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Dass die Therapien erfolgreich waren, belegt die Zahl der aus den Igelstationen entlassenen Igel. Nach Abzug der verstorbenen Igelpatienten verbleiben 9376 Igel, die wieder ausgewildert werden konnten, nachdem sie entweder von den Stationen gesund an die Finder weitergegeben oder direkt durch die Pfleger in die Freiheit ent- lassen wurden, ein Prozentsatz von 79,45% bezogen auf alle Igelpfleglinge (n=11801). Dieses Ergebnis wird durch die Daten des Arbeitskreises Igelschutz Berlin e. V. bestätigt, dort wurden 80,50% der Pfleglinge (= 7015 Igel) in den Jahren 1997 bis 2001 gesund aus den Stationen entlassen (NEUMEIER 2004 a). In der Studie der FORSCHUNGSGRUPPE IGEL BERLIN (1999) lagen die Werte geringfügig niedriger, hier konnten 67,7% (n=111) der 164 Igelpfleglinge ausgewildert werden.

Über die Freilassung selbst ist in allen der eigenen Studie zugrunde liegenden Protokollen nichts dokumentiert. Es ist also weder bekannt, ob die Tiere – wie wünschenswert – wieder am Fundort ausgewildert wurden, wo sie sich auskennen (GIESECKE 1995, ZINGG 1994), oder ob sie in neue Lebensräume gebracht wurden. Die erfolgreiche Eingliederung in die Natur von nicht in der Nähe des Fund- orts ausgesetzten Igeln ist fragwürdig, zumindest für alle Tiere, die schon Freiland- erfahrung hatten, da sie sich im neuen Lebensraum völlig neu orientieren müssen

(DIETZEN und OBERMAIER 1986, MORRIS und WARWICK 1994, ZINGG 1995, MORRIS 1997, REEVE 1998). Von solcher »Umsiedelung« wird jedoch oft durch Igelpfleger berichtet (NEUMEIER 2008 c, SEEWALD 2008). Nur bei handaufge- zogenen unselbstständigen Igelsäuglingen ist die Wahl eines neuen igeltauglichen Lebensraumes unbedenklich.

Außerdem ergaben sich aus den Pflegeberichten keine Hinweise darauf, ob und wie gut die Igel auf die Freilassung vorbereitet wurden. Es bleibt also unbekannt, ob die Tiere etwa über Freigehege, mit oder ohne vorübergehende Zufütterung usw. ausge- wildert wurden. Ob und wie lange die Igel nach der Auswilderung in Freiheit über- lebten, kann für die vorliegende Arbeit demnach nicht beantwortet werden, da keine Untersuchungen zu Wiederfunden der hier untersuchten Igelpatienten vorliegen. Es wird allerdings von Igelpflegern immer wieder berichtet, dass nach der Pflege freigelassene, markierte Tiere in freier Wildbahn beobachtet wurden (NEUMEIER 2008 c, SEEWALD 2008), beispielsweise an Futterstellen oder in Unterschlüpfen/

Igelhäusern in Gärten. Solche Wiederfunde werden jedoch bisher nicht erfasst.

Man darf jedoch aufgrund vorhergegangener Studien annehmen, dass richtig gepflegte und medizinisch erfolgreich behandelte Igel nach der Freilassung in der Natur zurechtkommen. Die FORSCHUNGSGRUPPE IGEL BERLIN (1999) berichtet in ihrer Feldstudie von einer Wiederfundrate von 76,5% der 111 Igel, die in gutem Allgemeinzustand nach Überwinterung in menschlicher Obhut ausgewildert wurden.

Die Untersuchung konnte nachweisen, dass sich sachgemäß in Menschenhand überwinterte Igel wieder in die Natur integrieren und fortpflanzen. Auch die Unter- suchungen der britischen Igelforscher MORRIS et al. (1993), MORRIS (1994, 1997) und REEVE (1998) in England bestätigen aufgrund von Wiederfunden die Aussage, dass richtig gepflegte und überwinterte Igel ebenso gut wie ihre nie in Menschen- hand gewesenen Artgenossen in der Wildbahn zurechtkommen und sich vermehren.

Für Kleintierärzte und Igelpfleger ergibt sich aus den ermittelten Erfolgen der Therapie hilfsbedürftiger Igel in Verbindung mit den Ergebnissen der bekannten Stu- dien eine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Sinn der Igelhilfe: Die Pflege und die tiermedizinischen Aufwendungen bei der Behandlung erkrankter und

verletzter Igel erscheinen gerechtfertigt, weil die Wiedereingliederungin die Natur für den Großteil der Igel erreichbar ist.

10 Vorschlag eines codierten Aufnahmebuchs + Pflegeprotokoll

Die Daten der vorliegenden Studie sind in ganz unterschiedlichen handschriftlichen oder EDV-basierten Pflegeberichten erfasst worden und mussten für die Auswertung zunächst so weit wie möglich standardisiert werden. Die so ungleich erfassten Daten erschwerten deren Auswertung erheblich und machten manche Aussage dieser Arbeit unsicher. Die Kenntnis verschiedener Pflegeberichte (SEEWALD 2008) belegt, dass die Igelpflege in den Details äußerst unterschiedlich dokumentiert wird. Für Forschung und Praxis ist daher eine normierte Erfassung wünschenswert. REEVE (2000) legte dazu bereits einen Vorschlag zur Klassifikation hilfsbedürftiger Igel im Sinne eines Aufnahmebuches vor. Später wies er erneut auf die Bedeutung normierter Datenerfassung über Igelpfleglinge für die Forschung hin (REEVE 2001).

