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5. ERGEBNISSE

5.2. K ONSISTENZ DER THERAPEUTISCHEN D ATEN - V ERTRAUENSWÜRDIGKEIT

5.2.1. Konzept des Konfidenzfaktors

Um die Frage zur Vertrauenswürdigkeit der Daten beantworten zu können, mussten zwei Aussagen bzw. Informationsquellen bzgl. ihrer Übereinstimmung und somit ihrer Richtigkeit bzw. Wahrhaftigkeit verglichen werden. Als Quellen dienten zum einen die Angaben des Experteninterviews und zum anderen die Angaben im Therapieprotokoll (Narration). Ersteres steht für die Aussagen des Patienten, letzteres für die des Laientherapeuten.

Abbildung 5.1: Zusammensetzung des Konfidenzfaktor-Wertes

Um das Konzept umzusetzen, wurde eine Auswahl von Kriterien herangezogen, die im Ganzen einen so genannten Konfidenzfaktor darstellen. Auf ihre Übereinstimmung hin untersucht, trugen sie jede für sich einen numerischen Wert: 0, sollten die Angaben nicht übereinstimmen; 0.1 oder 0.2, im anderen Fall. Diese Werte aufaddiert ergaben den Konfidenzfaktorwert, der zwischen 0 und 1 rangiert. Er liefert eine Aussage über die Vertrauenswürdigkeit der Daten für den entsprechenden Fall: Je höher der Wert, desto vertrauenswürdiger die Angaben des jeweiligen Laientherapeuten.

5 Ergebnisse 41 Beschreibung der verwendeten Variablen

Alter, Bildung in Jahren und Familienstand wurden schon unter 4.1. bzgl. ihrer konsistenten Erhebung über verschiedene Interviewer hinweg untersucht. Sie wurden daher im Konfidenzfaktor in ihrer ursprünglichen Form verwendet. Stimmten die Variablenwerte aus Experteninterview und Narration überein, erhielten sie jeweils einen Wert von 0.1. Bei der Identifizierung einer Übereinstimmung zwischen Experteninterview und Therapieprotokoll wurde ein Toleranzspektrum gegeben, da durch das geringe Bildungsniveau, den unsteten Lebensverlauf und das Nichtvorhandensein von Unterlagen bei Flüchtlingen die Wahrscheinlichkeit für eine korrekte Aussage bzgl. dieser Variablen verringert sein könnte. Für die Variable Alter wurde in der Altersklasse < 60 Jahre eine Abweichung von drei Jahren toleriert, für die Altersklasse > 60 Jahre eine Differenz von fünf. Hinsichtlich der Variablen Bildung in Jahren umfasste der Toleranzbereich drei Jahren. Bei Familienstatus wurden die Werte verwitwet und getrennt lebend als gleichwertig behandelt, da in den Interviews von den Klienten ein klarer Unterschied oft nicht ausgemacht werden konnte. Verwandte waren meist verschollen und demzufolge schien unklar, ob sich die betreffende Person als verwitwet oder getrennt lebend bezeichnen sollte.

Die Ergebnisse unter 4.1. zeigen, dass die Variable Anzahl der Vertreibungen nicht über verschiedene Interviewer hinweg konsistent erhoben werden konnte. Es ist anzunehmen, dass die Fehlerwahrscheinlichkeit für Zahlenangaben zur Vertreibungshäufigkeit relativ groß ist, da in den Interviews oft nur schwer differenziert werden konnte, welche

„Wanderung“ als Vertreibung kategorisierbar wird. Daher sollte dieses Kriterium im Kontext des Konfidenzfaktors in zahlenunabhängiger Weise verwendet werden. Mit der Variable Vertreibung wurde eine allgemeine Übereinstimmung der Fluchtgeschichte geprüft, bei der sowohl die Jahresangaben als auch die Länder des Fluchtweges Berücksichtigung fanden. Die Identifizierung dieser Variable als „übereinstimmend“

erfolgte somit in einem subjektiven Spielraum. Mit einem Wert von 0.1 ging diese Variable bei Übereinstimmung der Angaben von Patient und Laientherapeuten in den Konfidenzfaktor ein.

Weiterhin wurden Variablen zur Therapie selbst in den Konfidenzfaktor aufgenommen.

Dazu gehörte zum einen die Variable Anzahl traumatischer Ereignisse. Konnten mindestens 75% der in der Narration aufgeführten Erlebnisse in der Liste traumatischer Ereignisse aus dem Experteninterview wieder gefunden werden, wurde das Kriterium als erfüllt betrachtet und erhielt einen Wert von 0.2.

