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IV. Beschreibung des institutionellen Rahmens der italienischen Geld-

1. Darstellung des italienischen Bankensystems

1.2. Reformen und Entwicklungstendenzen im italienischen

Ähnlich-keit zur französischen Banlcenstruktur vor den Finanzreformen auf. Es handelte sich ebenfalls um ein Trennbankensystem, in dem der staatliche Einfluß und die Regulie-rungsdichte sehr hoch waren. So führte das 1936 erlassene gesetzliche Verbot der mittel- und langfristigen Kreditvergabe für gewöhnliche Kreditinstitute zu einer Zweiteilung des Bankwesens in Abhängigkeit von der Fristigkeit der vergebenen Kredite.213 Zusätzlich war der Marktzugang streng reguliert, die Geschäftstätigkeit vieler Banken war per Gesetz regional begrenzt, und die Kreditvergabe unterlag auf-wendigen, administrativen Verfahren. Weiteres Merkmal des staatlichen Einflusses war das hohe Ausmaß der in Staatsbesitz befindlichen Banken; mehr als drei Viertel der Kreditinstitute waren direkt oder indirekt in Staatshand.214 Schließlich griffen staatliche Stellen in Form von Absprachen mit dem Bankenverband in die Zinsfeststel-lung der Banlcen ein, so daß eine marktbestimmte Vergabe der Finanzmittel verhindert wurde. Insgesamt führten die gesetzlichen Rahmenbestimmungen, einschließlich einer außenwirtschaftlichen Abschottung, zu fehlender Wettbewerbsintensität sowie zu ei-210Ein weiteres wichtiges Institut dieser Gruppe ist das lstituto Mobiliare Italiano (!MI).

211Vgl. Graf von Pückler (1987), S. 607-610.

212ffintergrund dieser Bestimmung sind die Erfahrungen, die Italien in den dreißiger Jahren während der Weltwirtschaftskrise machen mußte. Damals wurden viele Banken nicht durch Runs auf ihre Einlagen zahlungsunfähig, sondern wurden von in Konkurs gegangenen Unternehmen, an denen sie beteiligt waren, in Mitleidenschaft gezogen. Vgl. Sacchi Morsiani (1990), S. 195 und Mauri (1995), s. 44.

213 Wie in Frankreich verringerte die Fristenkongruenz von Aktiv- und Passivseite der Bankenbilanzen c.p. den Einfluß geldpolitischer Zinsschritte auf das Geschäftsverhalten der Banken. Ein Grund für die langwährende Dominanz administrativer Instrumente und der Mindestreservepolitik in der ita-lienischen Geldpolitik.

214Vgl. Scamacci (1994), S.938.

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ner geringen Leistungsfähigkeit und Innovationskraft des Finanzsystems. Verstärkt wurden diese Effekte noch durch die starke Zersplitterung des italienischen Bankwe-sens in kleine, oft nur regional tätige Banken. Dadurch kam es zu einer Aufteilung des Kreditangebots, das insbesondere Großfinanzierungen erschwerte und die Transakti-onskosten im Finanzsystem erhöhte, zu einer Segmentierung der Märkte und zu einer zu starken Betonung der administrativen Wettbewerbskontrolle.215

Wie in Frankreich kam es deshalb auch in Italien zu Reformen. Entscheidender Anstoß für die Neugestaltung des Finanzsystems war die Entwicklung der Finanzmarktinte-gration und -gesetzgebung der Europäischen Union.216 Die Rechtsharmonisierung der EU im Bankenbereich und die Verwirklichung des EU-weiten Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen erzwangen eine Öffuung des italienischen Finanzsystems und eine Stärkung der im internationalen Vergleich niedrigen Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Banken.

Ein Ziel der Reformen war daher die Aufhebung der Spezialisierung nach Kreditlauf-zeit und die Umgestaltung des Trennbankensystems in ein Universalbankensystem in Anlehnung an die Finanzstrukturen anderer Länder. Des weiteren sollte die unzurei-chende Eigenkapitalbasis der Banken gestärkt und der Staatsanteil gesenkt werden.

