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Serbische Herrschaft und Serbisch-Orthodoxe Kirche

Im Dokument Die Serbisch-Orthodoxen in (Seite 47-53)

1. Historische Rahmungen – Glauben, Kirche, Herrschaft und Raum

1.2 Serbische Herrschaft und Serbisch-Orthodoxe Kirche

Die Serbisch-Orthodoxe Kirche entwickelte sich als autokephale Kirchenorga-nisation mit der im 13. Jahrhundert erstarkten serbischen Fürstenmacht. Beides hing mit der Schwächung des Oströmischen Reiches und seiner Kirche zusam-men. Im 12. Jahrhundert hatte sich in der Region Rascien/Raška unter Stefan Nemanja eine Fürstenmacht konsolidiert, die zunehmend in Richtung Südwes-ten nach Dioklea (Duklja, auch Zeta) an der Adria ausgriff und Ende des Jahr-hunderts auch die Gebiete Travunia und Hum im Westen an sich band.25 Der in Hum eingesetzte Statthalter (veliki župan/Großžupan) und Sohn Stefan

Neman-54–86; Krämer: Moving out 187–190; Kurz, Marlene: Christen unter islamischer Herrschaft:

Die zimmi-Verwaltung im Osmanischen Reich. In: Kahl, Thede/Lienau, Cay (Hg.): Christen und Muslime. Interethnische Koexistenz in südosteuropäischen Peripheriegebieten. Wien u. a.

2009, 85–96; Veinstein, Gilles: Religious institutions, policies and lives. In: Faroqhi, Suraiya/

Fleet, Kate (Hg.): The Cambridge history of Turkey. Vol. 2: The Ottoman Empire as a World Power, 1453–1603. Cambridge 2013, 320–355; Reinkowski: Die Dinge der Ordnung 17–19.

24 Vgl. zur »(Re-)Konfessionalisierung« in Südosteuropa in der tanzimat-Zeit, durch so-zialen Wandel im 19. Jahrhundert und mittels physischer Gewalt: Grandits, Hannes: »Euro-päisierung« im spätosmanischen Südosteuropa im 19. Jahrhundert. Von einer romantischen Idee zu rücksichtsloser Realpolitik. In: Themenportal Europäische Geschichte (2010). URL: http://www.europa.clio-online.de/2010/Article=438 (am 1.5.2015), 4–6.

25 Vgl. Fine: The early medieval Balkans 243–247; Ders.: The late medieval Balkans. Ann Arbor 1994, 2–9, 52–54.

Serbische Herrschaft und Serbisch-Orthodoxe Kirche 47 jas, Rastko, wanderte jedoch anstatt das Amt anzutreten auf den heiligen Berg Athos und ließ sich unter dem Namen Sabas (slav. Sav[v]a) zum Mönch weihen.

Als das Reich Nemanjas nach seinem Tod auseinanderzubrechen drohte, ge-lang seinen Söhnen Sava und Stefan Nemanjić (der Nemanja-Sohn) die Festi-gung der zentralen Fürstenmacht. Stefan ließ sich von einem päpstlichen Lega-ten zum ersLega-ten serbischen König krönen, weswegen er fortan der Erstgekrönte (prvovenčani) genannt wurde. Sava strebte nach kirchlicher Unabhängigkeit.

1219 reiste er zum Ökumenischen Patriarchen, der vor den Kreuzzügen der

»Lateiner« nach Nicea/Nikaia geflohen war, und erreichte die Autonomie des serbischen orthodoxen Bistums Rascien/Raška vom Erzbistum Achrida/Ohrid.

