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6. Diskussion

6.1 Überblick über die Ergebnisse

6.1.2 Selektive Veränderung der subjektiven Einschätzungen der Bilder

Es wurde zum einen erwartet, dass die subjektiven Beurteilungen der Bilder in der Gruppe mit ELS unabhängig von der Diagnose verändert sind. Zum anderen wurde postuliert, dass die diagnostische Gruppe die subjektiven Bewertungen der Bilder beeinflusst. Die Ergebnisse dieser Untersuchung stützen zumindest die zweite

Hypothese. Es konnte gezeigt werden, dass die subjektiven Bewertungen der betrachteten Bilder durch die diagnostische Gruppe beeinflusst werden. Dieses Ergebnis soll im Folgenden für die verschiedenen diagnostischen Kategorien getrennt diskutiert werden.

Die subjektiven Einschätzungen von Valenz und Erregung der betrachteten Bilder anhand der Skalen des SAM machen deutlich, dass die Patienten mit MDD die angenehmen Bilder als signifikant weniger angenehm empfanden als die anderen diagnostischen Gruppen und die Vergleichsgruppe. Die Patienten mit einer psychischen und Verhaltensstörung durch psychotrope Substanzen beurteilten hingegen die angenehmen Bilder positiver als die anderen diagnostischen Gruppen und die Vergleichsgruppe. Bezüglich der angenehmen Bilder kann somit die Hypothese, dass die affektiven Einschätzungen der Bilder in ihrer Modulation durch die diagnostische Gruppe beeinflusst werden, als bestätigt gelten. Die subjektive Erlebnisqualität der unangenehmen und neutralen Bilder blieb dagegen von der diagnostischen Gruppe unbeeinflusst. Obgleich es sich bei den Anstiegen um relativ starke Effekte handelte, hätten diese auch noch deutlicher ausfallen können, denn das Maximum der SAM-Skala liegt beim Wert 9.

Obwohl Pause, Miranda, Nysterud und Ferstl (2000) sowie Pause und Kollegen (2003) bei Patienten mit MDD keine Unterschiede in der affektiven Bewertung im Vergleich zu der Kontrollgruppe finden konnten, so scheint es ausgehend von dem Hintergrund der klinischen Symptome von MDD (traurige, niedergeschlagene Stimmung, Verlust von Interessen, Veränderungen im Aktivitätsniveau etc.) intuitiv verständlich, dass Patienten mit MDD die angenehmen Bilder als weniger positiv beurteilen.

Hinweise auf eine veränderte subjektive Beurteilung von emotionalen Bildern bei Patienten mit einer psychischen und Verhaltensstörung durch psychotrope Substanzen fanden sich auch in der Studie von Aguilar de Arcos, Verdejo-García, Peralta-Ramírez, Sánchez-Barrera und Pérez-García (2005). Sie präsentierten 85 männlichen Patienten, die unterschiedliche Substanzen missbrauchten, 25 Bilder des IAPS und ließen sie mit Hilfe des SAM auf den Dimensionen Valenz, Erregung und Dominanz bewerten. Aguilar de Arcos und Kollegen (2005) berichteten abhängig von der missbrauchten Substanz Unterschiede in der Erfahrung von Emotionen. Während die Alkoholkonsumenten erotische Bilder als weniger angenehm und unangenehme Bilder als weniger unangenehm beurteilten, bewerteten Patienten, die Kokain

