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Sozialpolitische Rahmung der Pflege und Betreuung

Im Dokument in der Schweiz (Seite 48-54)

Gesellschaftliche Organisation der Betreuung im Alter in der Schweiz

1.3 Sozialpolitische Rahmung der Pflege und Betreuung

Im Folgenden versuchen wir die Begriffe Pflege und Betreuung im sozialpoli-tischen Kontext näher zu bestimmen. Die Betreuung für Betagte stellt in der Schweiz keine eigene sozialpolitische Kategorie dar. Teilweise taucht die Bedeu-tung der Betreuung im Begriff der Altershilfe und in den Beschreibungen von nicht-pflegerischen Tätigkeiten auf. Ein wesentlicher Grund dafür ist der körper-zentrierte und biomedizinische Blick auf den Unterstützungsbedarf älterer Men-schen. Erst indem eine ältere Person zum Pflegefall wird, erhält sie die notwendige Unterstützung. Den sozialen und ökonomischen Faktoren eines Unterstützungs-bedarfs wird zu wenig Bedeutung zugemessen.

In der Schweiz wird grundsätzlich zwischen Altershilfe und Alterspflege unterschieden. In einem ersten Schritt (1.3.1) werden die zwei Leistungsarten vorgestellt. In einem zweiten Schritt (1.3.2) soll gezeigt werden, wie die Pflege-bedürftigkeit älterer Menschen für beide Leistungsarten als Grundlage der Unter-stützung dienen. Dass die Altershilfe und Alterspflege nur für pflegebedürftige Betagte gilt, steht mit dem realen Unterstützungsbedarf der Zielgruppe im Kon-flikt. 1.3.3 zeigt den Unterstützungsbedarf von älteren Menschen auf. Es wird deutlich werden, dass für viele ältere Menschen ihr Unterstützungsbedarf ausser-halb der sozialrechtlichen Regulierung liegt. Es handelt sich dabei um Unterstüt-zung bei instrumentellen Alltagsaktivitäten.

1.3.1 Altershilfe und Alterspflege in der Schweiz

Die Leistungsarten für die Unterstützung älterer Menschen lassen sich im Allge-meinen in Hilfeleistungen und Pflegeleistungen unterteilen. In der Fachliteratur fällt die Bestimmung unterschiedlich aus. Des Öfteren rekurriert die Beschrei-bung von Altershilfe und Alterspflege auf die im englisch-sprachigen Raum gebräuchliche Bezeichnung von «long-term care for older people» (LongTerm-Care.org; Trigg, 2011; Strohmeier Navarro Smith, 2010, S.  95). Darunter ist die längerfristig ausgerichtete Hilfe und Pflege zu verstehen, welche die Förde-rung und Erhaltung der Selbstständigkeit von Personen über 65 Jahren zum Ziel haben. In beiden Fällen haben wir es mit Unterstützungsleistungen zu tun, welche die Autonomie, Selbstversorgung und Selbstbestimmung älterer Menschen ins Zentrum der Leistungsaufgaben stellen. Hilfeleistungen wie auch Pflegeleistun-gen versuchen in ihren spezifischen EiPflegeleistun-genheiten die Bedürftigkeit zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern. Im Alltag besteht der Unterstützungsbedarf aus der Kombination von Altershilfe und Alterspflege. Konzeptionell macht es jedoch Sinn, beide Leistungen voneinander zu trennen, damit der qualitativ unterschied-liche Gehalt erkennbar wird. In den folgenden Abschnitten werden die relevanten Unterscheidungsmerkmale aufgeführt.

Die Altershilfe umfasst mehrere Unterstützungsbereiche im Alltagsleben.

Darunter fällt erstens die einfache Körperpflege (Anziehen, Baden oder Duschen, Essen, Aufstehen oder Hinlegen, Notdurft), zweitens die hauswirtschaftlichen

Tätigkeiten, drittens die administrative Hilfe (Büroarbeiten wie Formulare aus-füllen, finanzielle und/oder rechtliche Aufgaben übernehmen) (Brandt & Hab-erkern & Szydlik, 2009, S. 5) und viertens die emotionale Unterstützung (vgl.

