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5 Die Koordination von Plosiven

5.4 Räumliche intragestische Koordination

5.4.2 Ergebnisse

Abbildung 12 zeigt die Mittelwerte der maximalen Geschwindigkeit der Schließgeste der Zungenspitze. Links befinden sich die BP- und rechts die EP-Token, in der oberen Hälfte der Abbildung die Token in der betonten Kondition und in der unteren Hälfte die in der unbetonten Kondition.

Abbildung 12: Maximale Geschwindigkeit des vertikalen Verlaufs der Schließungsgeste der Zungenspitze (TTY, Mittelwerte über fünf EP- und vier BP-Sprecher mit Standardabweichungen).

Der Stimulustyp hatte einen signifikanten Einfluss auf die maximale Geschwindigkeit der Schließgeste (χ2[2] = 152.6, p <

0.001), indem die Geschwindigkeit niedriger bei <C1et> als bei den anderen Token war. Diese Tendenz findet sich in beiden Varietäten und ist der Grund, weshalb kein Effekt der Sprechervarietät auftrat. Allerdings war die Interaktion zwischen den beiden genannten Faktoren signifikant (χ2[2] = 48.3, p <

0.001). Tukey Post-Hoc-Tests ergaben signifikante Geschwindig-keitsunterschiede zwischen <C1ut> und Clustern (p < 0.001) sowie zwischen <C1ut> und <C1et> (p < 0.001) im BP, indem

<C1ut> höhere Geschwindigkeiten zeigte als die anderen Stimulustypen. Die Geschwindigkeit unterschied sich allerdings nicht bei <C1et> vs. Cluster. Im EP war sie ebenfalls höher bei

<C1ut> als bei Clustern (p < 0.001) und diese wiederum höher als bei <C1et> (p < 0.001), jedoch gab es keine Geschwindigkeits-unterschiede zwischen <C1ut> und <C1et>.

Für die Sprechervarietät getrennt durchgeführte Mixed Model-Analysen ergaben einen Haupteffekt des C1-Artikulationsorts in beiden Varietäten (χ2[1] = 37.9, p < 0.001 in den BP- und χ2[1] = 32.4, p < 0.001 in den EP-Daten) und eine signifikante Interaktion zwischen Artikulationsort und Stimulustyp im EP (χ2[1] = 32.4, p < 0.001), aber nicht im BP. Tukey Post-Hoc-Tests zeigten eine signifikant höhere Geschwindigkeit der apikalen Geste bei Clustern nach velaren als nach bilabialen C1-Plosiven im EP, was jedoch nicht auf die anderen Stimulustypen (d.h. auf beiden CVC-Sequenzen) zutraf. Im BP war die /t/-Geste schneller nach den velaren als nach den bilabialen C1. Der Einfluss der Betonung war größer im EP (p < 0.01) als im BP (p < 0.05), wobei allerdings in beiden Varietäten die maximale Geschwindigkeit höher in betonten als in unbetonten Token war.

Der räumliche Umfang zwischen der höchsten und der niedrigsten Position der vertikalen Zungenspitzenbewegung wurde in für die BP-Daten links und für die EP-Daten rechts dargestellt.

Der Stimulustyp übte einen hochsignifikanten Einfluss auf den räumlichen Umfang der Zungenspitzenbewegung aus (χ2[2] = 374.5, p < 0.001), allerdings zeigten nach Varietät getrennte Analysen, dass dieser größer bei den BP-Daten (χ2[2] = 280.6, p

< 0.001) als bei den EP-Daten war (χ2[2] = 126.7, p < 0.001). Der Gestenumfang war allerdings in beiden Varietäten deutlich größer bei <C1ut>, gefolgt von Clustern und am geringsten bei <C1et>.

Die Sprechervarietät hatte an sich keinen signifikanten Einfluss auf den Gestenumfang und ihre Interaktion mit dem Stimulustyp (χ2[2] = 30.3, p < 0.001) kam durch die unterschiedlich starken Ausprägungen der Varietäten im Umfang bei den einzelnen Stimulustypen zustande.

Abbildung 13: Räumlicher Umfang der Zungenspitzenbewegung (Mittelwerte über fünf EP- und vier BP- Sprecher mit

Standardabweichungen).

Sowohl der C1-Artikulationsort (χ2[1] = 12.5, p < 0.001) als auch die Betonung (χ2[1] = 4.3, p < 0.05) zeigten im EP signifikante Effekte und es ergab sich eine signifikante Interaktion zwischen Artikulationsort und Stimulustyp (χ2[1] = 81.0, p < 0.001). Der Umfang von <C1ut> war größer nach bilabialen als nach velaren Plosiven, was jedoch nicht auf die anderen Stimulustypen zutraf.

Die Betonung sorgte für eine signifikante Tendenz zu umfangreicheren Gesten in der betonten im Vergleich zur unbetonten Kondition. Im BP hatte weder der C1-Artikulationsort noch die Betonung einen signifikanten Einfluss auf den Umfang.