Zusätzlich sollte über Bankfusionen die Zersplitterung des Bankwesens beseitigt, durch die Realisierung von economies of scale und scope die Profitabilität der Institute erhöht sowie die Finanzkraft und organisatorische Effizienz der Banken gestärkt wer-den.217 Schließlich strebte man eine Intensivierung des Wettbewerbs unter den italieni-schen Finanzdienstleistern an.218 Letztendlich sollte ein effizientes, privates Banken-system unter der Führung einer begrenzten Anzahl international bedeutender Groß-banken entstehen.219

Erste Schritte in diese Richtung waren Lockerungen des im Prinzip bis Anfang der neunziger Jahre gültigen Bankgesetzes von 1936. So wurde Ende der achtziger Jahre allen ordentlichen Kreditinstituten bis zu einer Höhe von 15% ihrer Einlagen die Ver-gabe langfristiger Kredite gestattet.220 Wie bereits erwähnt wurde auch das Verbot der Beteiligung von Banken an Industrieunternehmen 1987 gelockert. Kreditinstitute konnten seither Wertpapierbanken oder Merchantbanken als Tochterunternehmen gründen, die im Zuge ihrer Geschäftstätigkeit etwa vor Kapitalerhöhungen oder Fir-menübernahmen zeitlich begrenzt Anteile an Industrieunternehmen übernehmen durf-ten. Dennoch besteht bis heute eine strikte Trennung zwischen Finanz- und Nicht-finanzsektor, da Banken keine strategische Beteiligungen im Industriesektor halten 215Vgl. de Cecco (1993), S. 53. Ursache für die Dominanz kleiner Banken in Italien war eine

Föde-rung dieser Banken durch die Gesetzgebung in den dreißiger bis fünfziger Jahren zur Vermeidung der Bildung einer oligopolistischen Bankstruktur, von der negative Auswirkungen auf die Finanz-und Kreditmärkte befürchtet worden waren. Vgl. Desario ( 1995b ), S. 102f. Finanz-und S. 105.

216Vgl. Sarcinelli (1996b), S. 14f. und Mauri (1995), S. 45.

217Vgl. Lane, D. (1996), S. 27 und Desario (1995a), S. 87.

218Vgl. Ciampi (1987a), S. 72.

219Vgl. Lane, D. (1995b), S. 25.

220Vgl. Klein (1992), S. 94f.

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dürfen und Unternehmen, die nicht aus dem Finanzsektor kommen, nur bis zu 15%

des Kapitals von Banken übernehmen dürfen.

Eine Maßnahme zur Stärkung der Wettbewerbsintensität war die Aufhebung der bis dahin sehr restriktiv von der Notenbank gehandhabten Genehmigungspflicht für die Eröffnung neuer Geschäftsstellen221 und die Abschaffung der regionalen Begrenzung der Geschäftstätigkeit von Banken im März 1990. Seit die Eröffnung von Filialen nur noch anzeigepflichtig ist, hat sich die Zahl der Geschäftsstellen und damit der Wett-bewerb zwischen den Instituten deutlich erhöht.

Den zweiten großen Reformschritt stellte das nach dem damaligen Finanzminister benannte Amato-Gesetz von 1990 dar. Vor allem durch steuerliche Anreize wollte es eine Umwandlung der öffentlich-rechtlichen Banken und der Sparkassen in Aktienge-sellschaften fördern. Durch Kapitalerhöhungen oder Going-Public-Privatisierungen an der Börse sollte dann das Eigenkapital auf europäische Standards erhöht, der Staatsan-teil reduziert und die Gewinnorientierung des Bankmanagements erhöht werden. 222 Zudem förderte das Gesetz Fusionen zwischen Banken, so daß aus der Vielzahl klei-ner, in ihrer Bedeutung oft regional begrenzter Banken große, nationale Institute ent-stehen würden, die auch europaweit konkurrenzfähig sein sollten.

Entscheidendes Element des Gesetzes war die Förderung der Bildung von sogenannten polyfunktionalen Bankkonzernen. Durch den Zusammenschluß oder die Übernahme von Finanzdienstleistungsunternehmen aus verschiedenen Bereichen des Bankge-schäfts unter dem Dach einer Finanzholding sollten Bankkonzerne entstehen, die die ganze Palette von Bankdiensten inklusive Versicherungen oder neuer Finanzierungs-formen wie Leasing anboten.223 Dadurch sollte das italienische Finanzsystem in ein Universalbankensystem umgewandelt werden.224

Die nächste Stufe der Reformen wurde 1994 erreicht, als das bis dahin gültige Bank-gesetz von 1936 und die zu seiner Ergänzung zahlreich erlassenen Zusatzbestimmun-gen durch ein neues, einheitliches Bankwesengesetz (,,testo unico") ersetzt wurden, das sich weitgehend an der Zweiten EU-Richtlinie orientierte. Das neue Bankgesetz sah die Beendigung der Spezialisierung der Banken vor. So wurden alle Kreditvermitt-ler einheitlich als Bank definiert, und ihnen die Geschäftstätigkeit, insbesondere die Kreditvergabe, über alle Laufzeitbereiche gestattet.225 Dadurch wurde die

Segmentie-221 Vgl. Dini (1990), S. 73.

