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Betreuung im Kontext der Pflegebedürftigkeit betagter Menschen

Im Dokument in der Schweiz (Seite 54-60)

Gesellschaftliche Organisation der Betreuung im Alter in der Schweiz

1.4 Betreuung im Kontext der Pflegebedürftigkeit betagter Menschen

Die obigen Ausführungen zeigen deutlich auf, dass die Beurteilungskriterien der Hilflosigkeit einer älteren Person ausschliesslich pflegerischer Natur sind.

Nicht-pflegerische Aspekte werden zur Einschätzung der Hilflosigkeit nicht berücksichtigt. In Bezug auf die Betreuung zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Betreuung von Betagten wird ebenfalls mit der Pflegebedürftigkeit von älteren Menschen aktuell. Ähnlich wie die Altershilfe stehen betreuerische Leistungen in Abgrenzung zu pflegerischen Unterstützungsaufgaben. Möchte man die Unter-stützungsformen konzeptionell trennen, so lassen sich inhaltlich Altershilfe und Betreuung gemeinsam der Alterspflege gegenüberstellen.

Weder auf der rechtlich-politischen Ebene noch in der alltäglichen Pra-xis erfolgt eine klare Bestimmung, was unter Betreuung zu verstehen ist. Nach einer Sichtung der Fachliteratur fällt ebenfalls auf, dass Betreuung als Unterstüt-zungsform für Betagte nicht festgelegt ist. Die Definitionslosigkeit ist auch in den betroffenen Berufsbildern Fachangestellte Betreuung, Fachangestellte Gesundheit oder Assistentin und Assistent Gesundheit und Soziales anzutreffen. In den jewei-ligen Aufgabenprofilen bleiben betreuerische Tätigkeiten unspezifisch.

Die mangelhafte Grundlage lässt eine substantielle Definition von Betreu-ung nicht zu. Um trotzdem Aussagen über die BetreuBetreu-ung zu treffen, thematisie-ren die folgenden Unterkapitel den Gegenstand aus einer problemorientierten Perspektive. Anhand einer Auswahl von Studien wird im Folgenden aufgezeigt, in welchen Zusammenhängen Betreuung thematisiert wird und welche Probleme sich daraus ergeben. Durch die vage Festlegung von Betreuungsaufgaben besteht nicht nur eine Unsicherheit für Leistungsempfangende und -erbringende (1.4.1), sondern es kann im Rahmen der ungedeckten Restkostenfinanzierung zu finanzi-eller Mehrbelastung auf Seiten der unterstützungsbedürftigen Personen kommen (1.4.2). Weil der öffentlichen Hand ein Konzept zur Regulierung von Betreuungs-leistungen fehlt, bieten gemeinnützige und erwerbswirtschaftliche Unternehmen Dienstleistungen im Bereich Betreuung an. Eine erste Sichtung der Angebote ermöglicht eine konkretere Vorstellung, welche Aufgaben unter Betreuung fallen (1.4.3). Die unsystematische Verwendung des Begriffs Betreuung erschwert die Definition von Betreuungsleistungen. Diese Herausforderung wird im abschlie-ssenden Unterkapitel (1.4.4) verdeutlicht.

1.4.1 «Betreuungszulagen» als finanzielle Beiträge für Angehörige Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Thema Betreuung bietet die schweiz-weite Bestandsaufnahme von Betreuungszulagen und Entlastungsangeboten für betreuende und pflegende Angehörige 2014. Unter Betreuungszulagen sind regel-mässige Geldbeiträge zu verstehen, welche hilfe- oder pflegeleistende Angehörige von Gemeinden, vom Kanton oder von NGOs bekommen. Die Beiträge sind unterschiedlich hoch und werden nur von vereinzelten Gemeinden und

Kanto-nen angeboten. Unter Entlastungsangebote fallen verschiedene Dienstleistungen, welche Angehörige in ihrer Hilfs- oder Pflegetätigkeit unterstützen sollen. Dar-unter sind Angebote der Beratung und Information im Bereich Pflege und Hilfe von Angehörigen zu verstehen. Oder es sind Angebote, in welchen betreuende und pflegende Angehörige befähigt werden, Aufgaben der Gesundheitsversorgung ihrer Nächsten zu übernehmen.

Im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) führte Careum For-schung und das Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS eine Stu-die durch. Aus der kursorischen Sichtung geht hervor, dass Betreuungszulagen mit «gesellschaftlichen Werthaltungen und Vorstellungen von wünschenswertem Handeln» (Bischofberger et. al., 2014, S. 26) eng verknüpft sind. Insgesamt ver-fügen fünf Kantone und mindestens elf Gemeinden über ein Modell für Betreu-ungszulagen.

