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Phase 4: Der Partner ist jetzt Patient

6 Das Konstrukt der Selbstwirksamkeitserwartung (Magdalena Chlond) .1 Albert Banduras sozial-kognitive Lerntheorie und das Konstrukt der

6.2 Selbstwirksamkeit als personale Ressource (Magdalena Chlond)

Unter personalen Ressourcen versteht man im Allgemeinen die Gesamtheit der einer Person zur Verfügung stehenden, von ihr genutzten sowie schützenden und fördernden Kompeten-zen und Handlungsmöglichkeiten. Sie erlauben es dem Individuum, Situationen zu beein-flussen und unangenehme Einwirkungen zu reduzieren. Die personalen Ressourcen setzen sich zusammen aus internen psychischen, externen sozialen (soziale Beziehungen und deren emotionale, kognitive und instrumentelle Unterstützung) sowie äußeren physikalischen (materiellen, biologischen, ökologischen, institutionellen, organisationalen und kulturellen) Ressourcen. Zu den internen psychischen Ressourcen gehören alle nutzbaren Energien, die zur Zielerreichung eingesetzt werden können und auf den Ebenen des Verhaltens (per-sönliche Erfahrungen), der Fähigkeiten (Stärken, Strategien), der Einstellungen (Hoffnung, Glaube) sowie der Identität (Selbstwirksamkeit, Selbstwert) angesiedelt sind (Ahbe, 1997).

Vor allem Selbstwirksamkeitserwartungen gehören zu denjenigen Potentialen, die Personen in der Auseinandersetzung mit alltäglichen Krisen und Belastungen, aber auch zur Arbeit an ihrer Identität zu aktivieren vermögen. In der medizinischen Forschung hat die Orientierung an Ressourcen zu einem Perspektivenwechsel von einer Defizit- bzw. Krankheitsorientierung zu einer salutogenetischen Sicht geführt (vgl. das Salutogenese-Modell nach Antonovsky, 1997, Kap. I 5). Mit der Entwicklung von Belastungs-Bewältigungs-Modellen in der psycho-logischen Stressforschung hat der Ressourcenbegriff zusätzlich an Bedeutung gewonnen.

Hobfoll (1989) beschreibt Ressourcen zur Stressbewältigung als gesundheitsschützende und wiederherstellende Faktoren in Person und Umwelt, die das Auftreten von Stressoren ver-meiden, ihre Ausprägung mildern oder ihre Wirkung verringern. Interne oder externe Belas-tungen können demnach, wenn kompensierende Ressourcen fehlen, Stress auslösen24. Eine

24Zu den personalen Ressourcen im gesundheitspsychologischen Kontext gehören neben der

Selbstwirksamkeitserwartung nach Bandura (1977b, 1997) und dem Kohärenzgefühl (Antonovsky, 1979) auch die Konstrukte Hardiness (Kobasa, 1982), Internale Kontrollüberzeugungen (locus of control, Rotter, 1966, 1972),

hohe Selbstwirksamkeit als personale Ressource kann somit die Stress- und Problem-bewältigung unterstützen. Zusätzlich nehmen hoch selbstwirksame Personen Anforderungssituationen als weniger stresshaft wahr (Jerusalem & Schwarzer, 1992). Wenn schwierige Situationen zu bewältigen sind, werden zunächst die an die eigene Person gestellten Anforderungen gegen die eigenen Kompetenzen und Ressourcen abgewogen.

Erst dann entscheidet man sich für eine bestimmte Handlung oder Bewältigungsreaktion.