222Vgl. Fazio (1996), S. 174.

223Vgl. Dini (1990), S. 72.

224 Jedoch entsprechen die italienischen Banken dennoch nicht ganz den deutschen Universalbanken, da sie für jede Finanzdienstleistung rechtlich selbständige Tochtergesellschaften gründen müssen, ihnen also gesetzlich die Organisationsstruktur der Finanzholding vorgeschrieben ist. Vgl. Sacchi Morsiani (1990), S. 200.

225Da aber bis auf absehbare Zeit der operative Schwerpunkt gemäß der vorherigen Spezialisierung erhalten bleiben wird, werden in Statistiken die bisher als „Bank" bezeichneten Kreditinstitute als Banken mit kurzfristigen Kundeneinlagen und die bisherigen Sonderkreditinstitute und -abteilungen als Banken mit mittel- und langfristigen Kundeneinlagen bezeichnet. Vgl. Banca d'Italia (1994), S. 82.

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rung des italienischen Finanzsystems beendet und die Grundlage für einen intensive-ren Wettbewerb gelegt.226 Zusätzlich wurde die unternehmerische Freiheit der Kredit-institute dadurch erhöht, daß sich die italienischen Aufsichtsbehörden entsprechend der neuen, europaweiten Regelung mit der Einhaltung bestimmter Kapitalkennzahlen durch die Banken begnügten und nicht mehr wie früher Bankgründungen, Geschäfts-stelleneröffuungen, einzelne Bilanzpositionen und Geschäftsarten regulierten.227 Bei der Beurteilung der italienischen Reformen des Finanzwesens fällt zum ersten der späte Zeitpunkt auf. Gegenüber Großbritannien oder Frankreich hatte Italien einen Rückstand von über sechs Jahren. Dies weist bereits auf die Verkrustungen im italieni-schen Bankensystem hin. So wurde zwar die Umwandlung der öffentlich-rechtlichen Banken und der Sparkassen in Aktiengesellschaften umgesetzt, jedoch verlief die Er-höhung der Eigenkapitalquote und die Privatisierung der Institute durch den Gang an die Börse wenig zufriedenstellend. Mehrere Versuche des Staates, verschiedene Ban-ken zu privatisieren, scheiterten am mangelnden Interesse des Publikums, so daß die staatliche Holding IRI oder andere staatliche Banken die Aktienpakete übernehmen mußten und eine Privatisierung nicht erreicht wurde. Ein Grund für das mangelnde Interesse privater Investoren war der Vorbehalt des Staates, mit 51 % der Aktien die Kapitalmehrheit und damit die Geschäftsführung der Banken behalten zu wollen. Zu-sätzlich führten die ersten Privatisierungen an der Börse zu deutlichen Kursverlusten bei den Aktionären, so daß das allgemeine Interesse an der Geldanlage in Aktien schwand.228 Ein weiterer Grund war die hohe Kostenbelastung italienischer Banken bei sinkenden Margen. Ursache hierfür waren die weiterhin bestehenden, großen Inef-fizienzen im italienischen Finanzsystem.229 Trotz einer der höchsten Zinsspannen in Europa mit über drei Prozentpunkten230 waren die Kosten, insbesondere die Personal-kosten, so hoch, daß italienische Banken unattraktiv für Investoren erschienen.231 Trotz einer spürbaren Verschärfung des Wettbewerbs im Zuge der neuen Niederlas-sungsfreiheit ist die Wettbewerbsintensität im italienischen Finanzsektor niedriger als in anderen Ländern. Vor allem internationale Banken sind trotz der Abschaffung der Kapitalverkehrskontrollen und der Aufhebung von Markteintrittsbarrieren immer noch kaum vertreten, was ihr geringer Marktanteil von 3% beweist.232

Der Versuch, durch staatlich geförderte Fusionen das zersplitterte Bankensystem zu strukturieren und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der italienischen Banken zu erhöhen, scheiterte am Widerstand der Kreditinstitute, die ihre Selbständigkeit nicht

226Vgl. Padoa-Schioppa (1997), S. I 11.

mvgl. Sarcinelli (1996a), S. 23.

