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2.5 Mechanismen gegen die Sauerstofftoxizität

2.5.2 Mikroorganismen des Pansens

2.5.2.1 Sauerstoffabwehr durch Protozoen

Protozoen spielen eine wichtige Rolle in der Sauerstoffverwertung im Pansen (WILLIAMS 1986) und ermöglichen dadurch das Überleben strikt anaerober Bakterien. Die Protozoen wurden früher als obligat anaerob angesehen, jedoch werden sie besser als aerotolerant oder oxydur bezeichnet (WILLIAMS u. COLEMAN 1992, 1997). Holotricha sind sauerstoff-toleranter als andere Pansenziliaten (HUNGATE 1966), jedoch können sie nicht längere Zeit unter aeroben Bedingungen überleben.

Die Protozoen halten sich in den Phasen zwischen den Fütterungen in der Nähe der Pansenwände auf. Auf diese Weise kommt es unter in-vivo-Bedingungen zum Kontakt der Protozoen mit Sauerstoff (ABE et al. 1981), der durch das Epithel aus den Blutkapillaren (s.

Kap. 2.1) in den Panseninhalt übertritt (CZERKAWSKI 1986).

Die Protozoen nehmen aktiv gelösten Sauerstoff auf (SCOTT et al. 1983; HILLMAN et al.

1985 b; ELLIS et al. 1989 a, b) und schützen durch die Entfernung des Sauerstoffs empfindlichere Organismen, z. B. methanbildene Bakterien (HILLMAN et al. 1988; ELLIS et al. 1990 a, b). Die extrem sauerstoffempfindlichen Methanbildner haften an den Protozoen und können auf diese Weise auch größere Sauerstoffmengen im Pansen nach der Futteraufnahme überleben. Daher bilden faunierte Tiere mehr Methan als defaunierte

(DEMEYER u. VAN NEVEL 1979; ITABASHI et al. 1984; KREUZER et al. 1986;

USHIDA et al. 1986; WALLACE u. CHESSON 1996).

Die Km-Werte (Halbsättigungskonstanten) für Sauerstoff von Entodiniomorphida, Dasytricha und Isotricha ssp. betragen 0,3 – 2,5 µM (LLOYD et al. 1982; YARLETT et al. 1982;

HILLMAN et al. 1985 a; ELLIS et al. 1989 a, b). Innerhalb einer Stunde werden in einem Liter Panseninhalt 32 ml O2 aufgenommen (PRINS u. PRAST 1973). Holotricha können bei einer Populationsdichte von 105 Zellen/ml Pansensaft 500 µmol O2 pro Liter Panseninhalt und Stunde verwerten (HILLMAN et al. 1985 a) und 27 Liter O2 pro Tag bei einem Pansenvolumen von 100 Litern (WILLIAMS 1986).

Vergleichende Untersuchungen mit defaunierten Tieren und Tieren mit physiologischer Mikrofauna zeigten einen Anstieg des Sauerstoffgehalts im Pansen nach Fütterung bei defaunierten Tieren. Bei den anderen Vergleichstieren hingegen konnte kein O2-Anstieg beobachtet werden (LLOYD et al. 1989). Der mit dem Futter aufgenommene Sauerstoff wird also unter natürlichen Bedingungen schnell von den Protozoen verstoffwechselt (SCOTT et al. 1983; s. Tabb. 2.10 und 2.11). Die Protozoen spielen folglich eine wichtige Rolle in der Erhaltung des anaeroben Milieus im Pansen.

Tab. 2.10: Sauerstoffgehalte im Panseninhalt (faunierte Tiere) in Abhängigkeit von der Zeit zur Fütterung (SCOTT et al. 1983)

Tierart Zeit (h) nach Fütterung (bzw. siehe Angabe)

Tab. 2.11: Veränderung der Gaszusammensetzung (Vol%) faunierter Tiere in Abhängigkeit von der Zeit zur Fütterung (CZERKAWSKI u. CLAPPERTON 1968)

Gas vor Fütterung 1 h nach Fütterung 3 – 4 h nach Fütterung

O2 6,50 3,10 1,30

H2 0,01 4,12 0,05

N2 36,2 18,0 6,00

CH4 32,5 18,8 33,5

CO2 24,8 56,0 60,2

Die anaeroben Protozoen besitzen keine Mitochondrien, aber viele der Protozoen besitzen Hydrogenosomen (Microbody-ähnliche Organellen), die wichtige Funktionen im anaeroben mikrobiellen Stoffwechsel übernehmen (ihr Aufbau wurde bereits von TIADEN 2000 beschrieben). Den Hydrogenosomen wird eine Bedeutung im O2-Verbrauch zugeschrieben (s.

