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2.1.Der Übergang von einer Verschuldungswirtschaft zu einem marktorientier-ten Finanzsystem

Bis zu den Reformen von 1983 konnte das französische Finanzsystem als ein Beispiel für eine Verschuldungswirtschaft (overdraft economy134, economie d'endettement) ge-nannt werden. Kennzeichnend hierfür war, daß Unternehmen ihren Finanzbedarf über-wiegend durch die Überziehung ihrer Bankkonten deckten.135 Banken spielten in der französischen Volkswirtschaft (wie auch in den Finanzsystemen Deutschlands und Japans) die entscheidende Rolle als Vermittler zwischen Kapitalgeber und Kapital-nehmer. Es dominierte also die indirekte Form der Finanzierung. Zusätzlich refinan-zierten sich die französischen Banken fast ausschließlich durch eine Verschuldung bei der Zentralbank, 136 so daß ein doppelstufiges Verschuldungssystem vorlag. Im Gegen-satz dazu übernehmen in marktbasierten Systemen ( economie de marches financieres) wie z.B. in Großbritannien und den USA vorwiegend Kapitalmärkte dieses Rolle. Dort decken Unternehmen ihren Finanzbedarf zu einem sehr hohen Anteil direkt über die Finanzmärkte.

Die Geld- und Kapitalmärkte in Frankreich konnten diese Aufgabe jedoch bis zu den Reformen nicht wahrnehmen, da sie voneinander getrennt, mehrfach segmentiert und in vielen Bereichen, z.B. dem Geldmarkt, auf die Banken und den öffentlichen Sektor als Marktteilnehmer beschränkt waren. So führten strikte Regulierungen und Markt-barrieren zu einer Dreiteilung des französischen Finanzmarktes in einen kurzfristigen Geldmarkt (nur für Banken), einen langfristigen Kapitalmarkt und einen Markt für mit Grundrechten gesicherte Kredite. Jedes Segment wurde von einer eigenen Aufsichts-behörde kontrolliert. Die resultierende mangelnde Laufzeit- und Zinsflexibilität wurde durch die Abschottung nach außen durch Kapitalverkehrskontrollen noch verstärkt.137 marktes und über die Angleichung rechtlicher Vorschriften zu einer Intensivierung des Wettbe-werbs im Finanzdienstleistungssektor führen. Vgl. Prati/Schinasi (1997a), S. 49.

I34Der Begriff wurde von Hicks eingeführt, vgl. Hicks (1974), S. 51 und 54.

135 1981 wurden fast 80% des Außenfinanzierungsbedarfs der Unternehmen über Banken gedeckt.

Dagegen war die Selbstfinanzierungsquote im internationalen Vergleich sehr niedrig, was mit niedrigen Unternehmensgewinnen aufgrund einer geringen internationalen Wettbewerbsfähigkeit und hohen Lohn- und Lohnnebenkosten begründet werden konnte. Lag die Quote am gesamten Finanzierungsbedarf in den siebziger Jahren noch bei 70%, sank sie bis 1982 unter 50%. In anderen Ländern lag sie beständig über 80%. Als weitere Kennzeichen einer Verschuldungswirtschaft wa-ren in Frankreich vorzufinden: Die Gewißheit der Geschäftsbanken, sich bei der Banque de France jederzeit refinanzieren zu können, das daraus resultierende, niedrige Niveau der Überschußreserven der Banken und die hohe Rigidität der Nominalzinsen. Vgl. de Boissieu (1990), S. 2, de Boissieu (1993), S. 194 und Herschtel (1985), S. 517-524.

136So betrug der Anteil der Bankkredite an den Aktiva der Zentralbank 1979 45%, in der Bundesre-publik dagegen nur 17%, obwohl in beiden Volkswirtschaften Banken die zentrale Rolle bei der Kreditvermittlung spielten. In der Bundesrepublik refinanzierten sich die Banken aber zu etwa 30%

über Finanzmärkte, wohingegen diese Quelle bei französischen Banken vernachlässigbar war. Vgl.

