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Reell-analytische Funktionen und Taylorreihen

Im Dokument Grundlagen der Analysis (Seite 182-189)

F¨ur den Fehler F1 bei Addition von 8 Reihengliedern der ersten Reihe in (⋆⋆) gilt F1 ≤ 4

17· 1 517

| {z }

=a8

<4·10−13.

F¨ur den Fehler F2 bei Addition von 2 Reihengliedern der zweiten Reihe in (⋆⋆) gilt F2 ≤ 1

5· 1 2395

| {z }

a2

<3·1013.

Wir erhalten also bereits durch die Addition sehr weniger Reihenglieder in (⋆⋆) eine sehr gute N¨aherung vonπ, die weniger als 3·10−12 vom wahren Wert abweicht. Die Addition dieser ersten Reihenglieder ergibt z.B. f¨ur die ersten 10 Nachkommastellen von π:

π = 3.1415926535 +Rest, |Rest|<10−11.

5.5 Reell-analytische Funktionen und Taylorreihen 175

• Zur Eigenschaft h(x) =O((x−x0)n) f¨ur x→x0, d. h.

|h(x)| ≤C|x−x0|n f¨ur allex∈(x0−ε, x0+ε)∩I , sagt man auch h w¨achst in x0 von h¨ochstens n-ter Ordnung.

Definition 5.8.Eine Funktion f :I ⊂R−→Rheißt reell–analytisch in x0 ∈I, falls ein Intervall (x0 −r, x0+r) ⊂I und eine Potenzreihe P

k=0

ak(x−x0)k mit Zentrum x0 ∈ R und Konvergenzradiusρ >0 existieren, so dass

f(x) = X k=0

ak(x−x0)k f¨ur alle x∈(x0−min{r, ρ}, x0+ min{r, ρ}).

Man sagt in diesem Fall auch, dass f in einer Umgebung von x0 in eine Potenzreihe entwickelbar ist. Ist U ⊂ R ein offenes Intervall, so heißt f : U −→ R reell-analytisch, wennf in jedem Punkt von U reell-analytisch ist.

Cω(U,R) bezeichne den Vektorraum der reell–analytischen Funktionen auf U ⊂R.

Beispiele f¨ur reell-analytische Funktionen:

1. Jede Potenzreihef(x) := P

k=0

ak(x−x0)k mit reellem Zentrum, reellen Koeffizientenak und positivem Konvergenzradius ρ >0 definiert eine in x0 reell–analytische Funktion f auf dem Konvergenzintervall.

2. Die Funktionen exp, sin, cos, sinh und cosh sind reell–analytisch auf R.

Satz 5.21 Sei f :I ⊂R−→Rreell–analytisch in x0 ∈I. Dann istf in einer Umgebung U von x0 unendlich oft differenzierbar und es gilt:

f(x) = X k=0

f(k)(x0)

k! ·(x−x0)k ∀x∈U.

Beweis. Nach Voraussetzung existiert eine Potenzreihe Q(x) := P

k=0

ak(x − x0)k mit positivem Konvergenzradius ρ > 0 und ein r > 0, so dass f(x) = Q(x) f¨ur alle x ∈ U := (x0 −min{r, ρ}, x0 + min{r, ρ}). Nach Satz 5.20 ist die Funktion f auf U differenzierbar und f¨ur ihre Ableitung gilt

f(x) = X k=1

k·ak(x−x0)k1 ∀x∈U.

Diese Potenzreihe kann man wiederum aufU gliedweise ableiten ohne den Konvergenzbe-reich zu verkleinern. Nach Satz 5.20 existiert wiederum f′′(x) mit

f′′(x) = X k=2

k(k−1)ak(x−x0)k−2 ∀x∈U.

Durch weiteres Anwenden des Satzes 5.20 folgt, dass f auf U beliebig oft differenzierbar ist mit dern-ten Ableitung

f(n)(x) = X k=n

k(k−1)·. . .·(k−n+ 1)ak(x−x0)kn ∀x∈U.

Daraus erh¨alt man

f(n)(x0) =n!·an

f¨ur jedesn∈N0. Dies zeigt die Behauptung. ⊓⊔

Definition 5.9.Sei f :I ⊂R−→ Rin x0 ∈I unendlich oft differenzierbar. Dann heißt die Reihe

T(f, x0)(x) :=

X k=0

f(k)(x0)

k! (x−x0)k Taylorreihe vonf in x0.