Nach Bandura (1995) reguliert die Selbstwirksamkeit das menschliche Handeln durch kog-nitive, motivationale, affektive und selektive Prozesse. Selbstwirksamkeit beeinflusst demnach, wie Personen fühlen, denken und handeln (Bandura, 1997, Luszczynska &

Schwarzer, 2005). Personen mit hoher Selbstwirksamkeit stellen sich anspruchsvolleren Auf-gaben, erholen sich nach Rückschlägen schneller und bleiben engagiert im Zielerreichungs-prozess. Je stärker Menschen von ihren Fähigkeiten überzeugt sind, desto höher sind auch Verantwortungsbewusstsein und Widerstandsfähigkeiten gegenüber ihren Zielen (Bandura, 1995). Eine hohe Selbstwirksamkeit wirkt sich folglich förderlich auf den Einsatz und die Ent-wicklung kognitiver Fähigkeiten und die Handlungsqualität aus. Je mehr eine Person an ihre Fähigkeiten glaubt, desto mehr wird sie sich außerdem überlegen, wie sie diese effizient nutzen kann (Stadler, 2006). Die wahrgenommene Selbstwirksamkeit hat zudem einen Einfluss auf das emotionale Erleben, insbesondere auf das Stress- und Angstempfinden einer Person. Bei niedriger Selbstwirksamkeit kann ein Vermeidungsverhalten entstehen, in welchem angstmachende Situationen oder Verhaltensalternativen gemieden werden. Dieses wiederum kann das Durchhaltevermögen und die Motivation zur Überwindung der Angst schwächen, wodurch es zu einer Chronifizierung kommen kann, an deren Ende eine mani-feste Angsterkrankung steht. Setzt sich eine Person hingegen zu hohe interne Standards, die sie nicht zu erreichen vermag, führt dies langfristig zu Abwertung, depressiven Reak-tionen und Apathie (Bandura, 1979). Auf der anderen Seite können sich ebenso Depres-sionen negativ auf Selbstwirksamkeitserwartungen auswirken (Francis et al., 2007). Unter-suchungen konnten zeigen, dass hohe Selbstwirksamkeitserwartung stets mit niedrigeren Werten im Bereich der Depressionen verbunden ist (Tonge et al., 2005). Bandura (1995) weist außerdem darauf hin, dass nicht die Häufigkeit störender Gefühle oder Gedanken eine große Stressquelle darstellt, sondern das wahrgenommene Unvermögen, sie abzuwenden.

Insgesamt trägt der Glaube, die eigenen Gedanken und Gefühle kontrollieren zu können, dazu bei, Angst und vermeidendes Verhalten zu reduzieren. Demgegenüber gestalten hoch selbstwirksame Personen ihre Lebensentwürfe und ihre Lebensumwelt aktiv, indem sie die Wahl ihrer Aktivitäten und deren Anzahl beeinflussen. In Bezug auf die Berufswahl fasst Bandura (1997) das folgendermaßen zusammen: „The stronger people’s belief in their efficacy the more career options they consider possible, the greater the interest they show in Optimismus (Scheier & Carver, 1985) und Resilienz (Schumacher, Leppert, Gunzelmann, Strauss & Brähler, 2004).

them, the better they prepare themselves educationally different occupational careers, and the greater their staying power in the chosen pursuits“ (Bandura, 1997, S. 161). Anhand Banduras (1986, 1997) theoretischer Unterscheidung zweier konträrer Personengruppen, den active producers und den passive foretellers, lässt sich dies nochmals verdeutlichen.

Demnach streben active producers schwierigere und anstrengendere Situationen an, ver-folgen Ziele kontinuierlicher und erleben Misserfolge eher als motivierend. Demgegenüber fokussieren passive foretellers nicht schwerpunktmäßig die Aufgabe oder das verfolgte Ziel, sondern die eigene Person, und resignieren schneller, überschätzen häufig den Schwierig-keitsgrad der zu bewältigenden Leistung und reagieren darauf mit emotionaler Erregtheit oder Vermeidung (Gebauer, 2013).

Nach Schwarzer et al. (2005) implizieren Selbstwirksamkeitserwartungen einen positiven internal-stabilen Attributionsstil in Bezug auf den Erfolg einer Handlung. Außerdem sind sie prospektiv auf die Zukunft gerichtet und erlauben daher, im Gegensatz zu verwandten Kon-strukten wie dem „locus of control“, dem Selbstwertgefühl oder dem Selbstkonzept25 eine proaktive und vorausplanende Handlung sowie eine entsprechende Handlungsvorhersage.

