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7. Schutz »im Kleinen«: Selbstschutz und nationale Strafverfolgung

7.3. Materiell-strafrechtlicher Schutz

7.3.5. Schutz des geistigen Eigentums

der Täter mit dem Anschein der Ordnungsgemäßheit seines Verhaltens umgibt (vgl.

BGH NJW 2009, 1091, 1092 zum Schwarzfahren). Festzuhalten ist aber, dass die – zivilrechtlich unzulässige – Nutzung eines fremden, ungesicherten und nicht gegen Entgelt angebotenen WLAN-Netzwerks (»Schwarz-Surfen«) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt strafbar (und im Übrigen auch nicht strafwürdig) ist (LG Wuppertal K&R 2010, 838; Ernst & Spoenle, 2008; Gramespacher & Wichering, 2010; a.A. noch AG Wuppertal NStZ 2008, 161).

7.3.5. Schutz des geistigen Eigentums

was den Unternehmen – die i.d.R. die wirtschaftlichen Verwertungsrechte innehaben, und nicht etwa die Künstler und deren Erben – ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an langfristigen Exklusivitätsrechten begründet.

Mehr noch als die unüberhörbaren Klagen der betroffenen Industrien spricht das hohe Dunkelfeld dafür, von einer Krise der Durchsetzung des Urheberrechts zu sprechen, der eine expansive Tendenz des zivilrechtlichen und strafrechtlichen Urheberrechtsschutzes entgegenzuwirken versucht. Das unzureichende Unrechtsbewusstsein weiter Teile der Bevölkerung – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit –, die wohlfahrtssteigernde Wirkung eines zeitlich nur begrenzten Urheberrechtsschutzes (Yuan, 2006) bei Beibe-haltung eines Urheberpersönlichkeitsschutzes, eine Fokussierung auf die Urheber und Künstler und schließlich auch die Langsamkeit der Rechteinhaber, sich auf neue Ver-marktungsmodelle im Internet einzustellen, sollten durchaus als Anregung dienen, auch über Alternativen zum bestehenden Urheberrechtssystem – etwa eine »Kultur-Flatrate«

nachzudenken (vgl. EMR/provet, 2009 sowie die Stellungnahmen zur Anhörung »Ent-wicklung des Urheberrechts in der digitalen Gesellschaft« der Enquete-Kommission

»Internet und digitale Gesellschaft« des Bundestags).

Prozessual entwickelt sich der strafrechtliche Schutz des Urheberrechts zu einem Äqui-valent des Ladendiebstahlsrechts im 21. Jahrhundert. Hier wie dort handelt es sich um massenhaft auftretende Bagatellfälle mit individuellen Schäden von selten über 50 e, die jedoch in der Summe gesehen zu erheblichen finanziellen Schädigungen der – wenigen – Opfer durch die – vielen – Täter führen. Hier wie dort existieren zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche, die aber bisweilen an ihrer ungenügenden Durchsetzbarkeit und an ihrem fehlenden Strafcharakter leiden. Hier wie dort ist das Gesamtbild eines der »›kriminalitätsverwaltenden‹ Praxis« (vgl. Vogel, 2010, Vor § 242 Rdn. 11), da im unteren Bereich der Urheberrechtskriminalität zumeist mit Verfahrenseinstellungen nach §§ 153, 153a StPO reagiert wird (vgl. M. Gercke & Brunst, 2009, Rdn. 553 unter Verweis auf die Richtlinien der Generalstaatsanwaltschaften; krit.

Esser, 2010).

Im Gegensatz zum Ladendiebstahlsrecht ist derzeit allerdings – jedenfalls gegenüber Rechteverletzungen durch Private – ein Primat der zivilrechtliche Rechtsdurchsetzung zu verzeichnen: Seit der Einführung eines zivilrechtlichen Auskunftsanspruch in § 101a UrhG ist es für die zivilrechtlichen Rechteinhaber nämlich nicht länger erforderlich, zu-nächst ein Strafverfahren einzuleiten, um die Person des mutmaßlichen Täters zu ermitteln.

Hierdurch wurde die zivilrechtliche Durchsetzung von Schadensersatz- und Unterlas-sungsansprüchen weiter vereinfacht. Im Gegensatz zum Strafrecht ermöglicht es eine solch zivilrechtliche Rechtsdurchsetzung den Rechteinhabern, sich eine durchaus einträg-liche finanzielle Ertragsquelle zu erschließen. Die Abmahnung von Rechtsverletzungen ist zudem mit einer hohen Kostenforderung verbunden, der ein gewisser Strafcharakter zuteil wird und die in keinem Verhältnis zu den tatsächlich entstehenden Kosten steht.