Tab. 2.12), der das Überleben der anaeroben Protozoen bei niedrigen Sauerstoffpartialdrücken (im Bereich von 1 % im Pansen) ermöglicht. Eine terminale Oxidase der Hydrogenosomen mit hoher O2-Affinität ist dafür verantwortlich (YARLETT et al. 1983 b; ELLIS et al. 1989 b). Z. B. ist Dasytricha ruminantium genauso fähig O2 bei niedrigen Partialdrücken zu verwerten wie aerobe Mikroorganismen, die Mitochondrien besitzen (LLOYD et al. 1982).

Außerdem dient die Kompartimentierung mit Hilfe der Hydrogenosomen vermutlich dem Schutz der darin enthaltenen sauerstoffempfindlichen Enzyme, wie Hydrogenase und Pyruvat-Synthase (ELLIS et al. 1989 b; LLOYD et al. 1989; ELLIS et al. 1991 b).

Tab. 2.12: O2-Affinität von Protozoen, die Hydrogenosomen enthalten (nach ELLIS et al. 1989 b)

Protozoon KmO2 (µM) Hemmschwelle (µM) Autor und Jahr Holotriche Ziliaten

Km : Halbsättigungskonstante für O2-Aufnahme

Weil den anaeroben Protozoen Mitochondrien fehlen, besitzen sie keine Cytochrom-c-Oxidase. Dieses mitochondriale Enzym reduziert O2 durch schrittweise Übertragung von vier Elektronen und gleichzeitige Aufnahme von vier Protonen zu H2O (LLOYD et al. 1989).

Allerdings wurden die Cytochrome a und b in einigen anaeroben Pansenbakterien gefunden (DE VRIES et al. 1972, 1974).

Es gibt jedoch andere Mechanismen der Sauerstoff-Entgiftung. Die Enzyme NADH-Oxidase, NADH-Peroxidase und Katalase (s. Kap. 2.5.3) sind z. B. bei holotrichen Ziliaten beschrieben worden (PRINS u. PRAST 1973; YARLETT et al. 1981, 1983 a).

NADH-Oxidase und NADH-Peroxidase schützen O2-sensitive Systeme vor O2 und seinen Reduktionsprodukten und halten den Organismus im Redox-Gleichgewicht (WILLIAMS 1986).

TANABE (1979) und LINSTEAD und BRADLEY (1986) untersuchten Trichomonas vaginalis und fanden die Enzyme NADH-Oxidase, die die Reduktion zu Wasser katalysiert, bzw. NADPH-Oxidase, welche Hydrogenperoxid hervorbringt. Es wurden gleiche Mechanismen der Sauerstoffdetoxifizierung bei den isotrichen und entodiniomorphen Ziliaten des Pansens und bei den aerotoleranten trichomonen Flagellaten gefunden (ELLIS et al.

1994). LINDMARK u. MÜLLER (1974) konnten in den anaeroben, aber sauerstofftoleranten Flagellaten Tritrichomonas fetus und Monocercomonas ssp., Superoxiddismutasenaktivität nachweisen (siehe Kapitel 2.5.3.1).

Tabelle 2.13 zeigt eine Übersicht der Schutzmechanismen der Protozoen gegen Sauerstoff.

Tab. 2.13: Schutzmechanismen der Protozoen gegen Sauerstoff

Schutzmechanismus Autor und Jahr

Kompartimentierung O2-empfindlicher Enzyme (Hydrogenase, Pyruvat-Synthase) mit Hilfe der Hydrogenosomen

LINDMARK u. MÜLLER 1974 LLOYD et al. 1982, 1989 YARLETT et al. 1981, 1982, 1983 a, b, 1984 SNYERS et al. 1982

ELLIS et al. 1989 b, 1991 a, b

NADH-Oxidase PRINS u. PRAST 1973

TANABE 1979

YARLETT et al. 1981, 1983 a, b LLOYD et al. 1982, 1989

WILLIAMS 1986 MÜLLER 1988 ELLIS et al. 1991 a BROWN et al. 1995, 1998

NADH-Peroxidase PRINS u. PRAST 1973

YARLETT et al. 1981, 1983 a, b WILLIAMS 1986

MÜLLER 1988 LLOYD et al. 1989 ELLIS et al. 1991 a BROWN et al. 1995, 1998

NADPH-Oxidase LINSTEAD u. BRADLEY 1986

Katalase PRINS u. PRAST 1973

YARLETT et al. 1981, 1983 a, b

Superoxiddismutase LINDMARK u. MÜLLER 1974

Die Auswirkungen des Sauerstoffs auf die ruminalen Protozoen sind konzentrationsabhängig.

