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Teil C: Analyse des liechtensteinischen Bodenmarktes

I. Rahmenbedingungen für den Bodenmarkt in Liechtenstein

1. Ressourcenausstattung Liechtensteins

Eine erste - im Zusammenhang mit der Grundverkehrsthematik mehr­

fach bedeutsame - Orientierung, die vielleicht auch manche später noch zu schildernde Phänomene mitzuerklären vermag, vermittelt wohl der Blick auf die Ressourcenausstattung des Landes und hier speziell auf seine territoriale Erstreckung sowie auf seine topographischen Gege­

benheiten. Dadurch müsste sich nämlich ein Eindruck über Art und Umfang der für den Bodenmarkt zumindest theoretisch disponiblen Masse vermitteln lassen.

Wiewohl das Fürstentum Liechtenstein sowohl von der Landesfläche als a uch von der Einwohnerzahl her zu den kleinsten Staaten Europas zählt,1 und man angesichts der beengten Verhältnisse vermuten könnte, dass der wenige zur Verfügung stehende Raum besonders genau erfasst sein müsste, liegen de facto jedoch nur bruchstückhafte arealstatistische Unterlagen vor.2 Beispielsweise sind zwar grobe Gesamtzahlen der Grundstücke aber weder aussagekräftige Daten, welche durchschnittliche Grundstücksgrössen betreffen, noch exakte Angaben über die Grund­

stücksnutzung oder über das Ausmass der Siedlungsflächen etc. verfügbar.

Ziemlich undifferenzierte, einschlägige Angaben existieren bloss in Form von internen Unterlagen des Grundbuchsamtes über die Parzel­

lenzahl. Diese beläuft sich für das ganze Land den letztverfügbaren, auf das Jahr 1992 bezogenen Informationen zufolge insgesamt auf 35.319 Parzellen (im vermessungstechnischen Sinne), was auch Tabelle 1 zu entnehmen ist.3

Tabelle 1: Die Zahl der Parzellen und deren Durchschnittsgrösse

Gemeinde Gesamtzahl der

') Stand Jänner 1992; Quelle: Grundbuchamt, Vaduz

1 Noch kleiner als das Fürstentum Liechtenstein sind in Europa lediglich der Vatikan, Monaco und San Marino.

2 Dass Kennzahlen über die Ausdehnung des Staatsgebietes und über die Flächennutzung bislang nur unzureichend dokumentiert sind, dürfte unter anderem mit teilweise ziem­

lich veralteten Vermessungsunterlagen zu tun haben. (Symptomatisch ist vielleicht der Umstand, dass die geodätischen Unterlagen in jenen gar nicht so kleinen Bereichen des Landes, wo seit der Erstvermessung während des vorigen Jahrhunderts noch keine Neuvermessung stattgefunden hat, nicht einmal das metrische System, sondern das ein­

stens übliche Klaftermass verwenden.)

3 Die angesprochene Tabelle setzt überdies die Grundstückszahlen mit der jeweiligen Katasterfläche in Beziehung. Dieses Unterfangen - die Parzellenzahl in Relation zur

Veröffentlicht sind lediglich relativ pauschale respektive auf Schätzun­

gen b asierende - in Tabelle 2 wiedergegebene - Werte, denenzufolge das Staatsgebiet insgesamt ziemlich genau 160 km2 ausmacht. Bei einer Längs­

erstreckung von rund 25 km und bei einer durchschnittlichen Breite von 6 km weist dieses kleine Staatsgebilde erstaunlich viele verschiedene na­

turräumliche Einheiten auf. Das Territorium befindet sich rechtsseitig des Rheins zwischen den Schweizer Kantonen St. Gallen im Westen sowie Graubünden im Süden und dem österreichischen Vorarlberg.

Tabelle 2: Flächenausstattung der Gemeinden in Liechtenstein

Gemeinde Gesamt­ %-Anteil an agrarische %-Anteil an Agraranteil an fläche der Landes­ Nutzfläche der Landes- der Landes­

in km2') fläche in ha2' agrarfläche fläche in %

Balzers 19,623 12,3 453,2 13,1 23,1

Eschen 10,333 6,4 511,9 14,8 49,5

Gamprin 6,140 3,8 269,8 7,8 43,9

Mauren 7,450 4,7 334,1 9,6 44,8

Planken 5,295 3,3 42,7 1,2 8,1

Ruggell 7,370 4,6 338,3 9,8 45,9

Schaan 26,845 16,8 579,1 16,7 21,6

Schellenberg 3,545 2,2 182,5 5,3 51,5

Triesen 26,353 16,5 236,7 6,8 9,0

Triesenberg 29,770 18,6 222,0 6,4 7,5

Vaduz 17,284 10,8 294,2 8,5 17,0

Summe 160,08 100,0 3464,5 100,0 21,6

'' Quelle: Amt für Volkswirtschaft: Statistisches Jahrbuch 1993, S. 3.