Auch der Verein Pro Igel e.V. erstrebt eine normierte Datenerfassung von Igeldaten für die Wissenschaft seit vielen Jahren (NEUMEIER 2008 c, SEEWALD 2008). Ziel dieser Arbeit war es deshalb, ein codiertes Aufnahmebuches plus Pflegeprotokoll zu entwerfen, das unter verschiedenen Aspekten einen hilfsbedürftigen Igel von der Aufnahme über die Pflege bis zur Abgabe aus der Igelstation dokumentiert. Das computergestützte Aufnahmebuch und Pflegeprotokoll soll dazu für jedes Jahr als neue Datei bzw. Liste angelegt werden. Das gestattet u.a. den Vergleich zwischen Stationen sowie einen Überblick über im Zeitverlauf eventuell aufkommende Gefähr- dungen für Igel mit deren Folgen. Zudem können so Hinweise auf neu entdeckte Erkrankungen und deren Therapiemöglichkeiten gewonnen werden.

Als Software primär für Igelpfleger, aber auch für Tierärzte, können so zahlreiche Informationen erfasst und ausgewertet werden. Zu unterscheiden sind im vorge- schlagenen Modell grundsätzlich drei separate Datenbereiche, die in einem Programm als Felder angelegt und wo nötig unterteilt sind. Im »Aufnahmebuch« als Teil 1 werden die Primärdaten zu jedem Igel erfasst; dieser Teil ist auch als Jahresstatistik einer Station gedacht. Hier wird der Eingang des Igels mit ersten Angaben zu Fundumständen protokolliert und mit dem »Abgangsdatum« abge-

schlossen. Teil 2 enthält die »Personendaten« des Igelfinders bzw. -überbringers und ggf. die weiterer Betreuer oder beteiligter Personen. In Teil 3 »Pflegeprotokoll«, werden für jeden Igelpflegling die Angaben zu den Themen »Diagnostik«,

»Diagnosen«, »Medikation«, »Behandlung« und »Pflegeverlauf« mit Datum doku- mentiert.

Eine automatisierte Übernahme von Daten eines der drei Hauptfelder in andere sollte integriert sein, z.B. die Angabe der personenbezogenen Daten in das Aufnahmebuch und in das Pflegeprotokoll, sowie Angaben von der Diagnostik bis zur Behandlung in den kalendarisch angelegten »Pflegeverlauf« beim entsprechenden Datum.

Eine einfache Bedienbarkeit eines solchen Programms am PC ist zwingend, damit es genutzt wird; es soll eine Erleichterung für den Igelpfleger bieten. Die technischen Voraussetzungen müssen demnach gering sein und keinerlei sonstige Software, beispielsweise Programme des Microsoft-Office-Pakets, erfordern. Es sollte sich also um eine Stand-alone-Anwendung handeln.

In dieser Arbeit werden zunächst die notwendigen Einträge erläutert, danach die Vorschläge für eine Ziffern-Codierung gelistet. Die hier vorgelegten Kennziffern erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die insbesondere im Teil 3 »Pflege- protokoll« vielfach untergliederten Kennziffernlisten zu Diagnostik, Diagnosen, Be- handlung oder beispielsweise Angaben zur Zwangsfütterung und Säuglingsaufzucht sollten in einer Software als Aufklappmenüs für die Praktiker bedienungsfreundlich, also übersichtlich, und so einfach und selbsterklärend wie möglich realisiert werden.

Nur dann werden die Igelpfleger mit dieser Software ein attraktives Werkzeug übernehmen und so zugleich ohne Schwierigkeiten Beiträge zur Igelforschung leisten können.

Für den Stationenalltag ist die Nutzung einer solchen Software nur mit PDA (Personal Digital Assistent) sinnvoll und durchführbar. Diese kleinen tragbaren Computer sind einfach zu bedienen und z.B. in der Humanmedizin in Kranken- häusern bereits vielfach Standard, um Patientendaten am Krankenbett zur Hand zu haben und zu ergänzen, die sich später problemlos, z.B. über USB-Schnittstellen, auf PCs oder in Datennetze übertragen lassen. Ähnlich könnte eine mobile Datenerfassung auch in Igelstationen durchgeführt werden. Der Verein Pro Igel e. V.

erwägt, solche PDAs zusammen mit der geplanten Software anzubieten (SEEWALD 2008).

Die zusätzliche Bereitstellung eines Produktes »Aufnahmebuch + Pflegeprotokoll«

als übersichtliche Papierversion mit zwei verschiedenen Datenblättern, deren Ein- träge für Auswertungen nachträglich leicht im Computer erfasst werden können, ist wünschenswert.