• Keine Ergebnisse gefunden

Natursprung (D) KB (D) Natursprung (Celle) KB (Celle)

Abbildung 1: Verteilung der Bedeckungen und künstlichen Besamungen der Pferdepopulation in Deutschland (FN Jahresbericht 2000)

2.2 Reproduktionsmerkmale

2.2.1 Definition von Fruchtbarkeitsmerkmalen

Die Geschlechtsreife tritt beim Pferd im Alter von ein bis vier Jahren mit einer erheblichen Streuung ein. Das Auftreten der Geschlechtsreife wird durch unterschiedliche Faktoren wie Rasse, Geschlecht, Gewicht, Jahreszeit, Klima, Fütterung und Management beeinflusst. Die Zuchtreife als Zeitpunkt der tatsächlichen Zuchtnutzung setzt eine körperliche Reife voraus und wird beim Warmblutpferd etwa mit dem dritten Lebensjahr erreicht.

In Abbildung 2 sind die Zeitintervalle im Reproduktionszyklus einer Stute zwischen zwei Abfohlungen in Anlehnung an NISSEN et al. (1986) und DOHMS (2002) dargestellt.

Abfohlung KB KB KB Abfohlung ↓ ↓↓ ↓↓ ↓↓ ↓

■ ■

Tage 9 30 51

Fohlenrosse 2. Rosse 3. Rosse

Serviceperiode Trächtigkeitsdauer (Decksaison)

Zwischenfohlzeit

Güstzeit Resorption Abort

Abbildung 2: Kriterien zur Beschreibung der Fruchtbarkeit bei der Stute (NISSEN et al. 1986 ; DOHMS, 2002)

Mit Einsetzen der Fohlenrosse kann die Stute wieder zur Belegung bereitgestellt werden.

Nicht jede erste Anpaarung führt zur Konzeption. Bei ausgebliebener Trächtigkeit rosst eine Stute nach 19 bis 23 Tage wieder. Während dieser Rosse werden erneute Anpaarungen bzw.

Besamungen durchgeführt. Die Rosselänge beträgt im Durchschnitt drei bis sieben Tage. Mit dem Zeitpunkt einer erfolgreichen Belegung endet die Servicezeit, die das gesamte Paarungs- bzw. Besamungsintervall umfasst. Mit dem Eintreten der Trächtigkeit wird auch die Güstzeit abgeschlossen. Sie beginnt mit dem Abfohlen, gleichbedeutend mit dem Ende der vorausgegangenen Trächtigkeit, und endet mit der Konzeption, dem Beginn der neuen Trächtigkeit. Die Trächtigkeitsdauer beträgt beim Warmblutpferd im Mittel 335 Tage mit einer Streuung von 20 Tagen. Die Trächtigkeitsdauer unterliegt einer rassebedingten und einer individuellen Variabilität. Als Zwischenfohlzeit bezeichnet man die Zeitspanne zwischen zwei Abfohlungen. Sie wird neben den individuellen Kriterien wie der zeitgerechten postpartalen Rückbildung der Geschlechtsorgane in erheblichem Maße vom Erfolg der Paarung bzw. Besamung beeinflusst. Das Alter der Stute bei ihrer ersten Belegung wird als Erstbelegungsalter und das Alter bei ihrem ersten Fohlen als Erstfohlalter bezeichnet. In

Zuchtprogrammen für landwirtschaftliche Nutztiere werden unterschiedliche Kriterien für die Fruchtbarkeitsbeurteilung angegeben. Für die Beurteilung der Fruchtbarkeit bei der Besamung von Rindern und Schweinen kann die Non-Return-Rate (NRR) herangezogen werden. Diese Rate drückt den Anteil der besamten Tiere aus, die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (z.B. 60, 70 oder 90 Tage) nach Erstbelegung nicht wieder belegt werden. Analog dazu kann man unter der Non-Return-Rate (NRR) eines Hengstes, den Anteil belegter Stuten an der Gesamtzahl aller belegter Stuten verstehen, die nach einem bestimmten Zeitraum nach der letzten Belegung nicht wieder belegt werden müssen. Die Non-Return-Rate kann sich auf die erste Rosse oder jede einzelne Rosse einer Serviceperiode beziehen. Um die Problematik der unregelmäßigen Nutzung der Rossen durch externe Faktoren, wie Turniereinsatz der Stuten innerhalb der Decksaison oder keine gegenwärtige Verfügbarkeit des Hengstes und die dadurch bedingte Fehlerquote der Non-Return-Rate ermitteln zu können, müssen alle Belegungen in einem Zyklus registriert werden. Unter der „first-cycle-pregnancy-rate“

