• Keine Ergebnisse gefunden

Die Diagnostik von Kompetenzen spielt bei Entscheidungen über Auswahl und Förderung, in Evaluationsprozessen als auch in der Grundlagenforschung eine besondere Rolle. Kompe-tenzmodelle stehen dabei zwischen Forschung und Unterrichtspraxis (Bernholt, Parchmann,

& Commons, 2009). Ziel ist es entwickelte Kompetenzstrukturen empirisch abzusichern, um evidenzbasierte (biologie-) didaktische Entscheidungen zur Gestaltung von Aufgaben, Lern-material und Unterricht mit Blick auf die Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern zu tref-fen. Dabei ist die Erfassung von Kompetenzen ein theoretisch und methodisch komplexer Prozess in der empirischen Bildungsforschung, wenn diese Modelle Ausgangspunkt für die Entwicklung adäquater Messverfahren sein sollen (Hartig & Klieme, 2006).

Unter Kompetenzmodellierung versteht Rost (2006) den Prozess, der zur Formulierung eines Kompetenzmodells führt. Kompetenzmodelle beschreiben dabei „theoretische Beschreibun-gen der Struktur spezifischer Fähigkeiten, [die] als Antwort auf typisch moderne Problemla-gen konzipiert sind“ (Klieme et al., 2003, S. 65). Dabei kann bei einem explorativen Vorgehen zunächst nach Mustern in bereits bestehenden Daten gesucht werden. Werden bei einzelnen Messungen hohe Zusammenhänge untereinander gefunden, können diese in Dimensionen zusammengefasst werden, d.h. sie erfassen dasselbe Merkmal. Werden hingegen nur ge-ringe Interkorrelationen gefunden, so ist davon auszugehen, dass diese Messungen unter-schiedlichen Merkmalen entsprechen (Hartig & Klieme, 2006). Das Ergebnis eines solchen deskriptiven Vorgehens führt zu einem deskriptiven Kompetenzmodell. Als zweiten Weg zur Formulierung eines Kompetenzmodells führt Rost (2006) das normative Vorgehen auf. Für die Kompetenzmodellierung wird auf relevante kognitionspsychologische Modelle Bezug ge-nommen und der aktuelle Forschungsstand berücksichtigt. Die Kompetenzen lassen sich in einer Art Matrixstruktur abbilden, die wiederum Stufen enthalten kann. Die empirische Über-prüfung solcher Kompetenzmodelle erfolgt über Testaufgaben, die dem postulierten Modell zugeordnet werden können. Items werden entwickelt, in einer Vorstudie eingesetzt und auf-grund statistischer Kennwerte optimiert. In der Hauptstudie erfolgt schließlich die

Überprü-fung des Kompetenzmodells (Rost, 2006). Zusammengefasst dient die empirische Validie-rung eines entwickelten Kompetenzmodells der Überprüfung der eingesetzten Items, inwie-weit diese das Kompetenzmodell adäquat repräsentieren, sowie als Grundlage für die Inter-pretation einer entsprechenden Kompetenz (Terzer, Hartig, & Upmeier zu Belzen, 2013).

In diesem Zusammenhang können verschiedene theoretische Kompetenzmodelle herange-zogen werden. Theoretische Modelle können einerseits Strukturen definieren oder Niveaus charakterisieren (Klieme & Leutner, 2006). Damit können Kompetenzen unterschiedlich kog-nitiv modelliert und voneinander abgegrenzt werden. Kompetenzmodelle dienen dazu, die Erwartungen bezüglich der Lernergebnisse von Lernenden einer bestimmten Altersstufe in einem spezifischen Fach zu beschreiben sowie nach empirischen Erkenntnissen aufzuzei-gen, wie diese Kompetenz erlangt werden kann (Klieme et al., 2003). Kompetenzmodelle fo-kussieren also eine theoretische Fundierung sowie empirische Beschreibung naturwissen-schaftlicher Kompetenzen (Mayer & Wellnitz, 2014) und sind Ausgangspunkt für die Entwick-lung von psychometrischen Modellen und schließlich von Messverfahren (Klieme & Leutner, 2006). Ausgangspunkt für die Entwicklung und Modellierung eines Kompetenzmodells sind in der Regel die Inhalte eines Faches im Rahmen der Curricula oder angestrebte Bildungs-ziele in Form von Kompetenzen wie sie die Bildungsstandards definieren. Diese wurden je-doch auf normativer Basis entwickelt, d.h. es fehlt ihnen sowohl eine theoretische Basis als auch eine empirische Absicherung (Köller, 2008). Sie dienen jedoch als Grundlage für die Operationalisierung von Bildungszielen und erlauben dadurch eine Vermittlung zwischen Output-Steuerung und konkreten Aufgabenstellungen (Klieme et al., 2003). Es zeigt sich je-doch, dass die Verbindung von Theorie und Empirie stets eine inhaltlich-fachliche Heraus-forderung der Kompetenzmessung ist und bisher entwickelte Modelle immer noch einen ho-hen Grad an Abstraktion aufweisen (Klieme & Leutner, 2006). Im Folgenden sollen verschie-den klassifizierte Kompetenzmodelle kurz vorgestellt werverschie-den, die Einordnung erfolgt nach normativen und deskriptiven Modellen (vgl. Rost, 2006; Schecker & Parchmann, 2006).

