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Die Mittelwerts¨atze der Differentialrechnung und Anwendungen

Im Dokument Grundlagen der Analysis (Seite 165-175)

Satz 5.5 Seif :I ⊂R−→R. Hatf in x0∈(a, b)⊂I ein lokales Maximum (Minimum) und ist f in x0 differenzierbar, so gilt f(x0) = 0.

Beweis. Sei f(x0) ein lokales Maximum von f. Dann existiert einε >0, so dass

f(x)−f(x0)

xx0 ≤0 f¨ur allex > x0 mit|x−x0|< ε und

f(x)f(x0)

xx0 ≥0 f¨ur allex < x0 mit|x−x0|< ε.

F¨ur die einseitigen Grenzwerte folgt daraus:

lim

xx+0

f(x)−f(x0)

x−x0 ≤0, und lim

xx0

f(x)−f(x0)

x−x0 ≥0. (⋆) Da der Grenzwertf(x0) = lim

xx0

f(x)f(x0)

xx0 nach Voraussetzung existiert, muss gelten f(x0) = lim

xx+0

f(x)−f(x0)

x−x0 = lim

xx0

f(x)−f(x0) x−x0 .

Aus (⋆) folgt dannf(x0) = 0. ⊓⊔

Aus f(x0) = 0 folgt im Allgemeinen nicht, dass f in x0 ein lokales Maximum oder Mi-nimum hat. Wir betrachten zum Beispielf(x) =x3. Dann ist f(0) = 0, aber 0 ist kein lokaler Extremwert vonf. Zu beachten ist außerdem, dass die Aussage von Satz 5.5 nicht f¨ur die Randpunkte des DefinitionsbereichesI von f gilt.

Satz 5.6 (Satz von Rolle) Seif : [a, b]−→Rstetig und auf (a, b) differenzierbar. Wei-terhin geltef(a) =f(b). Dann existiert ein Punktx0 ∈(a, b) mit f(x0) = 0.

Beweis. Ist f konstant auf [a, b], so ist die Behauptung trivial. Ist f nicht konstant, so existiert einx1∈(a, b), so dass entweder

f(x1)> f(a) =f(b) oder f(x1)< f(a) =f(b).

Wir betrachten zun¨achst den ersten Fall. Daf : [a, b]−→Rstetig und [a, b] kompakt ist, nimmtf auf [a, b] ein globales Maximum an. Das Maximum liegt wegen obiger Annahme nicht auf den Randpunkten. Folglich existiert ein x0 ∈(a, b) mit

f(x0) = max{f(x)|x∈[a, b]}.

Nach Satz 5.5 folgt dannf(x0) = 0. Der Beweis f¨ur den zweiten Fall verl¨auft analog mit

Hilfe des globalen Minimums. ⊓⊔

Satz 5.7 (Verallgemeinerter Mittelwertsatz von Cauchy)

Seien f, g: [a, b]−→ R stetig und auf (a, b) differenzierbar. Dann existiert ein ξ ∈(a, b) mit

(f(b)−f(a))·g(ξ) = (g(b)−g(a))·f(ξ).

5.2 Die Mittelwerts¨atze der Differentialrechnung und Anwendungen 159

Beweis. Wir betrachten die Funktion ϕ: [a, b]−→R:

ϕ(x) := f(b)−f(a)

·g(x)− g(b)−g(a)

·f(x), x∈[a, b].

Dann istϕstetig in [a, b] und differenzierbar in (a, b) und es gilt ϕ(a) =f(b)g(a)−g(b)f(a) =ϕ(b).

Nach dem Satz von Rolle existiert einξ∈(a, b) mit ϕ(ξ) = 0. Wir erhalten somit 0 =ϕ(ξ) = (f(b)−f(a))g(ξ)−(g(b)−g(a))f(ξ).

⊔ Satz 5.8 (Mittelwertsatz von Lagrange)

Sei f : [a, b] −→ R stetig und auf (a, b) differenzierbar. Dann existiert ein ξ ∈ (a, b), so

dass f(b)−f(a)

b−a =f(ξ).

