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7. PROJEKTKRITIK UND OPTIMIERUNGSANSÄTZE

7.1. A LLGEMEINER A BLAUF DES P ROJEKTES

7.1.1. Allgemeine Arbeitsbedingungen

Die allgemeinen Rahmenbedingungen der Arbeit stellten die Teammitgliedern im Nakivale Refugee Camp in mehrfacher Hinsicht als Barrieren dar. So berichten sie von Problemen, das ihnen zur Verfügung stehende Büro gemeinsam nutzen zu können. Ebenso sei es um das Büromaterial und Informationen von vivo bestellt gewesen, die nicht allen Therapeuten und Interviewern gleichermaßen zugänglich waren. Möglichkeiten zur eigenständigen Weiterbildung – z.B. in Form von Büchern – seien aus der Sicht eines Therapeuten ebenfalls wichtig. Der größte Kritikpunkt aller betraf die bis dato geplanten und bezahlten Arbeitsstunden. Nur zwei Interviewer mit vier Arbeitstagen im Monat könnten nicht genügend PTBS-Fälle für drei Therapeuten identifizieren, da auch sie weite

7 Projektkritik & Optimierungsansätze 72 Strecken zurücklegen müssten, des Öfteren die betreffenden Personen nicht antreffen und viele Personen die Diagnosekriterien für eine PTBS nicht erfüllen würden.

Von den beiden Therapeutinnen in Kisenyi wird in erster Linie die Unpünktlichkeit der Gehälter beklagt. Die fehlenden Supervisionstreffen waren in ihren Augen einschränkend, da ihnen dadurch keine Möglichkeit zum Ideenaustausch mit anderen Therapeuten gegeben war. Ein sehr wichtiges Anliegen der zwei Laientherapeutinnen betraf die Errichtung eines Büros, in dem ihnen die Möglichkeit zur Therapiedurchführung gegeben werden könnte.

Gugel und Jäger (1999) führen in ihrem sehr praktisch ausgelegten Buch einige Ursachen auf, die bei Helfern im Auslandseinsatz zu beruflichem Stress und Burnout führen können.

Einige der Punkte, die sich im Rahmen des Projektes vor allem für das Team Nakivale Refugee Camp wieder finden lassen, werden von den Autoren unter den Punkten persönlichkeitbedingte Ursachen, Arbeitsbedingungen und Arbeitsteilung aufgeführt.

Siehe dazu 7.1.

Tabelle 7.1: mögliche Ursachen für beruflichen Stress und Burnout (Gugel & Jäger, 1999)

Schlechte Arbeitsteilung Fehlen von klaren Prioritäten

Zu kleiner und schlecht ausgestatteter Arbeitsplatz Mangel an Raum für vertrauliche Gespräche mit Klienten Große Entfernung von Kollegen

Zu viele Stunden Kontakt mit Klienten

Termindruck und nicht genügend Zeit, Ziele zu erreichen Unklare Organisationsstruktur

Folgende Veränderungen der Arbeitsbedingungen sollten deshalb vorgenommen werden:

Die geforderte Anzahl monatlicher Therapien sollte überdacht und den praktischen Arbeitsumständen angepasst werden. Unter den Rahmenbedingungen eines Flüchtlingslagers ist ein effektives Arbeiten nach europäischem Maßstab oft erschwert ist.

Erhöhter zeitlicher Aufwand ist durch die schlechten Transportbedingungen notwendig, um geographische Distanzen zu überwinden. Zusätzlich kann die Rekrutierung der Patienten in Verzug geraten, da sie keine Zeit haben oder sich dem Projekt gegenüber sehr misstrauisch zeigen. Auch das Besorgen von Schreibmaterial kann problematisch sein und die schriftgebundene Arbeit des Therapeuten verhindern. Diese Punkte erschweren das Einhalten vorgeschriebener Richtlinien erheblich und können dadurch die Gefahr mit sich

7 Projektkritik & Optimierungsansätze 73 bringen, die Laientherapeuten unter Zeitdruck zu setzen und sie dazu zu verleiten, eine Therapie unvollständig oder mit größeren Zeitabständen zwischen den Sitzungen durchzuführen. Zu weiteren Ausführungen siehe Kapitel 6.3.6.