Diese Fehlentwicklung erklärt auch die nunmehrige Begrenzung der Kostenforderung auf 100 ein § 97a Abs. 2 UrhG bei »einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs«. Bedauerlicherweise werden allerdings noch immer zu vorschnell erhebliche oder geschäftsmäßige Rechtsverletzun-gen anRechtsverletzun-genommen (so etwa LG Hamburg ZUM 2010, 611; vgl. ferner grundsätzlich zu

§ 97a Abs. 2 UrhG Malkus, 2010; Möller, 2010 sowie BVerfG NJW 2010, 1347), welche die Wirksamkeit des § 97a Abs. 2 UrhG in der Praxis noch reduzieren. Dies gilt es auch in Zukunft kritisch zu begleiten.

Das Urheberstrafrecht

Akzessorietät zum Urheberrecht Das Urheberstrafrecht gemäß §§ 106 ff. UrhG (umfassend Weber, 1976) steht und fällt mit der zivilrechtlichen Ausgestaltung des Ur-heberrechts: Eine strafrechtlich relevante Urheberrechtsverletzung gemäß § 106 UrhG liegt nur dann vor, wenn das verletzte Werk urheberrechtlich geschützt ist und die Verlet-zungshandlung durch keine der Schranken des Urheberrechts gestattet wird. Der Schutz erstreckt sich dabei auf menschliche, persönliche und individuelle – d.h. sich von ande-ren Werken unterscheidende – geistige Schöpfungen, die eine gewisse Gestaltungshöhe aufweisen. Erfasst werden neben Texten und Sprachwerken, Werken der Musik und des Films auch Quelltexte einer Software oder einer Website sowie Sammel- und Daten-bankwerke. Die Schutzdauer beträgt – auch für Computerprogramme respektive deren Quelltexte – siebzig Jahre nach dem Tod des letzten (Mit-)Urhebers (§§ 64 ff. UrhG).

Neben der Erlaubnis des Urhebers gestatten vor allem folgende Schranken eine Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes:

• Die freie Benutzung eines Werkes, etwa als Anregung für ein eigenes Werk (§ 24 UrhG),

• Zitate (§ 51 UrhG),

• flüchtige technische Begleitvervielfältigungen (§ 44a UrhG),

• bestimmte öffentliche oder gemeinnützige Zwecke (§§ 45–47, 52–52b UrhG),

• die Vervielfältigung von bis zu sechs oder sieben Exemplaren zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch (§ 53 UrhG), sofern für die Vervielfältigung nicht eine offensichtlich rechtswidrige Quelle verwendet wird, sowie schließlich

• bei Computerprogrammen die Erstellung von Sicherungskopien (§ 69d Abs. 2 UrhG), die Untersuchung sowie die Dekompilierung des Programms, um dessen Interoperabilität herzustellen (§§ 69d Abs. 3, 69e UrhG).

Strafnormen der § 106 ff. UrhG Die zentrale Strafnorm des Urheberrechts, § 106 UrhG, stellt das Vervielfältigen – also die körperliche Reproduktion –, das Verbreiten und die öffentliche Wiedergabe eines urheberrechtlich geschützten Werkes unter Strafe.

Da auch der Versuch strafbar ist (§ 106 Abs. 2 UrhG), haben manche dogmatische Streitigkeiten – etwa, ob das Vervielfältigen erst mit der Vollendung der Reproduktion gegeben ist – nur wenig praktische Bedeutung. § 108 UrhG enthält eine vergleichbare Strafnorm für die dem Urheberrecht verwandten Schutzrechte, etwa Tonträger, Lichtbilder und Datenbanken betreffend.

Aktuelle Schwierigkeiten bereitet hierbei weniger die Nutzung von Tauschbörsen (s.