Beweis. Folgt aus Satz 5.7 mit g(x) :=x. 2 Geometrisch besagt dieser Mittelwertsatz, dass ein ξ ∈ (a, b) existiert, so dass der Anstieg der Tangente in (ξ, f(ξ)) gleich dem Anstieg der Se-kante durch (a, f(a)) und (b, f(b)) ist.

-6

R R

a b

ξ

Wir werden den Mittelwertsatz von Lagrange jetzt anwenden, um Aussagen ¨uber den Kurvenverlauf der durch f : I ⊂ R −→ R definierten Kurve Γ = graph(f) im R2 zu machen.

Satz 5.9 Seif : (a, b)−→R eine differenzierbare Funktion3. Dann gilt:

1. Ist f(x)≥0 f¨ur alle x∈(a, b), so ist f monoton wachsend.

Ist f(x)>0 f¨ur alle x∈(a, b), so ist f streng monoton wachsend.

2. Ist f(x)≤0 (<0)f¨ur alle x∈(a, b), so istf (streng) monoton fallend.

3. Ist f ≡0 auf (a, b), so ist f konstant.

Beweis. Seien x1, x2 ∈(a, b) und x1 < x2. Wir wenden den Mittelwertsatz von Lagrange auff|[x1,x2]an. Nach diesem Satz existiert ein ξ ∈(x1, x2), so dass

f(ξ) = f(x2)−f(x1) x2−x1

.

Dax2−x1>0, folgen die Behauptungen aus Satz 5.8. ⊓⊔

3 Sofern nichts anderes gesagt wird, lassen wir im Folgenden bei offenen Intervallen (a, b) aucha, b∈ {±∞}

zu.

Als Anwendung beweisen wir zun¨achst die folgende Charakterisierung der Exponential-funktion.

Folgerung 5.1 Seien a, c ∈R gegebene Konstanten. Dann existiert genau eine differen-zierbare Funktionf :R−→Rmitf=cf undf(0) =a. Diese Funktion ist gegeben durch f(x) =aecx f¨ur allex∈R.

Beweis. Die Funktion f : R −→ R mit f(x) := aecx erf¨ullt f(x) = caecx = cf(x) und f(0) = a. Sei nun f : R −→ R eine beliebige Funktion mit f = cf und f(0) = a. Wir setzenF(x) :=f(x)·ecx. Dann gilt

F(x) =f(x)·ecx−c·f(x)·ecx= (cf−cf)ecx= 0.

Somit ist F konstant. Da F(0) =a, gilt a=f(x)·ecx und folglich f(x) =aecx f¨ur alle

x∈R. ⊓⊔

Satz 5.10 Sei f : (a, b) −→ R eine differenzierbare Funktion, die in x0 ∈(a, b) zweimal differenzierbar ist. Es gelte

1. f(x0) = 0 und

2. f′′(x0)<0 (bzw. f′′(x0)>0).

Dann hatf in x0 ein isoliertes lokales Maximum (bzw. Minimum), das heißt, es existiert einε >0, so dass f(x)< f(x0) (bzw.f(x)> f(x0)) f¨ur allex∈(a, b)mit0<|x−x0|< ε.

Beweis. Wir beweisen nur den Fallf′′(x0)<0. Der Beweis f¨urf′′(x0)>0 verl¨auft analog.

Aus

f′′(x0) = lim

xx0

f(x)−f(x0) x−x0

<0 folgt, dass einδ >0 existiert, so dass

f(x)−f(x0) x−x0

<0

f¨ur alle x∈(a, b) mit 0<|x−x0|< δ. Daf(x0) = 0, erh¨alt man f(x)<0, f¨ur allex > x0 mitx−x0 < δ und f(x)>0, f¨ur allex < x0 mitx0−x < δ.

Nach Satz 5.9 ist daher f|(x0δ,x0) streng monoton wachsend, w¨ahrend f|(x0,x0+δ) streng monoton fallend ist. Somit hatf inx0 ein isoliertes lokales Maximum. ⊓⊔

5.2 Die Mittelwerts¨atze der Differentialrechnung und Anwendungen 161

Definition 5.5.Eine Funktion f : (a, b)−→R heißt

• konvex, falls f¨ur allex1, x2 ∈(a, b) und λ∈(0,1)

f(λx1+ (1−λ)x2)≤λf(x1) + (1−λ)f(x2).

