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5 Die Koordination von Plosiven

5.5 Schlussfolgerungen und Ausblick

CVC-Sequenz <C1et> zeigte im Gegensatz dazu die niedrigste Geschwindigkeit und den niedrigsten Umfang in beiden Varietäten. Cluster zeigten intermediäre Werte und waren vor allem im EP kaum von <C1ut> zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang hatte der unterschiedliche Vokal im Stimulustyp einen eindeutigen Einfluss auf die Gestendynamik, indem hintere Vokale schnellere und umfangreichere apikale Gesten begünstigten als die nicht-hinteren Vokale.

Die Betonung zeigte einen schwachen Effekt, der allerdings geringer ausfiel als erwartet. Es wurden schnellere Gesten in der betonten als in der unbetonter Kondition produziert, allerdings war der Einfluss der Betonung auf den Gestenumfang ausschließlich im EP signifikant und zeigte keinen Effekt im BP.

Die Gesten waren im EP wie erwartet umfangreicher in betonter als in unbetonter Kondition. Der Einfluss des C1-Artikulationsorts auf die Dynamik der Zungenspitzen-bewegung war eher marginal.

Der Artikulationsort und der damit verbundene Produktionsrichtungseffekt hatten lediglich eine geringe Auswirkung auf die räumliche Organisation der Gesten. Dies liegt möglicherweise daran, dass der Vokal einen größeren Effekt ausübt als der vorangehende Konsonant.

(ii) ob sich die synchrone Variabilität dieser Formen in den oben genannten Varietäten in der gesprochenen Sprache durch eine unterschiedliche Koordinierung der Plosive im Sinne der Artikulatorischen Phonologie (Browman & Golstein, 1986, 1988, 1990) erklären lässt.

Die Gesamtergebnisse zeigen wie vorhergesagt, dass Cluster im Vergleich zu <C1et> vs. <C1ut> anhand der zeitlichen Koordination eindeutig unterschieden werden können, indem Cluster enger koordiniert waren als beide CVC-Sequenzen, sowohl in Form von mehr Überlappung als auch von kleineren intermediären Abständen. Die Vorhersage basierte auf zahlreichen Arbeiten zu Konsonantenclustern in einer Vielzahl von Sprachen (Byrd 1993, Bombien 2011, Hardcastle 1995, Marin & Pouplier 2010, Recasens & Espinosa 2005 u.v.a.) und konkret auf Arbeiten zu Plosivclustern (Chitoran et al. 2002, Gafos et al. 2010, Shaw et al. 2009a, b), wofür eben diese Tendenzen beschrieben wurden.

Die erneute Bestätigung dieser Ergebnisse bekräftigt, wie robust die Organisation von Konsonanten in Clustern eigentlich ist.

Bezüglich der Dynamik der Zungenspitze hatten erheblich mehr Signifikanzen des Stimulustyps im BP zur Folge, dass sich die Dynamik der /t/-Geste im BP deutlicher nach Stimulustyp unterschied als im EP. Insgesamt war die /t/-Geste schneller und umfangreicher bei <C1ut> in beiden Varietäten als bei den anderen Stimulustypen. Im Gegensatz dazu war sie bei <C1et>

am langsamsten und am wenigsten umfangreich. Diese beiden Verläufe unterschieden sich deutlich stärker voneinander im BP als im EP. In Letztem unterscheiden sie sich nach velaren Plosiven nicht signifikant voneinander. Die deutlichen Unterschiede bei den räumlichen Verläufen im BP – sowohl zwischen beiden CVC-Sequenzen als auch im Vergleich zu den Clustern – spricht eindeutig für die Existenz von vokalischen Targets im BP, die mit der beschriebenen Realisierung lexikalischer Vokale im BP übereinstimmen. Im EP waren die Unterschiede zwischen den Stimulustypen bei den räumlichen

Verläufen insbesondere nach velaren Konsonanten stark neutralisiert und die Verläufe insbesondere von Clustern und

<C1et> so ähnlich, dass kein vokalisches Target anhand des Verlaufs zu erkennen war. Dies spricht dafür, dass die Unterschiede im räumlichen Verlauf der Zungenspitze zwischen den Stimulustypen vor allem nach den velaren Konsonanten stärker neutralisiert sind und sich die Stimulustypen eher in der zeitlichen Organisation beider Gesten zueinander unterscheiden.