3.2.1 K

OMPETENZSTRUKTURMODELLE

Bei der Modellierung von Kompetenzstrukturmodellen geht es darum, verschiedene Dimen-sionen von Kompetenz in einem spezifischen Bereich zu differenzieren (Klieme & Leutner, 2006), d.h. ein nach Dimension gegliedertes Gefüge von Teilkompetenzen zu gestalten. Da-bei gilt es zu entscheiden, welche Kompetenzen sich anhand welcher Inhalte erheben lassen (Hartig et al., 2008). Schecker & Parchmann (2006) unterscheiden normative und deskriptive Kompetenzstrukturmodelle. Normative Modelle beschreiben die „(kognitiven) Voraussetzun-gen, über die ein Lernender verfügen soll, um Aufgaben und Probleme in einem bestimmten

Gegenstands- oder Anforderungsbereich lösen (zu) können“ (Schecker & Parchmann, 2006, S. 47). Grundlage solcher Modelle sind Theorien aus der Lernpsychologie. Damit normative Modelle, wie sie bei den Bildungsstandards vorliegen, als Grundlage für die Operationalisie-rung eines Kompetenzstrukturmodells herangezogen und damit empirisch evaluiert werden können, müssen die angestrebten Lernergebnisse beschrieben und geeignete Testverfahren ausgewählt werden (Klieme et al., 2003). Die Entwicklung von Kompetenzstrukturmodellen kann in vier Schritten erfolgen (z.B. Klieme & Leutner, 2006; Mayer & Wellnitz, 2014). Im ers-ten Schritt geht es darum, die formulierers-ten Kompeers-tenzen oder Standards in Kompeers-tenzkon- Kompetenzkon-strukte zu überführen, die theoretisch und empirisch abgesichert sind. Präskriptiv gesehen, geht es bei der Anzahl der Dimensionen um die Strukturelemente bzw. die Komponenten, die im Rahmen des Lehrangebots und der erwarteten Lernergebnisse stehen (Schecker &

Parchmann, 2006). Inhaltlich gilt es durch Zusammenhangsstrukturen zu bestimmen, welche Kompetenzen differenziert erfasst werden sollen und auch aus diagnostisch-pragmatischer Sicht gerechtfertigt sind (Hartig & Klieme, 2006). Dadurch kann schließlich eingeschätzt wer-den, welche Korrelationen zwischen Testleistung und den unterschiedlichen Anforderungen vorliegen und auf welchen Dimensionen Unterschiede innerhalb des Kompetenzkonstrukts beschrieben werden können. Im Anschluss daran folgen methodische Schritte der Kompe-tenzentwicklung, d.h. die Abbildung der zu erfassenden Konstrukte in ein adäquates Mess-modell, die Entwicklung der Messinstrumente sowie die anschließende empirische Überprü-fung.

Im Unterschied dazu beschreiben deskriptive Modelle ein so genanntes Muster von (kogniti-ven) Voraussetzungen, mit dem man versucht das Lösungsverhalten der Lernenden zu re-konstruieren. Hierfür ist eine empirische Evidenz aus Fachdidaktik und Lernpsychologie er-forderlich. Viele dieser deskriptiven Kompetenzmodelle wurden im Rahmen von großen Schulleistungsstudien wie TIMSS und PISA entwickelt und fokussieren vor allem allgemeine, naturwissenschaftliche Kompetenzen, die fächerübergreifend zu verstehen sind. Damit sind solche Modelle allerdings nicht auf die einzelnen Fächer übertragbar, d.h. „für die einzelnen Fächer (müssen) Kompetenzmodell entwickelt werden“ (Klieme & Steinert, 2004, S. 133).

Gleichzeitig ist die Spezifität für ausgewählte Teilpopulationen problematisch, indem häufig nur einzelne Klassenstufen, Schulformen oder eine bestimmte Alterskohorte untersucht wurde (Schmiemann, 2010). Die Generalisierung solcher Ergebnisse sollte hingegen vorsich-tig interpretiert und angenommen werden (Rost, 2004).

