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Teil B: Allgemeine theoretische Grundlagen zur Analyse des Bodenmarktes

II. Theorieaspekte und grundsätzliche Funktionsmechanis

1. Grundrententheorie als Ausgangspunkt für Modellüberlegungen

Den klassischen Ausgangspunkt der allermeisten wirtschaftswissen­

schaftlichen Annäherungen an den Boden stellt die Grundrententheorie dar, welche nachfolgend nur in ihren Kernpunkten und nur soweit das für das Verständnis unerlässlich scheint, skizziert sei.1

Die Grundrententheorie bildet einen Bestandteil der faktoriellen Ein­

kommensverteilungstheorie; sie stellt herkömmlicherweise einen Ansatz zur Erläuterung der Faktorpreisbildung bei Grund und Boden dar. Das heisst, von ihrer ursprünglichen Zielstellung her beabsichtigt sie, Auf-schluss über das Zustandekommen der Bodenpreise, der Pachtpreise und der Mietpreise zu geben. Darüber hinaus besitzt die Grundrenten­

theorie ebenfalls eine distributionstheoretische Dimension. Soll sie doch unter anderem Antwort auf die verteilungstheoretische Frage geben, welcher Anteil aus dem Einkommen, das durch einen Produktionspro-zess erwirtschaftet werden kann, dem Einsatz des Produktionsfaktors Grund und Boden zuzurechnen ist.

a) Begriff und Ermittlungsweise der Grundrente

Dementsprechend wird "Grundrente" in der allgemeinsten Form defi­

niert als "Einkommen aus der Nutzung für nicht-produzierbare Res­

sourcen."2 Wie ja ü berhaupt mit dem terminus technicus "Rente in der Volkswirtschaftslehre zunächst einmal das Einkommen aus Boden und dann verallgemeinernd jedes Einkommen, das lediglich auf der Knapp­

heit eines Faktors beruht, bezeichnet wird."3 Oder anders gesagt: Mit Grundrente wird jene Gütermenge (bzw. jener Geldbetrag) bezeichnet, die (bzw. der) für die Nutzung von Grund und Boden für einen be­

stimmten Zeitraum geleistet wird.4

Vom Begriff der Grundrente ist der Preis des Grund und Bodens streng zu unterscheiden, der beim Kauf/Verkauf von Grundstücken ge­

1 vgl. zum folgenden auch Wytrzens: Agrarplanung, 1994, S. 295ff.

2 Ströbele: Grundrente, 1987, S. 763.

3 Franke: MikroÖkonomik, 1983, S. 228.

4 Müller: Grundrente, 1986, S. 1126.

zahlt wird. Wirtschaftlich besteht zwischen Grundrente und Kaufpreis aber ein enger Zusammenhang. Der Preis bestimmt sich, soweit allein wirtschaftliche Überlegungen beim Aushandeln bestimmend sind, nach der Summe der künftigen, mit Hilfe des Kapitalzinssatzes auf die Ge­

genwart abgezinsten Grundrenten.5 Die Bestimmung der Grundrente kann auf zweierlei Weise erfolgen:

- Im ersten Falle wird sie als Residuum ermittelt, das verbleibt, wenn man vom Ertrag eines Grundstückes die mit seiner Bewirtschaftung zusammenhängenden Kosten, einschliesslich der bewerteten Eigen­

leistungen abzieht. Das heisst, man erklärt die Entgelte für Arbeit (Lohn) und Kapital (Zins) preistheoretisch und leitet dann die Grundrente als Restgrösse ab. In allgemeinster Form gesprochen errechnet sich also die Grundrente nach dieser Methode aus dem Summenprodukt der Ertrags- oder Output-Mengen mal Preis je Outputeinheit (Rohertrag) minus dem Summenprodukt der Produk­

tionsmittel- oder Input-Mengen mal Preis je I nputeinheit: Eine Vor­

gehensweise, die allen klassischen Rententheorien gemein ist.6 - Der zweite Berechnungsmodus geht davon aus, dass die Grundrente

als Preis der reinen Bodennutzung zu interpretieren sei, der aus An­

gebot und Nachfrage nach Bodennutzung resultiert. Die konkrete Grundrentenhöhe anzugeben, stösst hiebei insoferne auf Hinder­

nisse, als der Markt der Bodennutzung ein besonders unvollkomme­

ner ist. "Qualität, Lage, Zuschnitt der Grundstücke sowie persön­

liche Bindungen zwischen Verpächter und Pächter usw. zwingen oft zu erheblichen Modifikationen bei der Analyse der Preisbildung."7 Die diversen grundrententheoretischen Ansätze unterscheiden sich von­

einander aber nicht nur nach der Art, wie sie berechnet werden, sondern auch nach der Weise, wie die Resultate zum Ausdruck gebracht werden.

Dementsprechend sind zwei Darstellungsformen auseinanderzuhalten:

- Absolute Grundrente: In diesem Fall definiert man Grundrente als Preis der reinen Bodennutzung, der in voller Höhe angegeben wird.

Sie ergibt sich somit etwa als marktmässiger Miet- bzw. Pachtpreis für unbebauten Boden.

