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E. Der Unabhängigkeitsgrad einer Notenbank als institutionelles Kri-

III. Die Banque de France

1. Die Funktionen, Organe und Rechtsstellung der Banque de France

Die Banque de France wurde 1800 unter Napoleon mit staatlicher Unterstützung als private Bank gegründet.82 Ziel war der Aufbau eines funktionierenden Kredit- und Finanzsystems, wie es bereits in Großbritannien und Schweden existierte, um so die wirtschaftliche Entwicklung des Landes nach den Revolutionswirren wieder zu stär-ken.83 Die Banque de France mußte zudem die Finanzierung der Kriegsausgaben unterstützen. 84

1803 erhielt sie das Ausgabemonopol für Banknoten per Gesetz zugeteilt, allerdings ursprünglich zeitlich auf 15 Jahre und örtlich auf Paris beschränkt. Es wurde festge-legt, daß ein Franc einer Parität von 322,58 Milligramm Gold entsprach. Frühzeitige Schwierigkeiten veranlaßten Napoleon 1806, den Einfluß der Regierung auf die Ban-que de France auszuweiten. Das Generalkomittee (Comite General), das bisher von der Aktionärsversammlung gewählt worden war, wurde durch einen Gouverneur und zwei Untergouverneure ersetzt, die von der Regierung bestimmt wurden.

Die Banque de France entwickelte sich rasch zur Hausbank des Staates, war Kassen-verwalter und Kreditgeber.85 Das Notenausgabemonopol wurde bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges immer wieder verlängert, jedoch nur auf Basis von Gegenleistun-gen der Bank in Form von wachsenden Kreditfazilitäten und der kostenlosen Emission

81 Vgl. Roth(l989), S. 91-95.

82 In Frankreich hatte es zuvor bereits mehrere Versuche von Bankgliindungen gegeben, am bekann-testen die Banque Generale von John Law, die aber alle relativ schnell aufgrund einer zu starken Ausgabe von ungedeckten Banknoten zahlungsunfähig wurden, vgl. Plessis ( 1994), S. l 85f. und Redon/Besnard (1991), S. 7.

83 Vgl. Plessis (1994 ), S. 200f.

84 Vgl. Deane/Pringle (1994), S. 42.

85 Vgl. Redon/Besnard (1991), S. 15f.

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und Verwaltung von Staatsanleihen. Seit 1808 eröffnete die Banque de France Zweig-stellen in anderen Städten und dehnte sich so über ganz Frankreich aus. Seit 1848 hatte sie landesweit das Notenausgabemonopol und ihre Banknoten erhielten gesetzliche Zahlungsmittelfunktion.

Die nächste gravierende konstituierende Änderung erfolgte 1936, als die neugewählte, linksgerichtete Regierung es als unangebracht betrachtete, daß eine Bank, die so viel Einfluß auf das Gesamtwohl hatte, ein privates Unternehmen war.86 Infolgedessen wurde das fünfzehnköpfige Generalkommittee durch einen zwanzigköpfigen Rat (Conseil General) ersetzt, in dem nur noch zwei Aktionärsvertreter saßen. Die restli-chen Räte wurde von der Regierung bestimmt. 1945 wurde die Banque de France voll-ends verstaatlicht. Eine unabhängige Zentralbank hätte eine interventionistische Wirt-schaftspolitik, wie sie von den französischen Regierungen betrieben wurde, behindert.

Die eigentliche geldpolitische Entscheidungsgewalt wurde dem Nationalrat für Kredit (Conseil National du Credit, CNC) übertragen, der dem Finanz- und Wirtschaftsmini-sterium angegliedert war.87 Die Banque de France durfte zwar weiterhin zu allen Fra-gen des Geldwesens ihre Meinung äußern und bei der Ausarbeitung geldpolitischer Fragen behilflich sein, letztlich entschied aber die Regierung über den CNC.88 Die Banque de France setzte die gefaßten Beschlüsse nur noch um.89 Ihre eigentliche Kernaufgabe bestand in der Überwachung und Kontrolle des Geld- und Kreditwesens als Aufsichtsbehörde.90 Unterstützt wurde sie dabei vom Comite des etablissements de credit. Zusätzlich verwaltete sie nach Artikel 3 des Gesetzes im Auftrag der Regierung die Devisenreserven des Landes.

