• Keine Ergebnisse gefunden

Schwarzspecht (Dryocopus martius) [A236]

3.7 Lebensstätten der Arten

3.7.14 Schwarzspecht (Dryocopus martius) [A236]

Biologie:

Der Schwarzspecht ist ein Bewohner größerer Mischwaldkomplexe, der im Gegensatz zu anderen Spechtarten keine enge Bindung an bestimmte Waldtypen aufweist (MÜLLER-KROEHLING 2005). Wich-tiger Bestandteil des Lebensraums ist nach HÖLZINGER & MAHLER (2001) ein genügend großer Alt-holzbestand zur Anlage mehrerer Höhlen. In Baden-Württemberg und benachbarten Bundesländern bildet die Rot-Buche den bevorzugten Höhlenbaum. Daneben werden aber auch Tanne und Kiefer zur Höhlenanlage genutzt. Als Höhlenbäume fungieren fast nur über 100jährige Bäume mit einem Stammdurchmesser von mindestens 35 Zentimeter im Höhlenbereich und freier Anflugmöglichkeit.

Vor allem im Winter und zur Zeit der Jungenaufzucht stellen Larven, Puppen und Imagines von Ross-ameisen die Hauptnahrung dar (MÜLLER-KROEHLING 2005). Daneben werden holzbewohnende und sonstige Käfer sowie andere Wirbellose verzehrt (HÖLZINGER &MAHLER 2001). Ein hoher Alt- und Tot-holzanteil trägt in diesem Zusammenhang entscheidend zur Habitateignung eines Waldbestandes für

Untersuchungsmethodik

Die Erfassung des Schwarzspechtes erfolgte durch dreimalige Transektbegehung im Abstand von 14 Tagen zwischen Anfang März und Ende April mit vorsichtigem Einsatz der Klangattrappe (alle 1 bis 2 Kilometer). Bei Antwort eines Männchens wurde der Einsatz der Klangattrappe erst wieder im Abstand von 4 Kilometer fortgesetzt, da sonst die Gefahr des Nachziehens gegeben ist (LFU 2003).

Die Transektbegehung zur Aufnahme von Sicht- und Rufbeobachtung an zwei oder drei Terminen kann den Gesamtbestand und die genauen Revierzentren nur ungenügend wiedergeben. Reviergren-zen sind nur bei direkten Revierstreitigkeiten von zwei Männchen zu bestimmen, RevierReviergren-zentren nur bei Kenntnis der aktuellen Bruthöhle. Aus diesem Grund wurden zusätzliche Begehungstermine in der Vorbalz und während der Jungenaufzucht durchgeführt, um genauere Informationen über die Be-standssituation des Schwarzspechtes im Vogelschutzgebiet zu erhalten.

Ergebnisse

Im Vogelschutzgebiet "Hardtwald nördlich von Karlsruhe" lag der Gesamtbestand des Schwarzspech-tes im Jahr 2006 bei mindestens neun Brutpaaren. Auffallend ist eine signifikante Zunahme der Re-viergrößen von Süd nach Nord. Der Bereich südlich des Pfinz-Entlastungskanals ist auf Grund der vorherrschenden Waldstrukturen und der vorliegenden Forsteinrichtungsdaten aktuell als für den Schwarzspecht gut geeignet zu bezeichnen. Altholzreiche, teils sehr lichte Hochwälder auf Kiefern- bzw. Laubmischwaldbasis sind gerade für Großspechte ideale Lebensräume. Stehendes und liegen-des Totholz dient als Nahrungsgrundlage und ist in dieser Erfassungseinheit ausreichend vorhanden.

Nördlich des Pfinz-Entlastungskanals sind die Habitatbedingungen für den Schwarzspecht insgesamt weniger günstig ausgebildet.

Die Reviergrößen schwanken im Hardtwald zwischen 250 Hektar im südlichen Bereich und 600 Hek-tar im nördlichen Bereich des Vogelschutzgebietes, wobei sich die Reviere wahrscheinlich zum Teil überlappen. Gebiete mit besonders hohem Alt- und Totholzanteil werden zum Teil von mehreren Paa-ren zur Nahrungssuche genutzt (eig. Beobachtung 2004).

