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Scientific Literacy kann als ein grundlegendes Verständnis von Naturwissenschaften verstan-den werverstan-den (vgl. Roberts, 2007; Norris & Phillips, 2003; DeBoer, 2000). Der Begriff bzw. das Konzept von Scientific Literacy wird in der Literatur hingegen nicht konsistent definiert und verwendet (Roberts, 2007). Gemeinsam ist allen Konzeptionen, dass naturwissenschaftliches Wissen ein Verständnis naturwissenschaftlicher Konzepte und Prozesse verlangt sowie Wis-sen über das WeWis-sen und die Grenzen von NaturwisWis-senschaft. Das Erkennen naturwisWis-sen- naturwissen-schaftlicher Fragen, naturwissenschaftliches Arbeiten und das Ziehen von Schlussfolgerun-gen sind zentrale ForderunSchlussfolgerun-gen von Scientific Literacy. Die Fähigkeit, wissenschaftlich zu den-ken und wissenschaftliche Erden-kenntnisse und Verfahren anzuwenden, ist bedeutsam für das bewusste Treffen von Entscheidungen sowie zur Reflexion und Erkenntnisgewinnung. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) definiert Scientific Literacy als „an individual’s scientific knowledge and use of that knowledge to identify ques-tions, to acquire new knowledge, to explain scientific phenomena, and to draw evidence-based conclusions about science-related issues” (OECD, 2009, S. 14).

Die Definition zur naturwissenschaftlichen Grundbildungen umfasst drei zentrale Aspekte:

I. Naturwissenschaftliche Prozesse beschreiben das Wissen, wissenschaftliche Phäno-mene zu beschreiben, zu erklären, zu verstehen und Erkenntnisse sowie Schlussfol-gerungen zu ziehen. Damit erhält man das notwendige Wissen zur Lösung einer Auf-gabe oder Problemstellung.

II. Naturwissenschaftliche Konzepte bilden die Vernetzung und das Verständnis dieser wissenschaftlichen Phänomene und beziehen sich in PISA auf die naturwissenschaft-lichen Schulfächer und somit auf anwendungsorientierte Aufgaben.

III. Kontexte betreffen die Situationen in denen das Wissen und die Konzepte angewen-det werden sollen und damit in den Aufgaben präsentiert werden.

Auf Basis dieser Definition und Kategorien werden die Testaufgaben für die PISA-Studien entwickelt. Naturwissenschaftliche Prozesse und Konzepte sind Bestandteil der Aufgaben-konstruktion und der Charakterisierung von Schülerleistungen, während Kontexte den fach-lichen Hintergrund alltagsrelevant werden lassen (Baumert et al., 2001). Seit Einführung der PISA-Studien im Jahr 2000 und im Zuge der nationalen und internationalen Vergleichbarkeit von Schülerleistungen bilden diese drei Aspekte einen zentralen Fokus innerhalb der Kom-petenzforschung und orientieren sich an dem übergeordneten Modell naturwissenschaftli-cher Grundbildung (Baumert et al., 2001; Bybee, 1997). Unterschieden werden folgende Ka-tegorien: 1. Nominale Scientific Literacy, d.h. die Kenntnis naturwissenschaftlicher Begriffe, 2. Funktionale Scientific Literacy, d.h. Faktenwissen und die korrekte Verwendung von Fach-begriffen als Grundlage für eine 3. Konzeptionelle und Prozedurale Scientific Literacy, die das Verständnis zentraler naturwissenschaftlicher Ideen, Fragen und Verfahren zusammenfasst und in eine 4. Multidimensionale Scientific Literacy führt, dem Verständnis der Besonderhei-ten naturwissenschaftlichen Denkens und die Integration in einen sozialen und kulturellen Zusammenhang (Bybee & McCrae, 2011; Schecker & Parchmann, 2006; Bybee, 1997). Na-turwissenschaftliche Grundbildung wird damit zu einem Fundament für lebenslanges Lernen (Prenzel et al., 2001). Wissen muss also anschlussfähig, flexibel einsetzbar und anwendbar sein, d.h. es müssen Kompetenzen erworben werden, die das Aneignen neuer Wissensbe-stände und die Integration sowie die Auseinandersetzung mit bestehendem Wissen ermög-lichen (Prenzel et al., 2001). Das naturwissenschaftliche Denken umfasst damit das Erkennen und Anwenden von naturwissenschaftlichen Fragestellungen, das Identifizieren von Daten sowie das Umgehen mit Evidenz, das Verständnis naturwissenschaftlicher Konzepte, aber auch die Fähigkeit naturwissenschaftliche Beschreibungen oder Argumente zu kommunizie-ren. Evidenzbasierte Schlussfolgerungen zu ziehen, gehört dadurch zur Basis