Die Autoren untersuchten den protektiven Effekt der allgemeinen Selbstwirksamkeit von 130 Tumorpatienten nach einer onkologischen Operation und fanden eine signifikante Korrelation zwischen der allgemeinen Selbstwirksamkeit und der Krankheitsbewältigung. Innerhalb von 12 Monaten veränderten sich die Häufigkeiten der Anwendung unterschiedlicher Coping-strategien. Patienten mit einer niedrigen allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung entwi-ckelten signifikant weniger aktive und emotionale Bewältigungsstrategien als Patienten mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung. Auch in Bezug auf das Gesundheitsverhalten ist die Gewissheit über die eigene Handlungskompetenz somit eine der wichtigsten Ressourcen (Knäuper & Schwarzer, 2000).

6.3 Gesundheitstheorie und Selbstwirksamkeitserwartung (Magdalena Chlond) Wie oben bereits angeklungen, spielen Selbstwirksamkeitserwartungen auch im Bereich des Aufbaus von Gesundheit und der Gesundheitserhaltung eine wichtige Rolle. In den letzten Jahren sind vielfältige kognitive Modelle entwickelt worden, die versuchen,

25Die drei aufgeführten Konstrukte und Theorien sind konzeptuell eng verwandt mit dem Konstrukt der Selbstwirksamkeitserwartung, ergänzen dieses oder beschreiben ähnliche Prozesse und verwenden zum Teil analoge Begriffe. Rotter (1966) entwickelte das Konstrukt des „locus of control“, welches auch unter dem Namen generalized expectancy for internal versuns external control of reinforcement bekannt ist. In dieser Theorie wird postuliert, dass der Erfolg einer Handlung entweder der eigenen Person, also internal, attribuiert wird oder aber kontextuellen, externalen Faktoren zugeschrieben wird.

Unter dem Selbstwertgefühl wird die subjektive Bewertung der eigenen Person verstanden. Coopersmith (1967) definiert das Selbstwertgefühl wie folgt: „[…] self-esteem is a personal jugdment of worthiness that is expressed in attitudes the individual holds toward himself” (Coopersmith, 1967, S.5). Als Selbstkonzept wird die kognitive Repräsentation der eigenen Person oder die Summe der Erfahrungen über sich selbst bezeichnet. Die Person verfügt über ein Bild von sich selbst, welches sie im Laufe des Lebens entwickelt hat. Dabei werden Person-Umwelt-Bezüge hergestellt und gespeichert (Schwarzer, 2000).

halten zu erklären oder Gesundheitsverhaltensweisen vorherzusagen (zur Übersicht s. z. B.