• konkav, falls f¨ur allex1, x2 ∈(a, b) und λ∈(0,1)

f(λx1+ (1−λ)x2)≥λf(x1) + (1−λ)f(x2).

Ist f konvex, so liegt die Kurve graph(f) := {(x, f(x)) | x ∈ (a, b)} ⊂ R2 f¨ur beliebige x1, x2 ∈(a, b) unterhalb der Geraden durch (x1, f(x1)) und (x2, f(x2)). Ist f konkav, so liegt graph(f) f¨ur beliebige x1, x2 ∈ (a, b) oberhalb der Geraden durch (x1, f(x1) und (x2, f(x2)).

-6

R R

x1 x2

f ist konkav

f(x1) f(x2)

-6

R R

x1 x2

f ist konvex

f(x1) f(x2)

Satz 5.11 Sei f : (a, b)−→R zweimal differenzierbar. Dann gilt:

1. f ist genau dann konvex, wenn f′′(x)≥0 f¨ur alle x∈(a, b).

2. f ist genau dann konkav, wenn f′′(x)≤0 f¨ur allex∈(a, b).

Beweis. Wir zeigen nur die erste Behauptung. Der Beweis der zweiten Behauptung wird analog gef¨uhrt.

(⇐= ) Seif′′(x)≥0 f¨ur allex∈(a, b). Nach Satz 5.9 istf auf (a, b) monoton wachsend.

Seien x1, x2 ∈ (a, b), x1 < x2 und λ∈ (0,1). Wir setzen x := λx1+ (1−λ)x2. Dann ist x1 < x < x2. Nach dem Mittelwertsatz existieren ein ξ1 ∈(x1, x) und ein ξ2 ∈(x, x2), so

dass f(x)−f(x1)

x−x1

=f1)≤f2) = f(x2)−f(x) x2−x . Dax−x1= (1−λ)(x2−x1) und x2−x=λ(x2−x1), erhalten wir

f(x)−f(x1)

1−λ ≤ f(x2)−f(x)

λ .

Daraus folgt

f(x)≤λf(x1) + (1−λ)f(x2).

Somit istf konvex.

(=⇒) Sei f konvex. Wir nehmen an, dass ein x0 ∈ (a, b) existiert mit f′′(x0) < 0. Sei c:=f(x0) undϕ: (a, b)−→Rdie Funktion ϕ(x) :=f(x)−c(x−x0). Dann istϕzweimal

differenzierbar und es giltϕ(x0) = 0 undϕ′′(x0)<0. Nach Satz ??hatϕdaher inx0 ein isoliertes lokales Maximum, das heißt, es existiert einh > 0 mit [x0−h, x0+h]⊂(a, b), so dass ϕ(x0−h)< ϕ(x0) und ϕ(x0+h)< ϕ(x0). Deshalb gilt

f(x0) =ϕ(x0)> 1

2(ϕ(x0−h) +ϕ(x0+h)) = 1

2(f(x0−h) +f(x0+h)).

Mitλ= 12, x1=x0−h und x2 =x0+h folgt, dass f nicht konvex ist.

Definition 5.6.Sei f : (a, b) −→ R eine stetige Funktion. Der Punkt x0 ∈ (a, b) heißt Wendepunkt vonf, wenn ein Intervall (x0−ε, x0+ε)⊂(a, b) existiert, so dass entweder f|(x0ε,x0) konkav undf|(x0,x0+ε) konvex ist oder Umgekehrtes gilt.

Satz 5.12 Sei f : (a, b) ⊂ R −→ R zweimal stetig differenzierbar. Ist x0 ∈ (a, b) ein Wendepunkt von f, so giltf′′(x0) = 0.

Beweis. Die Behauptung folgt aus Satz 5.11. ⊓⊔

Wir haben den Mittelwertsatz der Differentialrechnung f¨urreellwertigeFunktionen bewie-sen. F¨ur komplexwertige oder vektorwertige Funktionen gilt der Mittelwertsatz in dieser Form nicht mehr. Wir betrachten als Beispiel die Funktionf : [0,2π]−→R2:

f(t) := (cos(t),sin(t)).