Auf Grund fehlender Daten aus den Vorjahren kann nur zu Einzelbereichen ein Vergleich mit früheren Jahren durchgeführt werden. Dennoch scheint der harte Winter 2005/06 eine negative Bestandsentwick-lung zur Folge gehabt zu haben, da zum Beispiel in den Gebieten bei Leopoldshafen in den Vorjahren zwei bis drei rufende Männchen gefunden werden konnten, 2006 jedoch nur noch ein Tier zu hören war (eig. Beobachtungen). Hinweise zur Empfindlichkeit der Art gegenüber Kältewintern finden sich bei B AU-ER &BERTHOLD (1996).

Die zum Teil umfassenden Reviere verdeutlichen den Raumanspruch des Schwarzspechtes bei sub-optimalen Nahrungsgrundlagen. Aus diesem Grund kann die Abgrenzung der Lebensraumfläche nicht durch Reviergrenzen bzw. Umkreisradien, ausgehend vom Revierzentrum, angenommen werden.

Vielmehr muss der gesamte Hardtwald- und angrenzende Waldbereiche bzw. größere Baumbestände als Grundlage für die Lebensraumabgrenzung angesehen werden.

Auf Grund unterschiedlicher Habitatqualitäten wurden zwei Erfassungseinheiten des Schwarzspech-tes im Gebiet gebildet. Unterschiede zwischen den beiden Erfassungseinheiten bestehen vor allem hinsichtlich des Alt- und Totholzangebotes und der Anzahl potenzieller Brutbäume des Schwarzspech-tes. Die Unterteilung erfolgte in eine südliche und eine nördliche Einheit. Nachfolgend werden die Erfassungseinheiten 2-A236-1 und 2-A236-2 getrennt voneinander dargestellt und bewertet.

Die Charakterisierung der Lebensstätten erfolgt gemäß PEPL-Handbuch mit Hilfe der Kriterien Be-standstyp, Nutzung, Alt- und Totholzangebot und der daraus resultierenden mittelfristigen Prognose zur weiteren Bestandsentwicklung.

Erfassungseinheit 2-A236-1 – südlicher Teil des Vogelschutzgebietes Habitatqualität

Im südlichen Teil liegen zum aktuellen Zeitpunkt geeignete Lebensraumbedingungen für den Schwarzspecht vor. Sowohl das Bruthöhlenangebot als auch die Funktion der Flächen als Nahrungs-habitat sind insgesamt gut ausgeprägt und ermöglichen eine dauerhafte Besiedlung durch den Schwarzspecht. Lichte Hochwälder naturnaher Ausprägung, Mischbestände mit vorrangig Kiefern, einzelnen Alteichen und älteren Buchen sind ideale Großspechtlebensräume (vgl. MLR 2006). Alt- und Totholzanteile bilden als Brutplatz und als Nahrungsgrundlage essentielle Habitatelemente und sind innerhalb der Erfassungseinheit 2-A236-1 derzeit ausreichend vorhanden.

Für den Zeitraum der nächsten 5-10 Jahre ist auf Basis der Forsteinrichtungsdaten davon auszuge-hen, dass innerhalb der Erfassungseinheit 2-A236-1 auch zukünftig Brutbäume in der benötigten An-zahl zur Verfügung stehen werden. Mittelfristig gewährleisten die vorhandenen Bestände der Reife-phase eine Sicherung des aktuellen Brutbestandes, zumal auch die zahlreich vorhandenen Altkiefern vom Schwarzspecht zur Anlage der Bruthöhle genutzt werden. Langfristig sind dagegen geeignete 20 - 50 jährige Buchen- und Eichenbestände zur Sicherung der Habitatqualität nur in geringer Zahl vor-handen. Allerdings kann die Habitatqualität im südlichen Bereich durch zukünftige Naturverjüngung und bereits erfolgte Laubbaumpflanzungen, verbunden mit kontinuierlicher Pflege, wieder eine deutli-che Aufwertung erfahren.