2> Quelle: Klaus Büchel: Bodenqualität und Flächenstatistik - Grundlagenbericht I zur Ausscheidung einer landesweiten Landwirtschaftszone im Fürstentum Liechtenstein, 2., überarbeitete Fassung, 1989, S. 20.

Die Lage am Westabhang der Ostalpen bedingt grosso modo einen ge­

birgigen Landescharakter und bewirkt, dass sich das Gelände nur zum kleineren Teil für intensivere Flächennutzungen eignet. Dabei konzen­

trieren sich die intensiver beanspruchten Areale in erster Linie auf die

Katasterfläche zu bringen - besitzt freilich für Liechtenstein insofern nur begrenzte Aussagekraft, als einige Gemeinden im Fürstentum über Alpen verfügen. Selbige Alpen erreichen verhältnismässig "riesige" Flächenausmasse, stellen aber gleichwohl nur ein einziges Grundstück dar. Un ter allgemein von Kleinteiligkeit geprägten Verhältnissen ist de r skizzierte Umstand dazu angetan, die lediglich arithmetisch gemittelten Durch­

schnittswerte beträchtlich zu verzerren, weshalb bei der Interpretation der rein rechne­

rischen Grössen entsprechende Vorsicht geboten ist.

flacheren Zonen in der Rheintalebene. Dieses schmale Talband zwischen Rhein und Hangfuss entspricht nur etwa 30 % der gesamten Landes­

fläche. Die dort gelegenen, einstigen Überschwemmungsgebiete wurden nach der Rheineindeichung zu Anfang des vorigen Jahrhunderts durch Meliorationen entwässert und landwirtschaftlich nützbar gemacht.4 Aus diesen stellenweise mit Moorflächen durchsetzten, auch als "Riet" be­

zeichneten ebenen Arealen ragen zwei isolierte Hügelzüge auf: im Nor­

den der Eschner Berg, ein Teil der helvetischen Kalkzone, die von der Säntisgruppe zum Bregenzerwald hinüberzieht, und im Süden der Flä-scherberg, der nur mehr zum kleineren Teil auf liechtensteinisches Ho­

heitsgebiet hereinreicht. In der Talebene herrschen Kies- und Grob­

sande, sowie feinsandige und Tonböden vor, die als Schwemmböden des Rheins entstanden sind und die bei hohem Kalkgehalt schwankende Humusgehalte aufweisen.5 Tabelle 2 zeigt in Verbindung mit den Karten 1 und 2, welche über die Verwaltungseinteilung und die topographi­

schen Gegebenheiten orientieren, dass in jenen Gemeinden, deren Terri­

torium zum Gutteil auf den Talraum entfällt (das sind vor allem Ruggell, Gamprin, Eschen und Mauren), die Landwirtschaft noch das dominie­

rende Element in der Flächennutzung darstellt.

Dagegen tritt in den flächenmässig viel ausgedehnteren, steileren Lagen der Wald in den Vordergrund. Rund zwei Drittel des Landes sind ja vom westlichen Seitenkamm des Rätikon eingenommen und dement­

sprechend gebirgig. Darin eingelagert sind die Hochtäler Samina, Malbun und Valorsch. Ausgedehnte Schuttfächer und Schwemmke­

gel (waldbestanden) breiten sich am Hangfuss des Gebirges aus. Die un­

tere Hangzone am Hauptmassiv der Drei Schwestern (deren Gipfel auf 2.052 m Seehöhe reicht) besteht aus helvetischem Flysch (ein wenig sta­

biler, zu Rutschungen neigender Gesteinsverband). Diese rheintalseitigen Hanglagen sind fast durchwegs steil bewaldet und nur auf den Terassen-lagen von Planken und Triesenberg besiedelt.6 Das Relief in diesem Ab­

schnitt des Rheintales ist bis zu einer Höhe von etwa 1.700 m eiszeitlich überformt worden.7 Dementsprechend sind am rheintalseitigen Hang

* vgl. Statistisches Bundesamt Wiesbaden (Hrsg.): Länderbericht Liechtenstein, 1986, S. 13.