Es gilt f(2π)−f(0) = (0,0), also f(2π)−0f(0) = (0,0) . F¨ur die Ableitung erhalten wir f(t) = (−sin(t),cos(t)). Somit ist ||f(t)||= 1, d.h. f(t)6= (0,0) f¨ur alle t∈[0,2π].

Es gilt aber der folgende Mittelwertsatz f¨ur vektorwertige (und damit auch f¨ur komplex-wertige) Funktionen:

Satz 5.13 (Mittelwertsatz f¨ur vektorwertige Funktionen)

Sei (E,k · k) ein normierter Vektorraum, f : [a, b]⊂R −→ E stetig und auf (a, b) diffe-renzierbar. Dann existiert ein Punkt ξ∈(a, b), so dass

kf(b)−f(a)k ≤(b−a)kf(ξ)k.

Beweis. 1. Zum Beweis des Satzes ben¨otigen wir das folgende Lemma:

Lemma 5.7.Sei f : [a, b]−→ E in x0 ∈ (a, b) differenzierbar, und seien (αk) und (βk) Folgen in [a, b] mitαk< x0< βk, die beide gegen x0 konvergieren. Dann gilt

klim→∞

f(βk)−f(αk) βk−αk

=f(x0).

Beweis. Wir betrachten yk:= ββkx0

kαk ∈(0,1). Dann gilt:

f(βk)−f(αk)

βk−αk −f(x0)

= yk

|{z}

beschr.

·

f(βk)−f(x0)

βk−x0 −f(x0)

+ (1−yk)

| {z }

beschr.

·

f(αk)−f(x0)

αk−x0 −f(x0)

.

F¨ur k→ ∞ konvergieren beide Summanden gegen Null. ⊓⊔

5.2 Die Mittelwerts¨atze der Differentialrechnung und Anwendungen 163

2. Wir beweisen nun die Aussage des Satzes. Sei L:= b3a undM :=kf(b)−f(a)k. Wir betrachten die Funktiong: [a, a+ 2L]⊂R−→E, definiert durchg(s) :=f(s+L)−f(s).

Dann gilt:

g(a) +g(a+L) +g(a+ 2L) =f(b)−f(a) und somit

M ≤ kg(a)k+kg(a+L)k+kg(a+ 2L). (⋆)

Wir ¨uberlegen uns zun¨achst, dass eins1 ∈(a, a+2L) existiert mitkg(s1)k ≥ 13M. Nehmen wir an, dass f¨ur alle s∈(a, a+ 2L) die Ungleichung kg(s)k < 13M gilt. Da die Funktion g: [a, a+ 2L]−→E und die Normk · kstetig sind, erhalten wir auch

kg(a)k ≤ 1

3M und kg(a+ 2L)k ≤ 1 3M.

Dies widerspricht (⋆), es gibt also ein s1 ∈(a, a+ 2L) mit kg(s1)k ≥ 13M.

Sei nunt1 :=s1+L∈(a, b). Dann gilt:

a) a < s1 < t1 < b, b) t1−s1 =L= b3a,

c) kg(s1)k=kf(t1)−f(s1)k ≥ 13M.

Wir wiederholen nun diese Konstruktion, indem wir statt des Intervalls [a, b] das Intervall [s1, t1] betrachten. Dadurch erhalten wir Folgen (sn) und (tn), so dass gilt

[sn, tn]⊂(sn1, tn1), tn−sn= 1

3n(b−a), kf(tn)−f(sn)k ≥ 1 3n ·M.

Wir haben also eine Intervallschachtelung (In:= [sn, tn]), bei der die L¨ange der Intervalle In gegen 0 konvergiert. Nach dem Satz ¨uber die Intervallschachtelung existiert dann ein ξ∈Rmit T

n=1

In={ξ}. Es gilt somit

sn−→ξ, tn−→ξ, sn< ξ < tn

und kf(tn)−f(sn)k

tn−sn ≥ M

(tn−sn)·3n = M b−a. Aus Lemma 5.7 folgt nun

f(ξ) = lim

n→∞

f(tn)−f(sn) tn−sn

und damit

kf(ξ)k= lim

n→∞

f(tn)−f(sn) tn−sn

= lim

n→∞

kf(tn)−f(sn)k tn−sn

≥ M

b−a = kf(b)−f(a)k b−a .