Haberkern, 2009, S. 22). Die Alterspflege ist primär weniger auf das Alltagsleben fokussiert. Ihre Unterstützung ist stark körperbezogen und richtet sich auf medi-zinisch begründete Einschränkungen lebensnotwendiger Aktivitäten.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal bezieht sich auf die Intensität, Kontinuität und örtliche Verrichtung der Leistung. So kann die Altershilfe zur Alterspflege werden, wenn sich die Unterstützung älterer Menschen zeitintensiver, anspruchsvoller gestaltet und medizinisches Fachwissen erfordert. Mit der wach-senden Einschränkung der Selbstständigkeit älterer Menschen können Hilfeleis-tungen somit zu pflegerischen Aufgaben werden.

Die Pflege ist in den meisten Fällen an einen festen Ort gebunden. Die Wohndistanz zur pflegenden Person ist begrenzt. Auch Spitex-Angestellte haben einen begrenzten Radius der Versorgung, welche sie leisten können. Gleichzeitig ist die Pflege oft mit einem bestimmten Zeitvolumen verbunden, welches das Volumen der Altershilfe übertrifft (zum Beispiel die tägliche Pflege von Betagten in stationären Einrichtungen und der wöchentliche Einkauf für die eigene Mut-ter). Die Altershilfe beansprucht in den meisten Fällen weniger Zeitaufwand als die Pflege. Sie kann sporadisch erfolgen und telefonisch oder postalisch stattfin-den (administrative Tätigkeiten, emotionale Unterstützung). Je nach Unterstüt-zungsbedarf kann die räumliche Distanz keine Rolle mehr spielen. Die Hilfeleis-tung ist im Gegensatz zur Pflege weniger verbindlich und beruht vorwiegend auf freiwilliger Basis. Hingegen ist die Pflegebeziehung stärker durch Abhängigkeit und Verpflichtung charakterisiert. Eine Unterlassung der Pflege kann im Unter-schied zur Hilfeleistung fatale Folgen haben.

Hilfeleistungen und Pflegeleistungen wirken auf der individuellen, fami-liären und gesellschaftlichen Ebene. Die Art und Weise der Pflegeverrichtung ist durch die Bedürfnisse und Gebrechen der zu pflegenden Person vorgegeben. Die Altershilfe lässt der unterstützenden Person einen grösseren Handlungsspielraum offen, welche Leistungen der bedürftigen Person tatsächlich angeboten werden (müssen).

Die staatliche Organisation der Altershilfe und Alterspflege beansprucht die pflegenden und betreuenden Familien stark (vgl. Brandt & Haberkern & Szydlik, 2009, S. 11). Obschon sich die Versorgung von hilfs- und pflegebedürftigen älte-ren Menschen in Europa verschieden gestaltet, zeichnet sich auf gesellschaftlicher Ebene eine Arbeitsteilung der Altershilfe und Alterspflege ab. Öffentlich-rechtli-che und private Dienstleistungsunternehmen bieten vermehrt die intensiven, her-ausfordernden und kostenintensiven Pflegeleistungen an. Hingegen fokussieren die Familie und das soziale Umfeld vermehrt auf Hilfeleistungen. Zusammenge-fasst verläuft die Unterscheidung zwischen Altershilfe und Alterspflege entlang der privaten, informellen und professionellen, formellen Unterstützung. So sucht eine ältere Person für die medizinische Pflege eine/n Gesundheitsexpertin oder

-experten auf, hingegen nimmt sie für die Müllentsorgung die Hilfe von Tochter, Sohn, Ehepartnerin, Ehepartner, Nachbarin oder Nachbar in Anspruch.

Welche Leistungen unter Altershilfe und Alterspflege fallen, ist auch davon abhängig, in welchem Ausmass die öffentliche Hand Leistungsangebote unter-stützt. Je nachdem wie Altershilfe und Alterspflege rechtlich reguliert sind, fällt die Ausgestaltung der Unterstützungsangebote unterschiedlich aus. Verpflichtet die öffentliche Hand primär die Familien für Familienmitglieder zu sorgen, so sind sie stärker in die Pflege involviert, die spontane Hilfeleistung ist erschwert und die finanzielle Belastung auf die Familie fällt für die umfängliche Unterstüt-zung höher aus.

1.3.2 Medizinalisierung der Altershilfe

Um die Altershilfe und Alterspflege und deren Leistungen in der Schweiz zu ver-stehen, muss zuerst die Frage geklärt werden, wann eine ältere Person, im Rahmen sozialrechtlicher Reglungen, als hilfsbedürftig oder pflegebedürftig gilt. Wie in Kapitel 1.1 deutlich gemacht wird, regeln unterschiedliche Gesetzgebungen die Rahmenbedingungen. Die Alterspflege ist durch das KVG und die KLV geregelt.