Bewertung: B - mittel

Zustand der Population

In der Erfassungseinheit 2-A236-1 wurden im Jahr 2006 sechs Brutpaare nachgewiesen, die in klei-nen bis mittleren Brutrevieren von etwa 300 Hektar geeignete Nahrungshabitate besetzen. Bei einer Fläche der Erfassungseinheit von 1.793 Hektar ist hier von einer Revierdichte von aktuell 3 Revie-ren/1.000 Hektar auszugehen. Über 80jährige Kiefern sind häufig, über 100jährige Buchen dagegen nur vereinzelt vorhanden. Insgesamt kommen damit aber ausreichend potenzielle Brutbäume im Be-stand vor und tragen zu der erwähnten Revierdichte bei.

Bewertung: B – mittel

Beeinträchtigungen

Schwarzspechte sind an der Bruthöhle extrem störungsempfindlich. Die vorhandenen Abstände zum Wegenetz bieten aber in den betreffenden Abteilungen ausreichenden Schutz vor möglichen Störun-gen. Die forstliche Nutzung bis in den April durch Selbstwerber fällt genau in die Balz und frühe Brut-phase, so dass hier von einem großen Störungspotential ausgegangen werden muss. Der Verlust von Brutbäumen durch forstliche Nutzung kann in Beständen mit wenigen geeigneten Altbäumen vorhan-dene Brutpaare zum Abwandern zwingen. Eine Beseitigung von Alt- und Totholz begrenzt die Nah-rungsgrundlage ebenso wie ein potenzieller Umbau des Waldes auf intensive Monokulturen oder der Anbau gebietesfremder Baumarten.

Eine großflächige Maikäferbekämpfungsmaßnahme kann gegebenenfalls die Nahrungsgrundlage während der Brut- und frühen Aufzuchtphase einschränken und so zu potenziell geringeren Reproduk-tionszahlen vorhandener Brutpaare führen. Dies ergibt sich insbesondere aus der Tatsache, dass der Schwarzspecht zur Jungenaufzucht in hohem Maße auf das Vorhandensein von Ameisen angewiesen ist (HÖLZINGER &MAHLER 2001, MÜLLER-KROEHLING 2005). Da negative Auswirkungen eines Pflanzen-schutzmitteleinsatzes auf den Ameisenbestand auf Grundlage des gegenwärtigen Kenntnisstandes nicht auszuschließen sind, ist aktuell von einer möglichen Gefährdung durch die Einschränkung des Nahrungsangebotes auszugehen.

Durch zahlreiche Formen der Freizeitnutzung im stadtnahen Wald sind weitere lokale Beeinträchti-gungen für den Schwarzspecht zu verzeichnen. Eine nachhaltige Gefährdung des Vorkommens resul-tiert daraus derzeit aber nicht.

Bewertung: B - mittel

Aggregierte Bewertung der Erfassungseinheit 2-A236-1

Auf Grundlage der vergebenen Wertstufen ergibt sich bei der aggregierten Gesamtbewertung für die Erfassungseinheit 2-A236-1 die Gesamtbewertung "B" (guter Erhaltungszustand).

Tab. 49: Bewertung der Kriterien für Erfassungseinheit 2-A236-1

Habitatqualität B Aggregiert:

Zustand der Population B B

Beeinträchtigungen B

Erhaltungszustand B

Erfassungseinheit 2-A236-2 – nördlicher Teil des Vogelschutzgebietes Habitatqualität

Im nördlichen Teil des Vogelschutzgebietes sind zum aktuellen Zeitpunkt deutlich weniger geeignete Bruthabitate für den Schwarzspecht vorhanden als südlich des Pfinz-Entlastungskanals. Lichte natur-nahe Hochwälder mit ausreichend Alt- und Totholz als Nahrungsgrundlage sind hier nur mit relativ geringen Flächenanteilen vertreten. In der Folge ist das Bruthöhlenangebot für den Schwarzspecht deutlich eingeschränkt. Der relativ geringe Totholzanteil in den Beständen hat zudem ein nur begrenz-tes Nahrungsangebot zur Folge.

Auch in den nächsten 5 bis 10 Jahren ist nicht von einer signifikanten Zunahme geeigneter Brutbäume innerhalb der Erfassungseinheit auszugehen. Die vorhandenen Bestände der Reifephase ermöglichen auch mittelfristig ein Brutvorkommen des Schwarzspechtes in diesem Teilgebiet. Eine Zunahme der derzeitigen Bestands- und Revierdichte ist unter den aktuellen Bedingungen aber nicht zu erwarten.

