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Die 16 Bundesländer und ihre Verfassungen

Kommunen und Initiativen gestalten Globalisierung -

4.1 Die 16 Bundesländer und ihre Verfassungen

Wie oben erwähnt verfügen die 16 Bundesländer über eine eigene Verfassungsautonomie (vgl. Katz 2002: 124). Die Länder haben folglich das Recht, jeweils eigene Landesverfassun-gen zu erlassen, die jedoch den Grundsätzen des demokratischen, republikanischen und sozia-len Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes entsprechen müssen (Art. 28 Abs. 1 GG) (Katz 2002: 125).10

Im Folgenden soll untersucht werden, ob die Absichtserklärungen der Ministerpräsidenten der Länder ihren Niederschlag in den Verfassungen bzw. Gesetzen der Bundesländer gefunden haben. Hierzu werden zuerst die Verfassungen der 16 Bundesländer untersucht, anschließend die Gemeinde- und Landkreisordnungen. Da in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und

Ham-10 Davon unberührt bleibt auch der generelle Vorrang des Bundesrechts vor Landesrecht (Katz 2002: 125;

Rud-burg die Ebene der Gemeinden und Landkreise entfällt, werden diese drei Länder gesondert betrachtet (vgl. IV.1).

4.1.1 Flächenländer

Vorgeschrieben durch Art. 28 Abs. 2 GG sind in allen untersuchten Landesverfassungen der 13 Bundesländer Artikel zu finden, die den Gemeinden das Recht der Selbstverwaltung zuer-kennen (vgl. Geis 2008: 24). Ungeachtet möglicher sprachlicher Unterschiede sind die Ge-meinden (und Gemeindeverbände) dabei in allen 13 Bundesländern für alle öffentlichen Auf-gaben zuständig, sofern diese nicht ausdrücklich, d.h. durch das Grundgesetz, die Landesver-fassung oder ein Bundes- bzw. Landesgesetz, anderen Stellen zugewiesen sind. Vergleiche hierzu Art. 57 Abs. 3 der niedersächsischen Verfassung: „Die Gemeinden sind in ihrem Ge-biet die ausschließlichen Träger der gesamten öffentlichen Aufgaben, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen.“11 Alle Bundesländer können ihren jeweiligen Ge-meinden zusätzliche Aufgaben übertragen, jedoch nur per Gesetz. In diesem Fall sind gleich-zeitig Maßnahmen zur Deckung der dadurch entstehenden Kosten zu erlassen. Die Gemein-den aller Länder besitzen zudem das Recht auf eigene Einnahmen durch die Erhebung kom-munaler Steuern und Abgaben (vgl. Art. 49 Landesverfassung (LV) Rheinland-Pfalz).

In allen 13 untersuchten Verfassungen finden sich zudem Bestimmungen darüber, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände unter der Rechts- und Fachaufsicht des Landes stehen, so z.B. Art. 72 Abs. 2 der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern: „Die Aufsicht des Lan-des stellt sicher, dass die Gesetze beachtet und die übertragenen Angelegenheiten weisungs-gemäß ausgeführt werden.“

Die Untersuchung der 13 Landesverfassungen zeigt jedoch, dass die Landesverfassungen, ähnlich dem Grundgesetz, den Begriff der Entwicklungspolitik nicht erwähnen. Ausgehend von der Frage, welche Artikel möglicherweise als rechtliche Berufungsgrundlage entwick-lungspolitischer Aktivitäten der Länder und Gemeinden dienen könnten, wurden vier Aspekte identifiziert.

Der erste Aspekt ist der Umwelt- und Naturschutz. In Artikeln und teilweise auch in der je-weiligen Präambel der Landesverfassung verpflichten sich alle 13 Bundesländer, die natürli-chen Lebensgrundlagen zu schützen. Dabei erwähnen einige Länder, wie z.B. Schleswig-Holstein, auch ausdrücklich die Gemeinden und Gemeindeverbände als Verantwortliche (vgl.

Art. 7 LV Schleswig-Holstein) bzw. erwähnen die Bedeutung dieser Aufgabe für zukünftige Generationen (vgl. Art. 10 Abs. 1 LV Sachsen). Auf dieser Basis könnten kommunale Projek-te legitimiert werden, die den Umweltschutz sowohl in der Partnergemeinde im Ausland als auch in Deutschland zum Ziel haben.