Zu maßgeblichen Änderungen im Bereich der Geld- und Währungspolitik kam es durch die Reformgesetze von 1993 und 1994, die als neues Leitorgan der Banque de France den neunköpfigen Rat für Währungspolitik (conseil de Ja politique monetaire, CPM) einführten, dem auch die Entscheidungskompetenz in der Geld- und Kreditpo-litik übertragen wurde.91 Dadurch wurde der Aufgabenbereich der Zentralbank ent-scheidend erweitert. Zudem stärkte man gleichzeitig die personelle Unabhängigkeit der Banque de France. Zwar wird der Gouverneur weiterhin von der Regierung er-nannt und vom Staatspräsidenten vereidigt, jedoch wird er jetzt für eine feste Amtszeit

86 Vgl. Plessis (1994), S. 206.

87 Vgl. Titel V des Bankengesetzes von 1945.

88 1984 wurde dem CNC die geldpolitische Entscheidungsgewalt entzogen und auf das neu errichtete Comite de la reglementation bancaire übertragen.

89 Vgl. Redon/Besnard ( 1991 ), S. 82, Lück ( 1994c ), S.116-118 und Artikel 4 des Gesetzes über die Banque de France vom 3. Januar 1973: ,,La Banque de France est habilitee il donner des avis sur toutes questions relatives

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la monnaie. Elle contribue il la preparation et participe il la mise en oeu-vre de la politique monetaire arretee par le gouvemement... "

90 Vgl. Redon/Besnard (1991), S. 69 und Artikel I des Gesetzes von 1973: ,, .. .la Banque de France est l'institution qui, dans le cadre de la politique economique et financiere de la nation, recoit de l'Etat la mission generale de veiller sur la monnaie et Je credit. A ce titre, eile veille au bon fonctionne-ment du systeme bancaire ... ".

91 Vgl. Artikel 3 des Reformgesetzes von 1993.

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von sechs Jahren92 (bei einmaliger Wiederwahlmöglichkeit) bestellt und kann nicht mehr wie früher jederzeit von der Regierung abgesetzt werden. Dasselbe gilt für die beiden Untergouverneure. Die restlichen sechs Mitglieder des Rates werden von der Regierung nach ihrer fachlichen Kompetenz auf maximal neun Jahre ernannt. Jeweils zwei Räte scheiden turnusmäßig nach drei Jahren aus. Eine Ablösung eines Ratsmit-glieds ist nur bei schweren Verfehlungen durch die Mehrheit des Rates möglich.

Artikel 7 des Reformgesetzes von 1993 garantierte die operative Unabhängigkeit der Banque de France insoweit, daß es die ausschließliche Entscheidungsbefugnis über die geldpolitischen Instrumente der Banque de France zuwies. Allerdings lag die Ent-scheidung über die Einbindung des Francs in ein währungspolitisches System wie auch in Deutschland bei der Regierung,93 wodurch eventuell den funktionellen Spiel-raum der Banque de France einschränkende Interventionsverpflichtungen entstehen können. Mit Artikel 3 wurde zusätzlich der Vorgabe des Artikels 104 des Maastrichter Vertrags folgend die weitestgehende finanzielle Unabhängigkeit der Banque de France hergestellt, indem eine direkte Kreditgewährung der Notenbank an den Staat verboten wurde.

Die Unabhängigkeit der Banque de France wird allerdings durch bestimmte gesetzli-che Regelungen eingeschränkt. Im Conseil General, der keine geldpolitisgesetzli-che Kompe-tenz mehr besitzt, ist weiterhin ein Censeur der Regierung vertreten, dessen Vetorecht die haushaltsmäßige Unabhängigkeit der Banque de France einschränkt.94 Desweiteren wird die funktionelle Unabhängigkeit der Bank dadurch begrenzt, daß ihr zwar ge-setzlich das Ziel einer Werterhaltung des Francs vorgegeben wurde. Allerdings ver-pflichtet Artikel 1 des Reformgesetzes sie dazu, die Geldpolitik im Rahmen der natio-nalen Wirtschaftspolitik zu gestalten. Eine Priorität des Geldwertstabilitätsziels, wie sie das Bundesbankgesetz enthält, ist hierbei aber nicht vorgegeben.95 In diesen ent-scheidenden Bereichen blieben demnach streng genommen noch Defizite bei der Um-setzung des Vertrags von Maastricht bestehen.