Savas darauffolgende Weihe zum Erzbischof von Raška war die Geburtsstunde der autokephalen Serbisch-Orthodoxen Kirche.26 Eine ähnliche Abspaltung vom Ökumenischen Patriarchat gelang anderthalb Jahrzehnte später (1235) auch der Metropolie von Tărnovgrad/Tărnovo, womit auch im Bulgarischen Reich die kurzfristige Bindung an Rom endete.27 Trotz der politischen Schwä-che Konstantinopels hatte Rom seine kirchliSchwä-che Stellung auf dem Balkan nicht dauerhaft ausbauen können. Stattdessen waren neben beziehungsweise zwi-schen Rom und Konstantinopel neue Kirchenorganisationen entstanden, die den orthodoxen Dogmen und Herrschaftstraditionen folgten, für sich jedoch vollständige kirchliche Unabhängigkeit reklamierten. Die Autokephalie ermög-lichte den slawischen Reichen, unabhängig Bischöfe zu ernennen, die wiederum bereits in der nächsten Generation eigene Könige und später gar Kaiser krönten.

Die separate Herrschaft wurde so langfristig sakral und mit Hilfe einer eigenen religiösen Organisation abgesichert.28

Bischof Sava gründete im Machtbereich seines Bruders zahlreiche neue Bis-tümer oder besetzte sie neu, darunter die westlichste Eparchie Hum mit Sitz in Stagno/Ston. Der Aufbau kirchlicher Strukturen ging damit mit der Insti-tutionalisierung der serbischen Königsmacht einher. Neben der administrati-ven Stärkung der Kirchenorganisation legte Sava auch die Grundlagen, um die christlichen Glaubensinhalte und -praktiken zu standardisieren und die Kirche

26 Zu Sava (Ras[t]ko) Nemanjić und seiner Zeit: Jireček: Geschichte der Serben (I) 276–299;

Grujić: Pravoslavna srpska crkva 13–25; Slijepčević: Istorija Srpske pravoslavne crkve (1) 56–141; Rohdewald, Stefan: Sava. In: Bahlcke, Joachim/Rohdewald, Stefan/Wünsch, Thomas (Hg.): Religiöse Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa. Konstitution und Konkurrenz im na-tionen- und epochenübergreifenden Zugriff. Berlin 2013, 592–598; Fine: The late medieval Balkans 116–119; Fischer, Wladimir: Der heilige Sava in serbischen Diskursen. In: Ostkirch-liche Studien 2/59 (2010), 269–289, hier 270–273.

27 Naxidou, Eleonora: The transition from ecumenical tradition to a multinational per-spective. The historical evolution of the orthodox church in the Ottoman Empire. In: Mitev, Plamen Dimitrov/Parvev, Ivan/Baramova, Maria/Racheva, Vania (Hg.): Empires and pen-insulas. Southeastern Europe between Karlowitz and the Peace of Adrianople, 1699–1829.

Münster 2010, 148–161, hier 149–151.

28 Fine: The late medieval Balkans 116–118.

inhaltlich zu festigen. Sava stellte hierfür aus griechischen Kirchengesetzsamm-lungen (Nomokanones) einen eigenen Nomokanon/zakonopravilo zusammen, vervollständigte Gesetze und ließ Teile davon ins Kirchenslawische überset-zen.29 In verschiedenen Abschriften und Redaktionen stellte diese Sammlung die erste slawische Version des sogenannten Steuerbuches (griech. Pedalion/

serb. Krmčija knjiga) der Kirche dar, das später auch die Grundlage der einfluss-reichen russischen Variante lieferte.30 Nach Savas Tod um 1235/1236 erklär-ten Geistliche und die Nemanjiden-Fürserklär-ten ihn bald zum Heiligen und seinen Todestag (14. Januar) zum kirchlichen Feiertag. Savas Gebeine wurden in das Kloster Mileševa bei Prijepolje überführt, wo sie sich als vermeintlich unver-sehrte Reliquien zum Objekt großer Verehrung entwickelten.31

Das mittelalterliche Serbien erreichte im 14. Jahrhundert unter dem Neman-jiden Stefan Dušan (Regierungszeit 1331–1355) seine maximale Ausdehnung.

Die serbische Kirche erlangte darin 1347 den Rang eines Patriarchats, wodurch sich Stefan Dušan zum »Kaiser der Serben und Rhomäer, Albaner, Bulgaren und Bessaraber, der Küstenländer und des gesamten Westens« krönen lassen konnte.