Mit einem abschliessenden Leistungskatalog ist definiert, was unter Pflegebedürf-tigkeit zu verstehen ist. Die Leistungserbringung für pflegebedürftige Menschen findet über Sachleistungen zu Hause, in Tages- und Nachtstrukturen und in Hei-men statt. Für die Alterspflege ist vor allem der Leistungsbereich «Grundpflege»

wichtig.

Die Regulierung der Altershilfe bleibt hingegen unklar. Anhaltspunkte liefert Art. 9 ATSG: «Als hilflos gilt eine Person, die wegen der Beeinträchtigung der Gesundheit für alltägliche Lebensverrichtungen dauernd der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung bedarf.» Die entsprechende Leistung wird als Hilflosenentschädigung bezeichnet (vgl. Kapitel 1.1.3). In der Schweiz wohn-hafte AHV-Rentnerinnen und Rentner können sie geltend machen, sofern ihre Hilflosigkeit ärztlich beglaubigt worden ist. Die Hilflosenentschädigung erfolgt in Form einer Geldleistung.

Stellen wir die Leistungsart Alterspflege der Leistungsart Altershilfe gegen-über, lassen sich zwei Gemeinsamkeiten hervorheben.

Erstens beabsichtigen beide Leistungsarten die Förderung und den Erhalt der Selbstständigkeit und Gesundheit älterer Menschen. Die Pflege soll die Men-schen dabei unterstützen, ihre Selbstständigkeit in den alltäglichen Lebensver-richtungen wieder aufzunehmen, weiterzuführen, anzupassen (vgl. Bericht des Bundesrates, 2005, S. 2039–2040). Pflegerische Leistungserbringungen richten sich auf die Behandlung oder Behebung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung.

Die Leistungen der Alterspflege sind rechtlich, in Form einer Leistungsliste in der KLV, klar definiert. Die Pflegeleistungen, die vergütet werden können, sind vorge-geben. Es handelt sich um eine medizinische, psychische, soziale und funktionelle Unterstützung, welche die Gesundheit fördert, erhaltet oder wiederherstellt. Sie verringert und verhütet Leiden. Die Altershilfe verfolgt denselben Zweck wie

Pfle-geleistungen, allerdings mit anderen Mitteln. In Form der Geldleistung Hilflosen-entschädigung wird versucht, die Selbstständigkeit der Betagten zu unterstützen und zu fördern. Die Hilflosenentschädigung stellt ein zusätzliches Einkommen dar, über welches die betroffene Person selbst verfügen kann. Sie schreibt nicht vor, für welche konkreten Leistungen das Geld dienen soll. Es soll jedoch zur Unterstützung und Förderung der eigenen Selbstständigkeit verwendet werden.

Zweitens wird der Bedarf an Hilfe und Pflege unter denselben Kriterien ermittelt. Für die Bedarfsklärung spielt die Frage nach der Fähigkeit beziehungs-weise Unfähigkeit, ohne fremde Hilfe notwendige Aktivitäten im Alltag (Lebens-verrichtungen) zu bewältigen, eine wichtige Rolle. Unter den notwendigen Lebensverrichtungen fallen sechs Aktivitäten.1. Ankleiden, Auskleiden; 2. Aufste-hen, Absitzen, Abliegen; 3. Essen; 4. Körperpflege; 5. Verrichtung der Notdurft;

6. Fortbewegung. Diese 6 Aktivitäten bilden zusammen die Kriterien, anhand denen die Unabhängigkeit von älteren Personen in ihren Aktivitäten im Alltag ermittelt wird. Zur Operationalisierung der Abklärung dienen der Index ADL (activity of daily living/Aktivitäten des täglichen Lebens). Der Index entspricht praktisch den sechs erwähnten Aktivitäten3. Der Index dient als Instrument, um den gegenwärtigen und zukünftigen Gesundheitszustand Betagter zu beurteilen (vgl. Wallace, 2007).

In der Praxis kommt die Bedarfsabklärung folgendermassen zum Ausdruck: Unter der «medizinfernere[n]» (Bericht des Bundesrates, 2005, S.  2065) Pflege, der

«Grundpflege», werden die Einschränkungen der Betagten in ihren alltäglichen Grundverrichtungen gemessen. Die Grundverrichtungen sind durch die sechs ADL-Kriterien festgelegt. Unter denselben Kriterien wird der Grad an Hilflosig-keit und dementsprechend die Höhe an Hilflosenentschädigung ermittelt (vgl.