Insgesamt gesehen scheint die faktische Unabhängigkeit der Banque de France gerin-ger und der Einfluß der Exekutive höher zu sein als etwa bei der Deutschen Bundes-bank. Die Ernennung des früheren Finanzministers Sapin zum Ratsmitglied und die Weigerung des Verfassungsrates, vor der endgültigen Ratifizierung des Maastrichter Vertrages währungspolitische Kompetenzen auf die Banque de France zu übertragen, sprechen dafür, daß die französische Exekutive nur aufgrund äußerer Zwänge im Zuge der europäischen Währungsintegration bereit war, der Banque de France eine größere Unabhängigkeitsposition einzuräumen.96 Dies könnte zu Vermutungen führen, daß sich in Frankreich noch kein allgemeines Stabilitätsbewußtsein entwickelt hat. Daher

92 Vgl. Artikel 13 des Reformgesetzes von 1993. Allerdings erscheint eine Amtszeit von sechs Jahren als zu kurz, da dadurch eine hohe Abhängigkeit des Gouverneurs für eine Wiederwahl oder an-dersweitige Beschäftigung besteht.

93 Vgl. Artikel 2 des Reformgesetzes von 1993.

94 Vgl. Artikel 12 des Reformgesetzes von 1993.

95 Vgl. Fischer, S. (1994), S, 264.

96 Vgl. Foshag (1997), S. 13f.

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ist zu befürchten, daß auch weiterhin insbesondere von Regierungsseite massiver Ein-fluß auf die Notenbank ausgeübt werden wird. Eine fast zweihundertjährige Tradition der Eingliederung der Zentralbank in die Regierungsarbeit und einer interventionisti-schen Wirtschaftspolitik lassen sich nicht schnell verdrängen. Damit verbunden ist auch der Versuch Frankreichs, die Europäischen Zentralbank (EZB) zumindest an-satzweise z.B. über die Gründung einer europäischen Wirtschaftsregierung mit dem Ziel einer Koordinierung von Finanz- und Geldpolitik an die Exekutive anzubinden.97 2. Kennzeichnung der geldpolitischen Instrumente in Frankreich

2.1. Die Refinanzierungspolitik

Die Refinanzierungspolitik ist in Frankreich schon seit längerer Zeit kaum noch von Bedeutung. Lombardkredite wurden von der Banque de France so gut wie nie verge-ben. Die Diskontpolitik war bis Anfang der siebziger Jahre eines der wichtigsten Instrumente, da Banken einen hohen Anteil ihrer Kredite auf diese Weise refinanzier-ten. Mit der Abschaffung der Rediskontmöglichkeit 1971 und der allmählichen Ent-wicklung des Interbankenmarktes im Zuge der Reformen von 1966 verlor aber auch diese stark an Bedeutung.98 Einzige Ausnahme bildete die Diskontierung bestimmter Exportfinanzierungswechsel zu privilegierten Konditionen im Rahmen einer selek-tiven Kreditpolitik zur Förderung der Exporte in Länder außerhalb der EU. Seit der Abschaffung dieses Sonderinstruments 1986 spielt die Refinanzierungspolitik in Frankreich faktisch keine Rolle mehr.

2.2. Die Offenmarktpolitik

Die Offenmarktpolitik war seit den achtziger Jahren das mit Abstand wichtigste In-strument der Banque de France.99 Dementsprechend wendete sie mehrere Verfahren an. Als bedeutendste Gruppe zu nennen waren die offiziellen Verfahren (procedures officielles), die die Wertpapierpensionsgeschäfte auf Initiative der Banque de France (appels d'offres) und die Wertpapierpensionsgeschäfte mit einer Laufzeit zwischen fünf und zehn Tagen (pensions de cinq

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dix jours) umfaßten. Mit ihnen steuerte die Banque de France die generelle Versorgung des Bankensystems mit Zentralbankgeld.

