität der Aktienanlage zu erhöhen. Über die Privatisierung von Staats-unternehmen, insbesondere der Banken, sollte zusätzlich eine höhere Kapitalisierung der Börse, eine Belebung der Aktienumsätze und allgemein eine Aktienkultur geschaf-fen werden.267 Nach einem kurzen dynamischen Aufschwung beendete der weltweite Börseneinbruch 1987 die positive Entwicklung. Erst Mitte der neunziger Jahre setzte wieder ein dynamisches Wachstum der Mailänder Börse ein. Die italienische Börse ist aber mit einer Marktkapitalisierung von nur 22% des BIP noch heute im internationa-len Vergleich268 eher unbedeutend und errang nicht den Status, der der Position Ita-liens als einem der größten Industrieländer der Welt entsprechen würde.

Um die Transparenz und Liquidität der italienischen Finanzmärkte zu erhöhen, erließ man nach und nach allgemeine Bestimmungen für Übernahmeofferten, Insiderhandel, Publizitätspflichten, vereinfachte die Emissionsbedingungen und verbesserte die Wertpapierhandelsabwicklung.269 1982 gelang es z.B. durch eine Vernetzung der Banken durch Standleitungen die Abwicklungsprobleme des Interbankenmarktes zu lösen und tagesgleiche Abrechnungssysteme einzuführen, so daß sich ein rasch wach-sender Markt für Tagesgeld entwickelte.270 1988 erfolgte als weiterer wichtiger Schritt zur Entwicklung des Geldmarktes die Aufhebung der Mindestgebotpflicht bei der Versteigerung von Schatzwechseln,271 über die das Schatzamt zuvor die Zinshöhe grenzt hatte, so daß das Zinsniveau seither ohne Grenzen von den Marktkräften be-stimmt werden konnte. Durch die Einführung computergestützter Handels- und Ab-264Vgl. Buttiglione/Ferri (1994), S. 21-24.

265Vgl. BIEB (October 1992a), S. 52 und Banca d'ltalia (1996b), S. 87 und S. IOSf. Bei diesem In-strument gewinnen Banken Einlagen auf Zeit, indem sie Wertpapiere aus ihrem Bestand an Privat-kunden, meist Unternehmen, verkaufen und sofort auf Termin zulilckkaufen. Die große Mehrheit dieser Geschäfte ist kurzfristiger Natur, so daß eine große Ähnlichkeit zu Termineinlagen besteht, die jedoch mindestrervepflichtig sind. Eingriffe der Politik verzerren daher immer noch das Markt-geschehen.

266y gl. Prati/Schinasi ( 1997a), S. 18.

267y gl. Desario ( 1995b ), S. 104 und S. 106f.

268Siehe Tabelle D.11.

269zur Effizienz der Kapitalmärkte als Voraussetzung einer volkswirtschaftlich optimalen Allokation des Finanzmittelangebots vergleiche Unser/Oehler (1997), S. 367f. Für eine Kritik der in Italien getroffenen Maßnahmen vergleiche Sarcinelli (1996a), S. 16-18.

270Vgl. BIEB (February 1986), S. 38f.

271Jm Juli 1988 bei Schatzwechseln mit dreimonatiger Laufzeit, im Februar 1989 bei einer Laufzeit von sechs und zwölf Monaten, 1992 auch bei BTPs und CCTs. Vgl. Passacantando ( 1996), S. 94 und Ciampi (1990a), S. 61.

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wicklungssysteme gelang es Ende der achtziger Jahre, das Laufzeitenspektrum der ge-handelten Kredite zu erweitern, die Transparenz und den Handelsumfang zu vergrö-ßern und damit dem Geldmarkt die für den Übergang zu einer indirekten Geldpolitik notwendige Tiefe zu geben.272 Der Geldmarkt entwickelte sich zum Angelpunkt des Liquiditätsmanagements der Banken, zum wichtigsten Verbindungsglied zwischen Bankensystem und Notenbank und gewann aufgrund seiner hohen Zinsreagibilität zentrale Bedeutung für den Zinstransmissionsmechanismus der Geldpolitik.

Auch auf den Märkten für staatliche Wertpapiere strebte man über eine Modernisie-rung der Handelssysteme eine Erhöhung der Transparenz und eine Ausweitung des Umsatzvolumens an. Neben dem bestehenden Sekundärmarkt für Staatsanleihen (mercato obbligazionari telematico, MOT) schuf man z.B. 1988 einen wholesale mar-ket (mercato telematico dei titoli di stato secondario, MTS) mit einem modernen, computergestützten Handelssystem, das die Transparenz des Marktes erhöhte und des-sen Anwendung im Laufe der nächsten Jahre auch auf andere Wertpapierformen aus-gedehnt wurde. 273 Zusätzlich wurden sogenannte „primary dealers" eingesetzt, die sich verpflichteten, jederzeit Kauf- und Verkaufskurse verbindlich zu stellen, um so die Liquidität des Marktes zu garantieren.214

Im September 1992 wurde in einem nächsten Entwicklungsschritt ein Markt für Futu-res und Optionen (mercato italiano dei futuFutu-res, MIF27S) auf BTPs eröffnet.276 Im Mai 1995 wurde auch in diesem Segment ein computergestützter Markt (mercato telemati-co dei opzioni, MTO) hinzugefügt. Durch weitere Deregulierungsmaßnahmen und die Einführung einer zweiten Gruppe spezialisierter Händler wurde 1994 die Marktliquidi-tät weiter erhöht.277 Dennoch wird das mit Abstand größte Volumen an Finanzderiva-tiven auf italienische Anleihen in London an der LIFFE gehandelt.

