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2. THEORIE

2.5. S EKUNDÄRE T RAUMATISIERUNG – DAS L EIDEN DER H ELFENDEN

“There is a cost of caring. Professionals who listen to clients’ stories of fear, pain and suffering may feel similar fear, pain and suffering because they care“ (Figley, 1995, zitiert nach Collins & Long, 2003a, S. 18). Die Arbeit mit traumatisierten Personen stellt

2 Theorie 10 Betreuende und Therapeuten vor eine schwierige Aufgabe. Durch ihre Klienten werden sie mit Geschichten von Gewalt und Ungerechtigkeit vertraut und erfahren grausame Details, welche auch für sie lebendig werden können. Der erfahrene Stress, verursacht durch die massierte Konfrontation mit traumatischen Erfahrungen der Betroffenen, kann zu einer Beeinträchtigung der persönlichen und professionellen Fähigkeiten des Betreuers bzw.

Therapeuten führen (Collins & Long, 2003b; Sabo, 2006).

Unter anderem beobachtet bei Frauen von Veteranen, wurde dieses Phänomen zum ersten Mal in den 90er Jahren konzeptualisiert. Verschiedene Begriffe wurden geprägt, um diesem Phänomen einen Namen zu geben: Burnout (Pines & Maslach, 1978), Compassion Fatigue (Joinson, 1992; Figley, 1995), Secondary Traumatic Stress (Figley, 1995), Secondary Traumatic Stress Disorder (Munroe et al., 1995), Traumatic Countertransference (Hermann, 1992) oder Vicarious Traumatization (McCann &

Pearlman, 1990) (Collins & Long, 2003a, 2003b). Die einzelnen Bezeichnungen beschreiben Folgen des Umgangs mit traumatisierten Personen und unterscheiden sich konzeptuell voneinander. So bezieht sich Vicarious Traumatization auf die Erschütterung kognitiver Schemata, wie dem Glauben an das Gute im Menschen, während Traumatic Countertransference als ein Begriff der psychodynamischen Psychotherapieschule die bewusste und unbewusste Abwehr von Affekten, intrapsychischen Konflikten und Assoziationen seitens des Therapeuten beschreibt (Sexton, 1999). Für weitere Ausführungen der verschiedenen Konzepte sei an dieser Stelle auf die Artikel von Jenkins und Baird (2002) sowie Collins und Long (2003b) hingewiesen. Als Oberbegriff für die Belastungssymptome durch Traumatherapie soll in dieser Arbeit Secondary Tramatic Stress verwendet werden. Auf die ausführlichere Beschreibung von Burnout und Compassion Fatigue wird im Folgenden genauer eingegangen.

Burnout beschreibt Maslach (1996) als “A syndrome of emotional exhaustion, depersonalization and reduced personal accomplishment that can occur among individuals who work with people“ (Maslach, 1996, zitiert nach Collins & Long, 2003b, S. 421).

Langzeitliche Konfrontation mit emotional anspruchsvollen Situationen kann körperliche, emotionale, interpersonelle, verhaltens- oder arbeitsbezogene Symptome verursachen und sich in Frustration, der Unfähigkeit, Arbeitsziele zu erreichen, und Schwäche äußern. Dies kann die professionellen Fähigkeiten beeinträchtigen (Sabo, 2006; Collins & Long, 2003b).

Compassion Fatigue wird von Figley (2002) als eine Form von „Betreuer-Burnout“

bezeichnet. Der Autor sieht dieses Phänomen als eine natürliche Reaktion auf das Wissen

2 Theorie 11 über traumatische Erlebnisse anderer Menschen und dem Wunsch, den Traumatisierten zu helfen. Ortepp und Friedman (2001) sehen Compassion Fatigue als ein Resultat emotionaler Erschöpfung, welches sich in Hilflosigkeit, Verwirrung und Isolation äußern kann. Der Helfende entwickelt Symptome, die als Parallele zur PTBS gesehen werden können (Salston & Figley, 2003). Der Hauptunterschied besteht im Erleben des traumatischen Ereignisses, welches der Therapeut indirekt über seinen Patienten erfährt.