5 -ebd., S. 1127.

6 Henze: Produktionsmittel, 1987.

7 Müller: Grundrente, 1986, S. 1127.

- Differentialrente: Diesfalls wird beim Vergleich mehrerer Böden mit­

einander nur der jeweilige Unterschied zwischen den Grundrenten angegeben.

Manchmal freilich stösst man in der Literatur auf eine leicht abwei­

chende Diktion. Bisweilen wird nämlich nur die Rente auf dem schlech­

testen (oder besten) Areal als absolute Rente beschrieben und die wei­

tere Darstellung erfolgt dann mit Hilfe der Differentialrente, die der ab­

soluten Rente auf dem schlechtesten (bzw. besten) Areal hinzugefügt (bzw. abgezogen) wird. Prinzipiell andere Ergebnisse folgen hieraus nicht.

b) Determinanten der Grundrente

Die Kenntnis der Berechnungsweisen, wie sich die Grundrente formal ermitteln lässt, liefert für sich allein genommen allerdings noch keine für den Modellaufbau und die Hypothesenfindung befriedigenden Einsich­

ten. Für eine tiefergreifende Erläuterung des Grundverkehrs und der Vorgänge am Bodenmarkt erscheint es deshalb hilfreich, sich mit den Determinanten der Grundrente auseinanderzusetzen. Zu diesem Behufe sei in einem kurzen Abriss auf ideengeschichtliche Aspekte eingegangen, die bei der Entwicklung der Grundrententheorie massgeblich waren.8

Schon die ersten nationalökonomischen Lehren, die Anspruch auf eine umfassende theoretische Analyse des Wirtschaftsprozesses erheben konnten, haben auf die Erkenntnis von der Mitwirkung des Bodens und der Natur am Produktionsprozess aufgebaut. Diese Position wurde ins­

besondere von der Physiokratie, als deren herausragendster Vertreter Fran^ois Quesnay gilt, herausgearbeitet.9 "Gemäss der von ihnen vertre­

tenen 'naiven Produktionstheorie' ist die Grundrente als ein Geschenk der Natur zu betrachten, weil der Boden einen höheren Ertrag bringt, als an Aufwand für Produktionsmittel und Arbeitskräfte nötig ist."10

8 Eine Darstellung der Ideengeschichte und des historischen Verlaufes der Bodenpreis-und GrBodenpreis-undrentendiskussion gibt Ziercke: Faktorpreisbildung III: Rente, Bodenpreis, 1980.

Zusätzliche umfassende Hinweise vor allem auf ältere Literatur finden sich darüber hin­

aus etwa bei Mantau: Bestimmungsgründe, 1980, S. 68ff.

' Binswanger: Natur und Wirtschaft, 1979, S. 157.

10 Popp und Schwarzenbach: Der Bodenmarkt, 1989, S. 35.

Eine ähnliche Auffassung kommt in der berühmten Formel des engli­

schen Merkantilisten William Petty: "Labour is the Father and active Principle of Wealth as Lands are the Mother"11 zum Ausdruck. Petty zufolge ergibt sich die absolute Grundrente real als Überschuss des Ern­

teertrages über dessen Reproduktionskosten (Saatgut, Existenzsiche­

rung). Die Differentialrente begründet er als Fruchtbarkeits- (unter­

schiedliche Bodenqualität) oder als Lagerente (unterschiedliche Lage zu den Märkten). "Im Ansatz findet sich bei Petty bereits der Zusammen­

hang von Grundrente und Bodenpreis, nämlich der Bodenpreis als kapi­

talisierte Grundrente."12

In ähnlicher Weise sieht Adam Smith die Grundrente als Werk der Natur, welches übrigbleibt, wenn man alles abzieht oder ausgleicht, was man als Leistung des Menschen betrachten kann.13 "Seine Grundrenten­

theorie ist insoferne widersprüchlich, als er die Grundrente einmal als Bestimmungsgrund der Bodenproduktepreise bezeichnet und ein ande­

res Mal behauptet, ihre Höhe sei von den Preisen der Bodenprodukte abhängig."14

David Ricardo führte die Idee der Differentialrente weiter und defi­

nierte sie als Ertragsdifferenz, die sich aus dem Einsatz zweier gleicher Mengen an Arbeit und Kapital auf gleichen Bodenflächen ergibt. Auf ihn gehen ferner folgende Beobachtungen zurück:

- im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung wird bei zunehmender Be­

völkerung immer schlechterer Boden für die Nahrungsproduktion eingesetzt;

- der zuletzt zur Bewirtschaftung herangezogene Boden ist als Grenz(ertrags)boden zu bezeichnen. Auf diesem Boden fällt der ge­

samte Ertrag nur den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital zu und die Grundrente beträgt null;

- gelten die Gesetze von Angebot und Nachfrage und ist Boden knapp, existiert eine originäre Grundrente;

- für die städtische Flächennutzung gilt, dass mit steigenden Markt­

preisen für Wohnungen, Gewerberäume etc. schlechtere Böden (z.B.

schlechtere Lagen) in die Bauproduktion einbezogen werden. Die

11 Petty: Treaties of Taxes, 1899.

12 Popp und Schwarzenbach: Der Bodenmarkt, 1989, S. 35f.

13 vgl. Immler: Natur in der ökonomischen Theorie, 1985, S. 137.