Das in dieser Zeit entstandene erste Gesetzbuch des mittelalterlichen Serbiens sicherte der Kirche für ihre umfassende, ›symphonische‹ Einbindung in die weltliche Herrschaft, weitreichende weltliche Unterstützung zur Umsetzung des religiösen Monopols zu.32 Damit folgte die serbische Herrschaft und die serbi-sche Kirche klar den oströmiserbi-schen Mustern.

Mitte des 14. Jahrhunderts begann die Eroberung des Balkans durch die -Osmanen, wodurch in den folgenden hundert Jahren neben dem Oströmischen Reich auch der serbische, bosnische und bulgarische mittelalterliche Staat und

29 Milasch, Nikodemus: Das Kirchenrecht der Morgenländischen Kirche. Nach den allgemeinen Kirchenrechtsquellen und nach den in den autokephalen Kirchen geltenden Spezial -Gesetzen. Mostar 1905, 192 f. Zur Debatte, ob Sava die Texte selbst übersetzte und zusammen-stellte vgl. Milaš, Nikodim: O kanoničkim zbornicima Pravoslavne Crkve. In: Ders.: Dela.

Bd. 7: Autobiografija, studije, članci. Beograd 2005, 387–476, hier 431 f.; Mitrovits, Tsche-domilj: Nomokanon der slavischen morgenländischen Kirche oder die Kormtschaja Kniga.

Wien, Leipzig 1898, 38–43; Slijepčević: Istorija Srpske pravoslavne crkve (1) 92–95; Fine: The late medieval Balkans 118 f.

30 Krmčija knjiga, russ. kormčaja kniga, bedeutet übersetzt Navigations-, Steuer- oder Kehrbuch und entspricht der griechischen Bezeichnung pedalion. Es stellt eine Sammlung der kanonischen Gesetze dar, mit dem das »Schiff der Kirche Christi« gesteuert werden soll.

Kopitar, B.: Kormczaia Kniga. In: Jahrbücher der Literatur 23 (1823), 220–274; Žužek, Ivan P.:

Kormčaja kniga. Studies of the chief code of Russian canon law. Roma 1964; Hudal: Die ser-bisch-orthodoxe Nationalkirche 18–21.

31 Zur Bedeutung der Reliquien des heiligen Sava vgl. Popović, Danica: Pod okriljem -svetosti. Kult svetih vladara i relikvija u srednjovekovnoj Srbiji. Beograd 2006, 75–118; Di-mitrijević, Stevan M.: Sveti Sava u narodnom verovanju i predanju. Beograd 1926, 67 f.

32 Das Gesetzbuch Stefan Dušans enthielt etwa Bestimmungen zur Standardisierung von Beerdigungen und Ehen sowie gegen sogenannte abergläubische Praktiken. Novaković, -Stojan (Hg.): Zakonik Stefana Dušana cara srpskog. 1349 i 1354. Biograd 1870.

Serbische Herrschaft und Serbisch-Orthodoxe Kirche 49 ihre teils unabhängigen Kirchenorganisationen verschwanden. Das serbisch-orthodoxe Patriarchat mit Sitz in Peć wurde wenige Jahre nach der Eroberung Konstantinopels aufgelöst und dem Patriarchat von Konstantinopel unterstellt.

Etwa hundert Jahre später kam es im Osmanischen Reich erneut zu einer De-zentralisierung der orthodoxen Kirchenverwaltung: In den Jahren 1555–1557 ließ die Reichsführung das Patriarchat von Peć wiedererrichten. Zum neuen Metropoliten wurde Makarije geweiht, ein enger Verwandter des damaligen Großwesirs Mehmed-paša Sokolović (Sokollu Mehmed Paşa), der aus der Ge-gend von Višegrad an der Drina stammte. Aus diesem Grund wird die Wieder-richtung des serbischen Patriarchats zumeist mit der Person Sokolovićs erklärt.