Atmosphärische Sauerstoffpartialdrücke sind toxisch. Hingegen können physiologische Konzentrationen energetisch günstige Effekte haben. Die in den Hydrogenosomen lokalisierten metabolischen Prozesse werden durch O2 beeinflußt. Bei physiologischen O2 -Konzentrationen ist die Wasserstoffbildung reversibel gehemmt und die Acetatproduktion gesteigert mit einem korrespondierenden Abfall der Butyratsynthese. Die Glucoseaufnahme ist ebenfalls gesteigert. Bei fehlender Glucose wird extrazelluläres Laktat konsumiert (PRINS u. PRAST 1973; YARLETT et al. 1983 b; HILLMAN et al. 1985 a; ELLIS et al. 1991 a). Die Hemmung der Wasserstoffbildung kann entweder direkt durch O2 oder durch entstandene Radikale, wie Singulett-Sauerstoff, Hydroxylradikale, Superoxidanionen oder Peroxide,

ausgelöst werden (ELLIS et al. 1989 a). O2 konkurriert in den Hydrogenosomen mit Protonen als terminaler Elektronenakzeptor. Dadurch wird unter strikt anaeroben Bedingungen weniger Acetat gebildet (ELLIS et al. 1991 a).

Eine Übersicht über die verschiedenen Stoffwechselwege in Dasytricha ruminantium bei An-oder Abwesenheit von Sauerstoff gibt Abb. 2.2.

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Abb. 2.2: Verschiedene Stoffwechselwege in D. ruminantium bei An- oder Abwesenheit von O2 (ELLIS et al. 1991 a)

= Wege, die bei wenig O2 (1 - 3 µM) bevorzugt werden; = Wege, die bei hohen CO2-Konzentrationen (66 kPa CO2 in N2) bevorzugt werden; 1: Pyruvat: Akzeptor-Oxidoreduktase; 2: Hydrogenase; 3: Phosphat-Acetyltransferase; 4: Acetatkinase; 5: β-Hydroxybutyryl-CoA-Dehydrogenase; 6. Crotonase; 7: Crotonyl-CoA-Reduktase; 8: Phosphat-Butyryltransferase; 9: Butyratkinase; 10: Laktat-Dehydrogenase;

11: Malat-Dehydrogenase; x: uncharakterisierte Elektronentransportkomponente Glykolyse

Sauerstoffabwehr durch Bakterien

Nicht nur die Protozoen, sondern auch einige Bakterien spielen eine wichtige Rolle für den Sauerstoffverbrauch im Pansen. Sie verwerten etwa gleich viel O2 wie die Protozoen (ELLIS et al. 1989 b). Ihr Km-Wert für Sauerstoff beträgt zwischen 0,36 bis 3,2 µM. Bei einer O2 -Konzentration von 7 µM wird ihre Sauerstoffaufnahme gehemmt.

Eine Population der Pansenbakterien haftet fest der Pansenwand an (CHENG u.

COSTERTON 1980). CHENG et al. (1979) identifizierten dort fakultativ anaerobe Bakterien, und vermuteten, daß sie Sauerstoff aufnehmen können.

Die methanogenen Bakterien des Pansens sind hingegen sehr sauerstoffempfindlich. Sie schützen sich, indem sie an Protozoen haften, die O2 verwerten (HILLMAN et al. 1988;

ELLIS et al. 1990 a, b; s. Kap. 2.5.2.1).

Niedrige Sauerstoffpartialdrücke können die bakterielle Fermentation beeinflussen, z.B.

führen sie bei Selenomonas ruminantium zur vermehrten Laktat- und Acetat-Bildung und einem leichten Abfall der Propionat- und Succinatproduktion (SAMAH u. WIMPENNY 1982).

Durch Interaktion des in den Pansen gelangten molekularen Sauerstoffs mit verschiedenen zellulären Komponenten der Bakterien können die aktivierten Sauerstoffspezies, wie Superoxidanionen, Singulett-Sauerstoff, Wasserstoffperoxid und Hydroxylradikale (FRIDOVICH 1974; MORRIS 1975; s. Kap. 2.3) entstehen. Sie sind toxisch für die anaeroben Pansenbakterien. Die Radikale inhibieren wichtige Enzyme der bakteriellen Fermentation, oxidieren Lipide mit einhergehender Membranzerstörung und schädigen die DNA durch Strangbrüche und eine erhöhte Mutationsrate (SIES 1984; O′CONNOR u.

