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Rechtlicher Rahmen und staatliche Verankerung

3 Rahmenbedingungen kommunaler Entwicklungspolitik in Deutschland

3.4 Rechtlicher Rahmen und staatliche Verankerung

Die Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen der KEpol deutscher Städte, Gemeinden und Landkreise, differenziert nach den verschiedenen Ebenen, wird an dieser Stelle zusammenge-fasst dargestellt, da für die KEpol deutscher Kommunen allein die rechtlichen Vorgaben auf Bundes- und auf Landesebene von Bedeutung sind. Eine ausführliche Analyse des rechtlichen Rahmens und der staatlichen Verankerung ist im Anhang zu finden.

3.4.1 Bundesrecht

Die rechtliche Stellung der Städte und Gemeinden wird im Grundgesetz in Art. 28 geregelt.

Absatz 2 verfügt das sog. Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden, welches beinhaltet, dass sie

„alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verant-wortung“regeln dürfen.99Diese Allzuständigkeit der Gemeinden wird in der Literatur auch als Universalitätsprinzip bezeichnet. Das Recht auf kommunale Selbstverwaltung besitzen auch die Gemeindeverbände. Um dieses Recht auf Selbstverwaltung auch tatsächlich in Anspruch nehmen zu können, steht den Gemeinden die Erschließung eigener Steuerquellen zu.

97 Ebd.

98 Vgl.agenda transferAgentur für Nachhaltigkeit GmbH (2006).

99 Als Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gelten laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts

„diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die den Gemeindeeinwohnern als solche gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen und unter Berück-sichtigung der geschichtlichen Entwicklung der gemeindlichen Selbstverwaltung ihrer Art nach einer Erle-digung durch die Gemeinde zugänglich sind.“(von Schwanenflügel (1993, 136)

Der Begriff Entwicklungspolitik wird zwar nicht im Grundgesetz erwähnt. Es herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass die Entwicklungszusammenarbeit eine besondere Form der Beziehung zu auswärtigen Staaten ist, deren Pflege laut Art. 32 Abs. 1 GG (in Verbindung mit Art. 73 Abs. 1 GG) eindeutig dem Bund zugesprochen wird.100

Entwicklungszusammenarbeit allein als Aufgabe des Bundes zu definieren, würde jedoch dem Geist des Grundgesetzes nicht gerecht werden. Von Schwanenflügel kommt in seiner juristi-schen Auslegung des Grundgesetzes zu dem Schluss, dass„dem Bund keine alleinige Gesetz-gebungszuständigkeit auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit zusteht.“101 In der Staatsrechtslehre hat sich bei der Auslegung des Grundgesetzes das Prinzip der Vermutung der Länderkompetenz herausgebildet.102 Dieser „Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Glied-staaten“103 zufolge fällt alles, was im Grundgesetz nicht explizit dem Bund zugeschrieben wird, in die Zuständigkeit der Gliedstaaten. Vgl. hierzu Art. 70 Abs. 1 GG: „Die Länder ha-ben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungs-befugnisse verleiht.“Dieses Prinzip unterstreicht zudem das in Art. 30 GG verankerte Subsi-diaritätsprinzip. Sache der Ländergesetzgebung sind somit alle ausdrücklich nicht dem Bund zugewiesenen Bereiche wie z.B. Kultur, Kommunal- und Polizeirecht.104

Nach herrschender Meinung ist dieses Prinzip auch auf das Verhältnis Staat-Gemeinde anzu-wenden. Demnach gilt auch hier eine „Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Gemein-den“105, wonach die Gemeinden für alle öffentlichen Aufgaben zuständig bzw. verantwortlich sind, solange ein Bezug zur örtlichen Gemeinschaft gegeben ist.106

3.4.2 Die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz zur Entwicklungspolitik

Diese „länderfreundliche“ Auslegung des Grundgesetzes bildet auch die Grundlage für die ins-gesamt sieben Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz zur Entwicklungspolitik der Län-der (seit 1967)107(vgl. Anhang und Kapitel 3.3). Im Jahre 1988 wurden allerdings zum ersten Mal explizit die Gemeinden als Träger der bzw. Akteure in der Entwicklungszusammenarbeit genannt.

In nachfolgenden Konferenzen unterstreichen die 16 Ministerpräsidenten die Bedeutung und Verantwortung der verschiedenen Ebenen innerhalb Deutschlands in einer global vernetzten Welt (vgl. Kapitel 3.3.2). Die Kommunen werden dabei besonders aufgrund ihres speziellen kommunalen Know-hows und ihrer Bürgernähe als wichtige Akteure zur Erreichung interna-tionaler Ziele erachtet, wie zuletzt auf der Ministerpräsidentenkonferenz 2008 in Dresden

er-100 Vgl. von Schwanenflügel (1993, 119 ff., 125 ff.); Rudzio (2000, 369); Schweitzer (2000, 240 ff.).