Nach Satz 5.21 hat die TaylorreiheT(f, x0)(x) einer in x0 reell-analytischen Funktion f positiven Konvergenzradius. Des Weiteren stimmt f in einer Umgebung von x0 mit ihrer Taylorreihe ¨uberein. Beide Eigenschaften sind f¨urC-Funktionen i.a. nicht erf¨ullt, wie die folgenden Beispiele zeigen. Es gibt alsoC–Funktionen, die nicht reell-analytisch sind:

Beispiel 1: Die Taylorreihe einerC–Funktion kann den Konvergenzradiusρ= 0haben:

Wir zitieren dazu einen Satz von Borel:Seien c0, c1, c2, . . . beliebig vorgegebene reelle Zah-len. Dann existiert eine C–Funktion f :R−→Rmit f(k)(0) =k!·ck, d.h. so dass

T(f,0)(x) = X k=0

ckxk.

Wir w¨ahlen nun die Koeffizientenck so, dass die Potenzreihe P

n=0

ckxk Konvergenzradius ρ= 0 hat. Den Beweis des Satzes von Borel kann man z.B. in R. Narasimham: Analysis on real and complex manifolds, Nord Holland 1968 nachlesen.

Beispiel 2: Eine glatte Funktionen mit ¨uberall konvergenter Taylorreihe, die nicht mit ihrer Taylorreihe ¨ubereinstimmt:

Seif :R−→Rdie Funktion

f(x) :=

(ex12 f¨ur x >0 0 f¨ur x≤0.

f ist unendlich oft differenzierbar und f¨ur die Ableitungen in x0 = 0 gilt f(k)(0) = 0 f¨ur alle k ∈ N0 ( ¨Ubungsaufgabe). F¨ur die Taylorreihe von f in x0 = 0 erhalten wir damit T(f,0)(x) = 0 f¨ur allex∈R. Nach Definition ist aber f(x)6= 0 f¨ur alle x >0.

Wir wollen nun Bedingungen finden, unter denen eine C–Funktion reell-analytisch ist.

Dazu betrachten wir die Taylorpolynome von f, die als Partialsummen der Taylorreihe auftreten und untersuchen ihre Abweichung vonf:

5.5 Reell-analytische Funktionen und Taylorreihen 177

Definition 5.10.Seif :I ⊂R−→R in x0 ∈I n–mal differenzierbar. Dann heißt Tn(f, x0)(x) :=

Xn k=0

f(k)(x0)

k! (x−x0)k das n–te Taylorpolynom von f in x0.

Das Taylorpolynom f¨urn= 1 beschreibt die Tangente an den Funktionsgraphen von f im Punkt (x0, f(x0)):

T1(f, x0)(x) =f(x0) +f(x0)(x−x0).

Das Taylorpolynom f¨ur n= 2 beschreibt eine Parabel, die sogenannteSchmiegparabel an den Funktionsgraphen von f im Punkt (x0, f(x0)):

T2(f, x0)(x) =f(x0) +f(x0)(x−x0) +1

2f′′(x0)(x−x0)2. Die Ableitungen von f und Tn(f, x0) stimmen inx=x0 uberein:¨

dj

dxjTn(f, x0)(x0) =f(j)(x0) f¨ur j = 0, . . . , n.

Satz 5.22 Sei f :I ⊂R−→R n–mal differenzierbar und x0 ∈I. Dann gilt:

f(x) =Tn(f, x0)(x) +o((x−x0)n) f¨ur x→x0,

d.h. dasn-te TaylorpolynomTn(f, x0)approximiertf inx0von h¨oherer alsn-ter Ordnung.

Beweis. Wir beweisen die Behauptung durch Induktion ¨uber n:

Induktionsanfang: Sei n= 1. F¨ur die Tangente T1(f, x0)(x) =f(x0) +f(x0)(x−x0) an den Graphen der Funktionf im Punkt (x0, f(x0)) gilt

f(x)−T1(f, x0)(x) x−x0

= f(x)−f(x0)

x−x0 −f(x0).

Daf inx0 differenzierbar ist, folgt

xlimx0

f(x)−T1(f, x0)(x) x−x0 = 0.

Dies zeigt die Behauptung f¨ur n= 1.

Induktionsschritt: Wir setzen voraus, dass die Behauptung f¨ur ein n ∈ N richtig ist und zeigen, dass sie dann auch f¨ur den Nachfolger n+ 1 gilt.

