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E. Der Unabhängigkeitsgrad einer Notenbank als institutionelles Kri-

IV. Die Banca d'ltalia

2. Kennzeichnung der geldpolitischen Instrumente in Italien

Die Diskontpolitik (ordinary advances) ist auch in Italien das älteste geldpolitische In-strument. Im Unterschied zu anderen Ländern wie etwa Großbritannien wurde es in Italien aber lange Zeit nicht aktiv genutzt. Begünstigt durch die offizielle Nichtpartizi-pation Italiens am Goldstandard versuchten die konkurrierenden Emissionsbanken bis Mitte der zwanziger Jahre, über einen niedrigen Diskontsatz ihre Geschäftsanteile aus-zudehnen. In späteren Jahren wurde das Zinsniveau von der Regierung zur Sicherung einer günstigen Finanzierung der Budgetdefizite und zur Förderung der Unterneh-mensinvestitionen auf ein konstant niedriges Niveau fixiert. Von 1960 bis 1969 blieb

126Dieser Vorgang wurde als „Scheidung" von Notenbank und Schatzamt bezeichnet.

127Vgl. Gröteke (1996), S. 14 und Fazio (1995), S. 87.

128Vgl. BIEB (February 1993b), S. 45.

l29Vgl. Lück (1998), S. 13Of.

130Vgl. Gröteke (1997), S. 25.

rnvgl. Fazio (1998a), S. 1O4f.

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der Diskontsatz trotz zweier Zahlungsbilanzkrisen 1m Festkurssystem von Bretton Woods unverändert bei 3,5%.132

Die ordinary advances stellten bis zum Übergang zur EWU eine quantitativ eng be-grenzte Kreditmöglichkeit der Geschäftsbanken bei der Zentralbank dar und dienten ergänzend der Grundversorgung des Finanzsystems mit Liquidität. 133 Der Diskontsatz, der zugleich Leitzinscharakter hatte, lag unterhalb des Marktniveaus, so daß dieses Instrument eine subventionierte Refinanzierungsquelle der Banken darstellte.134 Der Diskontsatz bildete dadurch eine untere Begrenzung für das Marktzinsniveau.

Mit einer kontingentierten Spitzenrefinanzierungsfazilität (fixed term advances) ver-fügte die Banca d'Italia über ein der Lombardpolitik ähnelndes Instrument.135 Im Ge-gensatz zu den ordinary advances lag das Initiativrecht der fixed term advances bei der Banca d'Italia und nicht bei den Geschäftsbanken. Die Laufzeit betrug zwischen einem und zweiunddreißig Tagen. Vor 1991 variierte der Aufschlag zum Diskontsatz zwi-schen 0,5%- und 2,25%-Punkten in Abhängigkeit von der Häufigkeit der Inanspruch-nahme der Fazilität. Dadurch sollte auf zu expansive Banken ein disziplinierender Effekt ausgeübt werden. Mit der Umstellung der Mindestreserve auf monatliche Durchschnitts-Sollwerte verlor die Refinanzierungspolitik stark an Bedeutung, da die Banken nicht mehr so häufig zum Ausgleich ihrer Liquiditätsposition auf die fixed term advances zurückgreifen mußten. Deshalb wurde seit Mai 1991 auf die Besonder-heit gestaffelter Zinssätze verzichtet, und der Zinssatz dieser nur als letzte Refinanzie-rungsquelle bei akutem Liquiditätsmangel genützten Fazilität als einheitlicher Auf-schlag auf den Diskontsatz berechnet.136 Ziel dieser Änderung war eine Reduzierung der Bedeutung der vornehmlich quantitativ orientierten Refinanzierungsfazilitäten zu Gunsten der eher preisorientierten Offenmarktpolitik. 137 Der Zinssatz der fixed term advances stellte daher eine durchlässige Zinsobergrenze für den Interbankenmarkt dar.

Die beiden Zinssätze der Refinanzierungspolitik bildeten somit zusammen einen Zins-korridor am Geldmarkt.

