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2.5 Mechanismen gegen die Sauerstofftoxizität

2.5.3 Enzyme zur Sauerstoffabwehr

Die wichtigen, vor aktivierten Sauerstoffspezies schützenden Enzyme der anaeroben Pansenmikroorganismen sind Superoxiddismutase, NADH-Oxidase, NADH-Peroxidase und Katalase.

2.5.3.1 Superoxiddismutase

Um Zellen vor Oxidationsprodukten des Sauerstoffs oder seiner Reaktionsprodukte zu schützen, besitzen die ruminalen Mikroorganismen (Protozoen, Bakterien und Pilze; s. Kap.

2.5.2) Mechanismen, die entweder die Entstehung reaktiver Sauerstoffspezies (O2.-, H2O2, OH.-Radikale, 1O2) verhindern oder diese Zwischenprodukte abbauen können. Ein Beispiel ist die Cytochrom-Oxidase (hauptsächlich bei Aerobiern zu finden, wurde aber auch schon bei einigen anaeroben Pansenbakterien identifiziert; DE VRIES et al. 1972, 1974), die in Form eines 4-Elektronenschrittes Sauerstoff zu Wasser reduziert, ohne daß die oben genannten Zwischenprodukte entstehen. Karotinoide reagieren mit Singulett-Sauerstoff, der Abbau von H2O2 erfolgt mit Katalase und Peroxidase, während die Dismutation von O2.- (mit H+) zu O2

und H2O2 durch die Superoxiddismutase (SOD) katalysiert wird (BEAUCHAMP u.

FRIDOVICH 1971; GREGORY u. FRIDOVICH 1973; MORRIS 1976; TALLY et al. 1977;

PRIVALLE u. GREGORY 1979; DI GUISEPPI u. FRIDOVICH 1982; VON STEIN et al.

1982; SCHIAVONE u. HASSAN 1988; ELSTNER 1990; ROCHA et al. 1996):

SOD

O2.- + O2.- + 2H+ → O2 + H2O2 (Dismutation von Superoxidanionen)

Die enzymkatalysierte Dismutation läuft 106 mal schneller ab als in der Spontanreaktion (ELSTNER 1990). FRIDOVICH (1975) errechnete sogar einen 109 mal schnelleren O2.- -Abbau in Anwesenheit der SOD für humane Lebermitochondrien.

Die Funktion der Superoxiddismutase läßt auf eine enge Verknüpfung mit dem Sauerstoffmetabolismus schließen. Nach ELSTNER (1990) sind Organismen und Organellen innerhalb vielzelliger Organismen, die einen hohen Sauerstoffmetabolismus aufweisen, besonders gut mit Superoxiddismutase ausgestattet. Dieses trifft bis auf wenige Ausnahmen von den primitivsten Organismen bis zum Menschen hin zu.

Zum ersten Mal wurde die Superoxiddismutase 1969 von MC CORD und FRIDOVICH beschrieben.

MC CORD et al. (1971) untersuchten obligat anaerobe Bakterien auf das Vorhandensein von SOD und fanden heraus, daß die von ihnen untersuchten Anaerobier keine SOD besitzen. Sie folgerten daraus, daß die Aufgabe der SOD in Bakterien der Schutz vor Sauerstoffradikalen sei. Folglich ist für sie das Fehlen der SOD die enzymatische Basis der Anaerobiose.

Hingegen untersuchten TALLY et al. (1977) anaerobe Bakterien auf ihren SOD-Gehalt, die der normalen menschlichen Darmflora angehören oder zu Infektionserregern zählen (s. Tab.

2.16). Sie unterteilten die anaeroben Bakterien in aerotolerante, die mindestens 72 Stunden in Raumluft überleben können, in intermediäre Bakterien mit einer Überlebenszeit von 10 Minuten bis 48 Stunden, und extrem sauerstoffempfindliche Bakterien, die keine 10 Minuten unter Lufteinfluß überleben können. Im Allgemeinen besaßen die aerotoleranten Bakterien höhere SOD-Werte als die intermediären. Die niedrigsten bzw. unmeßbaren Werte wurden bei den extrem sauerstoffempfindlichen Bakterien gefunden. Deutlich die höchsten SOD-Werte zeigten die als Kontrolle untersuchten aeroben Bakterien. Gramnegative Bakterien der sauerstofftoleranten Gruppe hatten einen höheren SOD-Gehalt im Vergleich zu grampositiven Bakterien. Aufgrund dieser Ergebnisse sahen TALLY et al. (1977) eine Korrelation zwischen der Sauerstofftoleranz der Anaerobier und dessen Gehalt an SOD.

