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SCHIITISCHER ISLAMISMUS

B. ISLAMISTISCHER EXTREMISMUS UND

5. SCHIITISCHER ISLAMISMUS

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im Libanon zuweilen staatliche Strukturen. Diese Infrastrukturprojekte kann die Organisation vor allem durch die großzügige finanzielle Unterstützung durch Iran betreiben.

Seit 1992 ist die „Hizb Allah“ durch ihre Mandatsträger auch als politische Partei fest etabliert. Im Mai 2018 fanden im Libanon erstmals seit neun Jahren Parlaments-wahlen statt. Von der „Hizb Allah“ selbst zogen 13 Abgeordnete ins Parlament, der von ihr angeführte Block mit Verbündeten gewann insgesamt jedoch mehr als die Hälfte aller Sitze.

„Hizb-Allah“-nahe „Gemeinden“ sind weltweit verbreitet. In Baden-Württemberg werden der Organisation etwa 80 Anhänger zugerechnet. Für den Verfassungs-schutz ist die „Hizb Allah“ relevant, weil sie letztlich eine theokratische Herr-schaftsform („Wilayat al-Faqih“, d. h. „die Herrschaft der [islamischen] Rechts-gelehrten“) anstrebt, in der die durch Islamgelehrte ausgelegte Religion über allem steht. Volkssouveränität ist dabei nicht vorgesehen. Problematisch ist ferner ihre antiisraelische Haltung, ein zentrales Element der „Hizb-Allah“-Ideologie. Diese richtet sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung.

EREIGNISSE 2018:

5.1.1

PROPAGANDAINSTRUMENTE:

„AL-MANAR“

UND DAS INTERNET

Der „Hizb-Allah“-Fernsehsender „al- Manar“ („Der Leuchtturm“) ist eine

effektive Plattform für die Propaganda der Organisation. Seit 1991 ist er im Libanon lokal auf Sendung, im Jahr 2000 begann die weltweite Ausstrah-lung des Programms über Satellit rund um die Uhr. Am 29. Oktober 2008

er-5.1 „HIZB ALLAH“ („PARTEI GOTTES“) GRÜNDUNG: 1982 im Libanon

SITZ: Libanon,

weltweite Verbreitung

„Hizb-Allah“-naher

„Gemeinden“

GENERALSEKRETÄR: Hassan NASRALLAH

MITGLIEDER: ca. 80 Baden-Württemberg (2017: ca. 85) (Deutschland 2017: ca. 950)

FERNSEHSENDER: „al-Manar“ („Der Leuchtturm“)

INTERNETPORTAL: „al-Ahed“ („Das Versprechen“)

RADIOSENDER: „an-Nur“ („Das Licht“)

Die „Hizb Allah“ ist die bedeutendste schiitisch-islamistische Organisation im Libanon. Seit ihrer Gründung 1982 unterhält sie sehr enge Verbindungen zu staatlichen und religiösen Institutionen Irans.

Anlass für die Entstehung der „Hizb Allah“ war der Einmarsch israelischer Truppen in den Libanon zu Beginn der 1980er Jahre. Im Zuge dessen schickte der damalige geistliche Führer Irans, Ayatollah Ruhollah Khomeini, Angehörige einer parami-litärischen Einheit (der „Iranischen Revolutionsgarden“) in den Libanon, die dort die „Hizb Allah“ aufbauten. Ihr erklärtes Bestreben war zu dieser Zeit vor allem die Vertreibung der Israelis aus dem Südlibanon.

Während der israelischen Besatzung des Südlibanons setzte die „Hizb Allah“ vor allem auf Guerilla-Kriegsführung, aber auch auf Selbstmordattentate. In den 1980er und 1990er Jahren verübte sie weltweit Attentate gegen US-amerikanische und jüdische Einrichtungen, hinzu kamen Geiselnahmen. Außerdem setzt sie Raketen ein. 2013 wurde der militärische „Hizb-Allah“-Flügel in die EU-Liste terroristischer Organisationen aufgenommen.