In Anbetracht der Anforderungen, eine bestimmte Mindestanzahl an Therapien im Monat durchzuführen, sollten genügend identifizierte PTBS-Fälle gegeben sein. Dies bedeutet, den Interviewern genügend Arbeitsstunden zu entlohnen, um das entsprechend notwendige Pensum pro Monat erfüllen zu können. Somit könnte eine Aufnahme von Patienten ohne Prätests vermieden werden.

Die Notwendigkeit eines geeigneten Raums zum Arbeiten wird auch von Gugel und Jäger (1999) aufgeführt. Dieser kann als Ort für Teamsitzungen und Therapie genutzt werden. Damit würde auch die Organisation für die übrigen Flüchtlinge des Lagers lokalisierbar sein – nicht nur als Element verschiedener Institutionen in dem Lager, sondern auch für den Fall, dass ein selbst Betroffener Hilfe aufsuchen möchte.

7.1.2. Psychologische Betreuung der Therapeuten

Die Problematik der psychologischen Belastung der Therapeuten ist durch ihre Arbeit mit Traumatisierten nicht zu vernachlässigen. Gerade in dem Team im Nakivale Refugee Camp mangelte es sehr an Austausch der Laientherapeuten untereinander.

Daher sind Weiterbildungsmaßnahmen zur Problematik von Secondary Traumatic Stress sowie externe Supervision zwei wichtige Aspekte, um möglichen Belastungssymptomen entgegen wirken zu können. Zu genaueren Ausführungen sei auf den Abschnitt 6.3.6.

verwiesen.

Supervision ist nicht nur im Zusammenhang mit Secondary Traumatic Stress ein wichtiger Aspekt. Foa et al. (2005) stellen in ihrer Studie mit geschulten Laien die Frage, ob diese das erlernte Therapieverfahren ohne entsprechende Supervision ebenso effektiv umgesetzt hätten. Den Autoren zufolge ist die Wichtigkeit einer entsprechenden psychologischen Begleitung für das Gelingen eines Therapieverfahrens nicht zu unterschätzen. Simpson (2002) betont die Wichtigkeit von Feedback und positiver Verstärkung für die effektive Umsetzung neu erlernter Therapieverfahren. Das Nakivale Mental Health Project unterscheidet sich diesbezüglich wesentlich in den zwei Projektphasen. Das vollkommene Ausbleiben psychologischer Betreuung der Laien in der zweiten Phase kann aus meiner Sicht als Hauptgrund für die vorgefundenen Problempunkte gesehen werden, da sie auch von beratender und motivierender Funktion ist.

7 Projektkritik & Optimierungsansätze 74 Speziell für eine Problemlage wie die im Nakivale Refugee Camp sollen noch zwei weitere Aspekte diskutiert werden

7.1.3. Verbesserung der Zusammenarbeit in der Gruppe

Die Teammitglieder im Nakivale Refugee Camp bringen in Einzel- und Gruppen-gesprächen mehrfach kritisch an, dass die Zusammenarbeit sehr mangelhaft gewesen sei.

Dies äußerte sich in erster Linie in fehlender Ehrlichkeit den anderen gegenüber, in Missverständnissen und Missinterpretationen sowie Unpünktlichkeit, bestimmte Materialien und/oder Informationen fristgerecht abzuliefern. Daraus resultierende grundlegende organisatorische Probleme lasteten vor allem in finanzieller und zeitlicher Hinsicht auf den Schultern des Gruppenleiters – Therapeut 1 –, der durch das Verkaufen des eigenen Besitzes und das Leihen von Geldbeträgen versuchte, das Projekt bei Materialknappheit oder organisatorischen Problemen fortführen zu können. Überein-stimmend forderte jedes Gruppenmitglied mehr Gruppensitzungen, um eben diesen Problemen entgegenzutreten. Der fehlende Kontakt zu vivo wurde ebenfalls mehrfach negativ bemerkt, da er für Gruppenmitglieder nicht nur Hilfe bei organisatorischen Problemen, sondern auch ermutigenden Charakter darstellt. Ein Interviewer bringt in seinem schriftlichen Erfahrungsbericht die Problematik, die sich aus der schlechten Gruppenzusammenarbeit ergeben hat, auf den Punkt: „The whole team should feel responsible of everything concerning vivo in Nakivale.“ – ein Motivations-einbruch war teilweise auch von meiner Seite durch Gespräche mit den Mitgliedern spürbar.