In der Konzeptanalyse von Betreuungszulagen und Unterstützungsange-boten für Angehörige hebt die Autorenschaft drei inhaltliche Facetten von Betreu-ung hervor. Erstens bezieht sich BetreuBetreu-ung auf haushaltsbezogene Tätigkeiten, auf die Förderung des sozialen Austauschs, auf die Hilfe bei administrativen Ver-richtungen und auf körpernahe Handreichung (Unterstützung bei der Körper-pflege). Zweitens verlieren die Betreuungsleistungen je nach Versicherungsschutz an Schärfe. Gerade bei Massnahmen der Grundpflege von Spitex-Organisationen im Rahmen der KLV oder bei Tätigkeiten von Assistenzpersonen im Rahmen des IVG lassen sich die Betreuungsaufgaben von Pflegeaufgaben nicht mehr klar abgrenzen (vgl. Bischofberger et. al., 2014, S. 44 ff.). Drittens sind betreuende Angehörige arbeitsteilig organisiert: sie sind mit anderen bezahlten oder unbe-zahlten Personen für die Betreuung der betagten Person zuständig (Kombipflege).

Je nach Gemeinde und Reglement kommen für den Begriff Betreuungs-zulage unterschiedliche Bezeichnungen (Anerkennungsbeitrag, Entschädigung Angehöriger) zum Einsatz (vgl. Bischofberger et. al., 2014, S. 26). Die Vergütung ist verschieden. Mancherorts sind es Pauschalbeträge, anderenorts Stundenan-sätze. Aus der Konzeptanalyse geht hervor, dass der Begriff «Betreuungszulagen»

den Sachverhalt nur unzureichend beschreibt. Aus diesem Grund schlagen die Verfasserinnen und Verfasser vor, den Begriff Betreuungszulage mit «finanzielle Beiträge für Angehörige» zu ersetzen. Ein wesentlicher Grund dafür ist die unver-bindliche Definition und uneinheitliche Beschreibung und Bestimmung des Auf-gabenprofils der Betreuung. Eines der Hauptprobleme liegt in der mangelnden Regelung von Betreuungsaufgaben beziehungsweise von Betreuungsbedürftigkeit in der Schweizer Gesetzgebung. Betreuung taucht meistens in Abgrenzung zur Pflege auf. Unter Betreuung versteht man in diesem Zusammenhang nicht-ver-gütbare Leistungen in der KLV, das Aufgabenspektrum ist demzufolge sehr weit gefasst und nicht abschliessend ausformuliert.

1.4.2 Bereich Betreuung als Auffangbecken ungedeckter Restkosten?

Die begriffliche Unklarheit von Betreuung, ist auch in der pflegerechtlichen Debatte zur Umsetzung der Pflegekostenfinanzierung in Pflegeheimen ersichtlich.

Wie in 2.4.1 beschrieben, muss der Kanton Pflegekosten übernehmen, welche die maximalen Beiträge von den Betroffenen und der OKP übersteigen.

Der Kanton regelt diese ungedeckten Pflegekosten in Form der Restfinanzie-rung. Mittlerweile haben alle Kantone eine Höchstgrenze der Restfinanzierung eingeführt (vgl. Sozialkommission des Nationalrats, 2012, S. 7). In sechs Kan-tonen wurde die Zuständigkeit den Gemeinden übertragen. Pflegeheime sollen dadurch motiviert werden, die Einrichtungen möglichst wirtschaftlich zu führen und die Pflegekosten einzudämmen. Diese Höchstgrenze, auch als Normkosten bezeichnet, gestaltet sich erstens in den Kantonen sehr heterogen und zweitens orientierten sich Normkosten an einem Referenzwert. Folglich gibt es Pflegeein-richtungen, deren Kosten die Normkosten übersteigen, also vom Referenzwert abweichen. Einige Kantone haben bisher die Regelung der Fälle, in welchen die Pflegekosten über den Normkoste liegen, unterlassen (vgl. Rosenkranz & Mei-erhans, 2013, S. 77). Dadurch fehlt es zum Teil an gesetzlichen Durchsetzungs-grundlagen und Verpflichtungen, ungedeckte Restkosten zu übernehmen. Für die Kostenübernahme kommen aber nur die Pflegeeinrichtungen selbst oder deren Trägerschaften in Betracht. Sowohl für private als auch öffentliche Pflegeheime ist die Übernahme von ungedeckten Restkosten allerdings nur schwer möglich.