hierzu etwa M. Gercke, 2009c; Heghmanns, 2004; Röhl & Bosch, 2008) als vielmehr die Frage, ob neben den Anbietern auch die Nutzer so genannter Streamingangebote einer Strafbarkeit gemäß § 106 Abs. 2 UrhG unterliegen. Bei diesen kommt es nicht zu einer Duplizierung von Film- oder Musikdateien auf dem Rechner des Nutzers, vielmehr wird der Datenstrom – ggf. mit kurzer Zwischenspeicherung – direkt in Ton und Bilder umge-setzt. Manche Stimmen in der Literatur verneinen hier die urheberrechtliche Zulässigkeit und postulieren so auch die Strafbarkeit des Nutzers (Hullen, 2008; Radmann, 2010), die Gegenauffassung verneint eine Vervielfältigungshandlung des Nutzers oder sehen diese durch § 44a UrhG als gerechtfertigt an (F. A. Koch, 2010; Fangerow & Schulz, 2010). Eine obergerichtliche Klärung dieses Aspekts steht noch aus; bis dahin erscheint legislative Zurückhaltung geboten. Jedenfalls aber spricht vieles dafür, die Nutzung von offensichtlich rechtswidrigen Streaming-Angeboten zwar zivilrechtlich (in den Schranken des § 97a Abs. 2 UrhG; vgl. Hullen, 2008) zu ahnden, nicht jedoch strafrechtlich.

Die in § 108b UrhG normierten Vorbereitungs- und Begleitstraftaten sollen schließlich den technischen und rechtlichen Schutz des Urheberrechts weiter absichern:

Die Strafvorschrift des § 108 Abs. 1 Nr. 1 UrhG knüpft an wirksame technische Maßnah-men zur Absicherung des Urheberrechts an, also nach der Legaldefinition in § 95 Abs. 2 UrhG »Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutz-gegenstände betreffende Handlungen, die vom Rechteinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken.« Ist ein Programm etwa erst nach Eingabe eines Passworts oder nach Anschluss eines USB-Dongles nutzbar, handelt es sich bei dem Passwortschutz bzw. bei der Kombination USB-Dongle und Programmcode um eine technische Maßnahme. Ähnlich wie bei § 202a Abs. 1 StGB ist bei der Wirksamkeit des technischen Schutzes – § 95a Abs. 2 UrhG ist kaum zur Präzisierung dieses Begriffes tauglich – wiederum auf die Fähigkeiten eines Durchschnittsbenutzers abzustellen, der sich freilich am Stand der Technik orientiert. Ob etwa die bezüglich DVDs Verwendung findende Absicherung eine wirksame ist, wird derzeit höchstgerichtlich geklärt (Vorin-stanz: OLG München MMR 2009, 118). Die Umgehung ausschließlich zum privaten Gebrauch bleibt bei alledem straffrei.

§ 108 Abs. 1 Nr. 2a UrhG enthält eine Strafvorschrift zum Schutz von »zur Rechtewahr-nehmung erforderliche[n] Informationen« im Sinne des § 95c Abs. 2 UrhG: Dies sind daher nurelektronischvorliegende Informationen über »den Urheber oder . . . anderen Rechteinhaber« und die eingeräumten Nutzungsrechte, wie etwa Lizenztexte, Lizenzbe-zeichnungen oder Copyright-Vermerke. Die Entfernung und Veränderung dieser Infor-mationen – sofern diese nicht zum persönlichen Gebrauch erfolgt – wird bestraft, wenn hierdurch eine Rechtsverletzung veranlasst, ermöglicht, erleichtert oder verschleiert wird.

Hinzuweisen ist schließlich noch auf die Marktdelikte der § 108b Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 2 UrhG, welche die Weiterverbreitung manipulierter Werke und die Herstellung, Einfuhr, das Verbreiten, Verkaufen oder Vermieten von Vorrichtungen oder Erzeugnissen unter Strafe stellt, die der Umgehung von Schutzvorrichtungen dienen. Auf die diesbezügli-chen Schwierigkeiten sei bei dem Parallelproblem der Vorbereitungsdelikte hingewiesen (7.3.6., S. 117).

Eine § 108b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG vergleichbare Strafvorschrift enthält auch § 4 ZKDSG. Werden Telemedien oder Rundfunkdarbietungen nur gegen Entgelt und un-ter Verwendung eines Zugangskontrollmechanismus angeboten (§ 2 ZKDSG), so ist

»die Herstellung, die Einfuhr und die Verbreitung von Umgehungsvorrichtungen zu gewerbsmäßigen Zwecken« (§ 3 Nr. 1 ZKDSG) strafbewehrt.

Es zeigt sich daher, dass das Urheberstrafrecht bereits auf modernen Stand gebracht wurde und neben der effektiven zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung – dank des Aus-kunftsanspruchs in § 101a UrhG – auch ein adäquates strafrechtliches Instrumentarium zur Verfolgung krimineller Urheberrechtsverletzungen zur Verfügung steht. Ob das Straf-recht auch für alle Fälle geringer UrheberStraf-rechtsverletzungen ein adäquates und auch erforderliches Mittel ist, ist allerdings anzuzweifeln. Soweit das Zivilrecht einen hin-reichend effektiven Mechanismus zur Wahrung der finanziellen Interessen der Urheber bietet, ist daher eine Entkriminalisierung geringer, durch Privatpersonen begangener Urheberrechtsverstöße in Erwägung zu ziehen.