Satz 5.14 Sei f : I ⊂ R −→ E eine differenzierbare Funktion mit beschr¨ankter Ablei-tung. Dann ist die Funktion f lipschitzstetig. Insbesondere ist jede stetig differenzierbare Funktion f : [a, b]⊂R−→E lipschitzstetig.

Beweis. Sei f : I −→ E differenzierbar mit beschr¨ankter Ableitung. Dann existiert eine Konstante C ∈ R+ mit kf(x)k ≤ C f¨ur alle x ∈ I. Seien x1, x2 ∈ I mit x1 < x2. Dann folgt aus dem Mittelwertsatz 5.13, dass einξ ∈(x1, x2) existiert, so dass

kf(x2)−f(x1)k ≤ kf(ξ)k ·(x2−x1)≤C· |x2−x1|.

Dies aber bedeutet, dass f lipschitzstetig mit der Lipschitz-Konstanten C ist. Sei nun f : [a, b] −→ E stetig differenzierbar. Dann ist f stetig, d.h. f ∈ C([a, b], E). Da [a, b]

kompakt ist, existiert

kfk:= max{kf(x)k |x∈[a, b]} ∈ R.

In diesem Fall k¨onnen wirC:=kfksetzen. ⊓⊔

Abschließend beweisen wir mit Hilfe des verallgemeinerten Mittelwertsatzes von Cauchy die Regeln von L’Hospital. Diese Regeln liefern ein einfaches Verfahren, Grenzwerte von Br¨uchen zweier Funktionen zu bestimmen, wenn bei Limesbildung Ausdr¨ucke der Form 00 oder auftreten.

Satz 5.15 (Die Regeln von L’Hospital - (1))

Seix0∈[a, b]⊂Rund seien f, g: (a, b)\ {x0} −→R differenzierbare Funktionen mit 1. lim

xx0

f(x) = lim

xx0

g(x) ∈ {0,±∞}, 2. g(x)6= 0 f¨ur alle x∈(a, b)\ {x0}, 3. lim

xx0

f(x)

g(x) =c ∈ R ∪ {±∞}. Dann gilt lim

xx0 f(x) g(x) =c.

Beweis. 1. Fall: lim

xx0

f(x) = lim

xx0

g(x) = 0.

Wir setzen f und g in x0 durch f(x0) := g(x0) := 0 fort. Dann sind f, g : (a, b) −→ R stetig. Wir betrachten nun eine gegen x0 konvergente Folge (xn) in (a, b)\ {x0}. Dann sind f, g : [xn, x0] −→ Rstetig und auf (xn, x0) differenzierbar (falls xn < x0, ansonsten betrachten wir [x0, xn]). Nach dem verallgemeinerten Mittelwertsatz 5.7 existiert einξn∈ (xn, x0) (bzw.ξn∈(x0, xn)), so dass

f(xn)gn) =g(xn)fn).

Dag(x)6= 0 f¨ur x∈(xn, x0) (bzw. (x0, xn)), ist g(xn)6= 0 (Satz von Rolle). Damit folgt f(xn)

g(xn) = fn) gn).

5.2 Die Mittelwerts¨atze der Differentialrechnung und Anwendungen 165

Da (xn) gegenx0 konvergiert, ist auch (ξn) gegen x0 konvergent und wir erhalten

nlim→∞

f(xn)

g(xn) = lim

n→∞

fn)

gn) = lim

xx0

f(x) g(x) =c.

2. Fall: lim

xx0

g(x) = +∞ und lim

xx0

f(x) g(x) = 0.

Sei (xn) eine gegen x0 konvergente Folge in (a, b) mit xn < x0 und ε > 0. Nach Voraus-setzung existiert ein x ∈(a, x0), so dass

g(x)>0 und

f(x) g(x)

< ε f¨ur allex∈(x, x0).