101 Von Schwanenflügel (1993, 119, 129).

102 Vgl. Katz (2002, 214); von Schwanenflügel (1993, 124).

103 Katz (2002, 128).

104 Vgl: Katz (2002, 128 ff., 214 ff.); Rudzio (2000, 370).

105 Von Schwanenflügel (1993, 138); vgl. Hoffschulte (2006, 27).

106 Vgl. Heisterkamp (1996, 25); Friedrich-Ebert-Stifung (1997, 3).

107 Vgl. Kirfel-Rühle (2006).

neut bestätigt wurde. In den entwicklungspolitischen Beschlüssen der Bundesländer vom Juli 1998 bzw. Juni 2004 werden die Kommunen hingegen nicht explizit genannt.

Ob bzw. inwieweit entwicklungspolitische Aktivitäten der Kommunen rechtlich zulässig sind, wird aus den Erklärungen der Beschlüsse (vgl. Kapitel 3.3) nicht allein ersichtlich. Deutlicher wird hier eine Festlegung in den Beschlüssen des Arbeitskreises III der Arbeitsgemeinschaft der Innenministerien vom 3./4. Oktober 1985, die auch noch heute als Maßstab für kommuna-le Aktivitäten in der Entwicklungspolitik gelten.108 Der Festlegung nach ist kommunale Ent-wicklungszusammenarbeit grundsätzlich erlaubt bzw. rechtmäßig, wobei folgender Grundsatz zu beachten ist: „Grundvoraussetzung einer zulässigen kommunalen Auslandsarbeit ist, dass sie auf lokaler Ebene geschieht, mithin Gemeinden oder vergleichbare Institutionen im Aus-land zum Partner hat und sich auf Gegenstände bezieht, die nach deutschem Rechtsverständ-nis Angelegenheiten der Gemeinden sind.“109Zudem gilt es, das Gebot der Bundestreue zu be-achten. Dies bedeutet, dass Aktivitäten der Gemeinden„nicht der erklärten Außen- und Ent-wicklungshilfepolitik der Bundesregierung zuwiderlaufen“110 dürfen. Darüber hinaus legt der Beschluss genau fest, welche finanziellen Leistungen der Gemeinden in diesem Rahmen zu-lässig sind (vgl. Kapitel 3.3.2).

Neben diesen Einschränkungen sind, den Innenministern der Länder zufolge, auch bestimmte haushaltsrechtliche Gesichtspunkte bei den Auslandsaktivitäten deutscher Gemeinden zu be-achten: Pflichtaufgaben haben Vorrang vor den freiwilligen Aufgaben, zudem muss die dauer-hafte finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinde (bzw. des Gemeindeverbandes) gewährleis-tet bleiben.111

3.4.3 Rechtliche Zulässigkeit der kommunalen Entwicklungspolitik in Deutschland Auch wenn der Beschluss der Innenminister schon einige Zeit zurückliegt, besteht an der Tat-sache, dass kommunale Entwicklungspolitik rechtlich gesehen „grundsätzlich zulässig“ ist, kein Zweifel mehr.112 Solange der Bezug zur „örtlichen Gemeinschaft“ deutlich ist, die Akti-vitäten deutscher Städte und Gemeinden sich auf die Zusammenarbeit mit Kommunen im Aus-land beschränken und die haushaltswirtschaftlichen Grundsätze eingehalten werden, besteht auch nach Meinung von Rechtsgelehrten kein begründeter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Handlungen zahlreicher entwicklungspolitisch aktiver Kommunen in Deutschland.113 Diese Art der „Aufgabenteilung“, bei der sich deutsche Gemeinden auf die Zusammenarbeit mit Kommunen, also gleichen Gebietskörperschaften im Ausland beschränken, kann somit als

„Modus vivendi“114 für die Vereinbarkeit von Art. 32 mit Art. 28 Abs. 2 GG bezeichnet werden.

108 Vgl. von Schwanenflügel (1993, 108 ff.); vgl. Heisterkamp (1996, 25 f.).

109 Eine Niederschrift des Beschlusses findet sich unter

http://www.bayern-einewelt.de/service/dokumente/beschluss_arbeitskreis_iii.pdf (Stand: 06.11.2008).