Gugel und Jäger (1999) führen unter dem Gesichtspunkt der Beziehung der Mitarbeiter folgende Aspekte auf, die potentielle Ursache für beruflichen Stress oder Burnout darstellen können und auf Problempunkte im Nakivale Refugee Camp: Mangel an Feedback zu Plänen und Ergebnissen, Mangel an Teamgeist und Gruppenzusammen-gehörigkeitsgefühl, psychosoziale Atmosphäre innerhalb einer Organisation und die Art der Beziehungen untereinander, die entweder stimulierend oder frustrierend sein können.

Dass Schwierigkeiten in der Teamarbeit und im Organisationsablauf Auswirkungen auf Burnout und Compassion Fatigue haben können, wurde bereits im Kapitel 6.3 erörtert.

Zum ersten sollte daher der organisatorische Ablauf gemeinsam mit den Gruppen-mitgliedern erarbeitet werden, um wiederholten Verwirrungen in der Verantwortungs-zuweisung vorzubeugen. Zentrale Punkte sollten dabei sein, wer welche Unterlagen verwahrt und wie dem Gruppenleiter Arbeit abgenommen werden kann.

7 Projektkritik & Optimierungsansätze 75 Außerdem sollte eine offenen Kommunikationsform der Gruppenmitglieder untereinander entwickelt werden. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang unbedingt das Vereinbaren regelmäßiger Treffen, um Informationen austauschen und mögliche Probleme rechtzeitig identifizieren zu können. Schweer und Thies (2005) weisen darauf hin, dass es gerade durch einen mangelnden direkten Kontakt schwierig ist, ein entsprechendes Vertrauen herstellen zu können. Daher sollte die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme zu lokalen externen Experten geschaffen werden, an die sich die Gruppenmitgliedern bei Schwierigkeiten Hilfe suchend wenden können. Eine Intensivierung des Kontaktes nach Konstanz ist in den Augen von Therapeut 1 wesentlich, um die intrinsische Motivation des Teams zu steigern und somit die Gruppenarbeit zu fördern.

Die Schulung des Gruppenleiters soll einen dritten Interventionspunkt zur Verbesserung der Gruppenzusammenarbeit darstellen. Da der Gruppenleiter eine Vielzahl verschiedener Aufgaben innehat, kann eine Weiterbildung bezüglich organisatorischer sowie Supervisions-Fähigkeiten hilfreich sein (Cook et al., 2006). Corrigan et al. (2003) empfehlen für Gruppenleiter transaktionale und transformale Führungsstile.

7.1.4. Mehr Öffentlichkeitsarbeit

Die Notwendigkeit von weiterer Öffentlichkeitsarbeit im Nakivale Refugee Camp wurde von allen Gruppenmitgliedern erwähnt. Es herrschen im Lager viele Vorurteile und Unkenntnis gegenüber dem psychologischen Vorgehen, welche bei den Betroffenen in falschen Erwartungen (wie bspw. finanzieller Unterstützung) oder Angst resultieren können. Ein Gespräch mit den Ansprechpartnern der einzelnen Zonen (Communityleader) der einzelnen Zonen zeigte ebenfalls, dass die Arbeit von vivo nur vereinzelt registriert wurde und kaum Wissen darüber vorhanden ist, was die Organisation konkret macht.

Workshops zur vivo-Arbeit können bei den Communityleader eine grundlegende Sensibilität für die Problematik der Traumatisierung wecken. Mit ihrer Hilfe kann eine negative Stigmatisierung von psychisch Kranken vorgebeugt und die Rekrutierung durch gezielte Hinweise potentieller Patienten erleichtert werden.

Während der Prä- und Posttests durch die Interviewer wäre eine Verbreitung von Informationen zur Arbeit von vivo sowie Kontaktmöglichkeiten möglich. So könnten Flüchtlinge auch aus eigener Initiative heraus Kontakt aufnehmen, wenn sie Hilfe benötigen.

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