SAVAGE 1993; LISDAT et al. 1999; s. Kap. 2.4). Hierdurch wirken sie bakterizid. Doch die Bakterien schützen sich mit unterschiedlichen Enzymen gegen diese Radikale.

Früher wurde angenommen, daß den Anaerobiern die für die Sauerstoffdetoxifizierung wichtigen Enzyme, wie Superoxiddismutase (SOD) und Katalase, fehlen (MC CORD et al.

1971; MORRIS 1975, 1976; PETZHOLD u. KIRCHHOFF 1986). Jedoch wurden diese Enzyme auch in anaeroben Bakterien gemessen (MORRIS 1975, 1976; HOLDEMANN et al.

1977; GREGORY et al. 1978; ROLFE et al. 1978; WIMPENNY u. SAMAH 1978). Es stellte sich heraus, daß innerhalb der anaeroben Bakterien verschiedene Untergruppen existieren, die sich in ihrer Sauerstofftoleranz unterscheiden (LOESCHE 1969; ELLIS et al. 1989 b). Tabelle 2.14 zeigt die Überlebensdauer verschiedener Bakterien in Raumluft, ihre Enzymaktivitäten und ihr Sauerstoffreduktionsvermögen.

Tab. 2.14: Sauerstofftoleranz, Sauerstoffreduktion und Aktivitäten von SOD, Katalase und Peroxidase in unterschiedlichen Bakterien (ROLFE et al. 1978)

Enzymaktivitäten (U/mg Protein aus zellfreiem Extrakt)

Organismen

Sauerstoff-toleranz (in

Luft) SOD Katalase Peroxidase

Es zeigte sich, daß die Überlebensdauer der Bakterien unter O2-Einfluß von den Aktivitäten ihrer schützenden Enzyme und ihrer Sauerstoffreduktionsrate abhängig ist. Bakterien mit hohen Enzymaktivitäten und langsamer Sauerstoffreduktion überleben länger (ROLFE et al.

1978), denn bei der O2-Reduktion können toxische Radikale entstehen (Superoxidanionen, Singulett-Sauerstoff, Wasserstoffperoxid und Hydroxylradikale).

Folglich sind die Enzyme SOD und Katalase wichtig für die anaeroben Bakterien, um sich vor der Radikalbildung zu schützen. Desweiteren wurde in einigen anaeroben Bakterien NADH-Oxidase oder NADH-Peroxidase als O2-Schutz gefunden, z.B. in Selenomonas ruminantium oder Bifidobacterium ssp. (ROLFE et al. 1978; SHIMAMURA et al. 1992). Auf die Wirkungsweise dieser Enzyme wird in Kapitel 2.5.3 näher eingegangen.

Zur Übersicht werden die wichtigen Enzyme der Sauerstoffdetoxifizierung in der Tabelle 2.15 zusammengefaßt.

Tab. 2.15: Enzyme zur Sauerstoffdetoxifizierung in anaeroben Bakterien

Enzym Autor und Jahr

Superoxiddismutase MC CORD u. FRIDOVICH 1969

BEAUCHAMP u. FRIDOVICH 1971 MORRIS 1976

GREGORY et al. 1978 TALLY et al. 1977 CARLSSON et al. 1978 ROLFE et al. 1978

PRIVALLE u. GREGORY 1979 WIMPENNY u. SAMAH 1978 DI GUISEPPI u. FRIDOVICH 1982 SAMAH u. WIMPENNY 1982

FULGHUM u. WORTHINGTON 1984 SHIMAMURA et al. 1992

NADH-Oxidase WIMPENNY u. SAMAH 1978

SAMAH u. WIMPENNY 1982 BENTZEN u. LARSEN 1989 SHIMAMURA et al. 1992 NIIMURA et al. 1993, 1995 HIGUCHI et al. 1999

NADH-Peroxidase WIMPENNY u. SAMAH 1978

BENTZEN u. LARSEN 1989 SHIMAMURA et al. 1992 NIIMURA et al. 1995 HIGUCHI et al. 1999

Peroxidase ROLFE et al. 1978

Katalase LOESCHE 1969

MORRIS 1976

CARLSSON et al. 1978

PRIVALLE u. GREGORY 1979 ROLFE et al. 1978

ROCHA et al. 1996