Loriaux ( 1991 ), S. 59 und S. 67.

mv

gl. Disch (1995), S. 26 und Bordes/Strauss-Kahn (1987), S. IO.

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Diese Segmentierung der einzelnen Teilmärkte und die Zugangsbeschränkungen auf wenige Marktakteure verhinderten bereits institutionell eine zinsorientierte Geldpoli-tik. Zinspolitische Schritte der Banque de France am Geldmarkt, z.B. durch Offen-marktoperationen, übertrugen sich nicht über die Finanzmärkte auf längere Laufzeiten und auf andere Wirtschaftssubjekte als die am Geldmarkt agierenden Gruppen. Da-durch war die notwendige Transmission des geldpolitischen Impulses auf die Real-wirtschaft über die Finanzmärkte blockiert. 138

Die wachstumsorientierte Niedrigzinspolitik und hohe Inflationsraten führten außer-dem zu einer negativen Realverzinsung langfristiger Kapitalanlagen. Aufgrund dieser Finanzmarktbedingungen entwickelten die Anleger eine Präferenz für liquide Erspar-nisformen, 139 wodurch das langfristige Kapitalangebot auf den Finanzmärkten sehr begrenzt war. Auf Seite der Kapitalnachfrage sicherte sich der Staat zur Deckung der Budgetdefizite und für Spezialkreditinstitute durch privilegierende und diskriminie-rende Interventionen Wettbewerbsvorteile, so daß private Unternehmen nicht die Möglichkeit zu einer langfristigen Kreditaufnahme am Markt hatten und sich an die Banken wenden mußten.140

Ein Hauptziel der Reformen war daher eine Zusammenführung der einzelnen Markt-segmente zur Schaffung eines einheitlichen, alle Laufzeiten umfassenden Finanz-markts. Über den Abbau von Wettbewerbsverzerrungen und einer Stärkung der Rolle der Märkte bei der Kreditvermittlung sollte die Leistungsfähigkeit der Finanzmärkte erhöht und eine effizientere Allokation der Finanzmittel erreicht werden, als dies bis-lang durch das staatlich kontrollierte Bankensystem gelungen war. Aus diesem Grund hob man Mitte der achtziger Jahre die quantitativen und qualitativen Kreditkontrollen sowie die staatliche Subventionierung von Krediten weitestgehend auf. Stattdessen sollte die Vergabe von Krediten verstärkt über die Finanzmärkte zu dort bestimmten Konditionen erfolgen. Man strebte somit eine Entwicklung vom bankenbasierten zum marktorientierten Finanzsystem an. Geldpolitisch sollten dadurch die Voraussetzungen für den Übergang zu einer geldmengenorientierten Zinspolitik geschaffen werden. 141 Außerdem hoffie man nach der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte und der Schaffung des europaweiten Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen auf ei-ne Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und eiei-ne wachsende Bedeutung des Finanzplatzes Paris im internationalen Finanzgeschäft. 142

Eine Maßnahme zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und zur Erhöhung der Effektivität und der Transparenz der Finanzmärkte war die Einführung eines compu-tergestützten Handelssystems. Es ermöglichte einen kontinuierlichen Handel und die sofortige Ausführung von Aufträgen durch Online-Verbindungen. Über die Vernet-zung der Finanzmarktakteure wurden Informationen und Nachrichten über den Handel allgemein und schnell zugänglich. Des weiteren förderte man den Wettbewerb unter

138Vgl. Batten et al. (1990), S. 6 und Naouri (1989), S. 211.

139Der Anteil liquider Sparformen betrug in den siebziger Jahren rund 75%. Siehe Kapitel D.111.3.

140Vgl. Melitz (1991), S. 3f. und Nardozzi (1983), S. 18.

141Siehe Kapitel F.Jll.5.

142Vgl. Bisignano (1996), S. 8 und Naouri (1989), S. 211.