Langfristig sind nur sehr wenig geeignete 20 bis 50 jährige Buchen- und Eichenbestände zur Siche-rung der Habitatqualität vorhanden. Insgesamt fehlen entsprechende Laubbaumpflanzungen, um bei kontinuierlicher Pflege die Habitatqualität der Erfassungseinheit für den Schwarzspecht aufzuwerten.

Bewertung: C – schlecht

Zustand der Population

In der 1.357 Hektar großen Erfassungseinheit 2-A236-2 leben im Jahr 2006 drei Brutpaare, die große Brutreviere von circa 500 bis 600 Hektar besetzen. Die Revierdichte ist mit 2 Revieren/1.000 Hektar anzusetzen. Geeignete über 80jährige Kiefern sind vorhanden, über 100jährige Buchen dagegen sehr selten. Insgesamt sind im Vergleich zu der südlichen Erfassungseinheit wenig potenzielle Brutbäume im Bestand vorhanden und begründen die deutlich größeren Reviere der Brutpaare in diesem Bereich.

Bewertung: B - mittel

Beeinträchtigungen

Insgesamt findet im nördlichen Bereich eine intensivere forstliche Nutzung statt. In der Folge ist nur wenig Alt- und Totholz in den lichteren Beständen anzutreffen. Auch hier stört die forstliche Nutzung bis in den April durch Selbstwerber in erheblichem Umfang das Brutgeschäft der Art. Der zusätzliche Verlust von Brutbäumen durch noch intensivere forstliche Nutzung kann in diesen Beständen mit sehr wenigen geeigneten Altbäumen aktuell vorhandene Brutpaare zum vollständigen Abwandern zwingen.

Gerade im nördlichen Bereich mit relativ schlechter Nahrungsgrundlage für den Schwarzspecht kann eine großflächige Maikäferbekämpfungsmaßnahme während der Brut- und frühen Aufzuchtphase zu einem Nahrungsengpass führen, der mit großen Aufwand ausgeglichen werden muss und so zu po-tenziell geringeren Reproduktionszahlen vorhandener Brutpaare führen würde.

Bewertung: B - mittel

Aggregierte Bewertung der Erfassungseinheit 2-A236-2

Auf Grundlage der vergebenen Wertstufen ergibt sich bei der aggregierten Gesamtbewertung für die Erfassungseinheit 2-A236-2 die Gesamtbewertung "C" (durchschnittlicher oder beschränkter Erhal-tungszustand).

Tab. 50: Bewertung der Kriterien für Erfassungseinheit 2-A236-2

Habitatqualität C Aggregiert:

Zustand der Population B C

Beeinträchtigungen B

Erhaltungszustand C

Bewertung des Erhaltungszustandes im Gesamtgebiet

Die Siedlungsdichte des Schwarzspechtes im Vogelschutzgebiet liegt mit einem Wert von circa 1 Brutpaar / 400 Hektar im Durchschnitt der für Baden-Württemberg und andere Bundesländer angege-benen Abundanzen (HÖLZINGER &MAHLER 2001, MÜLLER-KROEHLING et al. 2005). Da die tatsächliche Siedlungsdichte des Schwarzspechtes vom Zustand der vorhandenen Waldbestände abhängig ist, können bei ideal ausgeprägten Wäldern mit hohem Alt- und Totholzanteil grundsätzlich Dichten von 1 Brutpaar / 100 Hektar erreicht werden (HÖLZINGER &MAHLER 2001).

Auf Grund der aktuellen Forstnutzung und den Zielen der zugehörigen Forsteinrichtung kann mittelfris-tig von einer stabilen Population auf mittlerem Niveau im Gebiet ausgegangen werden. Langfrismittelfris-tig kann der Schwarzspecht bei Berücksichtigung geeigneter Managementmaßnahmen auch im

schutzgebietes belegt die Größe der festgestellten Reviere aktuell eine eingeschränkte Habitatqualität für den Schwarzspecht.

Bei der aggregierten Bewertung der beiden Erfassungseinheiten zu einer gesamthaften Gebietsbe-wertung überwiegt die Erfassungseinheit 2-A236-1. In der Folge ergibt sich für das Gesamtvorkom-men des Schwarzspechtes im Vogelschutzgebiet ein guter Erhaltungszustand (Wertstufe "B").