Im Dezember 1997 wurde ein computergestützter Repo-Markt auf Staatsanleihen er-öffnet, 21s der zur Basis für eine stärkere Einbeziehung von Repo-Geschäften in das Instrumentarium der Banca d'Italia werden könnte.

Letzter bedeutender Schritt der Finanzmarktreformen war 1987 die allmähliche Abschaffung der Kapitalverkehrskontrollen im Zusammenhang mit dem Europäischen Binnenmarkt. Dadurch wurde eine internationale Einbindung der italienischen Finanzmärkte möglich. Dennoch ist die internationale Bedeutung der italienischen Fi-nanzmärkte noch nicht annähernd mit der industriellen Bedeutung des Landes ver-gleichbar.

272Vgl. BIEB (October 1990a), S. 45.

273 Der tägliche Umsatz stieg von 300 Milliarden Lire 1988 auf über 32 Billionen Lire 1996. Vgl.

BIEB (October 1996d), S. 77.

274Vgl. BIEB (February 1988), S. 47f.

275Vgl. BIEB (October 1992b), S. 56.

276Terminmärkte erhöhen die Attraktivität der Kassamärkte, indem sie den Anlegern Absicherungs-und Spekulationsinstrumente zur Verfügung stellen.

277Vgl. BIEB (February 1994b), S. 52f., BIEB (February 1995), S. 60f. und BIEB (October 1996d), S. 77-79.

278Vgl. BIEB (February 1998b), S. 57f.

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2.3. Zusammenfassung

Insgesamt betrachtet waren die Reformen erfolgreich. Die Schaffung eines funktions-fähigen Sekundärmarktes für staatliche Wertpapiere, die Einführung eines computer-gestützten Handelssystems, die Neuorganisation der Handelsabwicklung, die Aufhe-bung der Mindestgebotsregel bei Schatzwechselauktionen und die Einführung zahlrei-cher innovativer Wertpapierformen erhöhten die Attraktivität italieniszahlrei-cher Staatspapie-re deutlich. Der italienische Markt für langfristige Staatsanleihen ist heute der dritt-größte der Welt.279 Dadurch konnten die hohen Haushaltsdefizite Anfang der neunzi-ger Jahre ohne Rückgriff auf Notenbankkredite durch die Ausgabe von staatlichen Wertpapieren gedeckt werden, so daß die Geldmengenentwicklung unter der Kontrolle der Banca d'Italia blieb und die Geldpolitik, wie erwünscht, von den bisherigen Ein-schränkungen der Fiskalpolitik zu einem großen Teil befreit wurde.2so Zusätzlich er-laubte die rasche Entwicklung der Finanzmärkte die stärkere Nutzung offenmarktpoli-tischer Instrumente.2s1

Wesentlicher Teilaspekt der Finanzmarktreformen in Italien war die große Rolle, die die Einführung der variablen Verzinsung spielte. Erst durch diese Innovation gelang es in einem nennenswerten Ausmaß, die Bevorzugung sehr kurzfristiger Anlagen, insbe-sondere der Bankeinlagen, durch die Sparer aufgrund deren hoher Liquiditätspräferenz zu brechen, und Märkte für mittel- und langfristige Wertpapiere zu entwickeln.282 Die-se stellten dann die Grundlage für eine geringere monetäre, die Geldpolitik beschrän-kende Finanzierung der Staatsverschuldung und für einen Wechsel von einer direkten zu einer indirekten Geldpolitik dar. Insofern waren die Finanzmarktreformen erfolg-reich, jedoch waren und sind mit der Betonung variabel verzinster Wertpapiere auch Probleme verbunden. Ein Anstieg des Zinsniveaus im Zuge einer restriktiven Politik oder zur Verteidigung der Lira-Parität im Wechselkursmechanismus des EWS bedeu-tete gleichzeitig eine zusätzliche Belastung des Staatsbudgets durch erhöhte Zinszah-lungen und damit eine Ausdehnung der Budgetdefizite. Insofern begrenzte die Fiskal-politik den zinspolitischen Spielraum der Notenbank auch nach den Reformen noch spürbar, da Zinserhöhungen aufgrund der Dominanz kurzfristiger oder variabel ver-zinster Staatsschulden über steigende Zinslasten stark negative Auswirkungen auf den Staatshaushalt hatten und haben.283

Im gleichen Maße verschlechtert ein Zinsanstieg aufgrund der Dominanz variabler Zinsvereinbarungen die Position der Unternehmen und bringt insbesondere hochver-schuldete Firmen in Existenznöte. Auf der anderen Seite führen die erhöhten Zinszahlungen der Schuldner zu entsprechenden Einkommensanstiegen der Gläubiger, 279Vgl. Sarcinelli (1996a), S. 12.