5 vgl. Real: Die Landwirtschaft, S. 39.

6 vgl. Hüberli et al.: Raumplanung im Fürstentum Liechtenstein, 1992, S. 3.

7 vgl. Statistisches Bundesamt Wiesbaden (Hrsg.): Länderbericht Liechtenstein, 1986, S. 13.

Karte 1

LIECHTENSTEIN

VERWALTUNGSEINTEILUNG

©

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O S T E R R E I C H

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S C H W E I Z

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i [Staatsgrenzen Gemeindegrenzen

© Hauptstadt o Verwaltungssitze

der Gemeinden

© Balzers

® Eschen (3) Gamprin

@ Mauren

© Planken

© Ruggell

® Schaan

© Schellenberg

® Triesen

® Triesenberg

© Vaduz Die Namen der Gemeinden und deren Verwaltungssitze sind gleich

T E R R E I C H

1 2 3 4 5 km

S C H W E I Z

Quelle: Statistisches Bundesamt Wiesbaden (Hrsg.): Statistik des Auslandes - Länder­

bericht Liechtenstein, 1986. Verlag W. K ohlhammer, Stuttgart und Mainz.

Karte 2

M-LIECHTENSTEIN

ZUR W IRTSCHAFTSSTRUKTUR

- i i Staatsgrenzen .© .. Hauptstadt Baizers o Gem6ind6n Mail o Wohnplätze

.sauans ® Orte ausserhalb Liechtensteins

Eisenbahnen

— - Autobahnen , Hauptverkehrsstrassen

—•— Nebenstrassen

^ Rheinbrücken x Pass

—1--+- Strassentunnel

— Flüsse . Entwässerungskanäle

Ackerland, Weideland m it

Viehzucht (Mais, Weizen, Kartoffeln, Tabak, Obst-und Gartenbau)

1111111 ' Weinbau

Hochweiden (Hochgebirgsödland) A Almwirtschaft

. A Ä A Hochgebirgskämme

A Berge

2286 Höhe in m über dem Meeresspiegel SSS, Sumpf, Moorboden

Gewerbestandorte:

H Holzverarbeitung l Lederverarbeitung m M etallverarbeitung N Nahrungsmittelherstellung T_ Te xtilverarbeitung täsl Hochdrückwerke

• . * • *. *A^üiA«niopi

5 km

Quelle:

bericht Statistisches Bundesamt Wiesbaden (Hrsg.): Statistik des Auslandes - Länder-Liechtenstein, 1986. Verlag W. Kohlh ammer, Stuttgart und Mainz.

Moränenböden zu finden. Im übrigen Alpengebiet trifft man wiederum die verschiedensten Bodentypen an; angefangen von den ausgewaschenen und versauerten bis zu den jüngsten Aufschüttungsböden.8 Vom feuch­

ten Auwald sind nur mehr geringe Reste vorhanden, im übrigen ist das Alpenrheintal bis in etwa 550 m Höhe waldfrei. Dann folgt eine montane Stufe mit Laubwald bis 1.300 m, eine subalpine Stufe mit Nadelwald bis 1.800 m und darüber die vegetationsarme alpine Region.9

Diese ausgesprochen vielfältige Landesnatur bringt es mit sich, dass im Fürstentum Liechtenstein auf kleinstem Raum Böden höchst unter­

schiedlicher natürlicher Wertigkeit vorhanden sind, was wohl auch für die ökonomische Preisfindung nicht völlig unerheblich sein dürfte. Besagte Tatsache macht für wirtschaftswissenschaftliche Analysen das gänzliche Fehlen einer allgemein zugänglichen, flächendeckenden und klar ver­

orteten Bonitätserfassung aller Grundstücke besonders schmerzlich.10

Ähnlich diffizil gestaltet sich der Versuch, die momentane Art der Flächennutzung zu erfassen. Ein eindeutiges Bild der Flächennutzung zu zeichnen, "ist schwierig, da hierzu verschiedene, voneinander abwei­

chende Angaben vorliegen."11 Abbildung 3 stellt die beiden aktuellsten, im Lande kursierenden Resultate von Flächennutzungserhebungen und damit die zur Zeit der Realität wohl am nächsten liegenden Versionen der Nutzungsartenverteilung einander gegenüber. Wie man gleich beim ersten Hinsehen erkennen kann, bestehen zwischen den zwei einschlägi­

gen Publikationen erhebliche Differenzen. Diese springen vor allem beim Waldflächenanteil (wo sie 11,2 %-Punkte ausmachen), beim Anteil der unproduktiven und überbauten Flächen (wo die Angaben um 6,2

%-Punkte auseinanderklaffen) sowie beim Agrarflächenanteil (wo die ausgewiesenen Werte immer noch um 2,7 %-Punkte voneinander ab­

weichen) ins Auge. Derartige Diskrepanzen rühren einerseits von

defi-8 vgl. Ospelt: Die liechtensteinische Landwirtschaft, 1968, S. 54.