versteht man die Anzahl der trächtigen Stuten im Verhältnis zu allen belegten Stuten, die in der ersten Rosse innerhalb der Saison belegt wurden. BRÜCK et al. (1993) beschreiben die Fruchtbarkeitsleistung der Vollblutstuten in Australien und stellen die Trächtigkeitsrate, definiert als die Anzahl der trächtigen Stuten zu den gedeckten Stuten, als ein häufig genutztes Kriterium zur Ermittlung der Reproduktionsleistung dar. Bedeutungsvoller sei die Angabe der Anzahl der Zyklen, die eine Stute zur erfolgreichen Trächtigkeit benötigt.

Dadurch seien indirekt die Informationen des Managements und der Hengstfruchtbarkeit berücksichtigt. Bei den Fruchtbarkeitsuntersuchungen hannoverscher Hengste erfassten BRUNS und MEINARDUS (1983) die Abfohlrate als Anzahl der abgefohlten Stuten im Verhältnis zu allen belegten Stuten, den Anteil der güst gebliebenen und den Anteil der verfohlten Stuten, jeweils zur Gesamtzahl der belegten Stuten.

Reproduktionsmerkmale beim weiblichen Tier sind neben dem Zeitpunkt der Geschlechtsreife und der Nutzungsdauer, Rosseverlauf und –intensität, Ovulations-, Befruchtungsrate, Geburtsverlauf, Rastzeit sowie Muttereigenschaften (SMIDT 1994). Auf die embryonale Entwicklungsrate wirken maternale Effekte. Die embryonale bzw. fetale Mortalität sowie die Plazentaeffizienz unterliegen jedoch neben maternalen auch fetalen Einflüssen. Merkmale wie das Erstfohlalter, die Zwischenfohlzeit sowie die Non-Return-Rate nach erster Insemination gehören ebenfalls dazu.

Zu den Fruchtbarkeitsmerkmalen gehören bei männlichen Tieren nach SMIDT (1994) der Zeitpunkt der Geschlechtsreife und die Dauer der fortpflanzungsbiologischen Nutzung, Libido und Deckvermögen, Spermaproduktion, Spermaqualität und die Befruchtungs-kapazität. Das Befruchtungsvermögen der Hengste wird bei der Auswertung der erzielbaren Trächtigkeitsraten nach dem Natursprung bzw. nach der künstlichen Besamung offenbar. Zur Einschätzung der männlichen Fruchtbarkeit wird die Non-Return-Rate herangezogen.

Die Abfohlrate ist ein nach ROUSSET et al. (1987) grobes Merkmal zur Auswertung der Fruchtbarkeit, da darin das Management der Stute und des Hengstes vermischt wird. Die Autoren bevorzugen die Auswertung der Trächtigkeitsrate pro Decksaison und Zyklus

2.2.2 Differenzen zwischen Trächtigkeitsrate und Abfohlrate

Nach Beginn der Trächtigkeit können embryonale und fetale Verluste eintreten (MERKT und KLUG 2001). Bis zum dritten Monat der Trächtigkeit steht mit absinkender Tendenz das Risiko einer embryonalen Fruchtresorption im Vordergrund. Von Fruchtresorption spricht MERKT (2000), wenn eine im Uterus abgestorbene Frucht nicht abgestoßen, sondern resorbiert wird. Im weiteren Verlauf besteht das Abortrisiko, welches mit fortschreitender Trächtigkeit zunimmt. Abortursachen können Zwillingsträchtigkeiten (38%), infektiöse Aborte (25,5%), Virusaborte (42%) und Aborte mit unbekannter Ursache (28%) sein (ALLEN 1984, VAN

NIEKERK 1984, MERKT 1985). Verluste des Fötus vom 60. bis zum 300. Trächtigkeitstag werden im allgemeinen als Aborte bezeichnet, Geburten vom 300. bis 326. Tag als Frühgeburten (ACLAND 1987).

Durch Einsatz der Sonographie Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts ist eine Früherkennung von Zwillingsträchtigkeiten möglich geworden. Nach MERKT und KLUG

(2001) verminderte sich in der Zeit von 1969 bis 1999 die Abortfrequenz in der deutschen Vollblutzucht von 7,0% auf 4,8%. Sie führten diesen Rückgang einerseits auf die seit 1984 obligatorische Impfung gegen den Virusabort (EHV1) und andererseits auf die Früherkennung und Korrektur von Zwillingsträchtigkeiten zurück.