Höpflinger, 2003).4

Das Modell der Bedarfsabklärung ist stark an eine krankenhausorien tierte Pflege ausgerichtet (Schroeter, 2004, S.  150). Die Hilflosigkeit und die Pflege werden unter einem stark körperzentrierten und biomedizinischen Blickwinkel betrachtet. Ökonomische und soziale Faktoren als Auswirkungen für den Pfle-gebedarf werden dabei ausgeblendet. Daraus lässt sich eine dritte interessante Feststellung ableiten. Die Beurteilung der Hilflosigkeit von älteren Menschen erfolgt nicht nach Kriterien der Hilfsbedürftigkeit, sondern durch den Aspekt der Pflegebedürftigkeit. Zugespitzt formuliert: Die sozialrechtliche Regulierung von Altershilfe und Alterspflege betrachtet beide Unterstützungsformen aus einer krankenversicherungsorientierten, funktionalen und bio-medizinischen Perspek-tive. Aus gesellschaftspolitischer Sicht findet eine Medizinalisierung der sozialen

3 An- und Auskleiden; Einnehmen von Mahlzeiten und Getränken; Waschen; Fortbewegen im Zimmer; Aufstehen und Zu-Bett-Gehen; Verrichten der Notdurft.

4 Zum Beispiel muss man für leichte Hilflosigkeit in zwei Aktivitäten der ADL-Kriterien trotz Hilfsmitteln auf die Hilfe einer Drittperson angewiesen sein. Für die mittlere Hilflosigkeit müs-sen die Betroffenen bei mindestens vier dieser Handlungen auf die Hilfe von Dritten angewiemüs-sen sein (vgl. SVA Zürich, o. J.).

Lebenslage «hilfsbedürftig» von älteren Menschen statt. Den sozialen Faktoren wird zu wenig Beachtung geschenkt.

1.3.3 Fehlende sozialrechtliche Regelung nicht-pflegerischer Betagtenunterstützung

Neben der Erhebung der Un- und Selbstständigkeit von älteren Personen in not-wendigen Lebensverrichtungen (ADL) lassen sich auch die instrumentellen Akti-vitäten des täglichen Lebens (IADL) erheben. Der IADL-Indikator (instrumental activity of daily living) bietet breitere Kriterien der Alltagsbewältigung (Höpflin-ger & Hugentobler, 2003, S. 20). Die Kriterien beleuchten weitere Aktivitäten des Alltagslebens, wie zum Beispiel Wäsche waschen, Hausarbeiten erledigen, Ein-käufe tätigen oder öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Im Gegensatz zu basalen Alltagsaktivitäten sind sie von einer «guten Passung individueller Kompetenzen und Umweltfaktoren abhängig» (Höpflinger, 2011, S. 44). Statt die Einschrän-kung der Selbstständigkeit älterer Menschen auf die gesundheitliche Verfassung derselben zu reduzieren, bezieht der IADL-Indikator das Umfeld der Betagten mit ein. Die einbezogenen Dimensionen: Einkauf, Hausarbeit, Essenzubereitung, Administrationsaufgaben, Mobilität und sozialer Kontakt gehen über die basalen Alltagsaktivitäten hinaus. IADL-Kriterien nehmen die Formen von Hilfebedarf alter Menschen auf, welche von der sozialrechtlichen Seite ausgeblendet wird.

Die IADL-Kriterien beziehen sich auf die Beeinträchtigung von Alltags-aktivitäten, welche zur ersten Einschränkungen der Selbstständigkeit führen (vgl.

Bundesamt für Statistik, 2014a). Mit der Erhebung von IADL-Kriterien wird vor allem der Unterstützungsbedarf von Hilfe erkennbar. François Höpflinger unter-scheidet Hilfeleistungen in zwei Kategorien. Die eine Kategorie bezieht sich auf die praktische Hilfe (Reparaturen, Gartenhilfe, Einkäufe, Wohnreinigung), die andere Kategorie ist die administrative Hilfe (Hilfe mit Ämtern und Behörden, Ausfüllen von Formularen, Erledigen von finanziellen und rechtlichen Angele-genheiten) (Höpflinger, 2011, S. 44). Sie schärfen den Blick für den Unterstüt-zungsbedarf von älteren Menschen, welche in einigen Alltagsaktivitäten auf Hilfe angewiesen sind, ohne pflegebedürftig zu sein.