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den Brokern, indem man 1988 eine Deregulierung der Gebühren und Kommissionen durchführte, die Übernahme von Brokerfirmen durch andere Finanzintermediäre er-laubte und die Tätigkeit von Nichtbanken in Bereichen zuließ, die bisher den Banken vorbehalten waren.143

Ein besonders wichtiges Element bei der Stärkung der Rolle der Finanzmärkte war die Einführung neuer Finanzinstrumente, die auf diesen Märkten gehandelt werden konn-ten. Im Gegensatz zu Großbritannien ging in Frankreich die Initiative für Finanzinno-vationen hauptsächlich von staatlicher Seite aus. 144 Deswegen spielten neben den be-kannten Gründen für Finanzinnovationen - die Umgehung staatlicher Regulierungen, die Handhabung erhöhter Zins- und Wechselkursrisiken und der innovationsfördernde Wettbewerb unter den Finanzintermediären - in Frankreich besondere Gründe eine wichtige Rolle. Insbesondere der von anderen internationalen Finanzzentren, nament-lich London, ausgeübte Wettbewerbsdruck erforderte nach Auffassung der französi-schen Regierung ein Nachziehen des Pariser Marktes. Außerdem machten Finanzie-rungsbeschränkungen, die insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen sowie Staatskonzerne145 betrafen, die Einführung spezieller Finanzinstrumente notwendig, die zwar deren Eigenkapitalbasis stärkten, durch den Ausschluß von Stimmrechten aber nicht in die Eigentumsverhältnisse eingriffen. 146

Eine weitere Maßnahme der Reformen war der Aufbau neuer Finanzmarktsegmente.

So wurde 1983 am Aktienmarkt ein neues Segment für Aktien mittelständischer Unternehmen eröffnet, 1985 folgte der Markt für commercial papers, 1986 entstand der Markt für den Handel mit Future-Kontrakten (marche

a

terme international de France, MATIF) und 1987 der Markt für den Handel mit Optionen (marche des opti-ons negociables de Paris, MONEP).147 Die resultierende Entwicklung des französi-schen Geld- und Kapitalmarktes soll wegen ihrer Bedeutung für die Geldpolitik in den nächsten zwei Abschnitten gesondert beschrieben werden.

2.2. Der Aufschwung des französischen Geldmarktes

Vor den Reformen der achtziger Jahre bestand in Frankreich nur ein Interbanken-markt, der aufgrund der bereits erwähnten Spezialisierung der Banken auf Aktiv- be-143 Als Ergebnis blieb zwar die Zahl der Brokerfinnen nahezu unverändert, jedoch wurde die Mehr-zahl der Broker von den neu entstandenen Universalbanken übernommen. Vgl. de Boissieu (1990),

s.

13.

144 Als Anfangspunkt wird das Monory-Gesetz von 1978 (benannt nach dem damaligen Finanzmini-ster) betrachtet, das steuerliche Anreize für die Geldanlage in Aktien bot und so die Entwicklung des französischen Aktienmarktes fördern wollte. Vgl. Raymond (1992), S. 85. Als Gegenbeispiel einer Finanzinnovation des Privatsektors zur Umgehung staatlicher Finanzregulierungen ist das starke Aufkommen von Geldmarktfonds 1981 zu nennen, als die Indexierung der kurzfristigen Einlagezinsen der Banken an den Geldmarktzinsen verboten wurde. Vgl. de Boissieu (I 993), S. I 95 und de Boissieu (1986), S. 588.

145 Aufgrund der angespannten Haushaltslage des Staates konnten z.B. Staatskonzerne keine regulären Kapitalerhöhungen durchführen.

146Dabei handelte es sich zum einen um die titre participatifs, die stimmrechtslosen Aktien entspre-chen. Zum anderen sind die certificates d'investissement zu nennen, die Genußscheinen ähneln.

147Vgl. de Boissieu (1990), S. 7.