Zudem ist davon auszugehen, dass keine Einrichtung ungedeckte Restkosten aus-weisen möchte (vgl. ebd., S. 79). Weshalb? Normkosten bezeichnen nicht nur die Kostengrenze, sondern geben die Grenze der Wirtschaftlichkeit wieder. Wirt-schaftlichkeit ist insofern ein wichtiges Kriterium, da sich Pflegeeinrichtungen verpflichten, Leistungen möglichst wirtschaftlich zu gestalten (vgl. Art. 32 AbS. 1 KVG). Ungedeckte Restkosten gelten demnach als unwirtschaftlich, weil sie die Grenze der Wirtschaftlichkeit übersteigen. Heime geraten dadurch unter Druck, weil sie der gesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommen.

Fassen wir zusammen: Erstens können Pflegeheime die Finanzierung ungedeckter Restkosten auf Dauer nicht selbst tragen. Zweitens besteht mangels gesetzlicher Grundlage keine Möglichkeit, Kantone und Gemeinden für die Kos-tenübernahme zu verpflichten. Drittens ist es den Pflegeheimen nicht möglich, die Kosten offiziell den Bewohnerinnen und Bewohner in Rechnung zu stellen, da es eine gesetzliche Limitierung der Bewohnerbeiträge gibt. Die Konsequenz:

Wie mehrere Pflegeheime bestätigen, besteht die Praxis, die ungedeckten Pfle-gekosten auf die Betreuungstaxen abzuwälzen (vgl. Rosenkranz & Meierhans, 2013, S.  81). Die Regelungslücke hat zur Folge, dass der Bereich Betreuung dazu verwendet wird, andere anfallende Kosten aufzufangen. Relevante Kos-tenblöcke im administrativen und organisatorischen Bereich (Strukturzeit) und Hilfkostenstellen (Gebäude, Verwaltung, Hausdienst usw.) werden indirekt von den Bewohnerinnen und Bewohnern finanziert. Da es für diese Praxis

eben-falls keinen einheitlichen branchenübergreifenden Aufteilungsschlüssel gibt, können sich die Kosten für Bewohnerinnen und Bewohner verschiedener Ins-titutionen um bis zu 25 Prozent unterscheiden. Diese unklare Regelung kann für die Betroffenen erhebliche finanzielle Auswirkungen haben (vgl. ebd., S. 81).

Den Ursprung dieses Problems lokalisieren Ruth Rosenkranz und Stefan Meierhans im Gesetz selbst. Art. 7 Abs. 2 KLV unterteilt zwar die Leistungen in Kategorien, es fehlt jedoch eine detaillierte Definition der gesamten KVG-Pflege, welche über den KVG-Leistungskatalog hinausgeht. Denn gemäss Ruth Rosen-kranz und Stefan Meierhans lassen sich einige Leistungen nicht klar zuordnen.

Darüber hinaus lässt es die fehlende beziehungsweise unzureichende Regelung der Restfinanzierung zu, Strukturkosten auf die Bewohnerinnen und Bewohner abzuwälzen. Gemäss FDP-Ständerätin Christine Egerszegi wurden mit der Neu-ordnung der Pflegefinanzierung Fehlanreize für Pflegeeinrichtungen geschaffen, welche zu einer Mehrbelastung der Heimbewohnerinnen und -bewohner geführt hat (Spitex Magazin, 2015a).

2011 trat das neue Regime in Kraft, inzwischen haben alle Kantone die Restfinanzierung geregelt. Allerdings in einer grossen Variati-onsbreite, selbst für die föderalismusgewohnte Schweiz. Mal legt der Kanton die Höhe der Restfinanzierung fest, mal die Gemeinden. Mal zahlt der Kanton, mal die Gemeinden, mal beide zusammen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) kam 2013 zum Schluss, die Umset-zung der Pflegefinanzierung sei ‹interkantonal kaum koordiniert›. Bei der Restfinanzierung gebe es «Umsetzungsschwierigkeiten». Auch der Preisüberwacher, Stefan Meierhans, schaltete sich früh ein, weil er eine Kostenabwälzung auf die Betagten beobachtete. Die Heime hätten Anreize, Pflegekosten auf Betreuungs- und Hotellerietaxen umzula-gern, kritisiert Meierhans nach wie vor: «Das ist für die Bewohner schlimm und ungerecht.» An einigen Orten mussten seither Gerichte klärend eingreifen. (Spitex Magazin, 2015a)

Mittlerweile wurde dieses Unbehagen in Form einer parlamentarischen Initia-tive «Nachbesserung der Pflegefinanzierung» von Ständerätin Christine Egerszegi behandelt. Sowohl die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates als auch der Bundesrat sieht keinen Bedarf, die Betreuungskosten kla-rer von anderen Kosten abzugrenzen. Nach ihkla-rer Auffassung ist es Aufgabe der Kantone, zu kontrollieren, dass die Kostenrechnungen der Leistungserbringer die Betreuungskosten korrekt aufführen.