5 Ergebnisse 42 Zum anderen ging die Variable worst event (schlimmstes traumatisches Ereignis) in den Konfidenzfaktor ein, welche bei einer Übereinstimmung der Angaben ebenfalls einen Wert von 0.2 annahm. Galt in der Narration kein Ereignis als „schlimmstes“, wurde überprüft, ob das im Experteninterviews als worst event bezeichnete Ereignis in der Narration wieder gefunden werden konnte.

Als letzte Variable wurden die Antworten zu den Validierungsfragen (Validierung) in den Konfidenzfaktor aufgenommen. Zur genaueren Ausführung dieser Fragen siehe Kapitel 4.

Für eine Einsicht in die Antworten zu den Validierungsfragen wird auf Anhang 1 verwiesen. Die Zahlenangaben zu den Therapiesitzungen wurden mit einer Toleranz von +/-1 berücksichtigt. Bei Übereinstimmung der Therapieangaben von Patient und Therapeut erhielt diese Variable einen Wert von 0.2. Tabelle 5.4 gibt Auskunft darüber, wie viele Patienten während unseres Aufenthaltes zu einem Expertenposttest und zur Stellung der Validierungsfragen wieder gefunden werden konnten.

Tabelle 5.4: Übersicht zu den vorhandenen und fehlenden Posttests und durchgeführten Validierungsfragen.

Therapeut

1 Therapeut

2 Therapeut 3

therapierte Patienten 20 21 21

Patienten, die zum Zeitpunkt des Expertenposttests gefunden

wurden 20 16 15

Patienten, die zum Zeitpunkt des Expertenposttests nicht

aufzufinden waren 0 5 6

Patienten, denen die Validierungsfragen gestellt werden konnten 16 9 3

Hintergrund der Wertezuschreibung 0.1 und 0.2 war die Überlegung, wie einfach eine Information ohne eine tatsächlich durchgeführte Therapie für den Laientherapeuten oder den Patienten zugänglich ist. Dabei wurde vermutet, dass einerseits der Laientherapeut einen Patienten kurz zu seinen soziodemographischen Angaben interviewen kann, um dann mit diesen Informationen eine erfundene Narration zu schreiben. Auf der anderen Seite ist es möglich, dass der Laientherapeut den Patienten über die Angaben, die er in der Narration (der nicht stattgefundenen Therapie) gemacht hat, informiert. Für die Angabe eines Geburtsjahres wäre weniger Information notwendig gewesen, als bei Angaben zu den Therapiesitzungen. In der Population der Flüchtlinge ist das Geburtsjahr oft nicht genau bekannt ist und somit ein gewisser Grad an Ungenauigkeit in den Angaben eher erklärbar (Neuner, 2003). Eine 100%ige Übereinstimmung der Geburtsjahresangaben könnte daher

5 Ergebnisse 43 sogar als fragwürdig gesehen werden. So könnten hier gezielt gefälschte von wahren Informationen schlecht unterschieden werden, was die Wahrscheinlichkeit für eine mögliche Identifikation eines „Nicht-Patienten“ verringert. Aus diesem Grund waren für die therapiebezogenen Informationen höhere Werte gewählt worden als für die soziodemographischen Angaben.

Tabelle 5.5 gibt eine Übersicht zu allen verwendeten Variablen mit den entsprechenden Beschreibungen, Toleranzbereichen und Wertigkeiten.

Tabelle 5.5: Übersicht zu den Variablen des Konfidenzfaktors mit entsprechenden Bewertungskriterien

Umgang mit fehlenden Werten

Die aufgeführten Variablen wurden aus Expertenposttest und Narration herausgeschrieben und einander gegenübergestellt. In der Analyse der Werte für die einzelnen Variablen trat gelegentlich das Problem auf, dass kein Wert für die Variable vorhanden war. Die Hintergründe für ihr Zustandekommen mussten interpretiert werden, um einen entsprechenden numerischen für den fehlenden Wert zu finden. Es wurden diesbezüglich zwei Möglichkeiten unterschieden: „keine Angaben vorhanden“ und „keine klaren

Variable Beschreibung des Bewertungskriterien

Toleranzkriterien um Variable als

vorhanden zu zählen Wert

Alter direkte Übernahme der Angabe in Jahren

Jahren direkte Übernahme der Angabe in Jahren

akzeptierte Ungenauigkeit: 3 Jahre (wichtig, ob allgemeiner

Schulabschluss übereinstimmt)