Als zweiter Aspekt wurden Bestimmungen über die Europäische Union identifiziert. Die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt bekennen sich in ihrer jeweiligen Verfassung zu

11 Lediglich Bayern geht dabei soweit, in der Landesverfassung explizit den eigenen Wirkungskreis der

Ge-dem Ziel der europäischen Einigung bzw. der Vertiefung der Zusammenarbeit auf europäi-scher Ebene.12 Mit Ausnahme der beiden Länder Niedersachsen und Sachsen-Anhalt haben sich die oben genannten Länder darüber hinaus das Ziel gesetzt, explizit die grenzüberschrei-tende regionale Zusammenarbeit zu fördern. Vergleiche hierzu Art. 60 Abs. 2 der saarländi-schen Landesverfassung: „Es [Das Saarland] arbeitet mit anderen europäischen Regionen zusammen und unterstützt grenzüberschreitende Beziehungen zwischen benachbarten Ge-bietskörperschaften und Einrichtungen.“

Der dritte Aspekt umfasst ‚Internationales’. Acht der 13 untersuchten Bundesländer (Bran-denburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sach-sen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) haben auch globale Ziele in ihrer jeweiligen Landesverfas-sung verankert. Sie reichen von dem Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit anderen Völkern (Art. 2 Abs. 2 LV Brandenburg) über den Willen, dem inneren und äußeren Frieden zu dienen (z.B. Präambel LV Nordrhein-Westfalen) bis hin zu dem Ziel, das Land zu einem „lebendi-gen Glied (…) der Gemeinschaft der Völker“ (Präambel LV Sachsen-Anhalt) zu machen. Aus diesen Staatszielbestimmungen ließe sich, noch leichter als im Falle der Anmerkungen zur Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, eine Rechtfertigung für Aktivitäten kommunaler Entwicklungspolitik ableiten (vgl. Schwanenflügel 1993: 100ff).

Als vierter und letzter Aspekt wurde die Erwähnung international anerkannter Menschenrech-te herausgearbeiMenschenrech-tet. Bekennen sich Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen noch allgemein zu Menschenrechten als Grundlage für Frieden und Gerechtigkeit, verpflichtet sich Branden-burg explizit zur Einhaltung der Grundrechte der Europäischen Sozialcharta bzw. internatio-naler Menschenrechtspakte (vgl. Art. 2 Abs. 3 LV Brandenburg). Noch deutlicher wird das Land Hessen. Hier sind die Regeln des Völkerrechts ausdrücklich „bindende Bestandteile des Landesrechts, ohne dass es ihrer ausdrücklichen Umformung in Landesrecht bedarf“ (Art. 67 LV Hessen). Gerade in Anbetracht neuerer Entwicklungen des Völkerrechts (vgl. Kapitel IV.4.1) besteht zumindest für die hessischen Kommunen die Möglichkeit, aus den internatio-nal anerkannten Menschenrechten ein Recht auf kommuinternatio-nale Entwicklungspolitik abzuleiten.

4.1.2 Stadtstaaten

In den drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg entfällt, im Vergleich zu den anderen Bundesländern, die Ebene der Gemeinden und Landkreise (vgl. Gern 1994: 86ff). Vergleiche hierzu Art. 3 Abs. 2 („Volksvertretung, Regierung und Verwaltung einschließlich der Be-zirksverwaltungen nehmen die Aufgaben Berlins als Gemeinde, Gemeindeverband und Land wahr.“) der Berliner Landesverfassung bzw. Art. 4 Abs. 1 der Hamburger Verfassung: „In der Freien und Hansestadt Hamburg werden staatliche und gemeindliche Tätigkeit nicht ge-trennt.“

Eine Sonderstellung nimmt die Hansestadt Bremen ein, die aus zwei Gemeinden besteht, Bremen und Bremerhaven (vgl. Art. 143 LV Bremen). Gemäß Art. 144 der dortigen

Verfas-12 Vergleiche hierzu Art. 11 der Landesverfassung Vorpommern: „Das Land Mecklenburg-Vorpommern wirkt im Rahmen seiner Zuständigkeiten an dem Ziel mit, die europäische Integration zu

verwirkli-sung haben sie „das Recht auf eine selbständige Gemeindeverfasverwirkli-sung und innerhalb der Schranken der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung“.