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ziehungsweise Passivgeschäft notwendig war. Auf ihm handelten Kreditinstitute Zen-tralbankgeld in Form von Interbankkrediten und geldmarktfähigen Wertpapieren zur Regulierung ihrer Mindestreserveeinlagen bei der Banque de France.148 Ein Geld-markt, auf dem sich private Unternehmen hätten kurz- bis mittelfristig verschulden können, existierte nicht, da diesen die Emission von Wertpapieren mit einer Laufzeit von unter sieben Jahren gesetzlich verboten war. 149 Teilnehmer neben Geschäftsban-ken waren das Schatzamt, vorwiegend als Emittent kurzfristiger Papiere, die Postspar-kasse und die Caisse des Depots et Consignations (CDC) als Anleger der von ihnen hereingenommenen Spareinlagen sowie spezielle Finanzintermediäre. Bei letzteren handelt es sich um die bis heute tätigen „agents des marches interbancaires" (AMI), die „maisons de reescompte" und die „operateurs principaux du marche" (OPM), die vorwiegend als Makler zwischen den Banken auftreten.150 Zu denen am Interbanken-markt gehandelten Papieren gehörten Schatzwechsel (bons du Tresor negociables), Handelswechsel (effets privees) und bestimmte fungible Bankschuldverschreibungen (billets

a

ordre negociables).

Im Zuge der Reformen wurde 1985 ein zweites einheitliches Geldmarktsegment eröff-net, auf dem seither Wertpapiere mit einer Laufzeit von unter sieben Jahren gehandelt werden und das, im Gegensatz zum Interbankenmarkt, jedem zugänglich ist.151 Da-durch wurden zum ersten Mal kurz- und mittelfristige marktfähige Finanzanlagen dem Privatanleger zugänglich. 152 Diese Konkurrenz des Geldmarktes machte ab 1986 eine Liberalisierung der Zinssätze auf Termineinlagen bei Banken notwendig und förderte so den Abbau staatlicher Markteingriffe.

Eine Vielzahl neuer Finanzinstrumente wurde zur Erhöhung der Liquidität und der Reichweite des Marktes eingeführt (siehe Tabelle D.2). Gehandelt wurden nun certifi-cats de depöts (CDs), von Nichtbanken emittierte billets de tresorerie (die den com-mercial papers in anderen Ländern entsprechen),153 marktgerecht verzinste, fungible Schatzwechsel des Staates154 sowie von Spezialinstituten emittierte Titel (bons des I48Vgl. Raymond (1990), S. 28-30.

149Vgl. Melitz (1991), S. lf. Eine Ausnahme galt für die „entreprises non bancaires admises au mar-che monetaire" (ENBAMM). Dabei handelte es sich im wesentlimar-chen um Versimar-cherungen, Kapital-anlagegesellschaften, staatliche Großunternehmen (Post, Energieversorgung) und Sozial- und Rentenversicherungsträger.

150Die OPM bündelten zusätzlich bei den zweimal wöchentlich durchgeführten Wertpapierpensions-geschäften die Gebote der einzelnen Banken und leiteten diese an die Banque de France weiter. In-sofern hatten sie eine gewisse Ähnlichkeit mit den britischen Diskonthäusern. Vgl. Borio (1997a), S. 49, Fußnote 65.

151 Vgl. Bordes/Strauss-Kahn (1987), S. 34f.

152Vor den Reformen war für Wertpapiere, die dem privaten Publikum angeboten wurden, ebenfalls eine Mindestlaufzeit von sieben Jahren vorgeschrieben gewesen. Vgl. Melitz (] 990), S. 397.

153Generell reduziert ein Markt für private, nicht von Banken emittierte Schuldttitel die Wirksamkeit der Geldpolitik, da die Zentralbank auf diesem Markt keinen direkten Einfluß hat. In Frankreich institutionalisierte die Eröffnung eines Marktes für commercial papers jedoch nur die Praxis direk-ter Kreditgeschäfte zwischen den Undirek-ternehmen, die diese zur Umgehung der Kreditgrenzen in den siebziger Jahren bereits praktiziert hatten. Vgl. de Boissieu (1990), S. 4 und de Boissieu/Duprat (1990), S. 56.