Dem Erzbischof von Peć unterstanden danach von der Adria bis nach Panno-nien und von BosPanno-nien über das Banat bis nach MakedoPanno-nien alle orthodoxen Eparchien im Nordwesten des Osmanischen Reiches. Die serbisch-orthodoxe Kirchenorganisation erlebte von da an einen erheblichen Aufschwung. Zahl-reiche Kirchen und Klöster wurden erneuert, die Bildung der Geistlichkeit und das klösterliche Schrifttum nahmen zu; auch die Ikonen- und Freskenmalerei entwickelte sich.33 Dennoch konnte auch ein serbisches Patriarchat nicht ver-hindern, dass Großwesir Sinan-paša 1594, während des sogenannten Langen Türken krieges (1593–1606), das Kloster Mileševo zerstören und die Reliquien Savas vor den Toren Belgrads öffentlich verbrennen ließ – als Strafe und sym-bolische Antwort auf die unter Orthodoxen ausgebrochenen Aufstände.34 Der kanonisierte Kirchengründer Sava wurde dadurch im Verständnis des Klerus posthum zu einem Märtyrer des Christentums.35

Am Ende des habsburgisch-osmanischen Krieges, der mit der zweiten Belage-rung Wiens im Jahre 1683 begonnen hatte, floh der serbisch-orthodoxe Patriarch Arsenije III. Crnojević (auch Čarnojević) um 1690 mit Tausenden Orthodoxen im Gefolge der habsburgischen Truppen gen Norden, jenseits von Save und Do-nau. Die Kirchenorganisation war erneut tief in antiosmanische Aufstände ver-wickelt gewesen. Diese Migration bildete die Basis für die serbische Metropolie, die daraufhin auf habsburgischem Gebiet mit Billigung Wiens gegründet wurde.

1713 verlegte man ihren Sitz nach Sremski Karlovci/Karlowitz, das sich zu einem der wichtigsten kulturellen und politischen Zentren orthodoxer Serben in der Habsburger Monarchie entwickelte. Das serbisch-orthodoxe Patriarchat von Peć auf osmanischem Gebiet ging daher stark geschwächt aus dem Krieg hervor, wodurch das Osmanische Reich dessen Bischofsämter zunehmend mit

33 Bryner, Erich: Die Ostkirchen vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Leipzig 1996, 20–22;

Puzović, Predrag: Srpska Pravoslavna Crkva. Prilozi za istoriju. Knj. 2. Beograd 2000, 15–20.

34 Bakić-Hayden, Milica: Saint Sava and the Power(s) of Spiritual Authority. In: Serbian studies 1–2/24 (2010), 49–62, hier 57 f.; Velikonja, Mitja: Religious separation and political intolerance in Bosnia-Herzegovina. College Station 2003, 75 sowie Popović: Pod okriljem svetosti 91–95.

35 Vgl. Fischer: Der heilige Sava 269.

chischsprachigen Geistlichen aus dem Umfeld des Patriarchats von Konstan-tinopel besetzte. 1766 hob man das Patriarchat von Peć gänzlich auf. Die serbisch- orthodoxen Eparchien innerhalb des Osmanischen Reiches unterstan-den so erneut Konstantinopel.36 Damit differenzierte sich die serbisch-ortho doxe Kirchen organisation im 18. Jahrhundert deutlich: auf habsburgischem Gebiet entstand ein aufstrebendes Erzbistum, dessen Geistliche zunehmend besser gebildet waren, auf osmanischem Gebiet kontrollierten immer mehr griechisch-sprachige Bischöfe die Eparchien. In Monte negro agierte zudem ein immer selbst bewussteres Fürstbistum.