Im Allgemeinen liegen die Abfohlraten um 5-10% unter den Trächtigkeitsraten (PARLEVLIET

et al. 1997).

Der Anteil der embryonalen Fruchtresorption reicht laut BALL (1988) von 5% bis 24%

zwischen dem Tag 11 und 50 nach der Ovulation. Subfertile Stuten verlieren bis zu durchschnittlich 39% ihre Frucht zwischen dem 15. und 50. Trächtigkeitstag. Die Rate bei den übrigen Stuten liegt bei 17%. Dem Phänomen der Fruchtresorption liegt ein multifaktorieller Ursachenkomplex zugrunde. Neben der Progesteron-Konzentration werden das Milieu in Eileiter und Gebärmutter, das Alter der Stuten, die Nutzung der Fohlenrosse, das Laktationsstadium, Stress, Ernährung, Saison, Klima und chromosomale Defekte des Embryos als Ursachen diskutiert (NEWCOMBE, 2000, BALL, 1988).

Mit zunehmendem Alter kommt es infolge vorausgegangener Trächtigkeiten und/oder Entzündungsprozessen zu chronischen Veränderungen am Endometrium, die KENNEY (1978), NIKOLAKOPOULOS und WATSON (1999) als eine der Hauptursachen des embryonalen Fruchttodes bezeichnet. Die Ernährung des Embryos durch die Sekrete des Eileiters und der Uterindrüsen ist in der ersten Phase der Gravidität bei bestehenden chronischen Veränderungen der Schleimhäute anscheinend mehr in Frage gestellt als zu einem späteren Zeitpunkt der Trächtigkeit. Überdauert die Frucht diese Phase, kommt es zur Einnistung und zur Ausbildung einer ersten Verbindung mit der Uterusschleimhaut. Etwa ab dem 35. Tag bildet sich eine enge Verbindung zwischen den kleinen Zotten der Fruchthülle (endometrial cups) und dem Endometrium. Ab diesem Zeitpunkt scheint die Ernährung der Frucht kaum vom Alter der Stuten beeinflusst, erst im fortgeschrittenem Alter (über 20 Jahre) scheinen hier weitere Störungen aufzutreten. Vermutlich ist die hohe Resorptionsrate im hohen Alter nicht nur durch chronische Uterusschleimhautdegenerationen bedingt, sondern auch durch eine Konkurrenzsituation zwischen Stute und Frucht zu erklären. Im Alter besteht ein erhöhter Energiebedarf des Organismus bei einer gleichzeitig schlechteren Futterverwertung. Einen zusätzlichen Energiebedarf aufgrund der Gravidität kann der alternde Organismus evtl. nicht decken (OSTER und PAUFLER 1990).

Die bei Jungstuten erhöhte embryonale Mortalität dürfte in hormonellen Imbalancen begründet sein. MERKT und KLUG (1980) deuten so die hohen Verluste bei Maidenstuten in der deutschen Vollblutzucht.

Nach JANSEN et al. (1996) gehen multiple Interaktionen, auch Passereffekte genannt, in den Befruchtungserfolg mit ein. Jedes Genom kann zwar für sich genommen optimal ausgestattet sein, aber im Einzelfall kann es unter Umständen nicht kompatibel mit der maternalen Umwelt sein. Als Beispiel dafür lassen sich Rezeptorinkompatibilitäten anführen, die in der humanen Reproduktionsbiologie dazu führen, dass Spermien eines bestimmten Spenders an einige Oozyten nicht binden, jedoch zu Oozyten eines anderen Donors eine hohe Affinität haben. Es ist nach JANSSEN et al. (1996) wichtiger, dass die Summe der Rezeptoren und Liganden auf den Spermien und der Eizelle bei jedem einzelnen Befruchtungsversuch möglichst genau zueinander passen, als dass ein Rezeptor oder Ligand eine besonders hohe Affinität zu einem komplementären Bindungspartner hat. Eine hohe Befruchtungsrate wird eher durch eine Vielzahl von polymorphen Rezeptoren und Liganden garantiert, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass einige darunter sind, die optimal an ihre Bindungspartner passen und damit den weiteren Ablauf der Signaltransduktion sicher stellen. Ein heterozygoter Genotyp ist dazu eher in der Lage als ein homozygoter.