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Schriftspracherwerb bei Gehörlosigkeit

5.2 Andere Kommunikationsformen

5.2.7 Schriftspracherwerb bei Gehörlosigkeit

Zur schriftsprachlichen Kompetenz Gehörloser gibt es bislang wenig Literatur:

Für das Deutsche wurde eine Analyse von Briefen in Witte & Albertini, 1989 vorgenommen, sowie Analysen des Schriftsprachgebrauchs von hörgeschädigten Kindern in Günther, 1982, der Schriftsprachentwicklung gehörloser Kinder in Jedicke, 1985, und didaktische Anregungen bei Günther, 1986. Über eine vergleichbare Faxanalyse erwachsener Schreiberinnen und Schreiber wird in Krausmann 1998, berichtet, zusammen mit soziolinguistisch-sprachpolitischen Schlußfolgerungen in Krausmann, 1999. Ein neuer Überblick über zentrale Resultate und Literatur findet sich in Wilbur, 2000 (Vollmann, Eisenwort und Holzinger 2000, S. 2).

Krammer (2001) bietet ebenfalls einen guten Überblick über die Literatur zum Thema Schriftsprache bei Gehörlosigkeit. Sie gliedert die Studien nach Ländern, wobei deutlich wird, wie wenig Literatur im deutschen Sprachraum – aber besonders in Österreich – zum Thema besteht.

Eine Studie bezüglich des Schriftspracherwerbs mit Deutscher Gebärdensprache (DGS) als Muttersprache stammt von Leuninger, Vorköper und Happ (2004, S. 27ff). Sie schließen aufgrund ihrer Fallstudie auf folgende Hypothesen:

- Der Erwerb der Orthographie bereitet keine Probleme

- Grammatische Strukturen, die in der DGS manuell ausgeführt werden, werden transferiert

- Grammatische Strukturen, die in der DGS nicht manuell ausgedrückt werden, müssen neu erworben werden

Die erste Hypothese basiert auf der Tatsache, dass in der oben genannten Fallstudie kaum bis keine orthographischen Fehler von den Testpersonen gemacht wurden. Die logographische Phase betreffend haben gebärdensprachkompetente Kinder einen Vorteil gegenüber lautsprachlich aufgewachsenen Kindern. Durch die gefestigte visuelle

räumliche Wahrnehmung sind sie beim Gebrauch dieser Strategie überlegen.

Zur zweiten Hypothese kommt es, da beobachtet werden konnte, dass viele grammatische Eigenschaften der DGS in die deutsche Schriftsprache übertragen wurden. Es wurden beispielsweise Zeitinformationen an den Satzanfang gesetzt oder Verben an das Satzende. Diese Interferenzen traten jedoch nicht konsequent auf, da langsam eine Entwicklung in Richtung Zielgrammatik stattfand.

Die dritte Hypothese beschäftigt sich mit der schriftlichen Kodierung nicht manueller Komponenten. Die Interpunktion beispielsweise geschieht eher willkürlich, wobei Fragen und die indirekte Rede meistens gar nicht markiert werden.

Während der gesamten Untersuchung konnte jedoch eine stetige Entwicklung in Richtung der Zielsprache (deutsche Schriftsprache) beobachtet werden. Vergleichbar mit dem Erwerb einer Zweitsprache wird stetig Input gesammelt und dadurch die Grammatik der Zielsprache nach und nach gefestigt.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Gehörlose über eine Mehrzahl an Kommunikationsformen verfügen, die in unterschiedlichem Ausmaß genutzt werden. Dabei stellt die Gebärdensprache wohl die wichtigste und am häufigsten gebrauchte Kommunikationsform dar und kann somit als primär bezeichnet werden. Sie wird hauptsächlich zwischen Gehörlosen, aber auch im Gespräch mit gebärdensprachkompetenten Hörenden benutzt. Das Fingeralphabet bietet Gebärdensprachbenutzerinnen oder -benutzern während dem Gebärden die Möglichkeit, Fremdwörter und andere unbekannte Wörter zu buchstabieren. LBG und Mischsprachen hingegen werden hauptsächlich in der Kommunikation zwischen Gehörlosen und Hörenden verwendet. Auch im Unterricht kommen sie oft zum Einsatz. Die auditiv-orale Lautsprache wird selten benutzt. Der Gebrauch der graphemisch realisierten Form der Lautsprache, die Schrift-sprache, erscheint für die Gehörlosen sinnvoller.

Im Folgenden wird die Situation Gehörloser im Krankenhaus beleuchtet. Kommunikationsrichtlinien und Basisgebärden für Pflegepersonen werden beschrieben, um aufzuzeigen, welche Möglichkeiten bestehen, um die Kommunikation mit Gehörlosen zu erleichtern. Des Weiteren wird ein Versuch gestartet, diese Inhalte ins offene Curriculum für die Ausbildung in Allgemeiner Gesundheits- und Krankenpflege zu integrieren.

6 Kommunikation mit Gehörlosen im Krankenhaus

Wenn gehörlose Patientinnen und Patienten ins Krankenhaus kommen, stellt dies eine besondere Belastung für sie dar. Nicht nur die Ängste, die auch hörende Patientinnen und Patienten durchleben, spielen eine Rolle, sondern auch die Defizite bezüglich der Kommunikation sind ein großes Problem. Es kommt oft zu Missverständnissen und Informationslücken.

Auch Frustration seitens der Gehörlosen wird in der Literatur beschrieben.

Die Relevanz von Gebärdendolmetschern ist im Krankenhaussetting bzw.

allgemein im Gesundheitswesen noch nicht durchgedrungen (vgl. Ubido et al. 2002, S. 248). Viele Gehörlose fühlen sich als Person oft nicht ausreichend oder gar nicht ernst genommen. Oft wird bei einem Gespräch, bei dem ein Dolmetscher anwesend ist, nur mit diesem kommuniziert und das gehörlose Gegenüber kaum beachtet. Aus diesem Grund glauben viele Gehörlose, sie seien unbeliebt oder würden für nicht intelligent gehalten (vgl. Iezzoni et al. 2004, S. 358). Des Weiteren wird in der Literatur beschrieben, dass im Gesundheitswesen kein Verständnis für die Kultur der Gehörlosen bestehe. Letztere werden nicht als sprachliche Minderheit (die sie sind) gesehen, sondern es herrscht eine defizitäre, pathologische Sicht über Gehörlosigkeit. In der Kommunikation findet auch die Notwendigkeit des Augenkontakts oft keine Beachtung. Oft kommt es aufgrund von Missverständnissen auch zu unangenehmen Situationen, in denen sich gehörlose Patientinnen und Patienten bloßgestellt fühlen oder peinlich berührt sind. Auch zu Angstsituationen kann es kommen – beispielsweise, wenn die gehörlose Patientin bzw. der gehörlose Patient während der Untersuchung keinen Blickkontakt zu der untersuchenden Person halten kann.

Die Tatsache, ins Krankenhaus zu müssen, stellt also in vielerlei Hinsicht eine große Belastung für einen gehörlosen Menschen dar (vgl.

Ubido et al. 2002, S. 251, Iezzoni et al. 2004, S. 355ff.). Über dieses

Wissen sollten Angehörige der Pflege und Auszubildende verfügen, um sich adäquat verhalten und handeln zu können.