Intrusive Gedanken und Bilder, Träume, physiologische Reaktivität auf bestimmte Erinnerungen und Vermeidungsverhalten des Therapeuten beziehen sich somit auf das Erlebte des Klienten (Salston & Figley, 2003). Diese Symptomatik resultiert letztendlich in einer reduzierten Fähigkeit bzw. einem reduzierten Interesse, das Leiden des Klienten zu ertragen (Figley, 2002). Verringerte Energie, erhöhte Erregbarkeit und eine Distanzierung vom Klienten können eingeschränktes Empathievermögen, Fehldiagnosen, schlechte Therapieplanung oder unvollständig durchgeführte Therapien nach sich ziehen und somit den Therapieprozess in erheblichem Maßen beinträchtigen (Inbar & Ganor, 2003, Rudolph, Stamm & Stamm, 1997; Sexton, 1999). Sabo (2006) zufolge erhöht das Vorhandensein von Burnout die Wahrscheinlichkeit, eine Compassion Fatigue zu entwickeln.

Dennoch unterliegen nicht alle Traumatherapeuten einer solchen Reaktion. Demzufolge muss es schützende Faktoren geben. Als ein solcher wird Compassion Satisfaction bezeichnet. Dieses Konzept beinhaltet die Zufriedenheit mit der Arbeit als Helfender und spielt vermutlich eine wichtige Rolle in der Balance bzw. Ausgeglichenheit bzgl. der Arbeit in der humanitären Betreuung (Collins & Long, 2003b).

Für die Entwicklung von Secondary Trauamtic Stress werden in der Literatur einige Risikofaktoren genannt. Hierzu zählt die Existenz einer Traumavorgeschichte (Collins &

Long, 2003b; Ortlepp & Friedman, 2002; Salston & Figley, 2003; Sexton, 1999). Ein Nachweis des kausalen Zusammenhangs zwischen diesem Risikofaktor und Secondary Traumatic Sress steht jedoch noch aus (Collins & Long, 2003b). Das Level der Traumaexposition, also das Ausmaß der Belastung mit traumatischem Material, stellt einen weiteren Risikofaktor dar (Compassion Stress and Fatigue Modell, Figley 1995, nach Figley, 2002). Hierbei wird zum einen die Anzahl der betreuten Fälle betrachtet (Ortlepp & Friedman, 2002), zum anderen die Art der traumatischen Ereignisse, die vom Klienten berichtet werden (Dutton & Rubinstein, 1995, nach Ortlepp & Friedman, 2001).

Bride (2004) zeigt, dass die Intensität der jeweiligen Exposition mehr Auswirkungen auf den Therapeuten hat, als die Dauer. Steed & Bicknell (2001) zufolge ist wiederum kein

2 Theorie 12 klarer Zusammenhang zwischen diesem Risikofaktor und Secondary Traumatic Stress ersichtlich. Lebenszerrüttung ist dem Compassion Stress and Fatigue Modell nach Figley (1995) zufolge ein dritter Risikofaktor, der auf die Laientherapeuten aufgrund ihres Flüchtlingsdaseins zutreffen kann (Figley, 2002). Lebensstressoren können nach Ortlepp und Friedman (2001) den Bewertungsprozess beeinflussen und somit einen Risikofaktor für die Entwicklung von Compassion Fatigue darstellen. Nahrungsknappheit, Angst vor erzwungener Repatriierung oder unsichere Zukunftsplanungen kennzeichnen das Leben in einem Flüchtlingslager und stellen Lebensstressoren dar. Auch Organisatorische Faktoren werden in dem Modell nach Beatson und Murphy (1995) als Risikofaktoren betrachtet (Ortlepp & Friedman, 2001).

Doch auch wenn die Arbeit mit Traumatisierten nicht automatisch zu Compassion Fatigue führt, sollte das Problem nicht verkannt werden. Figley (2002) ruft daher dazu auf, in den entsprechenden Berufsgebieten offen über diese Symptome zu sprechen, da eine solche Reaktion eine natürliche Konsequenz der Arbeit mit Traumatisierten und dem damit verbundenem Stress darstellt. Die Krankheitsanzeichen sollten ihre Existenz Berechtigung finden und akzeptiert werden, anstatt mit Scham behaftet zu sein.