Die Aufhebung des serbischen Patriarchats von Peć war auch Ausdruck der gewachsenen Machtposition des Patriarchats von Konstantinopel. Ende des 18. Jahrhunderts gerieten zudem die drei Patriarchate des Ostens – Antiochia, Alexandria und Jerusalem – sowie die Metropolien von Zypern und von Ohrid unter die Kontrolle Konstantinopels. Der Patriarch von Konstantinopel war somit erstmals seit dem 16. Jahrhundert wieder das unbestrittenene Oberhaupt aller orthodoxen Christen des Osmanischen Reiches.37

An dieser Zentralisierung kirchlicher Macht hatten griechischsprachige or-thodoxe Kreise in Konstantinopel großen Anteil, die im 18. Jahrhundert an poli-tischem und wirtschaftlichem Einfluss im Reich gewonnen hatten. Im Konstan-tinopler Stadtteil Phanar/Fener (Leuchtturm) bestimmten dabei etwa zwanzig wohlhabende Aristokratenfamilien die Patriarchenwahlen und die Besetzung von Bischofsämtern. Man nannte sie Phanarioten. Ihr Wohlstand und sozialer Einfluss gründete auf Gewerbe und Handel sowie ihren Ämtern in der osma-nischen Reichsverwaltung und Diplomatie. Konkret bedeutete die Auflösung des serbischen Patriarchats, dass für die serbischen Eparchien nun Bischöfe be-stimmt wurden, die zumeist griechisch und osmanisch-türkisch sprachen und oft das Slawische ihrer Gläubigen und Pfarrpriester kaum beherrschten. Obwohl es auch einige wenige slawischsprachige Phanarioten gab, kehrte damit die Di-glossie in die slawischen orthodoxen Bistümer zurück. Zudem waren die pha-nariotischen Bischöfe in Konstantinopel sozialisiert und den dortigen Netzwer-ken verpflichtet, womit sie im Gegensatz zu den Gläubigen und Geistlichen ihrer Eparchien deutlich andere Erfahrungen und Orientierungen aufwiesen.38

Es war in dieser Zeit nicht ungewöhnlich, dass Bischofsämter im Grunde er-kauft, durch Abgaben an den kirchlichen Oberhirten erhalten und politisch ab-gesichert werden mussten. In vielen europäischen Kontexten waren Bischöfe oft mehr mit der machtpolitischen und ökonomischen Sicherung ihrer Ämter be-schäftigt als sich um seelsorgerische, kulturelle oder edukative Belange ihrer Gläubigen zu kümmern. Das Geflecht der multiplen persönlichen

36 Thon: Quellenbuch 595–597.

37 Vgl. Naxidou: The transition 149–152.

38 Vgl. Bryner: Die Ostkirchen 20–22; Philliou: Biography of an empire XXXXII sowie 5–21.

Serbische Herrschaft und Serbisch-Orthodoxe Kirche 51 ten der orthodoxen Bischöfe war auf dem Balkan lediglich besonders stark aus-geprägt und wurde zudem von schwachen Verwaltungsstrukturen innerhalb der Eparchien und der gesamten Kirche begleitet. Die sprachlichen und Bildungs-unterschiede der Bischöfe gegenüber Geistlichen und Gläubigen sowie ihre ab-weichenden politischen und ökonomischen Interessen verstärkten dabei nur eine ohne hin bestehende Distanz zwischen den ›Oberhirten‹ und der ›geistlichen Herde‹ einschließlich der Priester und Mönche. Phanarioten waren somit als Bi-schöfe unter slawischen Gläubigen selten beliebt. Seit der Zeit der beginnenden Nationalbewegung im 19. Jahrhundert standen sie zudem meist synonym für des-potische Fremdherrschaft, Geldgier, Korruption und Volksferne. Mit dem Begriff des ›doppelten Jochs‹ von Türken und Griechen, unter dem Serben gelitten hätten, setzte man seit dieser Zeit die weltliche und geistliche Unterdrückung oft gleich.39 Die enge Verflechtung von geistlicher und weltlicher Führung war auch kein Spezifikum der Orthodoxie im Osmanischen Reich. Eher zeichnete es das Ver-hältnis von Politik und Religion, d. h. von Staat und Kirche in einem multi-religiösen Imperium aus. Geistliche Eliten bildeten dabei einen notwendigen Teil der Verwaltungseliten der Herrschaft. Für Vergemeinschaftungen und Ver-gesellschaftungen innerhalb des ethno-konfessionellen Kollektivs spielten die sprachlich-kulturellen und politischen Unterschiede zwischen Laien und hohen Geistlichen jedoch eine wichtige Rolle. Die Konflikte des Bischofs mit den Me-tropolitangemeinden festigten die lokalen Konfessionsgemeinschaften in ihrer Vergesellschaftung oft zusätzlich. Dies erklärt, wie phanariotischen Bischöfen im 19. Jahrhunderts in aufstrebenden orthodoxen Stadtgemeinden mächtige Wi-dersacher erwuchsen, die mit ihren ökonomischen Fähigkeiten auch Einfluss auf kirchliche Belange der Glaubensgemeinschaft erlangten.40 Die Kirchgemeinde