Tab. 2.16: Superoxiddismutase-Aktivität und Sauerstofftoleranz anaerober Bakterien der menschlichen Darmflora bzw. Infektionserreger (50 % Inhibition der Reduktion von Cytochrom c im Versuch entspricht 1 U Enzymaktivität)

(nach TALLY et al. 1977)

Bakterium SOD ( U/mg Protein ) Sauerstofftoleranz

Aerotolerant Clostridium novyi type B Clostridium haemolyticum

**unter 50 % Inhibition der Cytochrom c Reduktion

+ nicht meßbar

Sie zeigten auch, daß die Produktion von Superoxiddismutase durch Einfluß von 10 % als auch durch 25 % atmosphärischem Sauerstoff gesteigert wird. Allerdings wurden auf komplexen Nährmedien ebenfalls höhere SOD-Werte gemessen als auf Minimalnährböden (s. Tab. 2.17).

Tab. 2.17: Einfluß von Sauerstoff auf die Superoxiddismutase-Aktivität in B. fragilis (in

PRIVALLE und GREGORY (1979) beobachteten an Bacteroides fragilis einen drei- bis fünffachen Anstieg der Superoxiddismutase-Aktivität nach Zufuhr von 2 % Sauerstoff zum Nährmedium, was sie auf de novo Proteinsynthese zurückführen. Die sauerstoffinduzierten Zellen sind resistenter gegenüber dem bakteriziden Effekt von Sauerstoff.

Eine Untersuchung des anaeroben Pansenbakteriums Selenomonas ruminantium von WIMPENNY und SAMAH (1978) zeigte, daß dieser Anaerobier Superoxiddismutasen- und NADH-Oxidasen-Aktivitäten besitzt, die bei steigendem Sauerstoffpartialdruck ansteigen.

Dieses ist eine Antwort auf eine Anhäufung von Superoxidanionen (SAMAH u. WIMPENNY 1982). Die toxischen Superoxidanionen entstehen nach MORRIS (1975), wenn Sauerstoff in die Nähe des Mikroorganismen gelangt. Auf diese Weise wird die Aktivität der NADH-Oxidase gesteigert. Die NADH-NADH-Oxidase reduziert das Oxidationsmittel Sauerstoff zu Wasser und Wasserstoffperoxid. Dabei entstehen als Nebenprodukt die zellschädigenden Superoxidanionen.

HEWITT und MORRIS (1975) untersuchten verschiedene Clostridienspezies und fanden eine SOD-Verteilung, die mit der Sauerstofftoleranz der Mikrorganismen zu korrelieren scheint.

Jedoch ist es nach TALLY et al. (1977) unwahrscheinlich, daß die Superoxiddismutase der einzige Mechanismus ist, der Mikroorganismen vor Sauerstoffeinflüssen schützt. Denn auch Mikroorganismen, denen das Enzym fehlt, wie z. B. bestimmte Bifidobakterien, können 72 Stunden in Raumluft überleben. Möglicherweise verwerten diese Mikroorganismen keinen Sauerstoff und produzieren daher keine zellschädigenden Superoxidradikale, oder sie besitzen nur wenig SOD in der Matrix, so daß sie von TALLY et al. (1977) unentdeckt blieb.

Lactobacillus plantarum enthält weder SOD noch Katalase, trotzdem ist es aerotolerant.

ARCHIBALD und FRIDOVICH (1981) entdeckten, daß es durch Mn(II) vor Sauerstoff-radikalen geschützt ist, indem Mn(II) oxidiert wird.

GREGORY et al. (1978) wiesen in ihren Untersuchungen SOD in anaeroben Bakterien nach, auch wenn sie strikt anaerob gezüchtet wurden. Frühere Experimente (GREGORY u.

FRIDOVICH 1973, 1974; FRIDOVICH 1975, 1978) weisen auf eine direkte Beziehung zwischen Sauerstoffempfindlichkeit und SOD-Gehalt in Zellen hin.

FULGHUM und WORTHINGTON (1984) berichteten, daß einige obligat anaerobe Pansenbakterien SOD-Aktivität zeigen, die unter Sauerstoffeinfluß zunimmt. Allerdings schützt eine SOD-Zugabe zum Versuchsnährboden die obligaten Anaerobier nicht vor dem Sauerstoffeinfluß. 11 von 13 Pansenbakterien und 4 von 5 anderen getesteten Bakterien zeigten SOD-Aktivität unter anaeroben Bedingungen. Als Nachweis für SOD-Aktivität wurde

die Inhibition der photochemischen Reduktion von Nitroblautetrazolium (NBT) verwendet (s.