Daneben nutzt die „Hizb Allah“ auch ein Netzwerk von karitativen und sozialen Einrichtungen. Die ihr zugehörigen Schulen, Kranken- und Waisenhäuser ersetzen

An der alljährlichen Demonstration zum „al-Quds-Tag“ („Jerusalem-„al-Quds-Tag“) in Berlin nahmen am 9. Juni 2018 wenige hundert „Hizb-Allah“-Anhänger teil.

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ließ das Bundesministerium des Innern eine Verbotsverfügung gegen den Sen-der. Sie wurde damit begründet, dass sich „al-Manar“ u. a. gegen den Gedan-ken der Völkerverständigung richte und das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern gefährde.

Dennoch ist der Sender in Europa wei-terhin über verschiedene Satelliten-betreiber zu empfangen. In professionell produzierten Videoclips preist „al-Ma-nar“ das „Märtyrertum“ und ruft zu Spenden für „Hizb-Allah“-nahe Orga-nisationen auf. In Sendungen und Video-clips wird Israel das Existenzrecht ab-gesprochen.

Auch zahlreiche Internetseiten stehen der „Hizb Allah“ nahe und verbreiten deren Botschaften auf Arabisch,

Eng-lisch und vereinzelt auch Französisch.

Diese Medien dienen ebenfalls als Platt-form für die Helden- und Märtyrer-verehrung.

5.1.2

„HIZB ALLAH“: TERRORORGA-NISATION UND MILITÄRMACHT

Kanada, die USA, Frankreich, die Nie-derlande, Israel, der Golf-Kooperations-rat und die Arabische Liga stufen die

„Hizb Allah“ als Terrororganisation ein.

Ihr militärischer Flügel wurde 2010 von Neuseeland und 2013 von der EU zur Terrororganisation erklärt. Australien klassifizierte die „External Security Or-ganisation“ (ESO) der „Hizb Allah“ 2003 als terroristisch. Die ESO plant, koordi-niert und verübt Terroranschläge außer-halb des Libanons.

Die „Hizb-Allah“-Führung unterstützt im syrischen Bürgerkrieg die Seite des Regimes, da sie diesen Krieg als „Bei-spiel für eine ausländische Intervention“

ansieht. Tatsächlich hat die Organisa-tion jedoch ein eigenes Interesse an der Machterhaltung von Staatschef al-Assad:

Sie ist in vielerlei Hinsicht von Syrien abhängig, dazu zählt zum Beispiel die Sicherung des Waffennachschubs aus Iran. An der Unterstützung für das

As-sad-Regime zeigt sich, dass das Recht auf Selbstbestimmung eines Volkes und demokratische Grundprinzipien für die

„Hizb Allah“ keine Rolle spielen. Laut einem Bericht des US-Außenministe-riums sind in dem Land momentan ca.

7.000 „Hizb-Allah“-Kämpfer im Einsatz, hunderte von ihnen sind bereits gefallen.

5.1.3

DER „AL-QUDS-TAG“

Der von Ayatollah Ruhollah Khomeini 1979 ins Leben gerufene „al-Quds-Tag“

(„Jerusalem-Tag“) ist in Iran ein gesetz-licher Feiertag. Am letzten Freitag im Monat Ramadan wird zur internationa-len Solidarität der Muslime mit dem palästinensischen Volk aufgerufen. Seit 1979 wird der „al-Quds-Tag“ weltweit begangen.

Wie jedes Jahr hielt der Generalsekretär der „Hizb Allah“, Hassan NASRALLAH, auch 2018 eine Rede zum „al-Quds-Tag“. Dabei warnte er Israel vor einem möglichen kommenden Krieg:

Wir wollen nicht zerstören. Wir wollen niemanden ins Meer werfen.

Wir sagen euch mit aller Höflichkeit, nehmt eure Schiffe, besteigt eure Flugzeuge und geht in die Länder zurück, aus denen ihr kamt.

Die einheimischen Juden, die Leute aus Palästina sind, bleiben in Palästina. (…) Aber wenn ihr auf der Besatzung beharrt, dann sage ich euch, wird der Tag des großen Krieges in der Region kommen.

Auch in Berlin findet anlässlich dieses Tages jährlich eine Demonstration statt, organisiert unter anderem von „Hizb- Allah“-Anhängern. Bei dieser Veran-staltung werden oftmals antiamerika-nische und antiisraelische Parolen ge-rufen und auf Spruchbändern gezeigt.