2.2. Die Offenmarktpolitik

Wichtigstes Instrument der italienischen Offenmarktpolitik waren seit 1979 diskretio-näre, nicht in regelmäßigen Abständen stattfindende An- und Verkäufe von W ertpa-pieren im Pensionsverfahren. Wollte die Banca d'Italia die Liquidität im Banken-system erhöhen, kaufte sie staatliche Wertpapiere an und verkaufte sie auf Termin zu-rück an die Banken. Die Banca d'Italia nutzte dieses Instrument aber auch direkt zur Verringerung der Liquiditätsposition des Finanzsystems. In diesem Fall verkaufte sie

132Siehe Kapitel F.JV.

133Vgl. Angeloni/Prati (1993), S. 10, Fußnote 20.

134Die Diskontpolitik begünstigte die kleinen Banken des zersplitterten italienischen Bankensystems.

Die Ähnlichkeiten zur deutschen Diskontpolitik waren somit sehr groß.

135 Vgl. Rossi/Stolfa ( 1985), S. 280f.

136Vgl. Dei Giovane (1994), S. 22, Fußnote 12 und Borio (1997b), S. 66f.

137Vgl. Ciampi (1992a), S. 165.

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Wertpapiere und kaufte sie selbst auf Termin zurück (reverse repo operations).138 Der Zinssatz dieser Pensionsgeschäfte war wichtigster Orientierungspunkt für den Tages-geldsatz des Interbankenmarktes. Jedoch schränkte die Unregelmäßigkeit der Wert-papierpensionsgeschäfte den Leitzinscharakter ein.

Ein hohe Bedeutung bei der grundsätzlichen Versorgung des Bankensystems mit Zen-tralbankgeld nahmen in Italien seit Oktober 1992 Devisenswaps ein, vorwiegend in US-Dollar und D-Mark.139 Relativ bedeutend waren zudem Outrightkäufe von Schatz-wechseln,140 wohingegen Offenmarktoperationen in mittel- und langfristigen Wert-papieren eher selten waren.

2.3. Die Mindestreservepolitik

1926 wurden in Italien erstmals Mindestreserven eingeführt, um die Konvertibilität von Bankeinlagen in gesetzliche Zahlungsmittel zu sichern. Sie dienten daher aus-schließlich der Stabilisierung des Finanzsystems. '4'

1947 wurden im Zuge eines monetären Stabilisierungsprogramms nach dem Zweiten Weltkrieg zum ersten Mal Passivmindestreserven mit dem Ziel der Geldwertstabili-tätssicherung eingeführt und blieben seither eines der wichtigsten geldpolitischen In-strumente der Banca d'Italia. Sie wurden mit einem festen, nicht marktorientierten Zinssatz verzinst.142 Da die Zinspolitik am Wachstumsziel orientiert war und somit nicht für die Kontrolle des Kreditgeschäfts der Banken und damit der Geldmengen-entwicklung eingesetzt wurde, nutzte die Banca d'Italia unter anderem das Mindestre-serveinstrument zur Steuerung der Geldschöpfung der Banken. Die Bedeutung des In-struments wurde auch dadurch verdeutlicht, daß die italienischen Sätze mit 17,5% über eine lange Periode hinweg trotz gewisser Senkungen aus Gründen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit im Zuge des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen143 die höchsten in Europa waren. 144 Die Banca d'Italia begründete dies damit, daß die Geld-schöpfung der Banken aufgrund der hohen Wachstumsraten der Basisgeldmenge im Zuge hoher, monetär finanzierter Budgetdefizite zur Kontrolle der Gesamtgeldmen-genentwicklung in Italien besonders stark eingeschränkt werden mußte.145 Die

Min-138Vgl. BIEB (October 1996b), S. 53 und BIEB (October 1996e), S. 146, Tabelle a27.

l39Vgl. BIEB (February 1993b), S. 44 und Banca d'ltalia (1993), S. 82 sowie BIEB (October 1996e), S. 147, Tabelle a27.

l40Vgl. BIEB (October 1996e), S. 148, Tabelle a29.