Wie erwartet wurden erhebliche Koordinationsunterschiede zwischen beiden Varietäten festgestellt, indem BP ein weiteres intergestisches Timing aufwies als EP. Dieser Effekt war über die Gesamtdaten betrachtet sehr robust und trat in beiden Messverfahren auf. Man kann daher an dieser Stelle festhalten, dass sich die Organisation der Konsonanten eindeutig zwischen den beiden Varietäten unterscheidet: Konsonanten werden im BP weiter koordiniert als im EP. Die starke Überlappung der Konsonanten im EP könnte der Grund für die häufigen Vokaltilgungen (Cunha 2011a, in press, Cunha & Harrington 2011a, Silva 1998, 1997, Vigário 1998) in dieser Varietät sein.

Wenn Konsonanten einen großen Druck auf die benachbarten Segmente ausüben, könnten wenig prominente Segmente graduell kürzer werden und im Extremfall getilgt werden.

Die zeitliche Koordination wurde ebenfalls stark vom C1 -Artikulationsort und dem damit assoziierten Produktionsrichtungseffekt beeinflusst: Im Gegensatz zur Vorhersage überlappten sich die Konsonantengesten eindeutig mehr bei back-to-front Clustern (/kt/) und zeigten ebenso signifikant kleinere intermediäre Abstände zwischen den Plateaus als bei front-to-back /pt/. Es geht somit eindeutig hervor, dass /kt/

trotz der laut Produktionsrichtungseffekt postulierten schlechteren perzeptiven Wieder-herstellbarkeit erheblich enger koordiniert wurde als /pt/.

Bei beiden CVC-Sequenzen wurde der Produktionsrichtungseffekt von der Interaktion mit dem Stimulustyp geprägt, indem die Plosive in <C1et> vor allem im BP mehr Überlappung nach

velaren und in <C1ut> nach bilabialen zeigten. Möglicherweise ist der Artikulationsort des Plosivs weiter hinten bei hinteren Vokalen (Flemming 2003). Außerdem ergab sich eine starke Überlappung beider Konsonanten in /put/ in beiden Varietäten, die in Bezug auf das intergestische Timing nicht von lexikalischen Clustern zu unterscheiden war.

Die Betonung hatte ebenso einen eindeutigen Einfluss auf die intergestische Koordination, denn Token in unbetonter Kondition wurden deutlich enger koordiniert als betonte Token. Die Dynamik der Zungenspitze für die /t/-Geste belegt im EP insgesamt schnellere und umfangreichere Gesten in der betonten als in der unbetonten Kondition. Dies kann eine Folge der stärkeren Koartikulation der Segmente in unbetonter Position sein. Im BP fand sich ebenso eine höhere Geschwindigkeit in betonter als in unbetonter Kondition, allerdings unterschieden sich die Stimulustypen nicht im Umfang. Möglicherweise könnte dies mit einer gewissen Isochronie der Segmente und der Silben im BP (Barbosa 2006) in Verbindung gebracht werden. So ist beispielswese in Akzentsprachen der Unterschied zwischen betonten und unbetonten Silben nicht sehr stark und dies könnte im BP ähnlich sein (Auer, 1993).

Als Auftakt des Kapitels wurde ausdrücklich auf die wichtige Vorhersage der Sprachperzeption für die Übertragung von Plosivclustern in der Produktion hingewiesen. Diese besagt, dass sich Plosive nicht stark überlappen können, ohne die Wiederherstellbarkeit beider Segmente für den Hörer in Gefahr zu bringen. Trotz dieser Vorhersage zeigten die Ergebnisse eine erhebliche zeitliche Überlappung beider Konsonantengesten in Clustern. Das Synchronisierungsverfahren, bei dem der Anfang von C2 in Bezug auf C1 analysiert wurde, ließ erkennen, dass der Beginn von C2 deutlich vor dem C1-Plateau lag und somit eine sehr enge Koordinierung der Gesten miteinander vorlag bzw. eine starke Überlappung. Dabei entsteht akustisch entweder eine lange Verschlussphase mit einem deutlichen Burst (Verschlusssprengung

mit Geräusch assoziiert) oder in extremen Fällen ist nur noch eine kurze Verschlussphase und ein Burst zu erkennen.

Bei der ersten geschilderten Situation vermutet man anhand der langen Verschlussphase zwei Plosive im Signal, die aufgrund des fehlenden charakteristischen Bursts schwer zu hören sind. Bei der zweiten Situation gibt es umgekehrt keinerlei Hinweise auf die Realisierung beider Plosive im akustischen Signal, aber man kann sie beispielsweise anhand von vorhandenen artikulatorischen Verläufen identifizieren. Anhand dieser weiteren Ergebnisse können dann in Kapitel 6 die übergreifenden Vorhersagen aus 5.1.3 zur Rolle der Perzeption abschließend geprüft werden.

6 Die Perzeption von Clustern und