Als zweite Gruppe waren die Geldmarktverfahren (procedures du marche) zu erwäh-nen, die zur Feinsteuerung der kurzfristigen Geldmarktbedingungen verwendet wur-den. Schließlich kamen die operations d'open market mittels den in den achtziger Jah-ren neu geschaffenen GeldmarktpapieJah-ren hinzu.

Bei den appels d'offres handelte es sich ursprünglich um den festen Ankauf von kurz-fristigen Wertpapieren der Banken durch die Banque de France. Seit 1986 fanden die-se Geschäfte nahezu ausschließlich in Form von Wertpapierpensionsgeschäften statt, das heißt die Banque de France kaufte die Papiere an und verpflichtete die Geschäfts-97 Vgl. Handelsblatt vorn 07.07.19Geschäfts-97, Nr. 127, S. 3 und Lück (1994c), S. 118.

98 Vgl. Bisignano (1996), S. 24, Herschtel (1985), S. 530f. und Nardozzi (1983), S. 45.

99 Vgl. auch im folgenden Disch (1995), S. 122-126, Icard (1994b), S. 19 und Eijffinger (1993), S. 177f.

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banken sofort zum Rückkauf des Materials auf Termin. Der Vorteil gegenüber einem festen Ankauf bestand darin, daß den Banken nach Ablauf des Geschäfts automatisch wieder Liquidität entzogen wurde, so daß sie sich erneut an die Zentralbank wenden mußten. Bei den zugrundeliegenden Wertpapieren handelte es sich zumeist um Schatz-wechsel des Tresors oder um private HandelsSchatz-wechsel (effets privee) erster Bonität.

Die Initiative bei dieser Variante der Offenmarktgeschäfte ging von der Banque de France aus.100 Sie bot den Banken ein Pensionsgeschäft an, wobei sie zuerst nur die Laufzeit des Geschäfts festlegte. Die Banken waren dann aufgefordert, Gebote bezüg-lich Umfang und Zinssatz abzugeben ( daher der Name appels d'offres, Aufruf zur Ab-gabe von Geboten). Dabei sammelten die operateurs principaux du marche (OPM) die Gebote der Banken und leiteten sie an die Zentralbank weiter. Die OPM nahmen daher in diesem Bereich eine ähnliche Mittlerstellung wie die Diskonthäuser in Großbritan-nien ein. Mehrfachgebote einer Bank zu unterschiedlichen Zinssätzen waren möglich.

Je höher der von der Bank gewählte Zinssatz, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer Zuteilung. Abschließend setzte die Banque de France den Pensionssatz (taux des appels d'offres) gemäß ihrer Zielvorstellungen fest. Dieser Zinssatz wurde oftmals als Interventionszinssatz bezeichnet. Sie orientierte sich dabei an den Zinssätzen des in-ländischen Geldmarkts und des Euromarkts. Alle Gebote, deren Zinssatz dem festge-legten entsprach oder darüber lag, wurden bedient. Die Banque de France war somit Preis- und Mengenfixierer. Die administrative Festlegung des Zinssatzes begründete die Banque de France mit der Leitzinsfunktion des Pensionssatzes, der die untere Grenze für den Zinssatz auf dem Interbankenmarkt darstellte. Ein wesentlicher Vorteil dieses Instruments war, daß die Banque de France das Volumen und damit die Geld-mengenausdehnung frei bestimmen konnte. Üblicherweise erfolgte etwa sechsmal im Monat eine Ausschreibung für die appels d'offres mit einer Laufzeit von bis zu drei Wochen.

Die Besonderheit der pensions de cinq

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dix jours war, daß bei dieser Variante der Wertpapierpensionsgeschäfte die Kreditinstitute jederzeit die Initiative ergreifen konnten, falls sie einen kurzfristigen Liquiditätsengpaß nicht auf dem Geldmarkt dek-ken konnten. Sie dienten somit als letzte Liquiditätsquelle der Bandek-ken. Da es keine quantitative Begrenzung gab,101 fragte eine Bank bei der Banque de France an, zu welchem Zinssatz sie einen bestimmten Kredit erhalten würde. Der zu zahlende Zins wurde von der Banque de France dann festgelegt (sie war hier also nur Preisfixierer) und bildete eine weiche, das heißt in Krisenzeiten durchlässige Obergrenze für den Zinssatz auf dem Interbankenmarkt. Meist lag er etwa 0,5%- bis 1 %-Punkt über dem Zinssatz der appels d'offres, so daß diese beiden Leitzinsen der Banque de France eine Art Korridor für den Interbankenmarkt vorgaben. Die pensions de cinq

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dix jours wurden von den Banken aufgrund des hohen Zinssatzes nur selten in Anspruch ge-nommen.