154Es gibt drei Varianten: Abgezinste (bons du Tresor

a

taux fixe et

a

interet precompte, BTF), fest-verzinsliche (bons du Tresor

a

taux fixe et interets annuels, BT AN) und, allerdings nur von

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institutions et societes financieres). 155 Zusätzlich führte Frankreich als erstes Land in Europa 1987 einen Repo-Markt ein, der sich rasch entwickelte.156

Bereits seit 1981 setzte die dynamische Entwicklung der Investmentfonds (organisme de placement collectif en valeurs mobilieres, OPCVM157) in Frankreich ein. Vor allem die Geldmarktfonds in Form von SICA Vs erfreuen sich seither bei den Anlegern gro-ßer Beliebtheit, da die konkurrierenden Sichteinlagen aufgrund des gesetzlichen Ver-bots nicht verzinst werden dürfen. Mit einem Anteil von rund einem Drittel am ge-samteuropäischen Fondsgeschäft nimmt Frankreich in diesem Bereich die Spitzen-position ein. 158 Fonds halten inzwischen rund 40% aller Geldmarktpapiere, so daß es ihnen im wesentlichen zuzuschreiben ist, daß der französische Geldmarkt heute dem Umsatz nach der größte in Europa ist.159

Diese Stärkung des Geldmarktes hatte auch für die Geldpolitik große Bedeutung. Sie ermöglichte eine verstärkte Refinanzierung der Banken über die Finanzmärkte, so daß das Diskontieren von Krediten bei der Banque de France, das zuvor dominant war, an Gewicht verlor und die Abhängigkeit der Kreditinstitute von der Zentralbank sank. 160 Dies bedeutete allerdings gleichzeitig einen geringeren direkten Einfluß der Banque de France auf das Bankwesen und die Zinsbildung. Dennoch stand der Interbankenmarkt seit den Reformen stets im Zentrum der geldpolitischen Maßnahmen der Banque de France.161

2.3. Die wachsende Bedeutung des französischen Kapitalmarktes

Auf dem französischen Kapitalmarkt werden Wertpapiere mit einer Laufzeit ab sieben Jahren gehandelt. Bis in die achtziger Jahre waren große öffentliche Unternehmen und die Spezialkreditinstitute wie Credit Foncier oder Credit National, die sich durch die Ausgabe langfristiger Anleihen refinanzierten, die marktbeherrschenden Akteure. Die Geschäftsbanken, die sich überwiegend über die Zentralbank oder den Interbanken-markt refinanzierten, spielten eine nur sehr untergeordnete Rolle. Vor den Reformen Finanzdienstleistungsunternehmen erwerbbare, variabel verzinste (bons du Tresor

a

taux variable) Papiere. Vgl. Raymond (1990), S. 34f.

155Vgl. Biacabe (1986), S. 582f.

156V gl. Achour et al. ( 1997), S. 454 und Prati/Schinasi (1997b ), S. 44. Eine tabellarische Übersicht bieten z.B. Disch ( 1995), S. 30, Schaubild 1 und Banque de France ( 1996), S. 266.

157Die OPCVM unterteilen sich in drei Gruppen:

- die societes d'investissement

a

capitale variable, SICAVs: offene Fonds in der Rechtsform der Aktiengesellschaft mit variablen Kapital, die es bereits seit 1963 gab

- die societes d'investissement

a

capitale fixe, SICAF: geschlossene Fonds

- die fonds commun de placement, FCP: offene Fonds mit getrenntem Sondervermögen (diese ent-sprechen der in Deutschland am weitesten verbreiteten Art).

158Großbritannien hat einen Anteil von 11%, Deutschland von gut 8%. Vgl. Huemer (1997), S. 690, Tabelle 1.

159Vgl. Dorfs (1997b), S. 19.

160Gieichzeitig war die Entwicklung eines umsatzstarken Geldmarkts jedoch für die Geschäftsbanken mit dem Verlust des kurzfristigen Einlagen- und Kreditgeschäfts verbunden. Vgl. Schmidt/Hacke-thal/Tyrell ( 1997), S. 23-28.