39 Vgl. für Darstellungen der Phanariotenherrschaft in Bosnien aus serbisch-nationaler Perspektive Stefanović Vilovsky, Theodor Ritter von: Die Serben im südlichen Ungarn, in Dal-matien, Bosnien und in der Herzegovina. Wien, Teschen 1884, 291 f.; Grujić: Pravoslavna srpska crkva 107–110; Ćorović, Vladimir: Mostar i njegovi književnici u prvoj polovini XIX stoljeća.

In: Ders. (Hg.): Mostar. Banja Luka, Beograd 1999, 129–151, hier 133–139; Radulović: Režim fanariota. Prota Svetislav Davidović formulierte 1931 in seiner orthodoxen Kirchengeschichte Bosniens: »Daher ist die allgemeine Charakteristik dieser Zeit [1766–1880]: religiöse und po-litische Sklaverei im umfassendsten Sinne.« Ders.: Srpska Pravoslavna Crkva 55. Deutlich dif-ferenzierter, aber grundsätzlich ähnlich kritisch: Radosavljević, Nedeljko: Pravoslavna crkva u Beogradskom pašaluku. 1766–1831 (uprava Vaseljenske patrijaršije). Beograd 2007, 165–211.

40 Vgl. zum Osmanischen Reich Clogg, Richard: The Greek millet in the Ottoman Em-pire. In: Braude, Benjamin/Lewis, Bernard (Hg.): Christians and Jews in the Ottoman emEm-pire.

The functioning of a plural society. New York 1982, 185–207, hier 193 f.; zu Bosnien und der Herzegowina Pamučina, Joanikije: Početak dolaska grčkih vladika u Hercegovini. In: Ders.:

Sabrana djela. Bileća 2005, 250–259; Radulović, Jovan: Režim fanariota u »turskoj« Herce-govini. In: Istoriski zapisi 1–2/2 (1948), 39–50, hier 46–50. Vgl. auch die Auseinandersetzun-gen zwischen den Metropoliten und den Laien der Kirchgemeinde in Sarajevo im 18. und 19. Jahrhundert. Kemura, Šejh Sejfudin ef./Ćorović, Vladimir: Prilozi za historiju pravoslavne crkve u Bosni i Hercegovini u XVIII i XIX stoljeću. In: GZMBH 24 (1912), 413–441.

in Mostar führte seit dem Ende des 18. Jahrhunderts teils heftige Auseinander-setzungen mit ihrem Bischof.41 1835 einigten sich der Bischof, orthodoxe Geist-liche und Laienvertreter daraufhin auf eine »Kleine beeidete Verfassung, die alle zu befolgen haben« – eine Art Kirchgemeindeordnung.42 In sieben Punkten legte man die Trennung zwischen weltlichen und geistlichen Aufgaben der Kirch-gemeinde fest, die die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben durch Laien und die freie Wahl von Laienvertretern bedeutete. Gläubige und Geistliche si-cherten sich dafür gegenseitig zu, die Sakramente wie Taufe, Ehe und Beichte so-wie Trauergottesdienste zu festgelegten Zeiten in der Kirche zu feiern – gewis-sermaßen als Zugeständnis der Gläubigen an die Geistlichkeit.43 So diente die paritätische Beteiligung der Laien an der Vergesellschaftung Kirche auch den Geistlichen, da sie die Interaktionen innerhalb des kirchlichen Raumes und un-ter priesun-terlicher Leitung stärkte.

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