3.2.2 K

OMPETENZNIVEAUMODELLE

Sollen Kompetenzniveaus beschrieben werden, „geht es darum, welche konkreten situativen Anforderungen Personen bei welcher Ausprägung einer Kompetenz bewältigen können“

(Klieme & Leutner, 2006, S. 7). Damit sind qualitative Kompetenzabstufungen gemeint, die eine Kompetenz graduieren können (Mayer & Wellnitz, 2014). Dabei geht es um die Frage, welche spezifischen Anforderungen eine besonders fähige Person bewältigt und eine Person mit niedriger Kompetenz gerade noch bewältigen kann und welche nicht (Hartig & Klieme, 2006). Kompetenzniveaumodelle versuchen also herauszufinden, über welche spezifischen Kompetenzen Lernende verfügen und welche Leistungsanforderungen in welcher Güte sie diese bewältigen können. Hierfür ist eine kriteriumsorientierte Testwertinterpretation nötig (Hartig & Klieme, 2006; Klauer, 1986). Eine kontinuierliche Skala der quantitativen Leistungs-werte wird in Abschnitte unterteilt. Diese Abschnitte können dann als Kompetenzniveaus be-zeichnet werden. Klieme et al. (2003) fordern, dass Kompetenzmodelle eine hierarchisch ge-gliederte Dimension enthalten sollten, um Unterschiede in der Kompetenzausprägung zu be-schreiben. Hartig (2007) weist bei der Beschreibung von Kompetenzniveaus auf zwei Merk-male hin. Zum einen geht es um den Differenzierungsgrad der Kompetenzniveaus, der wie-derum von der theoretischen Fundierung und den Daten abhängig ist. Zum anderen ist der Zeitpunkt der Kompetenzniveaubeschreibung entscheidend. Dies kann einerseits a priori passieren, d.h. auf Basis einer Theorie und damit vor der Datenerhebung. Damit kann bereits vorher geschätzt werden, welche Kompetenzstufe notwendig ist, damit die Aufgabe erfolg-reich gelöst werden kann (Klieme et al., 2003). Die Niveaubeschreibung kann aber auch post hoc erfolgen, d.h. Ausgangspunkt sind die empirisch gewonnenen Daten nach der Erhebung (Mayer & Wellnitz, 2014). Eine weitere Möglichkeit ist die theoriebasierte Operationalisierung der Graduierung vor der Erhebung und die anschließende Beschreibung möglicher Niveaus auf Basis der empirischen Daten (vgl. z.B. ESNaS, Wellnitz et al., 2012). Im Zusammenhang mit Kompetenzstrukturmodellen wird damit zunächst eine Kompetenz in Kompetenzdimen-sionen strukturiert, bevor jede der ermittelten KompetenzdimenKompetenzdimen-sionen wieder in Kompetenz-niveaus unterteilt wird. Diese Modellierung basiert dabei auf inter- und intraindividuellen Un-terschieden zwischen den Personen.

3.2.3 K

OMPETENZENTWICKLUNGSMODELLE

Kompetenzentwicklungsmodellen liegt eine zeitliche Perspektive zugrunde, sie beantworten die Frage in welcher Weise Kompetenzen nach Altersstufen erreicht werden und welche Kompetenzstrukturen sich dadurch herausbilden können, d.h. wie sich Kompetenzen im zeit-lichen Verlauf verändern und entwickeln (Schecker & Parchmann, 2006; Neumann et al.,

2007). Gleichzeitig wird die innere Dynamik der Kompetenzentwicklung in einer strukturellen Perspektive untersucht. Die Herausforderung besteht dabei in der Verknüpfung von fachli-cher Perspektive und situativen Einflussfaktoren (Schecker & Parchmann, 2006), d.h. es geht um den Aufbau von Kompetenzentwicklungsmodellen, die „den diagnostizierten Kompetenz-stand einer Schülerin/ eines Schülers mit instruktionsrelevanten Informationen (…) verknüp-fen“ (Bernholt, Parchmann, & Commons, 2009, S. 221). Kompetenzentwicklungsmodelle sind empirisch fundiert und können dadurch einen entscheidenden Beitrag für die kumulative För-derung von Kompetenzen leisten (Hammann, 2004). Sie greifen über Jahrgangsstufen hin-weg bestehende Kompetenzniveaus auf und bieten den Ausgangspunkt dafür diese weiter-zuentwickeln. Dabei bieten sie zusätzlich eine Rückmeldefunktion von Kompetenzzuwachs und sind eine wichtige Grundlage für Lehr-Lernprozesse im Unterricht (Neumann et al., 2007).

Der bisherige Forschungsstand zeigt jedoch, dass empirische Studien zu Kompetenzent-wicklungsmodellen bisher kaum vertreten sind und vor allem validierte Modelle bisher nur in geringer Zahl vorliegen (Ferber, 2014).