2 ABWASSER- UND ABGASMANAGEMENT
2.2 Managementinstrumente
2.2.4 Sicherheits- und Notfallinstrumente
Da an allen Chemiestandorten das Potenzial für beträchtliche Schädigungen der Umwelt und die Bedrohung der Wasserversorgung und der öffentlichen Gesundheit besteht, müssen Maßnahmen zur weitestgehenden Vermei-dung der Risiken ergriffen und auf Unfälle so reagiert werden, dass die Auswirkungen minimiert werden. Des-halb ist es Aufgabe der Ingenieure, die Anlagen so auszulegen und zu betreiben, dass keine Unfälle auftreten können, gleichwohl es einschlägige Erfahrung ist, dass dies nicht in allen Fällen erfolgreich bewerkstelligt wird.
Unbeabsichtigte Freisetzungen von Chemikalien und Öl stellen bei Chemiestandorten offensichtliche Bedro-hungen dar. Allerdings können auch Stoffe, die für den Menschen nicht gefährlich sind, schwerwiegende U m-weltprobleme verursachen, wie z. B. das bei einem Brandereignis anfallende Löschwasser. Der Umweltschaden kann lange andauern, im Falle von Grundwasser kann er Jahrzehnte oder gar länger anhalten. Flüsse, Kanäle, unterirdische Leitungen, Entwässerungen, Wasserverteilungssysteme und andere Versorgungs-/Entsorgungssysteme sind vorhandene Wege für den Schadstofftransport in die Umwelt und die Auswirkungen einer Einleitung können in einiger Entfernung vom Standort auftreten. In vielen Fällen können große Umwelt-schadensfälle durch vorhandene oder unmittelbar verfügbare und geeignete Vermeidungsmaßnahmen vermie-den wervermie-den. Der Gefahrenabwehrplan ist der Schlüssel zum Erfolg und sowohl Vermeidungsmaßnahmen als auch Strategien zur Beherrschung von Störfällen müssen als Managementinstrument sorgfältig ausgearbeitet werden [cww/tm/147].
Durch Betriebsstörungen bedingte Freisetzungen von Gas in die Umwelt sind durch geeignete Sicherheitsein-richtungen und sorgfältigen Betrieb der Anlagen zu vermeiden, da in den meisten Fällen gasförmige Emissio-nen nicht erfasst werden könEmissio-nen. Ausnahmen bestehen bei leicht wasserlöslichen Gasen wie Säuren oder A m-moniak, die mit einem Wasservorhang niedergeschlagen werden können und so zu einem Gegenstand der Ab-wasserbehandlung werden.
Schadstoffe können von einem Standort über eine Reihe von Wegen in die aquatische Umwelt gelangen, wie [cww/tm/147]:
über die Oberflächenwasserentnahmesysteme des Standorts, entweder direkt oder über externe Oberflä-chenwasserkanalisationen
direkter Abfluss in nahe Wasserläufe oder auf den Boden mit dem potenziellen Risiko der Grundwasser-kontamination
über ein undichtes Entwässerungssystem mit Schadstoffen, die die Kläranlage entweder unverändert durch-laufen oder ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, was zu weiteren Umweltschäden führt
über atmosphärische Deposition, wie Dampfschwaden.
2.2.4.1 Management von Löschwasser und von bedeutenden unbeabsichtigten Freiset-zungen
Das Hauptaugenmerk beim Management von Löschwasser und unbeabsichtigten Freisetzungen gilt den Auf-fangraumstrategien und den Einrichtungen zur Bewältigung dieser Freisetzungen. Es sollten jedoch auch andere Managementinstrumente wie betriebliche und strategische Instrumente in Betracht gezogen und durch Gefah-ren- oder Schadensfallabwehrpläne unterstützt werden (siehe Abschnitt 2.2.4.2), um die Auswirkung jeglichen unvorhergesehenen Ereignisses zu reduzieren [cww/tm/147].
Der erste Schritt besteht jedoch in den Brandbekämpfungsstrategien und in möglichen Verfahren zur Reduzie-rung der anfallenden Löschwassermenge, z. B. durch Einsatz von Sprühnebel anstelle von Wasserstrahlen, durch die Kontrolle des Brandes und möglicherweise durch Recycling des Löschwassers, wo dies sicher und praktikabel ist [cww/tm/147].