Schwarzer, 2002, Bandura, 1998). Diese Modelle lassen sich grob in zwei Gesundheitsbe-reiche unterteilen: Stress und Krankheit sowie Gesundheitsverhalten und Gesundheitsför-derung (Schwarzer, 2002). Schwarzer (1992, 1998) entwickelte ein Gesundheitsmodell, das beide Bereiche zu integrieren versucht und in dem Selbstwirksamkeitserwartungen entschei-dend an der Handlungsregulation beteiligt sind. Im sozial-kognitiven Prozessmodell des Ge-sundheitsverhaltens (engl.: Health Action Process Approach, HAPA) wird eine Unterscheidung zwischen präintentionalen Motivations- und postintentionalen Volitionspro-zessen vorgenommen. Demnach wird im HAPA-Modell angenommen, dass Personen zu-nächst eine Intention in Bezug auf ein bestimmtes Verhalten bilden müssen, bevor sie ihr Gesundheitsverhalten ändern. Dabei wirken die folgenden Faktoren auf die Intentions- und Motivationsbildung ein: a) die Risikowahrnehmung, b) Handlungsergebniserwartungen und c) Selbstwirksamkeitserwartungen. Die Wahrnehmung des eigenen Risikos beruht auf der subjektiven Einschätzung des Schweregrades einer Erkrankung und der persönlichen Vul-nerabilität, aus der sich ein spezifischer Grad der persönlichen Bedrohung ergibt. Die Hand-lungsergebniserwartungen stellen in der Phase der präintentionalen Motivationsbildung die wichtigsten Überzeugungen dar. Personen müssen zunächst einmal wissen, welche Ver-haltensweisen dazu geeignet sind, gewünschte Ergebnisse herbeizuführen. Schließlich hängt die Intention, eine Gewohnheit zu verändern, von der subjektiven Überzeugung in die eigene Fähigkeit ab, Kontrolle über gesundheitsbedrohliches Verhalten zu erlangen. Die Mo-tivationsphase schließt mit einer entsprechenden Intentionsbildung oder Zielsetzung. Auch auf die nun folgende Volitionsphase üben Selbstwirksamkeitserwartungen einen großen Ein-fluss aus. Die Volitionsphase kann wiederum in eine präaktionale (Planung und Initiative), eine aktionale (Handlungsausführung und Aufrechterhaltung) sowie eine postaktionale Pha-se (Wiederherstellung oder DiPha-sengagement nach MisPha-serfolg bzw. Rückfall) gegliedert werden. Sobald sich Personen das Ziel gesetzt haben, ein bestimmtes Verhalten zu ver-ändern, müssen sie diese Verhaltensveränderung im Detail planen und vorbereiten, wobei häufig eine Reihe von Ausführungsalternativen generiert wird. Diese Phase endet mit einer handlungsnahen Ausführungsintention, also die Absicht, etwas tun zu wollen, wird konkretisiert. Selbstwirksamkeitserwartungen beeinflussen hier, inwieweit sich eine Person tatsächlich in der Lage fühlt, sich wie beabsichtigt zu verhalten. In der aktionalen Phase wird nun die Handlung ausgeführt. Hierbei kann es sich sowohl um ein Gesundheitsverhalten als auch um eine Risikovermeidung (z. B. nicht zu Rauchen) handeln. In dieser Phase findet zu-dem eine ständige Handlungskontrolle statt, in der es darum geht, die Intention sowie die Handlung gegen Distraktoren abzuschirmen, die eigene Aufmerksamkeit auf die Aufgabe zu richten, Ablenkungen zu ignorieren und Versuchungen zu widerstehen sowie unangenehme Emotionen zu regulieren. In der schließlich folgenden postaktionalen Phase findet eine

Handlungsbewertung statt. Misslungene Handlungsversuche können dabei der Volitions-stärke abträglich, und erfolgreiche Versuche können ihr zuträglich sein. Ob misslungene Handlungen zukünftige Versuche negativ beeinflussen, hängt jedoch von deren Bewertung ab. Wird ein Erfolg beispielsweise internal attribuiert, also den eigenen Fähigkeiten zuge-schrieben, so kann dieser die Volitionsstärke erhöhen und die Selbstwirksamkeitserwartung stärken. Wird er dagegen external attribuiert, z. B. von äußeren Umständen abhängig ge-macht, so kann dies zukünftigen Versuchen eher abträglich sein. Insgesamt ist es für die postaktionale Phase wichtig, sich erreichbare Unterziele zu setzen, sich Belohnungen zu schaffen und verschiedene Bewältigungsoptionen zur Verfügung zu haben. Selbstwirksam-keitserwartungen sind hier besonders für die Verarbeitung von Rückschlägen und für eine erneute Motivierung wichtig (Knäuper & Schwarzer, 2000). Nicht nur bei der Gesundheits-förderung, sondern auch im Zusammenhang mit der Bewältigung einer chronischen Erkran-kung wie dem Parkinson-Syndrom scheint dieses Modell anwendbar. Untersuchungen haben gezeigt, dass Personen nach einem akuten Gesundheitsereignis (z. B. dem Eintritt einer progredienten chronischen Krankheit) zunächst hoch motiviert für eine Verhaltens-änderung sind. Eine größere Bedeutung kommt hier der Volitionsphase zu, das heißt, der dauerhalten Umsetzung von gesundheitsförderlichem oder adaptivem Verhalten. Die gezielte Förderung der Selbstwirksamkeit, zum Beispiel im Rahmen einer Patientenschulung, sowie eine Ressourcenkommunikation und das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen können die Patienten bei der Bewältigung der Krankheitsfolgen unterstützen.

6.4 Studien zum Zusammenhang von Selbstwirksamkeit und Gesundheit