Schutz weiterer Formen des geistigen Eigentums

Auch andere Formen des geistigen Eigentums werden flankierend strafrechtlich geschützt, seien es Marken, seien es Rechte am eigenen Bild und seien es auch Patente. Wirtschafts-und auch kriminalpolitische Bedeutung erlangt in Sachen Cyberkriminalität dabei die Frage, ob auch Computerprogramme patentrechtlichen Schutz genießen können.

Zum derzeitigen Stand sind jedoch Computerprogramme »als solche« (§ 1 Abs. 4 PatG, Art. 52 EPÜ) in Deutschland nicht patentrechtlich geschützt, anders hingegen »computer-implementierte Erfindungen«, die ein konkretes technisches (nicht betriebswirtschaftli-ches, rechtliches oder allein die Informatik betreffendes) Problem zu lösen vermögen.

Bestrebungen auf europäischer und internationaler Ebene richten sichde lege ferenda

auf eine eine Zulassung reiner »Softwarepatente«; bedenklich erscheint auch die Recht-sprechung, welche diese Abgrenzung immer weiter verwischt (zuletzt BGH MMR 2010, 552; s. hierzu Hössle, 2010; Rempe, 2010). So ist dem BGH entgegenzuhalten, dass die Softwareentwicklung stets die technischen Grenzen der Hardware im Auge behalten muss. Von daher wären der in BGH MMR 2010, 552 angedeuteten Auffassung zufolge zumindest viele Betriebssystem- und Compilerprogrammierungen patentierbar – was im offenen Widerspruch zu § 1 Abs. 4 PatG steht.

Doch der dahinter stehende Meinungsstreit um Softwarepatente als solche kann und soll an dieser Stelle nicht vertieft werden (s. hierzu S. L. Garfinkel, Stallman & Kapor, 1991;

Keller, 2009; Lejeune & Sieckmann, 2010; Wimmer-Leonhardt, 2007). Es ist aber erstens zu berücksichtigen, dass der Quelltext als Grundlage eines jeden Computerprogramms bereits den hohen Schutz des Urheberrechts genießt, zweitens die Schwierigkeit, mathe-matische oder informathe-matische Strukturen – und nichts anderes ist Software – als technische Erfindung zu formulieren, drittens, dass Patente aufgrund der kostspieligen Rechtsdurch-setzung zumeist nur für große Unternehmen einen nützlichen Mechanismus darstellen können, während kleine und mittlere Unternehmen durch die notwendigen, aufwendigen Recherchen und das Risiko kostspieliger Gerichtsverfahren in ihrer Innovationsfreude gehemmt werden können und viertens, dass ökonomische Analysen des Patentrechts eher nachteilige Folgen für die Innovationsfreude nahelegen, soweit Softwarepatente zugelassen werden (Arai, 2009; Bessen & Hunt, 2004; Bessen & Hunt, 2007).

Ist die Schutzdauer für Software noch zeitgemäß?

Bei der Diskussion über den urheberrechtlichen und patentrechtlichen Schutz von Soft-ware – und dessen strafrechtlicher Absicherung – sollte ein weiterer Aspekt Berück-sichtigung finden: die gewährte Schutzdauer. Die Schnelllebigkeit der modernen Infor-mationstechnologie, deren rasante Weiterentwicklung und die relativ geringen Entwick-lungskosten von Software sprechen dagegen, einer neuartigen Entwicklung denselben Exklusivitätsschutz zu gewähren wie etwa einem neuartigen Medikament. Daher ist für computerimplementierte Erfindungen eine Verkürzung des patentrechtlichen Schutzes von derzeit bis zu 20 Jahren auf höchstens 10 Jahre zu erwägen. Aber auch die urhe-berrechtliche Schutzdauer von Software – derzeit 70 Jahren nach dem Tod des letzten Urhebers – ist rechtspolitisch nicht zu rechtfertigen (zutr. Grützmacher, 2009, § 69a UrhG Rdn. 76). Eine deutliche Verkürzung dieser Schutzfristen – nicht aber des Urheberper-sönlichkeitsrechtes – würde den Innovationsdruck auf die Unternehmen erhöhen und so zu einer weiteren Beschleunigung der Innovationsleistungen führen; zudem aber würde auch das gesellschaftliche Verständnis für die Notwendigkeit eines Exklusivitätsschutzes wachsen.