Abschnitt 2.2.3.1). Der Betreiber sollte dazu die am Standort vorhandenen gefährlichen Stoffe, die Risiken durch Unfälle, Feuer, Überschwemmungen und mutwillige Zerstörung, das mögliche Versagen der primären Auffangsysteme (d. h. der Tank oder Behälter, in dem der Stoff gelagert wird), die Empfindlichkeit der betref-fenden Umweltverhältnisse und die Bedeutung der Vermeidung jeglicher resultierender Emissionen in die Umwelt in Betracht ziehen.
In vielen Fällen verhindert das primäre und anlagenbezogene Auffangsystem (Tanktassen) die von einem Er-eignis potenziell ausgehenden Umweltverschmutzung. Allerdings können dort, wo ein anlagenbezogenes Auf-fangsystem nicht zur Verfügung steht oder die Risikobewertung die Erfordernis zusätzlicher Sicherheitsmaß-nahmen ergibt, z. B. zum Auffangen von abfließendem Löschwasser in einer Menge von bis zu mehreren tau-send Kubikmetern, zentrale Auffangsysteme zum Einsatz kommen. Diese können unabhängig oder in Kombina-tion mit den anlagenbezogenen Auffangsystemen eingesetzt werden. Dies gilt für jegliche Freisetzungen von einer kleinen Fläche, für einen Teil des Standorts bis hin zu einer Reihe von großen einzelnen Anlagen. Sie können zum Schutz sowohl von Oberflächenwasser- als auch von Abwasserkanalisationssystemen erforderlich sein [cww/tm/147].
Bei der Bewässerung eines zentralen Auffangsystems muss folgendes berücksichtigt werden:
Die potenzielle Schadwirkung des verunreinigten Löschwassers (Bewertungsverfahren auf der Grundlage der R-Sätze können angewendet werden sowie Systeme wie das deutsche VCI-Konzept für die Löschwas-ser-Auffangkapazität, wenn die entsprechende Gefährdungsklasse gegeben ist)
die anlagenbezogene Kapazität (d. h. die Kapazität des Behälters, in dem die Lagerung oder der Umgang des Stoffes erfolgt)
die potenzielle Regenwassermenge im Laufe eines unvorgesehenen Ereignisses
Lösch- und Kühlwasser
Schaum (als Brandbekämpfungsmittel)
dynamische Vorgänge, wie anfängliche flüssigkeits- oder windbedingte Wellen Zentrale Auffangsysteme können bestehen aus:
Auffangteichen (oder Erdbecken), wenn die Topographie des Standorts und die Untergrund- und Boden-verhältnisse dafür geeignet sind und die Teiche nachhaltig undurchlässig sind
für diesen Zweck errichtete Tanks; ihre gegebene Größe, Bemessungsnormen und Schutzausrüstungen wer-den durch die Risikobeurteilung des Standorts, die Aufenthaltsdauer und durch Menge und Art des gespei-cherten Mediums beeinflusst
Verschlussventile und Wehre, die manuell betrieben oder mittels automatischen Sensoren angesteuert wer-den, um einen Teil des Gesamtstandorts abzutrennen
Ölabscheider
Obwohl bei vielen Standorten ständig verfügbare Auffangeinrichtungen vorhanden sein sollten, können Um-stände auftreten, durch die eine unbeabsichtigte Freisetzung von Stoffen mit solchen Einrichtungen nicht be-herrscht werden kann, z. B. wenn sie außerhalb eines Auffangbereiches auftritt. In anderen Fällen, besonders bei kleineren Standorten, können Löschwasserauffangeinrichtungen aus Kosten- und Platzgründen undurch-führbar sein. In diesen Fällen sollen vorübergehende Auffangsysteme oder Materialien zur Verminderung der Verschmutzung in Betracht gezogen werden [cww/tm/147].