Durch Ausmultiplizieren pr¨uft man folgende Formel nach:

f(xn)

g(xn) = f(x)

g(xn) +f(xn)−f(x) g(xn)−g(x) ·

1− g(x) g(xn)

. (⋆)

Da (xn) gegen x0 konvergiert, gibt es ein n0 ∈ N, so dass xn ∈ (x, x0) f¨ur alle n≥ n0. Nach verallgemeinertem Mittelwertsatz existiert einξn∈(x, xn) mit

f(xn)−f(x)

g(xn)−g(x) = fn) gn). Eingesetzt in Gleichung (⋆) ergibt dies

f(xn) g(xn) ≤

f(x) g(xn) +

fn) gn)

| {z }

1− g(x) g(xn)

und damit

f(xn) g(xn) ≤

f(x) g(xn) +ε

1− g(x) g(xn) . Da (g(xn)) gegen +∞ konvergiert, folgt

nlim→∞

f(x) g(xn)

= 0 und lim

n→∞

g(x) g(xn) = 0.

Wir erhalten:

lim sup

n→∞

f(xn) g(xn) ≤ε.

Daεbeliebige Werte annehmen kann, folgt daraus

nlim→∞

f(xn) g(xn) = 0 f¨ur alle gegenx0 konvergente Folgen (xn) mit xn< x0.

Analog behandelt man gegen x0 konvergente Folgen (xn) mit xn > x0 und erh¨alt das gleiche Resultat. Dies zeigt, dass

xlimx0

f(x) g(x) = 0.

3. Fall: lim

xx0g(x) = +∞ und lim

xx0 f(x)

g(x) =c∈R beliebig.

Wir betrachten die Funktion f1(x) :=f(x)−c·g(x). Dann ist

xlimx0

f1(x)

g(x) = lim

xx0

f(x)

g(x) −c= 0.

Wir wenden den 2. Fall an und erhalten

xlimx0

f1(x) g(x) = 0.

Daraus folgt

xlimx0

f(x)

g(x) =c+ lim

xx0

f1(x) g(x) =c.

4. Fall: lim

xx0f(x) = lim

xx0g(x) = +∞ und lim

xx0 f(x)

g(x) = +∞. Dann gilt lim

xx0 g(x)

f(x) = 0 und aus dem 2. Fall folgt sofort lim

xx0 g(x)

f(x) = 0. Nach Vorausetzung sindf undg in einer Umgebung von x0 positiv. Folglich gilt lim

xx0

f(x)

g(x) = +∞. 5. Fall: lim

xx0

f(x) = lim

xx0

g(x) = +∞ und lim

xx0

f(x)

g(x) =−∞.

Dieser Fall kann nicht auftreten, da sonst f oder g in einer Umgebung von x0 monoton fallend w¨aren und somit nicht gegen +∞konvergieren w¨urden. ⊓⊔

Satz 5.16 (Die Regeln von L’Hospital - (2))

Seien f, g: (a,∞)−→Rdifferenzierbare Funktionen mit g(x)6= 0 f¨ur allex∈(a,∞). Ist

xlim→∞f(x) = lim

x→∞g(x)∈ {0,±∞} und lim

x→∞

f(x)

g(x) =c∈R ∪ {±∞}, so gilt

xlim→∞

f(x) g(x) =c.

Beweis. OBdA. sei a >0. Wir betrachten die Funktionen f1(x) =f(x1) und g1(x) =g(x1) auf dem Intervall (0,1a). Dann gilt

f1(x) =−1 x2f1

x

und g1(x) =−1 x2g1

x 6= 0 und daher

xlim→0+

f1(x)

g1(x) = lim

x→0+

f(x1) g(1x)

Vor.= c.

Mit Satz 5.15 folgt dann

xlim→∞

f(x)

g(x) = lim

x→0+

f1(x) g1(x) =c.

Mit Hilfe der Regeln von L’Hospital k¨onnen wir Grenzwerte von Funktionen und damit auch von Folgen in vielen F¨allen leichter ausrechnen, als es mit den Methoden der vorigen Kapitel m¨oglich war.

Im Dokument Grundlagen der Analysis (Seite 165-175)