0.1

Familienstatus Direkte Übernahme der Angabe Werte verwitwet und geschieden als

gleich anerkannt 0.1

Vertreibung

Berücksichtigung der Jahresangaben der Vertreibung und der Skizzierung

des Fluchtweges keine konkreten Toleranzkriterien 0.1

Anzahl traumatischer

Ereignisse

erwähnte Ereignisse in der Narration, die auch in der Liste des Interviews wieder zu finden sind

Übereinstimmung von mind. 75%

notwendig 0.2

Worst Event Vergleich der schlimmsten

traumatischen Ereignisse Keine konkreten Toleranzkriterien 0.2 Validierung Erfragung der Therapiesitzungen und

des Therapieinhalts akzeptierte Ungenauigkeit:

Anzahl der Therapiesitzungen: +/- 1 0.2

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Schlüsse aus den Angaben möglich“. Dem ersten wurde der Betrag „0“ zugewiesen, da keine Daten erfasst werden konnten. Wenn „keine klaren Schlüsse aus den Angaben möglich“ waren, wurde der Durchschnitt der Variablen berechnet, die denselben maximalen Wert (01. Oder 0.2) erreichen konnte. Damit sollte zu dem fehlenden Wert

„keine Angaben vorhanden“ unterschieden werden, da das Fehlen von entsprechenden Informationen in der Narration im Kontext der Vertrauenswürdigkeit als schwerwiegender betrachtet wurde. Waren bei der Variable Validierung „keine klaren Schlüsse aus den Angaben möglich“, wurde der Wert 0.1 verrechnet. Dabei sollte der Umstand berücksichtigt werden, dass es überhaupt möglich war, der entsprechenden Person die Validierungsfragen stellen zu können. Dies bedeutete, dass sie ein zweites Mal auffindbar war, was als Hinweis darauf gesehen wurde, dass die Person mit höherer Wahrscheinlichkeit ein „echter“ Patient war.

Im Anhang 2 ist eine Übersicht zu den Konfidenzfaktoren für jeden Patienten mit den jeweiligen Werten für die oben aufgeführten Variablen vorzufinden.

Erfüllung der Voraussetzungen zur Berechnung eines Konfidenzfaktors

Eine Voraussetzung dafür, dass für einen Patienten ein Konfidenzfaktor errechnet werden konnte, war das Vorhandensein einer Narration sowie eines Experten-Posttests.

Zu Therapeut 1 konnte für 19 von 20 Patienten ein Konfidenzfaktor berechnet werden. Bei einem Patienten fehlten jegliche Datenerhebungen nach der Therapie. Ein Patient von Therapeutin 2 wurde von vorn herein aus der Konfidenzfaktor-Berechnung ausgeschlossen, da hier eine Beratung statt einer NET durchgeführt wurde und somit auch keine Narration zur Verfügung stand.

Tabelle 5.6: Übersicht zu den aus der Konfidenzfaktor-Berechnung ausgeschlossenen Fällen

Therapeut 1 Therapeut 2 Therapeut 3

Keine NET/Therapie gemacht 1 1

Expertenposttest nicht vorhanden 3 2

Experten- und Laienposttest nicht vorhanden 1 1 1

Narration nicht vorhanden 1 1

Prä- und Posttests nicht vorhanden 2 4

Keine Daten überhaupt vorhanden 1

Summe der ausgeschlossenen Fälle 1 8 10

5 Ergebnisse 45 Ein Patient von Therapeut 3 teilte uns im Experteninterview mit, dass er keine Therapie bekommen hatte. Dieser Patient wurde daher ebenfalls von vorn herein von der Berechnung des Konfidenzfaktors ausgeschlossen. Therapeut 3 wies weiterhin einen Fall auf, bei dem jegliche Daten fehlten (Prätest, Posttest und Narration). Tabelle 5.6 gibt weitere Informationen zur Datenlage der einzelnen Therapiefälle.

Für 43 von 62 Patienten konnte ein Konfidenfaktor berechnet werden. Um dessen Wert als ausreichend vertrauenswürdig zu interpretieren, wurde ein Cut-off von 0.7 festgelegt.

Tabelle 5.7 gibt eine Zusammenfassung hinsichtlich der Verteilung dieser identifizierten Fälle.

Tabelle 5.7: Übersicht zur Kategorisierung der Konfidenzfaktorwerte am Cut-off von 0.7 für alle drei Laientherapeuten

Therapeut 1 Therapeut 2 Therapeut 3 gesamt Konfidenzfaktorwert ! 0.7 (vertrauenswürdig) 12 7 3 22 Konfidenzfaktorwert " 0.7 (nicht vertrauenswürdig) 7 6 8 21

Kein Konfidenzfaktor berechnet 1 8 10 19

gesamt 20 21 21 62