1.4.3 Betagtenbetreuung als neuer Wirtschaftszweig?

Aus sozialrechtlicher Sicht gibt es keine Bestimmungen, welche den Rahmen für die Betreuungsleistungen setzen. Der einzige Rahmen ergibt sich in der

Abgren-zung zur versicherungsrechtlichen Regelung der Pflegebedürftigkeit, indem betagte Personen für betreuerische Leistungen selbst aufkommen müssen. Der Rückzug der öffentlichen Hand im Bereich Betreuung ermöglicht gemeinnützi-gen und gewinnorientierten Unternehmen, betreuerische Dienstleistungemeinnützi-gen anzu-bieten. Im Gegensatz zur pflegerischen Leistungserbringung sind für betreueri-sche Leistungen keine speziellen Lizenzen nötig.

Nach einer ersten Durchsicht des Angebotsspektrums einiger gemeinnüt-ziger und erwerbswirtschaftlicher Leistungserbringenden ergeben sich folgende Ergebnisse: Die betreuerischen Dienstleistungen umfassen Aufgaben nicht kassen-pflichtiger Leistungsarten. Dazu zählen: Hauswirtschaftliche Tätigkeiten, Sozialer Austausch, Mitgestaltung der Tagesstrukturen, Begleitung, Handreichung für die Körperpflege, Sicherheit stiften, Überwachung, administrative Unterstützung.

So berichtet ein Projektleiter einer Betreuungsdienstleistung, dass die Grenze zwischen Betreuung und Pflege klar entlang der Liste der Krankenversicherung gezogen werde. Ein ähnliches Bild vermitteln zwei Leiterinnen zweier profitorien-tierter Betreuungsunternehmen. Die Leistungen fokussieren zum einen auf nicht medizinische Leistungen und zum anderen sind die Angebote als Ergänzung zu pflegerischen Tätigkeiten konzipiert. Die Zielgruppe besteht aus zu Hause leben-den, älteren Menschen mit nicht-pflegerischem Unterstützungsbedarf in unter-schiedlichen Alltagsaktivitäten.

1.4.4 Betreuung: Ein unbestimmter Begriff

In der sozialpolitischen Auslegung der Altersbetreuung versteht man grundsätzlich Leistungen die nicht unter pflegerische und kassenpflichtige Leistungen fallen. Zu den Betreuungsaufgaben zählen Tätigkeiten, die über den pflegerischen-medizini-schen Rahmen hinausgehen. Eine grundsätzliche inhaltliche Bestimmung wie die KLV-Liste der Pflegebedürftigkeit ist nicht möglich. Im Gegensatz zur Pflegebe-dürftigkeit besitzt die Betreuung eine prinzipielle Offenheit von Leistungen, die in Bezug auf betreuerische Unterstützung möglich sind.

Der unbestimmte Charakter von Betreuung schlägt sich auch in der sozi-alrechtlichen Regulierung von Altershilfe und Alterspflege nieder. Der Begriff Betreuung taucht nur selten in Gesetzgebungen und Verordnungen auf. Es sind keine Kriterien auffindbar, welche Betreuung rechtlich bestimmen würden.

Immerhin taucht Betreuung als Begriff im ELG auf. Der Artikel 14 AbS. 1 b ELG sieht vor, dass die Kantone Ergänzungsleistungen für Hilfe, Pflege und Betreuung zu Hause und in Tagesstrukturen vorsehen. Was unter betreuerischen Leistungen fallen würde, bleibt offen. Konsultiert man die kantonalen Gesetzgebungen und Verordnungen ergibt sich ein ähnliches Bild. In wenigen kantonalen Verordnun-gen ist Betreuung näher bestimmt. Eine vertiefte Auseinandersetzung ermöglicht die Verordnung über die Pflegeversorgung im Kanton Zürich. So unterscheidet die Verordnung im stationären Aufenthalt beim Leistungsangebot zwischen All-tagsgestaltung und Betreuung. AllAll-tagsgestaltung umfasst fünf unterschiedliche Bereiche (unter anderem die Organisation kultureller und sozialer Anlässe, die

Förderung sozialer Kontakte, die Rücksichtnahme auf religiöse und spirituelle Bedürfnisse). Hingegen umfasst Betreuung «notwendige individuelle Leistungen»