280Vgl. Ciampi (1992a), S. 156.

281 Vgl. Bisignano (1996), S. 17, Fußnote 27 und Kapitel E.IV.

282Vgl. Sacchi Morsiani (1990), S. 210.

283Vgl. Ciampi (199Oa), S. 61 und Ciampi (1991), S. 160. Im Zuge der Bemühungen um die Erfüllung des Maastrichter Defizitkriteriums drängte die Regierung die Notenbank daher massiv zu Zinssen-kungen. Vgl. Kness-Bastaroli ( 1997), S. 1. Aus ähnlichen Motiven könnte die italienische Regie-rung auch heute geneigt sein, Druck auf die EZB auszuüben.

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vorwiegend der privaten Haushalte. Dehnen diese aufgrund des gestiegenen verfügba-ren Einkommens ihre Konsumausgaben aus, hat dies der restriktiven Geldpolitik ent-gegengerichtete Effekte. 284

Ein Mangel blieb trotz der Reformen der unzureichende Zugang privater Unternehmen zu den Finanzmärkten. So fehlt bis in die Gegenwart ein Markt für commercial papers und die Ausgabe von Industrieobligationen ist vernachlässigbar klein. Dementspre-chend machten Staatsanleihen 1995 87% des Marktvolumens aus und der Anteil priva-ter Industrieobligationen lag unpriva-ter 0,5%, was darauf hindeutet, daß die hohe staatliche Inanspruchnahme des Kapitalmarkts den Zugang privater Unternehmen behindert (siehe Tabelle D.9).

Tabelle D.9: Aufgliederung des italienischen Kapitalmarkts nach Emittenten 1995 (in%)

Staat Kreditinstitute Staats- Privat- Internationale unternehmen unternehmen Organisationen

87,8 10,9 0,9 0,3 0,1

Quelle: Vergiffrezzi (1997), S. 854, eigene Berechnungen

Da die Entwicklung der Märkte fast ausschließlich der Finanzierung der Staatsver-schuldung diente, mußte der private Unternehmenssektor seinen Finanzbedarf weiter-hin über das Bankensystem decken, so daß Bankkredite und Marktverschuldung auf-grund der Zugangsbeschränkung der Unternehmen auf den Finanzmärkten keine voll-kommenen Substitute darstellten. Unternehmen blieben in ihrer externen Finanzierung von Banken abhängig, die so ihre Kreditkonditionen bis zu einem gewissen Grad un-abhängig von der Zinsentwicklung auf den Märkten steuern konnten. Geldpolitisch bedeutete dies, daß zwischen den von der Notenbank auf den Märkten gegebenen, monetären Impulsen und den Unternehmen als letztendliche Hauptadressaten der Geldpolitik das Bankensystem zwischengeschaltet blieb, so daß die Besonderheiten des Kreditkanals einer bankorientierten Volkswirtschaft bestehen blieben.285

Zusammenfassend betrachtet haben die Reformen, insbesondere die Vielzahl an Fi-nanzinnovationen, zu einer Modernisierung der italienischen Finanzmärkte geführt.

Die wachsende Größe und volkswirtschaftliche Bedeutung der Finanzmärkte ermög-lichte den Übergang zu einer indirekten, zinsorientierten Geldpolitik der Banca d'Ita-lia. Dennoch bestehen noch gravierende Mängel.286 Die extreme Dominanz der Rolle des Staates an den Finanzmärkten birgt wie gezeigt gravierende Nachteile in sich. Um eine der volkswirtschaftlichen Größe des Landes entsprechende Bedeutung der

284Vgl. Passacantando (1996), S. 94 und Ciampi (1987b), S. 95.

285Vgl. Buttiglione/Ferri (1994), S. 5-9. Ihnen zu Folge verschärft der Kreditkanal in Italien die Wirk-samkeit restriktiver geldpolitischer Maßnahmen, da aufgrund der fehlenden Hausbankbeziehung Banken nicht dazu bereit sind, Unternehmen vor hohen Zinsbelastungen zu schützen, und das feh-lende Passivrnanagement italienischer Banken sofort zu einem Rückgang des Kreditangebots führt.

286 Vgl. Onado ( 1996), S. 99-103.

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Finanzmärkte zu erreichen, scheint eine mehrere Jahre währende Stabilisierung der Geldwertentwicklung notwendig. Erst dadurch könnte sich die Schwankungsbreite der Märkte verringern und langfristige, festverzinsliche Wertpapierformen an Attraktivität gewinnen. In Italien hofft man, daß der Euro diese Bedingung erfüllen und so die Rolle der Finanzmärkte bei der Kapitalvermittlung zwischen Sparer und Investor stär-ken wird.

3. Die Finanzstrukturen italienischer Unternehmen und Haushalte und ihre