228Vgl. Lane, D. (I 995a), S. 37 und The Economist vom 03.05.1997, S. 78.

229Vgl. Handelsblatt vom 04.03.1997, Nr. 44, S. 35.

230Vgl. Prati/Schinasi (1997a), S. 46, Tabelle 16.

231 Ein weiteres Merkmal der Ineffizienz ist der im internationalen Vergleich schlechte Bankservice.

So gehören die Laufzeiten im italienischen Zahlungsverkehr zu den längsten in Europa, moderne neue Dienstleistungen werden erst verspätet eingeführt. Vgl. Dini ( 1990), S. 70 und Ciampi (1992a), S. 172f.

232Vgl. Moore, P. (1996), S. 357.

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aufgeben wollten, und am Kampf der Politiker um Einflußbereiche.233 Die größten Fortschritte wurden bei der Schaffung von polyfunktionalen Bankkonzernen erreicht, wo viele Kooperationsverträge in Beteiligungen umgewandelt wurden oder neue Alli-anzen entstanden.

Deutliche Fortschritte setzten erst seit 1997 durch einige Großfusionen ein. So schloß sich der Credito Italiano mit einer größeren Zahl norditalienischer Sparkassen zur Bank Unicredito zusammen. Kurz darauf fusionierten Sao Paolo di Torino und IMI zur größten Bank Italiens.234 Diese Zusammenschlüsse von Geschäftsbanken mit Sparkassen und ehemaligen Sonderkreditinstituten weisen darauf hin, daß sich all-mählich Finanzkonzerne bilden, die alle Bankdienstleistungen anbieten wollen.

Zusammenfassend betrachtet hat sich das italienische Trennbankensystem in Anleh-nung an die Gegebenheiten in anderen europäischen Ländern in ein Universalbanken-system gewandelt, allerdings in der besonderen Variante der polyfunktionalen Bank-konzerne. Einstmals deutliche Trennlinien zwischen den verschiedenen Institutsgrup-pen verschwammen, es kam zu einer deutlichen Homogenisierung des Banken-systems.

Trotzdem blieben viele Mängel des italienischen Finanzwesens weiter bestehen. Hohe Kosten, geringe Leistungsfähigkeit, niedrige Innovationsraten, verkrustete Eigen-tumsstrukturen, die Zersplitterung des Bankensystems,235 hoher staatlicher Einfluß,236 die immer noch bestehende Trennung von Finanz- und Industriesektor, eine nur schwache internationale Einbindung und eine niedrige internationale Wettbewerbs-fähigkeit setzen die Effizienz des italienischen Bankwesens auch heute noch herab.237 Das Ziel der Schaffung international wettbewerbsfähiger Großbanken wurde bislang verfehlt.

Einerseits ergibt sich dadurch für Italien die Möglichkeit zu besonders hohen Wohl-fahrtssteigerungen im Zuge der Vollendung des einheitlichen Finanzmarktes durch die Europäische Währungsunion. Der Einzug internationaler Banken in das italienische Finanzsystem wird die Effizienz des Bankensystems deutlich erhöhen und so für eine bessere Allokation des Produktionsfaktors Kapital sorgen. Andererseits werden die Anpassungskosten aufgrund des verschärften Wettbewerbs in Italien auch besonders hoch sein, da mit der Verdrängung vieler ineffizienter Banken zu rechnen ist.238 Um dies zu vermeiden, müssen viele italienische Banken ihre Organisationsstruktur ver-schlanken, Personalkosten einsparen, ihre Eigenkapitalbasis stärken und ihre Produkt-palette um moderne Finanzdienstleistungen erweitern. Insbesondere im Investment-banking-Geschäft mit mittleren und kleinen Unternehmen, die das Rückgrat der ita-233Vgl. Lane, D. (1995b), S. 27f.

234 Vgl. Betts ( 1998), S. 20.

235Vgl. Moore, P. (1996), S. 356f.

236S0 waren bis 1997 immer noch rund drei Viertel der Banken in Staatsbesitz. Vgl. FAZ vom 02.08.1997, Nr. 177, S. 20, Sarcinelli (1996a), S. 25f. und Dini (1990), S. 70.

237Vgl. Fazio (1998b), S. 255, Graham (1998), S. III und Lane, D. (1995b), S. 28.

238Vgl. Chick/Dow (1995), S. 301.

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lienischen Wirtschaft bilden, müssen italienische Banken noch an Kompetenz gewin-nen.239

2. Die Entwicklung der italienischen Finanzmärkte aufgrund des