(§ 6b Verordnung über die Pflegeversorgung). Im ambulanten Bereich unter-teilt die Verordnung nicht-pflegerische Leistungen in hauswirtschaftliche und betreuerische Leistungen (§ 7 Verordnung über die Pflegeversorgung). Obschon der Begriff der Betreuung in der Verordnung Erwähnung findet, bietet er weder im stationären Aufenthalt noch im ambulanten Bereich eine aufschlussreiche Klärung betreuerischer Leistungen. Nach Einschätzung eines Pflegerechtsexper-ten sind Ansätze einer Betreuungsregulierung nur sehr schwach vorhanden. Die rechtlichen Bestimmungen zum Thema Altersbetreuung bleiben kryptisch und bieten einen grossen Interpretationsspielraum.

Aus Gesprächen mit einem Pflegerechtsexperten geht hervor, dass man in der Schweiz kein gesamtschweizerisches Betreuungskonzept habe (wie das bei der Pflege der Fall ist), in dem definiert ist, welche Versicherungsleistungen bezahlt werden, welche Ansprüche und Subventionen geltend gemacht werden können.

Ebenso ist die Angehörigenbetreuung nicht geregelt, sondern kommt einem Bruchstückwerk gleich.

Für die undeutliche und bruchstückhafte Regelung der Betreuungsaufga-ben steht exemplarisch die Studie der «Betreuungszulagen und Entlastungsange-bote für betreuende und pflegende Angehörige» (Bischofberger et. al., 2014). Die mangelnde sozialrechtliche Regulierung bringt auf kantonaler und kommunaler Ebene eine vielfältige und divergierende Auslegung der Betreuungsleistungen her-vor. Elisabeth Ryter und Marie-Louise Barben (Ryter & Barben, 2015) bezeich-nen Betreuung als Sammelbecken für alle Unterstützungsleistungen, die nicht dem Leistungskatalog der KLV entsprechen. Die Unschärfe wiederspiegelt sich ebenfalls in der Auseinandersetzung mit der Restkostenfinanzierung. Wobei deut-lich wird, dass die unterschieddeut-liche Auslegung, welche Leistungen unter Betreu-ung fallen und welche nicht, unterschiedlich hohe Kosten für die LeistBetreu-ungsemp- Leistungsemp-fangende verursachen kann.

An Konturen gewinnt der Begriff «Betreuung» erst mit Blick auf das Betreuungsangebot von privat gemeinnützigen und privat gewinnorientierten Leistungserbringenden. Die Dienstleistungen sind dazu gedacht, den Alltag von betagten Menschen zu gestalten. Gemeinsame Aktivitäten werden ausgeübt (bei-spielsweise Kartenspielen, Vorlesen) und der soziale Austausch gefördert. Haus-wirtschaftliche Arbeiten sind im Angebot wie auch die Begleitung beim Einkauf oder an soziale oder kulturelle Veranstaltungen. Unterstützung wird geboten im administrativen Bereich und in der Körperpflege (Handreichung). Die erwähn-ten Leistungsbereiche sind den Leistungen instrumenteller Alltagsaktivitäerwähn-ten der Altershilfe ähnlich (vgl. 4.3). Als Hypothese lässt sich anbringen: In der Schweiz deckt sich die Beschreibung von Betreuungsleistungen mit dem Verständnis von Altershilfe, sofern es um die Unterstützung bei Beeinträchtigungen instrumentel-ler Alltagsaktivitäten handelt. Genau genommen handelt es sich primär um die informelle Altershilfe, welche vom sozialen Umfeld getätigt wird. Zur Illustration

dieser These kann die Definition von Betreuung von Antonia Jann, Geschäftsfüh-rerin der age-Stiftung im Kontext der age-Wohnmatrix angeführt werden.

Service- oder Betreuungsleistungen unterstützen ältere Menschen bei der Bewältigung instrumenteller Aktivitäten des täglichen Lebens (IADL). Diese Unterstützungsleistungen werden häufig aus dem fami-liären oder sozialen Netzwerk erbracht. Es stehen jedoch zunehmend auch professionelle Dienstleister im privaten Wohnumfeld zur Verfü-gung. Unterschiedlich wird die Abrechnung von Betreuungsleistungen gehandhabt. Während in einigen Ländern (zum Beispiel Deutschland) Betreuungsleistungen in geringem Umfang von der Pflegeversicherung abgedeckt werden, fehlt in anderen Ländern (zum Beispiel Schweiz) eine systematische finanzielle Unterstützung von Hilfeleistungen.

(Jann, 2013, S. 165)

1.5 Die Bedeutung nicht-pflegerischer Unterstützungsleistungen

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