Beispiele für Auffangmaßnahmen in Notfällen beinhalten [cww/tm/147]:
Flächen, die geopfert werden und so bemessen sind, dass eine Infiltration möglich und ein Abfluss vermie-den wird. Sie sind zur Vermeidung der Schadstoffausbreitung in andere Bovermie-denschichten oder in Grundwas-ser mit einem undurchlässigen Dichtungsbahnsystem ausgerüstet
Aufkantung von Parkflächen und anderen befestigten Abstellflächen
Gruben und Gräben, die mit einer Dichtungsbahn ausgestattet sind, besonders in Gebieten, in denen leicht eine Grundwasserbeeinträchtigung eintreten kann
mobile Tanks, überzählige Fässer und Tankfahrzeuge Notfallmaterialien und –ausrüstung
Bei Notfällen ist eine Vielzahl von Produkten zur Beherrschung von unbeabsichtigten Freisetzungen oder zum Auffangen von Freisetzungen in Auffangbereichen verfügbar. Jegliche verwendete Materialien oder Ausrüstung
rung des Einsatzzwecks deutlich ausgewiesen sind. Der Umweltschadensfall-Abwehrplan (siehe Abschnitt 2.2.4.2) sollte Einrichtungen zur Vermeidung von Umweltverschmutzung sowie Materialien mit deren örtlicher Lage festlegen. Solche Materialien oder Einrichtungen sind [cww/tm/147]:
Sand und Erde zum Aufsaugen von ausgelaufenem Öl und Chemikalien und Einsatz von Sandsäcken
beschaffte Absorptionsmittel
Einrichtungen und Stoffe zur Abdichtung von beschädigten Tanks
Kanalabdichtungen
Sperren
Es sollten Maßnahmen zur baldmöglichsten Entsorgung jeglicher unbeabsichtigter Freisetzungen, verunreini g-tem Material oder Löschwasser vorgesehen werden. Wenn eine Wiederverwendung möglich ist, sollte das un-beabsichtigt freigesetzte Material in eine am Standort verfügbare Lagereinrichtung zurückgeführt werden. So-fern eine externe Entsorgung erforderlich ist, kann dies erfolgen durch [cww/tm/147]:
einen gewöhnlichen Abfalltransporteur
Einleitung in den Schmutzwasserkanal mit Zustimmung des Kläranlagenbetreibers
Behandlung von Kohlenwasserstoff belastetem Wasser mittels Ölabscheider vor Ort
2.2.4.2 Umweltschadensfall-Abwehrplan
Ein Umweltschadensfall-Abwehrplan, wie er mehrmals in Abschnitt 2.2.4.1 erwähnt wird, besteht hauptsäch-lich aus einer Strategie zur Weitergabe aller erforderhauptsäch-lichen Informationen auf wirksamste Art und Weise an all jene, die zuständig sein könnten. Der allgemeine Weg zur Einführung eines solchen Plans besteht aus [cww/tm/148]:
Zurverfügungsstellung von Details über den Standort an jene, für die der Plan von Bedeutung ist
Auflistung der wichtigsten Telefonnummern, wie Notfalldienste, zuständige Vertreter der Umweltbehörde, örtliche Wasserversorgung und Kläranlagenbetreiber, Zuständige für Gesundheit, Sicherheit und Umwelt, Schließdienst und Ansprechpartner, Fachberater
Vorliegen eines Kanalisationsplans für den Standort, der eine übersichtliche Darstellung des Standorts ent-hält und der das Layout mit zugehörigen Details, die externen Einleitungsstellen für Oberflächenwasser und behandeltem Abwasser etc. zeigt
Zurverfügungsstellung einer Öl-, Chemikalien- und Produktbestandsaufnahme für alle Stoffe, die am Standort gelagert werden mit Angabe der zu erwartenden maximalen Lagermenge einschließlich zugehöri-ger Datenblätter
Details zur Verfahrensweise in Notfällen, die den Umfang der entsprechenden Aktivitäten und internen Zu-ständigkeiten sowie das Vorgehen beim Umgang mit Ereignissen wie der unbeabsichtigten Freisetzung von Stoffen oder undichten Tanks festlegt
Festlegung von Regeln für die Ausbildung der Beschäftigten und für regelmäßig durchzuführende Übungen Die Belegschaft und Fremdarbeiter des Standorts sollten diesen Plan ebenso gut kennen wie ihre Rolle bei Ein-tritt eines Schadensfalls.
Die beispielhafte Ausgestaltung eines solchen Umweltschadensfall-Abwehrplans ist in Anhang 7.5 wiederge-geben.