Induktionsbeweis: Sei f :I ⊂R−→R (n+ 1)–mal differenzierbar. Dann ist die Funktion Rn+1:=f −Tn+1(f, x0) (n+ 1)–mal differenzierbar und es gilt

Rn+1 =f− d

dxTn+1(f, x0) =f−Tn(f, x0).

Wir wenden nun die Induktionsvoraussetzung auf die n-mal differenzierbare Funktion f an und erhalten f(x) =Tn(f, x0)(x) +o((x−x0)n) . Folglich existiert f¨ur alle ε >0 ein δ >0, so dass

|Rn+1(x)|

|x−x0|n = |f(x)−Tn(f, x0)(x)|

|x−x0|n < ε ∀x∈I mit 0<|x−x0|< δ. (⋆) Seix ∈I mit 0 <|x−x0|< δ. Die Funktion Rn+1 ist zwischen x0 und x differenzierbar.

Nach dem Mittelwertsatz existiert einξ zwischen x und x0, so dass

|Rn+1(x)−Rn+1(x0)

| {z }

=0

| ≤ |Rn+1(ξ)||x−x0| (⋆)< ε· |ξ−x0|n|x−x0|< ε|x−x0|n+1.

Wir erhalten (xRn+1x0)(x)n+1

< ε f¨ur allex∈I mit 0<|x−x0|< δ. Daraus folgt

xlimx0

Rn+1(x)

(x−x0)n+1 = lim

xx0

f(x)−Tn+1(f, x0)(x) (x−x0)n+1 = 0,

also f(x) =Tn+1(f, x0)(x) +o((x−x0)n+1) f¨ur x→x0. ⊓⊔

Definition 5.11.Sei f :I ⊂ R −→ R in x0 ∈ I n-mal differenzierbar. Dann heißt die Differenz Rn(f, x0) :=f −Tn(f, x0) das n-te Restglied von f in x0.

Ist f unendlich oft differenzierbar, so stimmt f(x) genau dann mit der Taylorreihe T(f, x0)(x) ¨uberein, wenn

nlim→∞Rn(f, x0)(x) = 0.

Wir interessieren uns deshalb f¨ur explizite Formeln f¨ur das Restglied Rn(f, x0)(x), die es erm¨oglichen, dieses Kriterium zu ¨uberpr¨ufen bzw. den Fehler bei der Approximation von f(x) durch das n–te Taylorpolynom Tn(f, x0)(x) zu beschreiben.

Satz 5.23 Seif :I ⊂R−→R (n+ 1)–mal differenzierbar undRn(f, x0) :=f−Tn(f, x0) das n–te Restglied vonf in x0 ∈I. Dann existieren ϑ, θ∈(0,1), so dass gilt

Rn(f, x0)(x) = f(n+1)(x0+ϑ(x−x0))

(n+ 1)! (x−x0)n+1 Lagrange-Form des Restgliedes Rn(f, x0)(x) = f(n+1)(x0+θ(x−x0))

n! (1−θ)n(x−x0)n+1 Cauchy-Form des Restgliedes Beweis. Sei x ∈ I ein fixierter Punkt mit x 6= x0. Wir betrachten die differenzierbare Funktion g:I −→R mit

g(y) :=f(x)−Tn(f, y)(x).

Dann giltg(x) = 0, g(x0) =Rn(f, x0)(x) und g(y) =− d

dy Xn k=0

f(k)(y)

k! (x−y)k

!

=− Xn k=0

f(k+1)(y)

k! (x−y)k + Xn k=1

f(k)(y)

k! k(x−y)k1

=−(x−y)n

n! f(n+1)(y).

5.5 Reell-analytische Funktionen und Taylorreihen 179

Nach dem Mittelwertsatz der Differentialrechnung existiert einθ∈(0,1), so dass g(x)−g(x0) =g(

z =y}| {

x0+θ(x−x0))·(x−x0)

=−(x−x0)n+1(1−θ)n

n! f(n+1)(x0+θ(x−x0)).

Folglich ist

Rn(f, x0)(x) = (1−θ)n(x−x0)n+1

n! f(n+1)(x0+θ(x−x0)).

Dies ist die Cauchy-Form des Restgliedes.

Wir betrachten nun zus¨atzlich die differenzierbare Funktion h :I −→ R, definiert durch h(y) := (x−y)n+1. Dann gilt h(x) = 0, h(x0) = (x−x0)n+1 und

h(y) =−(n+ 1)(x−y)n.