Im Jahr 2018 fiel der „al-Quds-Tag“

auf den 8. Juni. Um mehr Teilnehmer zu mobilisieren, wurde die Demons-tration in Berlin, wie in den vergangen Jahren zumeist üblich, auf den darauf-folgenden Samstag verschoben. Zur Kundgebung am 9. Juni 2018 versam-melten sich über tausend Demonstran-ten, darunter wenige hundert Anhänger der „Hizb Allah“.

5.1.4

„HIZB ALLAH“ IN DEUTSCH-LAND UND

BADEN-WÜRTTEMBERG

Die „Hizb Allah“ hat sich im euro-päischen Ausland, aber speziell auch

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heit bilden, so sind doch der Macht-haber und seine Familie als Alawiten dieser Strömung zuzurechnen.

Die schiitischen Milizen repräsentieren in der Regel geschlossene nationale Einheiten mit jeweils iranischen, afgha-nischen und pakistaafgha-nischen Kämpfern.

Eine dieser Milizen trägt den Namen

„Liwa Fatemiyoun“ („Brigade der Fati-miden“); ihre Kämpfer werden unter Afghanen im Heimatland, in Iran und der kleinen afghanischen Gemeinschaft in Syrien rekrutiert. Über die Größe dieser Einheit gibt es keine gesicherten Angaben, wahrscheinlich ist sie zwischen 10.000 und 20.000 Mann stark. Zwar stellt diese Miliz sich selbst als Frei-willigenbrigade dar, es gibt aber auch immer wieder Berichte darüber, dass vor allem die in Iran lebenden Afghanen unter Drohungen zu einem Einsatz herangezogen werden. Auch in Baden- Württemberg haben Personen, die zu-vor für die Brigaden aktiv waren, Asyl-anträge gestellt.

Offiziell soll die „Liwa Fatemiyoun“

einen schiitischen Schrein in Syrien schützen. Auch die anderen schiitischen Milizen haben den Auftrag, die schiiti-schen Heiligtümer in Syrien und im Irak gegen sunnitische Angriffe zu sichern.

Die aus Iran entsandten Berater und Kämpfer werden daher auch offiziell

„Modafean-e Haram“ („Beschützer des Heiligtums“) genannt. Dieser Ehrentitel findet sich immer wieder auf Märtyrer-plakaten, die beim Tod eines Kämpfers angefertigt werden und zur Pflege einer Art Märtyrerkultur dienen.

in Deutschland, in den vergangenen Jahren weiter organisiert und eine über-regionale Struktur aufgebaut. Allerdings treten ihre hier lebenden Anhänger nur selten in der Öffentlichkeit auf und verschleiern die Aktivitäten, mit denen sie Finanzmittel beschaffen. Die Ver-bindung zur „Hizb Allah“ im Heimat-land halten sie unter anderem durch den verbotenen TV-Sender „al-Manar“

und durch Internetseiten von „Hizb- Allah“-nahen Organisationen.

In Baden-Württemberg verteilen sich die meisten der ca. 80 Anhänger auf die Regionen Freiburg, Mannheim und Stuttgart.

5.2 SCHIITISCHE MILIZEN IM SYRISCHEN BÜRGERKRIEG UND IM IRAK

In der jüngeren Vergangenheit haben einzelne Personen bei ihrem Asylantrag in Deutschland angegeben, für eine schiitische Miliz im syrischen Bürger-krieg oder im Irak gekämpft zu haben.

Dadurch ergaben sich auch in Baden- Württemberg Berührungspunkte mit weiteren Ausprägungen des schiitischen Islamismus. Bei den Milizen handelt es sich um Gruppierungen, die von Iran gelenkt und unterstützt werden.

Iran steht im syrischen Bürgerkrieg auf der Seite des Präsidenten al-Assad und versteht diese Unterstützung als Ein-satz für eine schiitische Front gegen sun nitische Zusammenschlüsse. Wenn-gleich Schiiten in Syrien eine

Minder-Logo der „Liwa Fatemiyoun“

Märtyrerplakat für einen iranischen Kämpfer.

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