161 Zu den Instrumenten und der Vorgehensweise der Banque de France siehe Kapitel E.III.

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erlangten Bankschuldverschreibungen allein über einen Ausschluß der über sie refi-nanzierten Kredite von der Kreditplafondierung Bedeutung. 162 Auf der anderen Seite gehören Kreditinstitute, insbesondere die CDC, zu den bedeutendsten Anlegern am Kapitalmarkt. Weitere wichtige Investoren sind Versicherungen und Fonds (OPCVM).163

Ein im Zuge der Politik des „Franc fort" erfolgter Konzeptionswandel hin zu Geld-mengenzielen 164 verbot eine weitere monetäre Finanzierung der Staatsverschuldung durch Zentralbankgeldschöpfung, so daß seit 1983 neue, attraktive Staatstitel entwik-kelt werden mußten. 165 Seit den Reformen gibt es daher im wesentlichen zwei Arten von langfristigen Staatsanleihen: die obligations assimilables du Tresor (OAT) mit Laufzeiten bis zu 30 Jahren und die obligations renouveables du Tresor (ORT). Ähn-lich wie bei Bundesanleihen wird bei den OA T die jeweilige Serie mehrfach mit dem gleichen Kupon aufgestockt, die Anpassung der Effektivverzinsung erfolgt über den Ausgabekurs (Assimilationsverfahren). Dadurch wird ihre Liquidität im Sekundär-markt erhöht. Die französischen OATs sind heute nach den US-Treasury-Bonds die liquidesten langfristigen Wertpapiere der Welt. 166 Die ORT, die zumeist eine Laufzeit von sechs Jahren besitzen, sind im Gegensatz zu den OA T Aufzinsungspapiere, das heißt Zins und Tilgung werden erst bei Fälligkeit bezahlt. Ihr Name beruht auf der Be-sonderheit, daß sie zusammen mit dem aufgelaufenen Zins nach drei Jahren in neue ORT gewandelt werden können. 167 Zusätzlich werden vom französischen Schatzamt im mittelfristigen Bereich mit Laufzeiten von zwei oder fünf Jahren festverzinsliche Obligationen (bons du Tresor

a

taux fixe et

a

interet annuel, BT AN) emittiert.

Zusätzlich wurden Ende der siebziger Jahre indizierte Anleihen mit an bestimmten Preisindizes gekoppelten Zins- und Tilgungszahlungen emittiert, die dem Anleger Schutz vor Inflation boten. 168 Hintergrund dieser Produkteinführung war, daß eine Finanzierung der stark steigenden Budgetdefizite über die Kapitalmärkte bei gleich-zeitigem Vorliegen sehr hoher Inflationsraten nur bei Absicherung des Anlegers mög-lich war. 169 Im Zuge der Konkurrenz der Finanzplätze Paris, London und Frankfurt um die Vormachtstellung in der EWU begab die französische Regierung im Herbst 1998 außerdem zum ersten Mal seit mehreren Jahren wieder eine indizierte Staatsanleihe, um so die Produktvielfalt und die Attraktivität der französischen Finanzmärkte zu er-höhen.110

Daneben gibt es die bereits erwähnten Schatzanweisungen (bons du Tresor negocia-bles), die mit entsprechend längerer Laufzeit auf dem Kapitalmarkt emittiert werden.

162Siehe Kapitel F.III.4.

163Vgl. Disch (1995), S. 32-35.

164Siehe Kapitel F.111.5.

165Vgl. de Boissieu (1993), S. 196f., Dooley/Spinelli (1989), S. l 13f. und Bordes/Strauss-Kahn

(1987),

s.

58-62.

166Vgl. Dorfs (1997b), S. 19.

167Vgl. Bruneel (1989), S. 6f.

168Vgl. Achour et al. (1997), S. 467-471.

169Vgl. Dooley/Spinelli (1989), S. l 13f.

170Vgl. FAZ vom 30.01.1999, Nr. 25, S. 25f.

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Die Plazierung dieser Papiere übernehmen besondere Institute, die specialistes des valeurs du Tresor (SVT), die als primary dealer tätig sind. 171 Insgesamt kam es zu ei-nem starken Bedeutungszuwachs des Staates auf dem Rentenmarkt.