Die Unterscheidung zwischen basalen und instrumentellen Einschrän-kungen der Alltagsaktivitäten macht deutlich, dass ein grosser Teil der älteren Menschen in der Schweiz von der sozialrechtlichen Regulierung der Unterstüt-zung ausgeschlossen ist. Die Gesundheitsstatistik 2014 zeigt, dass 20 Prozent der in einem Privathaushalt lebenden Personen ab 65 Jahren nicht mehr fähig sind, selbstständig eine oder mehrere instrumentelle Aktivitäten durchzuführen. Bei der Unterstützung handelt es sich um Formen informeller Hilfe 5: Hilfe im Haushalt

5 Informelle Hilfe bezeichnet nicht-pflegerische Unterstützung in alltäglichen Aktivitäten. Die in-formelle Hilfe findet in den Privathaushalten statt. Geleistet wird sie entweder von Angehörigen, Freunden oder Bekannten (vgl. Bundesamt für Statistik, 2014b, S. 82). Welche Akteure wie viel informelle Hilfe anbieten, ist unterschiedlich und ist von weiteren Faktoren (Zeit, Finanzen, Wohnort, Familiensituation usw.) abhängig.

(65%), Einkäufe (57%), moralische Unterstützung (41%), Fahrdienste (38%), Mahlzeiten (31%) und Kranken- oder Körperpflege (29%)6 (Bundesamt für Sta-tistik, 2014b, S.  82). Bei 80-jährigen und älteren Personen treten solche Ein-schränkungsformen drei Mal häufiger auf (ebd., S. 62). Besonders sind schwere Hausarbeit, Einkäufe und die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausschlagge-bend. Mehr als zwei Fünftel der über 85-Jährigen können keine schweren Hausar-beiten mehr leisten. Ein Sechstel ist bei leichten HausarHausar-beiten auf Unterstützung angewiesen. Knapp ein Viertel der Altersgruppe kann nicht mehr selbstständig Wäsche waschen, einkaufen oder ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen. Die Einschränkungen in den instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens über-treffen diejenigen der Beeinträchtigung basaler Alltagsaktivitäten (vgl. ebd.).

Aus der Beeinträchtigung instrumenteller Alltagsaktivitäten folgt nicht direkt die Aufnahme in ein Alters- oder Pflegeheim. Oft ermöglichen Hilfeleistun-gen durch Angehörige, die Spitex oder engagierte Seniorengruppen den Verbleib in der eigenen Wohnung. In der Schweiz leben fast 80 Prozent aller Männer und Frauen zwischen 84 und 89 Jahren noch zu Hause (vgl. Bundesamt für Statistik, 2014b, S. 62). Eine grosse Mehrheit der älteren Bevölkerung und eine deutliche Mehrheit der zu Hause lebenden hochaltrigen Menschen sind in ihren basalen Alltagsaktivi-täten nicht eingeschränkt (Höpflinger, 2011, S. 43). Daraus lässt sich schliessen, dass der ambulanten Hilfeleistung bei den instrumentellen Aktivitäten eine zen-trale Bedeutung zukommt (vgl. Perrig-Chiello & Höpflinger & Schnegg, 2010).

Des Weiteren spielt das informelle und damit auch das familiäre Umfeld eine wichtige Rolle. 52  Prozent der informellen Hilfeleistungen werden durch die Partnerin oder den Partner, 31 Prozent durch die Kinder, 19 Prozent durch die Eltern und 20 Prozent durch die übrigen Familienmitglieder erbracht. Der Beitrag von Nachbarn, Bekannten und Freunden ist mit 18  Prozent ebenfalls bedeutend (vgl. Bundesamt für Statistik, 2014b, S. 82). Daraus lässt sich schlie-ssen, dass in Privathaushalten die familiale Unterstützung in der Altershilfe von entscheidender Bedeutung ist.

Die zwei unterschiedlichen Einschränkungsmodelle von Alltagsaktivitäten lassen sich nur schwer voneinander trennen. Oft sind die Einschränkungsarten miteinander verknüpft und erscheinen gemeinsam. Die öffentliche Hand fokus-siert primär auf den Bereich Alterspflege und lässt damit einen wichtigen Bereich der Unterstützung älterer Menschen aussen vor. Daraus folgt, dass die Unter-stützungsangebote der öffentlichen Hand den tatsächlichen Hilfebedarf älterer Menschen in der Schweiz nicht decken.

6 Mehrere Antworten waren möglich.

1.4 Betreuung im Kontext der Pflegebedürftigkeit

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