110 Von Schwanenflügel (1993, 109).

111 Vgl. ebd., 150.

112 Von Schwanenflügel (1993, 133); vgl. Heisterkamp (1996, 24 ff.).

113 Vgl. von Schwanenflügel (1993, 115 ff. u. 145 ff.).

114 Friedrich-Ebert-Stiftung (1997, 1).

Auch führende Kommunalrechtler kommen zu der Einschätzung, dass deutsche Kommunen im Ausland aktiv werden können bzw. dürfen. Demnach sind die Kommunen zwar keine Völker-rechtssubjekte (vgl. Anhang 7) und können somit keine Beziehungen zu ausländischen Staaten unterhalten. Dies beeinträchtige, so der Kommunalrechtler Gern, jedoch nicht die kommunale Zusammenarbeit mit ausländischen Gemeinden,„soweit sich diese auf ‚Angelegenheiten des örtlichen Wirkungskreises’ beschränkt“115. Gern zufolge ist der Grundgesetzartikel 28 Abs. 2 eine„Kompetenzvorschrift zugunsten ausländischer Aktivitäten der Kommunen“116. Deutsche Gemeinden haben folglich das Recht, Partnerschaften mit ausländischen Gemeinden bzw.

kommunalen Gebietskörperschaften abzuschließen,„soweit sie nicht in Bundes- oder Landes-kompetenzen oder fremde kommunale VerbandsLandes-kompetenzen eingreifen.“117

Es bleibt festzuhalten, dass die rechtliche Zulässigkeit des entwicklungspolitischen Engage-ments der Kommunen, besonders im Ausland, noch immer nicht klar formuliert in den Lan-desverfassungen und Gemeindeordnungen festgehalten ist. Dennoch sehen Kommunalrechtler, nicht zuletzt aufgrund der verschiedenen Beschlüsse der MPKs, keine rechtlichen Hindernisse für derartige Aktivitäten der Kommunen, solange bestimmte Bedingungen berücksichtigt wer-den. Weiterhin kann das Grundgesetz in der Weise interpretiert werden, dass daraus zumindest kein Widerspruch gegenüber der KEpol abzuleiten ist. Dabei spielen das Prinzip der kommu-nalen Selbstverwaltung, interpretiert als Kompetenzvorschrift, und das Subsidiaritätsprinzip im Sinne einer Zuständigkeitsvermutung die entscheidende Rolle.

115 Gern (2003, 593).

116 Ebd.

117 Gern (2005, 501; vgl. Gern (1994, 486 f.).

118 Vgl. Arndt / Fischer (2008, 76 ff.).

Kasten 2: Beschaffungswesen

Die Kommunen verfügen als Auftraggeber im Rahmen der öffentlichen Beschaffung sowohl über ein großes finanzielles als auch politisches Kapital zur Förderung des fairen Beschaffungswesens. So kön-nen sie z.B. fair gehandelte Produkte kaufen oder auf Güter und Dienstleistungen verzichten, die unter Missachtung sozialer Mindeststandards, so z.B. der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsor-ganisation (International Labour Organization– ILO) hergestellt wurden. Dabei stellt sich jedoch oft-mals die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit solcher Kriterien im Rahmen öffentlicher Aufträge.

Die Beachtung sozialer Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge wurde bereits auf europäischer Ebene thematisiert. Das Ergebnis sind zwei Richtlinien des Europäischen Parlamentes bzw. des Rates vom 31. März 2004, die sog. Vergabekoordinierungsrichtlinie (2004/18/EG) sowie die sog. Sektorenko-ordinierungsrichtlinie (2004/17/EG). In den Artikeln 26 bzw. 38 verfügen sie, dass öffentliche Auftrag-geber auch die Beachtung„soziale(r) und umweltbezogene(r) Aspekte“(Art. 38) vorschreiben dürfen.

Welche Bedeutung bzw. rechtliche Wirkung haben die Richtlinien nun für Deutschlands Kommunen?

Generell sind Richtlinien der Europäischen Union Teil des sog. sekundären Gemeinschaftsrechts, das für Deutschland rechtsverbindlich ist. Im Gegensatz zu Verordnungen geben Richtlinien jedoch lediglich ein Ziel vor, Form und Mittel der Umsetzung bleiben den EU-Mitgliedsstaaten überlassen (vgl. Art. 249 Abs. 3 EUV). Üblicherweise richten sich die Richtlinien an alle Mitgliedsstaaten, so auch im Falle von 2004/17/EG (Art. 75) bzw. 2004/18/EG (Art. 84).118