9 vgl. Statistisches Bundesamt Wiesbaden (Hrsg.): Länderbericht Liechtenstein, 1986, S. 13.

10 Im Gegensatz zu Österreich und Deutschland kennt das Fürstentum Liechtenstein keine amtliche Bodenschätzung und auch keine sogenannte "Einheitsbewertung" für steuerliche Zwecke. Gleichwohl existieren wertvolle Ansätze für eine Erfassung der un­

terschiedlichen Bodenqualitäten; in diesem Zusammenhang ist etwa auf d ie Bodenkar­

tierungen von Juhasz (1979-1985) zu verweisen. Eine differenzierte, parzellenscharfe Bonitierung vermögen diese Unterlagen aber ebenso wie die verdienstvolle, aber aus­

schliesslich auf landwirtschaftliche Flächen mit einem Mindestausmass von 0,3 ha und mit einer Hangneigung unter 15 % beschränkte, von Büchel durchgeführte Klassifizie-rung (vgl. Büchel: Bodenqualität und Flächenstatistik, 1989) nicht zu ersetzen.

11 Broggi und Schlegel (Sachbearbeiter): Die Ernährung Liechtensteins in Krisenzeiten, 1988.

nitorischen Unterschieden her und beruhen andererseits wohl auch auf unterschiedlichen Erhebungsmethoden und auf d ivergierenden Bezugs-zeitpunkten.12 Dass man unter diesen Umständen - angesichts so erheb­

licher Abweichungen - kein parzellenbezogenes Datenmaterial über die Art der jeweils momentan geübten Flächennutzung erwarten darf, liegt auf der Hand.13 Für die spätere Analyse des liechtensteinischen Grund­

verkehrs erweist sich dieses Faktum deshalb als relevant, weil sich darob die ansonsten bei derartigen Untersuchungen übliche Segmentierung des Bodenmarktes nach Nutzungstypen der Grundstücke nicht bzw.

nur sehr eingeschränkt bewerkstelligen und weil sich jedenfalls für Marktdaten kaum ein Bezug zu gesamthaften Informationen über die Nutzungsartenverteilung herstellen lässt.

Abbildung 3: Die Aufteilung der Landesfläche des Fürstentums Liech­

tenstein nach Nutzungskategorien Flächennutzung

lt. amtl. Statistik

34,8%

24,3%

25,2%

15,7%

Wald Landw. Nutzfl.

Flächennutzung lt. K. Büchel

46,0%

21,6% 19,0%

13,4%

Alpweiden unprod./überbaut

12 So ist beispielsweise in der amtlichen Statistik für das Jahr 1993 die landwirtschaftliche Kulturfläche den Auswertungen der - als Fragebogenerhebung organisierten - land­

wirtschaftlichen Betriebszählung 1980 entnommen (vgl. Amt für Volkswirtschaft: Stati­

stisches Jahrbuch 1993, S. 3), während die diesbezüglichen Angaben von Büchel auf einer offensichtlich im Jahre 1987 durchgeführten Nutzungskartierung für Agrarland fussen, welche durch Feldaufnahme an Ort und Stelle erfolgte und welche durch Über­

tragung in Zonenpläne und Ausplanimetrieren dieser Karten ausgewertet wurde (vgl.

Büchel: Bodenqualität und Flächenstatistik, 1989, S. 6).

13 Der Umstand, dass es an einem lückenlosen und genauen Bild vom Muster der Flächen­

nutzung in Liechtenstein bzw. an einer exakten und kontinuierlichen Registrierung des Nutzungswandels ermangelt, scheint vor allem auf längere Sicht nicht unbedenklich.

Wie nämlich für einen seiner Sorgfaltspflicht nachkommenden Kaufmann die ord­

nungsgemässe Führung von Geschäftsbüchern als unerlässlich zu gelten hat, um seinen Betrieb leiten und das Funktionieren seines Unternehmens kontrollieren zu können, so

2. Demographisch-soziale Verhältnisse in Liechtenstein