missbrauchten, die unangenehmen Bilder als unangenehmer und die angenehmen Bilder als angenehmer. Das letzte Ergebnis ähnelte dem in dieser Studie gefundenen Resultat, dass Patienten mit einer psychischen und Verhaltensstörung durch psychotrope Substanzen die angenehmen Bilder als positiver beurteilen. Die Studie von Aguilar de Arcos und Kollegen (2005) konnte somit deutlich machen, dass es hinsichtlich des Missbrauchs verschiedener Substanzen (Stimulantien vs. Sedativa) einen Unterschied in der subjektiven Bewertung von Bildern mit emotionalem Inhalt gibt. Diese Unterschiede hinsichtlich der missbrauchten Substanz wurden jedoch in dieser Arbeit nicht berücksichtigt und müssen als methodische Kritik hervorgehoben werden. In einer Folgestudie sollte daher entweder zwischen verschiedenen Substanzen unterschieden werden, um die Einflüsse differenzieren zu können. Es könnte aber auch nur eine Substanzgruppe ausgewählt werden, um die Effekte nicht zu verwischen.

6.1.3 Affektive Modulation der EPN

In frühen Zeitbereichen konnten in Studien mit emotionalem Bildmaterial über temporo-okzipitalen Arealen relative Negativierungen für emotionales gegenüber neutralem Bildmaterial gefunden werden. Diese frühe posteriore Negativierung wurde als Indikator für eine natürlich-selektive implizite Allokation von Aufmerksamkeitsressourcen angesehen. Auch in dieser Studie konnte im für die EPN typischen Zeitbereich (150-300 ms) über okzipito-temporo-parietalen Arealen über alle Probanden hinweg mehr Reaktivität auf emotional erregende (unangenehme und angenehme) als auf neutrale Bilder aufgezeigt werden. Ähnliches wurde in einer EEG-Studie mit vergleichbaren Zeitbereichen berichtet (Schupp et al., 2003b). Schupp und Kollegen (2003b) konnten bei einer explizit nicht-emotionalen Aufmerksamkeitsaufgabe, bei der ebenfalls IAPS-Bilder verwendet wurden, zeigen, dass angenehme und unangenehme Bilder zu einer signifikant stärkeren temporo-okzipitalen Negativierung führen als neutrale Bilder. Diese stärkere Verarbeitung emotionaler Stimuli konnten sie während der expliziten Aufgabe der Probanden, Schachbrettmuster zu zählen, die in die Sequenz der IAPS-Bilder eingefügt waren, entdecken. Die Ergebnisse von Schupp und Kollegen (2003b) demonstrierten daher eine

selektive Enkodierung emotionaler Stimuli während die top-down7 Aufmerksamkeitskontrolle auf nicht-emotionale Zielstimuli gerichtet war.

Auch Junghöfer und Kollegen (2001), die die IAPS-Bilder in einem schnellen visuellen Strom präsentierten, berichteten von EPN-Unterschieden zwischen erregenden und neutralen Stimuli.

Es gab bereits eine Reihe von Studien über die zerebrale Verarbeitung (vor allem in Bezug auf die Reaktion auf Gesichter), die das EEG oder MEG nutzten. Sie konnten Belege dafür liefern, dass die Verarbeitung bereits 110-130 ms nach Stimulusbeginn in okzipitalen Gehirnstrukturen beginnt (Streit et al., 2001). Gesunde Kontrollprobanden zeigten in diesem Zeitbereich sogar eine differenzierte hemisphärische Aktivität über temporo-okzipitalen Arealen. Zum einen war eine stärkere links- als rechts-hemisphärische Aktivierung für unangenehme Bilder zu finden. Zum anderen überstieg die Aktivierung durch angenehme Bilder in der rechten Hemisphäre jene Aktivierung, die durch die unangenehmen Stimuli in dieser Hemisphäre ausgelöst wurde. Obwohl zahlreiche Belege von psychophysiologischen und bildgebenden Studien zeigten, dass die mentalen Prozesse, die an der visuellen Verarbeitung von emotionalen Stimuli beteiligt sind, zeitlich sehr schnell in verteilten Gehirnregionen ablaufen, beschränkt sich diese Studie auf die Untersuchung der frühen posterioren Negativierung in okzipito-temporo-parietalen Arealen. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass auch in anderen Zeitbereichen eine spezifische Aktivierung zu finden ist.