Tab. 2.18).

Tab. 2.18: Superoxiddismutasen-Aktivität (FULGHUM u. WORTHINGTON 1984) Relative SOD-Aktivität als % Inhibition Spezies zellfreier Extrakt Cytosol Zelltrümmer Fakultativ anaerobe Pansenbakterien

Streptococcus bovis 0 39 22 Anaerobe Pansenbakterien

Bacteroides ruminicola subsp. brevis 29 9 10 Bacteroides ruminicola subsp. 0 0 0 ruminicola

Bacteroides amylophilus 32 67 36 Butyrivibrio fibrisolvens 42 31 13 Eubacterium ruminantium 1 63 39 Eubacterium limosum 21 31 49 Lachnospira multiparus 33 72 63 Megasphera elsdenii 51 47 29 Ruminococcus albus 9 6 10 Ruminococcus flavefaciens 0 0 0 Succinimonas amylolytica 35 54 34 Succinivibrio dextrinosolvens 50 47 29 Andere fakultativ anaeroben Bakterien

Escherichia coli 43 54 27 Andere anaerobe Bakterien

Bacteroides fragilis 74 66 30 Bacteroides melaninogenicus 31 30 36 Clostridium novyi B 0 0 10 Clostridium pasteuranium 22 44 39

Die Superoxiddismutase kann für die anaeroben Pansenbakterien von Vorteil sein. Sie hilft den Pansenbakterien während Phasen verstärkten Sauerstoffeinflusses zu überleben, wie z. B.

bei der oralen Übertragung der Pansenbakterien vom Muttertier auf das Jungtier, oder wenn das Wirtstier große Mengen Wassers, welches gelösten Sauerstoff enthält, aufnimmt (FULGHUM u. WORTHINGTON 1984).

Die Superoxiddismutasen lassen sich nach PRIVALLE und GREGORY (1979) in drei Metalloenzym-Klassen einteilen, die entweder Cu2+ und Zn2+ oder Fe3+ oder Mn3+ enthalten.

Dabei sind Cu2+, Fe3+ oder Mn3+ katalytisch wirksam. Die FeSOD tritt vor allem in anaeroben Bakterien auf, in denen der O2.- - oder der O2-Gehalt in der Zelle gering ist (ASADA et al.

1980). Fakultativ anaerobe sowie aerobe Bakterien enthalten ebenso wie Algen und Protozoen

FeSOD und/oder MnSOD. Bei dem Versuch, bestimmte Eigenschaften der Bakterien mit der SOD-Form zu korrelieren, fällt das Auftreten der FeSOD in Anaerobiern auf. In Anwesenheit von O2.- oxidiert Mn2+ zu Mn3+, Fe3+ wird hingegen zu Fe2+ reduziert. Da Mn3+ leichter an die Proteinkomponente der SOD gebunden wird, entsteht aerob MnSOD (PUGH u. FRIDOVICH 1985). Nach PENNINGTON und GREGORY (1986) ist Fe in anaerober Umgebung für die Zellen vielleicht zugänglicher als Mn, oder es existieren je nach Sauerstoffgehalt für die Metallionen unterschiedliche Transportmechanismen in die Zelle hinein. Die MnSOD ist nicht in den phylogenetisch älteren Anaerobiern nachzuweisen, wird durch das Dismutationsprodukt H2O2 nicht inaktiviert und erscheint daher „fortschrittlicher“ als die FeSOD (HANSSON u. HÄGGSTRÖM 1984). Dies wird bekräftigt durch die größere Unempfindlichkeit der MnSOD gegenüber OH-Radikalen.

2.5.3.2 NADH-Oxidase und NADH-Peroxidase

Die NADH-Oxidase, ein Flavoprotein (WIMPENNY u. SAMAH 1978; NIIMURA et al.

1993, 1995; GIBSON et al. 2000), reduziert O2 zu Wasserstoffperoxid bzw. Wasser (TANABE 1979; MORRIS 1975; SAMAH u. WIMPENNY 1982; ROSS u. CLAIBORNE 1992; SHIMAMURA et al. 1992; NIIMURA et al. 1993, 1995; BROWN et al. 1995, 1998;

HIGUSHI et al. 1999; GIBSON et al. 2000).