Eine ähnliche, wenn auch nicht die gleiche Rolle wie die Gemeinden in Bremen bzw. den anderen 13 Bundesländern übernehmen in Hamburg und Berlin die Stadtgebiete bzw. Bezirke (vgl. IV.7). Hierzu Art. 4 Abs. 2 der Verfassung Hamburgs: „Durch Gesetz können für Teil-gebiete Verwaltungseinheiten gebildet werden, denen die selbständige Erledigung übertrage-ner Aufgaben obliegt.“ An diesem Beispiel ist gut zu erkennen, dass es sich zwar um Verwal-tungseinheiten unterhalb der Länderebene handelt, diese aber über keine originären Rechte bzw. Aufgaben verfügen, sondern lediglich Aufgaben übertragen bekommen. Die zwölf Be-zirke Berlins (vgl. Art. 4 Abs. 1 LV Berlin) erfüllen gemäß Art. 66 Abs. 2 (LV Berlin) ihre Aufgaben nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung. Dabei sind ihre Aufgaben all diejeni-gen, die aufgrund ihrer gesamtstädtischen Bedeutung, wie z.B. Polizei-, Justiz- und Steuer-verwaltung, nicht vom Senat bzw. der Hauptverwaltung wahrgenommen werden (vgl. Art. 67 Abs. 1, 2 LV Berlin).

Ebenso wenig wie im Falle der 13 anderen Bundesländer findet sich in den Verfassungen der drei Stadtstaaten das Staatsziel Entwicklungspolitik. Ausgehend von der Frage, welche Arti-kel möglicherweise als rechtliche Berufungsgrundlage entwicklungspolitischer Aktivitäten dieser Länder dienen könnten, wurden, wie bereits im Falle der Flächenländer, dieselben vier Aspekte identifiziert. Somit sind auch die Interpretationsansätze identisch und werden an die-ser Stelle nicht noch einmal wiederholt.

Während Hamburg den ersten Aspekt, Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, nur in seiner Präambel erwähnt, widmen die anderen beiden Stadtstaaten diesem Staatsziel eigene Artikel (Art. 31 LV Berlin bzw. Art. 11a LV Bremen).

Den zweiten Aspekt, Europa bzw. Europäische Union, erwähnen Hamburg und Berlin nur, wenn es um die Unterrichtung ihrer jeweiligen Parlamente über neue EU-Initiativen durch die jeweilige Landesregierung geht. Bremen hingegen bezeichnet sich als „Glied (…) Europas“

(Art. 64 LV Bremen) und bekennt sich zur Förderung der grenzüberschreitenden Zusammen-arbeit, die auf das Zusammenwachsen Europas gerichtet ist (Art. 65 LV Bremen).

Ähnlich verhält es sich mit dem dritten Aspekt (‚Internationales’) in den Verfassungen der drei Stadtstaaten. In der Präambel der Berliner Verfassung findet sich der „Wille, dem Geist des Friedens zu dienen“. Auch die Hamburger Verfassung enthält im Vorwort einen ähnli-chen Satz: „Sie [Die Stadt Hamburg] will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwisähnli-chen al-len Erdteial-len und Völkern der Welt sein.“ Bremen wiederum widmet diesem Aspekt einen Artikel. In ihm bekennt sich Bremen zu Frieden und Völkerverständigung sowie zur Förde-rung einer die Nationalgrenzen überschreitenden Zusammenarbeit, die u. a. „auf die friedliche Entwicklung der Welt gerichtet ist“ (Art. 65 LV Bremen).

Der vierte Aspekt ist, wie oben erwähnt, die Erwähnung von Völkerrecht bzw. Menschen-rechten in der Verfassung. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Landesverfassung Bre-mens ist Art. 122. Er verfügt, dass die „allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts (…) Bestandteile des Landesrechts“ und somit „für den Staat und für den einzelnen Staatsbürger verbindlich“ sind. Insgesamt bietet somit die bremische Landesverfassung die meisten An-satzpunkte für eine Ableitung entwicklungspolitischer Aktivitäten des Landes bzw. der Stadt.

4.2 Die Gemeinden im Landesrecht: Ein Vergleich der Gemeinde- und