14 Rieder und Huber: Landwirtschaftlicher Bodenmarkt, 1992, S. 18.

Höhe der Renten steigt tendenziell. Nutzniesser dieser Entwicklung sind die Grundeigentümer.15

Die Feststellungen Ricardos erlauben ausserdem, eine "Preis-Wirkungs­

kette" abzuleiten: Ihr zufolge ist die Rente die Wirkung und nicht die Ursache eines hohen Preises.16 Mit anderen Worten: Der Preis eines Bo­

denproduktes ist nicht deshalb hoch, weil eine Grundrente bezahlt wird, sondern die Grundrente wird bezahlt, weil der Preis der Bodenprodukte hoch ist. Aus dieser Aussage folgt ferner, dass die Grundrente mit wirt-schafts- und einkommenspolitischen Massnahmen in Zusammenhang steht, weil letztere zum Teil bewusst auf das Güterpreisgefüge Einfluss

nehmen.17

Im Laufe der Zeit wurde die klassische Grundrententheorie um einige Facetten bereichert. So hat H.C. Carey auf den Einfluss des technischen Fortschritts hingewiesen.18 Marshall hat das Zeitmoment in seine Analy­

sen um die Fragen der Grundrententheorie einbezogen. Er ist zu dem Schluss gelangt, dass der Bodenpreis aus der Kapitalisierung der zukünf­

tig erwarteten Nettoerträge resultiert. Schliesslich hat Johann Heinrich von Thünen die Lagerente in den Mittelpunkt seiner Überlegungen ge­

stellt. Er postulierte in seinem Werk "Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie", dass die Landrente - wie er die Grundrente bezeichnete - durch die Distanz zum städtischen Ab­

satzmarkt bzw. zum Zentrum bestimmt werde.19

Von den bisher geschilderten Vorstellungen über die Grundrente wei­

chen die Konzepte der sozialistischen Ökonomen beträchtlich ab. Karl Marx etwa geht vom Axiom aus, dass nur durch menschliche Arbeit Werte entstehen können. Durch unbezahlte menschliche Arbeit entste­

hen sogenannte "Mehrwerte", die sich die Besitzer der Produktionsmit­

tel aneignen. Extrem simplifiziert ist demnach jener Mehrwert, den sich Grundbesitzer vorbehalten der Grundrente gleichzusetzen.20 Indem er erstmals das Phänomen einer auf Monopolpreisen beruhenden Rente beschrieb ("Ein Weinberg, der Wein von ganz ausserordentlicher Güte erzeugt, Wein, der überhaupt nur in relativ geringer Quantität erzeugt

15 vgl. Ziercke: Faktorpreisbildung III: Rente, Bodenpreis, 1980, S. 550f.

16 von Nell-Breuning: Grundrente, 1959, S. 1135.

17 vgl. Popp und Schwarzenbach: Der Bodenmarkt, 1989, S. 38.

18 vgl. Seuster und Gabr: Landwirtschaftliche Grenzböden, 1973.

19 vgl. Wächter: Bodenmarktpolitik, 1993.

20 vgl. Ziercke: Faktorpreisbildung III: Rente, Bodenpreis, 1980, S. 554f.

werden kann, trägt einen Monopolpreis"21), hat Marx aber auch einen Beitrag zur Weiterentwicklung der klassischen Grundrententheorie ge­

leistet.

Aus diesen unterschiedlichen - der klassischen Ökonomie zugerech­

neten - theoretischen Ansätzen lassen sich folgende Aussagen über jene Faktoren, welche offensichtlich die Höhe der Grundrente bestimmen, ableiten:

- die ursprüngliche Bodenfruchtbarkeit ist für die Grundrentenentste­

hung ebenso massgeblich, wie

- die Bearbeitbarkeit der Böden (die sich durch den technischen Fort­

schritt beeinflussen lässt);

- die Lage (die vor allem über die Entfernung zu Zentren zum Tragen kommt);

- die Vorstellungen über zukünftige (monetäre) Nutzungserträge und - die allfälligen monopolistischen Situationen;

- schliesslich kommt Preis-Kostenrelationen entscheidende Bedeutung zu. Wenn nämlich die Grundrente als Differenz zwischen Ertrag und Aufwand der Bodennutzung definiert wird, haben auf die Renten­

höhe sowohl die Preise für die auf der Fläche erzeugten Güter und Leistungen als auch die Preise der eingesetzten Produktionsmittel entscheidenden Einfluss.

Mit der Identifikation besagter Erklärungsgrössen war und ist die den Bodenmarkt betreffende Theoriebildung keineswegs abgeschlossen, nur wurde sie sukzessive in einer umfassenderen und allgemeineren Wirt-schaftstheorie integriert.

2. Generelle Modellvorstellungen über den Bodenmarkt