Als weiteres Teilsegment des Kapitalmarkts ist der sogenannte „petit marche" zu er-wähnen, auf dem kleinvolumige Anleiheemissionen ohne die sonst üblichen langwie-rigen, bürokratischen Überprüfungen ausgegeben werden können. Die zulässige Höchstgrenze wurde zwischenzeitlich verfünffacht, wodurch vor allem mittelständi-schen Unternehmen der Gang an den Kapitalmarkt erleichtert wurde. Da der Staat und die Banken in diesem Marktsegment nicht tätig sind, stellt es für private Unternehmen den bestmöglichen Zugang zum Kapitalmarkt dar, auf dem sie nicht mehr von großen Emittenten verdrängt werden.

Der Pfandbriefmarkt wurde durch die Gründung eines Spezialinstituts, der Caisse de Refinancement Hypothecaire, modernisiert. Dieses Institut nimmt durch die Ausgabe staatlich garantierter Pfandbriefe Mittel auf dem Kapitalmarkt auf, die es an Banken, die in der Immobilienfinanzierung tätig sind, weiterleitet. Auch der Markt für Risiko-kapital entwickelte sich seit Ende der achtziger Jahre sehr rasch, was die erhöhte Marktreife der französischen Finanzmärkte beweist.172

Parallel zu diesen beschriebenen Veränderungen, die das Anlegen und Aufnehmen von Kapital auf den Finanzmärkten sowohl vereinfacht als auch verbilligt haben, wur-den steuerliche Anreize für die Anlage von Kapital auf wur-den Finanzmärkten geschaffen.

Die wichtigsten Anlegergruppen sind Versicherungen (34%), gefolgt von Fonds (17%), den privaten Haushalten (14%) und den Banken (11 %).173

2.4. Zusammenfassung

Insgesamt gesehen waren die Reformen erfolgreich. Die französischen Finanzmärkte gehören heute zu den größten und innovativsten der Welt. Die Marktkapitalisierung und das Handelsvolumen stiegen rasant. Der Anteil des durch Banken gedeckten Gesamtfinanzierungsbedarfs der Unternehmen sank von knapp 50% in den siebziger Jahren und zu Beginn der achtziger Jahre174 auf nur noch 28% Anfang der neunziger Jahre. Die Ausgabe von Aktien und Industrieschuldverschreibungen gewann an Be-deutung. Im Ergebnis führten die Reformen zu einer Reduktion der Bedeutung der Banken und zu einer Stärkung der Innen- und Marktfinanzierung bei der Finanz-bedarfsdeckung der französischen Unternehmen. Es setzte also wie beabsichtigt eine Entwicklung von einem bankbasierten zu einem marktorientierten Finanzsystem ein.

Da Marktzinsen im allgemeinen schneller als Bankkonditionen auf Maßnahmen der Zentralbank reagieren, hat diese Entwicklung die Wirksamkeit der Geldpolitik ten-denziell beschleunigt und damit den Time-lag verringert. Trotz der Stärkung der 171 Vgl. Achour et al. (1997), S. 488-490.

172Vgl. Bruneel (1989), S. 8f.

mvgl. Achour et al. (1997), S. 485, Tabelle 13.15.

174Diese Quote war im internationalen Vergleich sehr hoch. In den USA und in Großbritannien lag sie z.B. im gleichen Zeitraum bereits bei nur rund 26%. Vgl. Bertero ( 1994), S. 70-75.

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Finanzmärkte verloren die Banken nicht wesentlich an Bedeutung. Durch die Ausdeh-nung ihrer Geschäftstätigkeit auf Bereiche des Wertpapierhandels und des Investment-bankings paßten sie sich dem Wandel im Finanzsystem an und blieben, allerdings in veränderter Art und Weise, bedeutender Vermittler zwischen Anleger und

Finanzmärkte verloren die Banken nicht wesentlich an Bedeutung. Durch die Ausdeh-nung ihrer Geschäftstätigkeit auf Bereiche des Wertpapierhandels und des Investment-bankings paßten sie sich dem Wandel im Finanzsystem an und blieben, allerdings in veränderter Art und Weise, bedeutender Vermittler zwischen Anleger und