141Vgl. Bruni (1993), S. 259.

142Anfang der neunziger Jahre z.B. mit 5,5%, vgl. Bruni (1993), S. 257 und BIEB (October 1994), S. 48.

143Vgl. Banca d'Italia (1994), S. 85.

144Vgl. Borio (1997b), S. 69. Um nach dem Austritt aus dem ERM wieder Kapitalimporte zu fördern und neue Währungsreserven aufzubauen, wurden Bankeinlagen von Ausländern Ende 1992 von der Mindestreservepflicht befreit. Vgl. BIEB (February 1993a), S. 39 und BIEB (October 1992c),

s.

70.

145Vgl. Ciampi (1991), S. 160.

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destreserve diente somit als zentrales Instrument zur Absorption der hohen Bankeinla-genzuwächse im Zuge der monetär finanzierten Budgetdefizite.146

Neben verschiedenen Senkungen der Mindestreservesätze wurde seit 1990 eine weite-re Kostenentlastung der Banken dadurch erweite-reicht, daß diese bis zu 5% der Mindestweite-re- Mindestre-serveeinlagen mobilisieren, das heißt als Arbeitsguthaben verwenden durften. Zusätz-lich wurde das Mindestreservesystem von tägZusätz-lich zu erfüllenden Reserveansprüchen auf ein System von monatlichen Durchschnittssollwerten umgestellt. Ziel der Maß-nahmen war es, die Liquidität auf dem Geldmarkt zu erhöhen, die Volatilität der kurz-fristigen Zinsen zu senken147 und die Rolle kurzfristiger Zinssätze im geldpolitischen Transmissionsprozeß über eine Verstetigung zu stärken.148

In den Jahren 1993/94 wurde die Mindestreservepflicht in Anlehnung an die Zweite EU-Richtlinie auf alle Institutsgruppen ausgedehnt, um Wettbewerbsverzerrungen zu verringern. Aus ähnlichen Gründen wurden CDs und Spareinlagen mit einer Laufzeit von über achtzehn Monaten dagegen aus der Bemessungsgrundlage herausgenom-men.149 1998 erfolgte schließlich in zwei Schritten eine Absenkung des Satzes von 9%

auf den zukünftigen europaweiten Satz von 2%.150 2.4. Direkte Kontrollen

Direkte Kontrollen spielten bis in die achtziger Jahre die dominierende Rolle in der italienischen Geldpolitik und nahmen verschiedene Formen an. Von zentraler Bedeu-tung waren die Devisen- und Kapitalverkehrskontrollen. Sie dienten der Aufrechter-haltung des externen Gleichgewichts im Rahmen einer wachstumsorientierten Nied-rigzinspolitik, die ansonsten aufgrund des Verstoßes gegen die Renditeparität zu einem massiven Abfluß von Kapital, zu Zahlungsbilanzdefiziten und zu Währungsreserve-verlusten geführt und einen ständigen Abwertungsdruck auf die Lira ausgeübt hätte. 151 Ein weiteres, wichtiges Instrument zur Absicherung der außenwirtschaftlichen Flanke der Wirtschaftspolitik war die Steuerung der Auslandsverschuldung der Banken durch die Zentralbank.152 In Zeiten von Zahlungsbilanzschwierigkeiten bewirkte die Banca d'Italia mittels eines Verbots der Verschuldung im Ausland, beziehungsweise dem Gebot einer Zurückführung bestehender Auslandsverschuldung, eine Reduzierung der Bankenliquidität. Der dadurch induzierte Rückgang des Geldmengenwachstums be-wirkte eine Erhöhung des inländischen Zinsniveaus, dies wiederum einen Rückgang des Kreditvolumens und des Investitionsvolumens und damit schließlich

konjunktur-146Vgl. KneeshawNan den Bergh (1989), S. 78 und Mader (1989), S. 130.

147Vgl. Angeloni/Prati (1993), Schaubild 1.

148Vgl. SIEB (October 199Ob), S. 46 und Angeloni/Prati (1993), S. 2f.