5.4.2.1 Korrelation beider Faktoren

Die Korrelation zwischen maximaler Geschwindigkeit der vertikalen Zungenspitzenbewegung und dem Umfang der apikalen Geste wird in Abbildung 14 dargestellt. Die Plosiv-Token wurden nach Sprechervarietät und C1-Artikulationsort aufgeteilt. Die maximale Geschwindigkeit wurde auf die X-Achse und der räumliche Umfang auf die Y-Achse aufgetragen.

Abbildung 14: Korrelation des Umfangs und der maximalen

Geschwindigkeit der Zungenspitzengeste nach Stimulustyp (schwarze /0/ stehen für Cluster, rote /e/ für <C1et> und grüne/u/ für

<C1ut>.

Anhand dieser Abbildung kommt stärker zum Ausdruck, dass sich die Stimulustypen eher in den BP- als in den EP-Daten unterscheiden, denn nach Farben getrennte Gruppen sind eher in der linken (BP) als in der rechten Hälfte (EP) der Abbildung zu erkennen. Dennoch hatte der Artikulationsort ebenfalls einen signifikanten Effekt auf die Verteilung, der allerdings in den beiden Varietäten unterschiedlich ausfiel: Wie in der letzten Abbildung zu sehen ist, ergibt sich in den BP-Daten eher bei der

front-to-back Produktionsrichtung eine Konzentration der Werte nach Stimulustypen. Daher wiesen die Stimulustypen in den /pt/-Token weniger signifikante Unterschiede in der Geschwindigkeit und im Umfang auf als in der back-to-front Richtung. Außerdem waren die verschiedenen Stimulustypen hier insgesamt stärker neutralisiert als bei /kt/, denn die einzelnen Farbgruppen sind schwerer voneinander abzugrenzen.

In den EP-Daten zeigen die Ergebnisse der Korrelation beider Verfahren insgesamt geringere Streuungen als in den BP-Daten, allerdings liegt die stärkere Konzentration der Werte im EP bei den back-to-front Token, die im EP deutlich dichter beieinander liegen als die /pt/-Token. Dieses Ergebnis spiegelt sich ebenfalls im signifikanten Einfluss der Produktionsrichtungen auf die Analyseverfahren wider.

5.4.2.2 Diskussion der wichtigsten Ergebnisse

Aus den Gesamtergebnissen kann man entnehmen, dass die Sprechervarietät per se keinen eindeutigen Einfluss auf die räumliche Organisation der Zungenspitzenbewegung hatte.

Dennoch treten mehr signifikante Effekte des Stimulustyps in den BP- als in den EP-Daten auf. Diese Effekte sorgten dafür, dass sich die Dynamik der /t/-Geste im BP deutlicher nach Stimulustyp unterschied als im EP. Im EP waren die Werte des Umfangs und der Geschwindigkeit bei den CVC-Sequenzen ähnlich wie bei den lexikalischen Clustern, insbesondere <C1et>

wies keine signifikanten Unterschiede zu Clustern auf. Das Ergebnis bestätigt die starke Neutralisierung der lexikalischen Unterschiede zwischen Clustern und <C1et> und in etwas geringerem Maße der Unterschiede zwischen Cluster vs. <C1ut>

aufgrund der häufigen Vokaltilgung der entsprechenden unbetonten Vokale.

Trotz der varietätsspezifischen Unterschiede verhält sich die Dynamik der Zungenspitze nach Stimulustyp in beiden Verfahren entgegengesetzt: Die /t/-Geste bei <C1ut> wurde mit der höchsten Geschwindigkeit produziert und erreichte gleichzeitig den größten Umfang. Die /t/-Geste bei der anderen

CVC-Sequenz <C1et> zeigte im Gegensatz dazu die niedrigste Geschwindigkeit und den niedrigsten Umfang in beiden Varietäten. Cluster zeigten intermediäre Werte und waren vor allem im EP kaum von <C1ut> zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang hatte der unterschiedliche Vokal im Stimulustyp einen eindeutigen Einfluss auf die Gestendynamik, indem hintere Vokale schnellere und umfangreichere apikale Gesten begünstigten als die nicht-hinteren Vokale.

Die Betonung zeigte einen schwachen Effekt, der allerdings geringer ausfiel als erwartet. Es wurden schnellere Gesten in der betonten als in der unbetonter Kondition produziert, allerdings war der Einfluss der Betonung auf den Gestenumfang ausschließlich im EP signifikant und zeigte keinen Effekt im BP.

Die Gesten waren im EP wie erwartet umfangreicher in betonter als in unbetonter Kondition. Der Einfluss des C1-Artikulationsorts auf die Dynamik der Zungenspitzen-bewegung war eher marginal.

Der Artikulationsort und der damit verbundene Produktionsrichtungseffekt hatten lediglich eine geringe Auswirkung auf die räumliche Organisation der Gesten. Dies liegt möglicherweise daran, dass der Vokal einen größeren Effekt ausübt als der vorangehende Konsonant.