IOOfür eine Darstellung der genauen technischen Abwicklung siehe Batten et al. (1990), S. 8f.

IOI Begrenzungen ergeben sich zum einen aus der Notwendigkeit, ausreichend von der Banque de France als Sicherheit akzeptierte Wertpapiere zur Verfügung zu haben' und zum anderen aus der Möglichkeit der Zentralbank, dieses Instrument auszusetzen, wie es z.B. I 993 zweimal vorkam.

Vgl. Bisignano (1996), S. 25.

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Auch bei den procedures du marche ließen sich zwei Varianten unterscheiden. Zum einen tätigte die Banque de France sehr kurzfristige direkte Interventionen am Inter-bankenmarkt, vergleichbar mit einem Wertpapierschnelltender. Sie beeinflußte dabei sehr kurzfristig die Konditionen am Geldmarkt. Zum anderen tätigte die Banque de France Offenmarktoperationen, indem sie auf eigene Rechnung Schatzwechsel kaufte oder verkaufte. Seit 1989 intervenierte die Banque de France der Entwicklung neuer Geldmarktsegmente folgend zur Feinsteuerung der Bedingungen auf dem Geldmarkt auch bei anderen Finanzinstrumenten wie z.B. CDs und bons des societes financiere.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Banque de France die Zentralbankgeldver-sorgung des Finanzsystems fast ausschließlich über die pensions sur appels d'offres steuerte. Die anderen Varianten der Offenmarktgeschäfte wurden zur Feinsteuerung der Geldmarktzinsen verwendet, indem sie über die Festlegung der Leitzinsen und der Steuerung der Bankenliquidität die Zinssätze auf dem von ihr angestrebten Niveau hielt.

2.3. Die Mindestreservepolitik

Das Mindestreserveinstrument wurde in Frankreich seit 1967 angewendet, allerdings in wechselnden Ausführungen als Aktiv- oder Passiv-Mindestreserve.102 Im Vergleich zur Deutschen Bundesbank nutzte die Banque de France das Mindestreserveinstru-ment aktiver, so erfolgten wesentlich häufiger Variationen der Mindestreservesätze.103 Die Mindestreservepolitik wurde insbesondere dann für binnenwirtschaftliche Ziele der Geldpolitik genutzt, wenn die Zinspolitik zur Aufrechterhaltung außenwirtschaft-Iicher Ziele wie die Stabilisierung des Franc-Kurses im Wechselkursmechanismus des EWS benötigt wurde.104 So wurden z.B. die Mindestreservesätze gesenkt, wenn die interne Wirtschaftslage eine expansive Geldpolitik erforderte, eine Senkung des Zins-niveaus aber zu unerwünschten Abwertungstendenzen des Franc geführt hätte.

Seit der Einführung einer indirekten, marktorientierten Zinspolitik 1987 war die Min-destreserve das zweitwichtigste Instrument der Banque de France nach der Offen-marktpolitik. Im Unterschied zur deutschen Mindestreserve beruhte das französische System nicht auf monatlichen Durchschnittssollwerten, sondern war stichtagsbezogen auf den Monatsultimo.105 Um die daraus eventuell resultierende, höhere Volatilität des Tagesgeldzinses am Monatsultimo zu verringern, erlaubte die Bank de France die

102 Vgl. Melitz ( 1991 ), S. 3 und Mader ( 1989), S. 128.

103Zwischen 1967 und 1970 stiegen die Mindestreservesätze für Sichteinlagen von 1,5% auf7,5% und für Termineinlagen von 0,5% auf 2,5%, als das Mindestreserveinstrument im Zuge einer indirekten Geldpolitik an Bedeutung gewann (siehe Kapitel F.111.3.). Die Höchstsätze wurden 1974 während der ersten Ölkrise mit 17%, beziehungsweise 7% erreicht. Danach sanken sie wieder deutlich. Vgl.