149Vgl. SIEB (October 1994), S. 48 und SIEB (February 1993b), S. 44.

150Vgl. Handelsblatt vom 02.11.1998, Nr. 211, S. 25.

151 Vgl. Bartolini/Bodnar ( 1992), S. 2f.

152Vgl. Fratianni/Spinelli (1997), S. 2O8f.

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abschwächende, importreduzierende und somit zahlungsbilanzgleichgewichtfördernde Effekte.153

Bis zur ihrer endgültigen Abschaffung 1988 benutzte die Banca d'Italia direkte Kredit-grenzen (massimale) zur Kontrolle des Kreditwachstums. 154 Jedoch wurde die Effi-zienz dieses Instrumentes stark durch die Dominanz des Wachstumsziels und durch hohe Budgetdefizite gemindert. Insbesondere die bis 1981 bestehende Verpflichtung der Banca d'Italia, als Käufer der in Auktionen nicht abgesetzten Schatzwechsel die Finanzierung der Haushaltsdefizite zu garantieren, und die nahezu beliebige Über-schreitung der gesetzlich limitierten Kassenkredite der Zentralbank an die Regierung mittels Sonderkreditlinien verhinderten eine Kontrolle des Gesamtkreditvolumens und damit der Geldmengenentwicklung. Zusätzlich wurden die Kreditgrenzen zunehmend umgangen, und die Verzerrungen im Finanzsektor führten zu immer höheren Effi-zienzverlusten.155

Ein besonderes Instrument zur Steuerung des inländischen Kreditvolumens war die Genehmigungspflicht von Wertpapieremissionen der im langfristigen Kreditgeschäft tätigen Sonderkreditinstitute. Ein Emissionsverbot verhinderte die Refinanzierung und damit eine Ausdehnung des Kreditgeschäfts und erzielte dadurch restriktive Wirkun-gen. Ein direktes Instrument, das dem Wachstumsziel diente, war die Subventionie-rung von Krediten entweder über die GewähSubventionie-rung eines niedrigen Zinssatzes durch ei-ne der staatlich kontrollierten Banken oder durch direkte Zuweisungen aus dem Staatshaushalt. Des weiteren wurden in Italien über lange Zeit nicht nur die Kreditzin-sen, sondern auch die Einlagezinsen der Banken administrativ bestimmt. Eine weitere Einschränkung des Wettbewerbs erfolgte durch die Genehmigungspflicht für die Er-öffnung neuer Geschäftsstellen.

Die mit direkten Instrumenten verbundenen Probleme in Form von Wettbewerbsbe-schränkungen, allokativen Verzerrungen und die zunehmende Umgehung der Vor-schriften führten in Zusammenhang mit der Harmonisierung geldpolitischer Instru-mente und mit der Liberalisierung des Kapitalverkehrs im Zuge der europäischen Inte-gration im Laufe der achtziger Jahre zur stufenweise Abschaffung dieser Instrumen-te.156

2.5. Die Politik der moral suasion

Das Instrument der moral suasion spielte in Italien schon immer eine besondere Rol-le.157 Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die Instabilität des politischen Systems und den damit verbundenen Schwierigkeiten der Gesetzgebung. So wurden viele der direkten Instrumente mittels moral suasion umgesetzt. Die zunehmende Un-153 Andererseits bedeutete die Tilgung von Auslandsschulden einen Kapitalexport und damit eine

Ver-schlechterung der Kapitalbilanz.

154Vgl. Tabellini (1988), S. 94.

155Vgl. Cottarelli et al (1986), S. 687f.

156Vgl. Passacantando (1996), S. 98 und Ciampi (1990a), S. 62.

157Vgl. Banca d'ltalia (1988), S. 93 und Lück (1998), S. 219.

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abhängigkeit der Banca d'Italia und die hohe Autorität der Zentralbank sorgen dafür, daß auch heute noch viele Maßnahmen auf diesem Weg umgesetzt werden.158

V. Vergleichende Beurteilung der gesetzlichen und faktischen Unabhängigkeit