naturwissen-schaftlicher Kompetenz und umfasst neben Wissen auch Kommunikation (OECD, 2006; Nor-ris & Phillips, 2003). Damit Lernende zu einem solchen naturwissenschaftlichen Verständnis kommen, also um „scientific literate“ zu sein, müssen sie fähig sein, naturwissenschaftliche Texte zu lesen und zu schreiben. Das Verstehen, Interpretieren, Analysieren und Kritisieren solcher Texte sind Bestandteil fachlicher Kommunikationsfähigkeit und damit Teil naturwis-senschaftlicher Grundbildung (Norris & Phillips, 2003; Krajcik & Sutherland, 2010; Nitz, 2012).

Während Bybee (2002) und die OECD (2006) die Konzeption von Scientific Lliteracy eher fachwissenschaftlich oder anwendungsbezogen definieren, liegt der Fokus bei Norris & Phil-lips (2003) auf der Literalität. In der Literatur wird zwischen grundlegender (fundamental sense) und abgeleiteter (derived sense) Scientific Literacy unterschieden (Norris & Phillips, 2003; Yore, Bisanz, & Hand, 2003; Yore, Primm, & Tuan, 2007). Unter einer grundlegenden Scientific Literacy versteht man das Lesen von Texten, während die abgeleitete Scientific Literacy das Wissen und Verständnis naturwissenschaftlicher Konzepte und Prozesse her-ausstellt und in der fachdidaktischen Literatur als Fachsprache bezeichnet wird. Chung et al.

(2014) sehen diese Kommunikationsfähigkeiten als eine der wichtigsten Kompetenzen und Herausforderungen für das 21. Jahrhundert und betonen das Ziel „to enable students to ar-ticulate their ideas, thoughts, and feelings by using a variety of verbal and visual representa-tions (e.g. words, images, gestures) and to deliver the key message taken from complex ideas” (Chung et al., 2014, S. 2). Die Bedeutung von Scientific Literacy als multimodaler Dis-kurs betont auch Lemke (2004). Kommunikation entsteht durch Sprache und diese wird in Verbindung mit anderen semiotischen Darstellungen wie „visual images, diagrams, graphs, mathematical formulas, and the semiotics of artifacts, apparatus, and the meaningful acitivi-ties of using them“ (Lemke, 2004, S. 1) ermöglicht. Dabei geht es um einen so genannten

„visual turn“, d.h. um eine vielfältige Interpretation und Konstruktion verschiedener Darstel-lungsformen, die uns im täglichen Leben begegnen. Ob in der Zeitung, in Zeitschriften, auf Webseiten oder in Lehr- und Schulbüchern, wir werden stets dazu aufgefordert, diese Re-präsentationen zu lesen, zu verstehen, zu interpretieren oder selbst zu konstruieren (Lemke, 2004). Entscheidend ist, dass es Aufgabe von Bildungsforschern ist, nicht nur das Lesen, Schreiben und Sprechen von Naturwissenschaft zu fördern, sondern vor allem zu erklären, warum Wissenschaftlicher welche Sprache zur Erklärung wissenschaftlicher Konzepte wann und wie einsetzen. Es geht darum, durch „verbal concepts, mathematical relationships, visual representations, and manual-technical operations“ (Lemke, 2004, S. 5) das Verstehen und Verständnis von Wissenschaftssprache und Fachsprache zu fördern. Die Sprache als Kom-munikationsmittel ist also konstitutiv für (natur-)wissenschaftliches Handeln (Härtig et al, 2015). Damit wird Scientific Literacy über Bildung erworben (Crowell & Schunn, 2015) und

die formulierten Definitionen und Kompetenzen werden Gegenstand von Schule und Unter-richtsgestaltung. Eine Förderung adäquater Sprache muss damit Ziel für den naturwissen-schaftlichen Unterricht sein. Orientierung bieten die gemeinsamen Standards der Länder (KMK, 2005a; KMK, 2005b), die das Rahmenkonzept Scientific Literacy verorten und wesent-liche Aspekte von Fachsprache im Kompetenzbereich „Kommunikation“ aufgreifen.