Nach dem verallgemeinerten Mittelwertsatz existiert einϑ∈(0,1), so dass g(x)−g(x0)

·h(x0+ϑ(x−x0)) = h(x)−h(x0)

·g(x0+ϑ(x−x0)).

F¨ur das Restglied folgt

Rn(f, x0)(x)·(n+ 1)(x−x0)n(1−ϑ)n

= (x−x0)n+1(x−x0)n(1−ϑ)n

n! f(n+1)(x0+ϑ(x−x0)) und somit

Rn(f, x0)(x) = (x−x0)n+1

(n+ 1)! f(n+1)(x0+ϑ(x−x0)).

Dies ist die Lagrange-Form des Restgliedes. ⊓⊔

Beispiel 3: Die Taylorentwicklung von f(x) = ln(1 +x) in x0= 0.

Die Funktionf(x) = ln(x+ 1) ist inx0 = 0 reell-analytisch und f¨ur ihre Taylorentwicklung gilt:

ln(1 +x) = P

n=1

(−1)n+1·xnn f¨ur allex∈(−1,1].

Insbesondere gilt f¨ur die alternierende harmonische Reihe P

n=1

(1)n+1

n = ln(2) .

Beweis. Die Funktionf(x) := ln(x+ 1) ist auf (−1,∞) beliebig oft differenzierbar und es giltf(0) = 0 sowie

f(n)(x) = (n−1)!(−1)n+1

(1 +x)n f¨ur allen∈N.

F¨ur die Taylorreihe von f(x) = ln(x+ 1) in x0 = 0 folgt T(f,0)(x) =

X n=1

(−1)n+1·xn n .

Wir zeigen, dass diese Reihe f¨ur allex∈(−1,1) gegenf(x) konvergiert. Dazu betrachten wir die Cauchy–Form des Restgliedes: Es existiert einθ∈(0,1) mit

Rn(f,0)(x) = f(n+1)(θx)

n! (1−θ)nxn+1 = (−1)n

(1 +θx)n+1(1−θ)nxn+1.

Ist|x|<1, so gilt 1−θ <1−θ|x| und 1 +θx≥1−θ|x|>1− |x|>0 . Daraus folgt f¨ur x∈(−1,1)

|Rn(f,0)(x)|=|x|n+1 (1−θ)n

(1 +θx)n+1 < |x|n+1 (1−θ|x|)n

(1 +θx)n+1 < |x|n+1 1− |x|·

1−θ|x| 1 +θx

n

≤ |x|n+1 1− |x| , und somit lim

n→∞Rn(f,0)(x) = 0 . Also konvergiert die Taylorreihe T(f,0)(x) f¨ur |x|<1 gegenf(x):

ln(1 +x) = X n=1

(−1)n+1

n xn f¨ur alle |x|<1.

Es bleibt die Konvergenz inx= 1 zu untersuchen. Nach dem Leibnizkriterium (Satz 3.9) konvergiert die alternierende harmonische ReiheT(f,0)(1) = 1−12+13±. . . . Wir wenden nun den Abelschen Grenzwertsatz (Satz 5.19) an und erhalten wegen der Stetigkeit von ln

ln(2) = lim

x1ln(1 +x) = lim

x1T(f,0)(x) =T(f,0)(1).

Somit gilt ln(1 +x) =T(f,0)(x) auch in x= 1. ⊓⊔

Beispiel 4: Die Taylorentwicklung von f(x) := (1 +x)α in x0 = 0.

Sei α ∈ R. Die Funktion f(x) := (1 +x)α ist in x0 = 0 reell-analytisch und f¨ur ihre Taylorentwicklung gilt:

(1 +x)α = P

k=0 α k

xk f¨ur alle x∈(−1,1).

Die ReiheBα(x) := P

k=0 α k

xk heißtBinomialreihe.

Beweis. Wir bestimmen zun¨achst wieder die Taylorreihe vonf inx0 = 0.f(x) = (1 +x)α ist auf (−1,∞) beliebig oft differenzierbar und es giltf(0) = 1 sowie

f(k)(x) =α(α−1)·. . .·(α−k+ 1)(1 +x)αk und daher

f(k)(0)

k! = α(α−1)·. . .·(α−k+ 1)

k! =

α k

.

Im Dokument Grundlagen der Analysis (Seite 182-189)