SHIMAMURA et al. (1992) formulieren die O2-Reduktion mit Hilfe der NADH-Oxidase wie folgt:

O2 + 2e- + 2 H+ → H2 O2

Es gibt zwei Typen von NADH-Oxidasen (CONDON 1987; NIIMURA et al. 1993;

HIGUCHI et al. 1999): Die eine reduziert O2 zu Wasserstoffperoxid durch eine Zwei-Elektronen-Reduktion, die andere reduziert O2 zu Wasser durch eine Vier-Elektronen-Reduktion. Der Typ ist bei jeder Spezies verschieden (CONDON 1987; NIIMURA et al.

1993). Erstere herrscht meistens bei Katalase besitzenden Mikroorganismen vor (COCCO et al. 1981; SAEKI et al. 1985; PARK et al. 1992), während die zweite bei den Katalase freien Mikroorganismen zu finden ist (KOIKE et al. 1985; SCHMIDT et al. 1986).

Die NADH-Peroxidase katalysiert den Wasserstoffperoxid-Abbau (ROSS u. CLAIBORNE 1991; SHIMAMURA et al. 1992; BROWN et al. 1995, 1998; GIBSON et al. 2000). Die Reaktionsgleichungen der Katalyse von NADH-Oxidase und NADH-Peroxidase sehen folgendermaßen aus (SHIMAMURA et al. 1992; HIGUCHI et al. 1999):

NADH-Oxidase

O2 + NADH + H+ → H2 O2 + NAD+

NADH-Peroxidase

H2O2 + NADH + H+ → 2 H2O + NAD+

Durch diese Enzyme wird Sauerstoff zu Wasser detoxifiziert. In verschiedenen Bifidobacterium ssp. konnte eine positive Korrelation zwischen den gemessenen Enzymaktivitäten und deren Sauerstofftoleranz festgestellt werden (SHIMAMURA et al.

1992). Außerdem bewirkt Sauerstoff eine Steigerung der Aktivität der NADH-Oxidase (WIMPENNY u. SAMAH 1978; SAMAH u. WIMPENNY 1982). Folglich sind NADH-Oxidase und -Peroxidase ein wichtiger Sauerstoffabwehrmechanismus.

In einigen Protozoen und Bakterien des Pansens konnten Oxidase und/oder NADH-Peroxidase zur O2-Reduktion nachgewiesen werden, z.B. in den Protozoen Isotricha ssp.

(PRINS u. PRAST 1973; YARLETT et al. 1983; MÜLLER 1988) und Dasytricha ruminantium (YARLETT et al. 1981; LLOYD et al. 1982; MÜLLER 1988; ELLIS et al. 1991 a), sowie in den Bakterien Selenomonas ruminantium (WIMPENNY u. SAMAH 1978) und Bifidobacterium ssp. (SHIMAMURA et al. 1992).

2.5.3.3 Katalase

Die Katalase katalysiert folgende Reaktion (ELSTNER 1990; JENNEY et al. 1999):

Katalase

2 H2O2 → 2 H2O + O2

Auf diese Weise wird das durch die Superoxiddismutase (s. Kap. 2.5.3.1) und die NADH-Oxidase (s. Kap. 2.5.3.2) bzw. im Stoffwechsel entstandene toxische Wasserstoffperoxid (s.

Kap. 2.3.2.2) reduziert. Sie ist somit ein wichtiger Abwehrmechanismus gegen die Sauerstofftoxizität (MORRIS 1975, 1976; CARLSSON et al. 1978; VON STEIN et al. 1982;

MATILLA 1985; CHOU u. TAN 1990; SHIMAMURA et al. 1992; BROWN et al. 1995, 1998; ROCHA et al. 1996).

Die Katalase ist in Aerobiern zu finden, doch auch aus einigen anaeroben Pansenmikroorganismen konnte sie isoliert werden, wie aus Protozoen Isotricha ssp.

(YARLETT et al. 1983) oder Bakterien Bacteroides ssp. (ROLFE et al. 1978; PRIVALLE u.

GREGORY 1979; ROCHA et al. 1996). Sauerstoffeinfluß führt zur vermehrten Katalase-Aktivität (GREGORY et al. 1977 a, b; WILKINS et al. 1978; ROCHA u. SMITH 1995).

Neben molekularem Sauerstoff induziert auch Wasserstoffperoxid die Katalase (ROCHA et al. 1996).

3. Eigene Untersuchungen