Icard (1994b), S. 20.

I04Vgl. Bisignano (1996), S. 16, Tabelle 1. Dies entspricht dem Tinbergen-Modell, wonach jedem Ziel (internes versus externes Ziel) ein unabhängiges Instrument (Mindestreservepolitik, Zinspoli-tik) zugeordnet werden muß.

IOSvgl. Banque de France (1990), S. 42.

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Übertragung eines bestimmten Anteils der Überschußreserven auf die folgende Reser-veperiode.106

Das Mindestreserveinstrument war von den Entwicklungen im Finanzsystem beson-ders betroffen und mußte dementsprechend in den letzten Jahren grundlegend modifi-ziert werden. So erforderte das starke Aufkommen von Finanzierungsgesellschaften, die nicht Banken waren, zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen eine Ausdeh-nung der Mindestreservepflicht auch auf diese Institutsgruppen. Die Entwicklung neu-er Sparformen und kurzfristigneu-er Wneu-ertpapineu-ere wie CDs machten dneu-eren Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage der Mindestreservepflicht notwendig. Der gestiegene inter-nationale Wettbewerb der Finanzplätze führte seit 1990 zu einer sehr deutlichen Her-absetzung der Mindestreservesätze in Frankreich,107 um die Wettbewerbsnachteile ge-genüber mindestreservefreien Finanzsystemen wie Großbritannien zu verringern.

2.4. Direkte Kontrollen

Bis in die siebziger Jahre waren direkte Kontrollen in Form von Kapitalverkehrskon-trollen und einer quantitativen und qualitativen Kreditpolitik das dominierende In-strument in der französischen Geldpolitik.108 Sie waren geldpolitisches Kennzeichen einer sehr interventionistisch ausgerichteten Wirtschaftspolitik. Lange Zeit war man in Frankreich der Überzeugung, daß der Staat über eine direkte Lenkung des Finanz-systems und der Bankenaktivität eine bessere Allokation der Kapitalmittel und damit ein höheres Wachstum erreichen könne als die unsichtbare Hand der Finanzmärkte.

Zudem verhinderte die mangelhafte Entwicklung der Finanzmärkte die Anwendung indirekter Instrumente.

Wichtigstes Instrument der direkten Kontrollen war die Begrenzung des Kreditwachs-tums der Banken. Zusätzlich wurden die Kreditzinsen über Subventionen gesteuert, und die Zinssätze auf Bankeinlagen entweder über ein Verzinsungsverbot oder Zins-obergrenzen reguliert. Von großer Bedeutung zur Absicherung des außenwirtschaftli-chen Gleichgewichts waren Kapitalverkehrsvorschriften, die verhinderten, daß von ei-nem negativen Realzinsniveau verursachte Kapitalexporte zu Verlusten an Währungs-reserven und zu Abwertungen des Franc führten.109

2.5. Die Politik der moral suasion

Die Anwendbarkeit dieses Instruments der direkten Beeinflussung des Bankenverhal-tens ohne gesetzliche Grundlage wurde in Frankreich von der hohen Konzentration des Publikumsgeschäfts auf vier Institutsgruppen und dem hohen Anteil staatlich kon-106Vgl. Alting (1998), S. 50f.

107Der Satz für CDs wurde zur Vermeidung der Anlage des Kapitals auf den Offshore-Märkten im Oktober 1990 auf 0,5% gesenkt, der Satz für Termin- und Spareinlagen wurde von 2% auf 1 % ge-senkt, der Satz für Sichteinlagen wurde im Mai 1992 gar von 4,1% auf 1%. Vgl. Icard (1994b), S. 20.

!08Vgl. Quintyn (1991), S. 5-7, Melitz (1990), S. 394-398 und Chaineau (1986).

109Vgl. Patat/Lutfalla (1990), S. 68 und Lerch (1983), S. 98-102.

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trollierter Banken erleichtert.110 Insbesondere in der Nachkriegszeit wurde es für geld-, ordnungs- und strukturpolitische Zwecke verwendet.