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Nationaler Rahmen der Entwicklungspolitik

3 Rahmenbedingungen kommunaler Entwicklungspolitik in Deutschland

3.2 Nationaler Rahmen der Entwicklungspolitik

Um im späteren Verlauf der Studie einen Überblick über die kommunale Entwicklungszusam-menarbeit in Deutschland und deren politische, rechtliche und institutionelle Rahmenbedin-gungen geben zu können, erscheint es an dieser Stelle notwendig, die generelle Strategie der

57 Auf Grundlage einer Abfrage vom 01.10.2008 beim Statistischen Bundesamt: Verwaltungsgliederung in Deutschland am 30.06.2008 (2. Quartal).

58 Ebd.

59 Interview vom 13.10.2008 mit Frau Stefani Reich, Gruppenleiterin II C2 „Internationale Kooperation“ – Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit Berlin.

Kasten 1: Die besondere Rolle der Stadtstaaten im Bereich der KEpol

In nachfolgenden Kapiteln wird vereinzelt auf die Eigenheiten der Stadtstaaten (Berlin, Hamburg, Bre-men) hingewiesen. An dieser Stelle soll nun vorab kurz allgemein auf deren besondere Rolle eingegan-gen werden. Eine explizite Analyse der Besonderheiten der Stadtstaaten im Bereich der KEpol kann und soll mit dieser Studie nicht geleistet werden.

Die drei Stadtstaaten spielen im deutschen föderalen System eine spezielle Rolle, da sie sowohl städti-sche, also kommunale, als auch landestypische Aufgaben und Funktionen übernehmen (vgl. Anhang 7).

Dies betrifft auch den Bereich der kommunalen Entwicklungspolitik. So unterhalten die Städte Berlin, Hamburg und Bremen eigene Städtepartnerschaften und verfolgen entwicklungspolitische Aktivitäten im Inland (Bildungsarbeit, Beschaffungswesen etc.) auf Ebene der Stadtstaaten.

Generell ist die KEpol der Stadtstaaten auf Landesebene verankert, die neben den landestypischen Auf-gaben auch typische AufAuf-gaben der Kommunen übernimmt (z.B. Städtepartnerschaften etc.). Die Finan-zierung erfolgt durch Landesmittel (wodurch die Städte Berlin, Hamburg, Bremen einen relativ hohen Beitrag im Bereich der KEpol leisten können). Weiterhin können aber auch die einzelnen Bezirke der Stadtstaaten, inklusive Bremerhaven (quasi die Kommunen) eigene Kontakte zu Entwicklungsländern aufnehmen und Aktivitäten im Inland initiieren. Die Bezirke erfüllen dabei ihre Aufgaben nach dem Prin-zip der Selbstverwaltung, also ähnlich der Kommunen (vgl. Anhang 7). Diese erfolgen allerdings zumin-dest im Fall von Berlin eigeninitiativ und werden größtenteils selbstständig finanziert. Der Landesebene kann dabei z.B. die Funktion der Koordinierung dieser Aktivitäten zukommen.59

Bundesregierung und die dieser Strategie zugrunde liegenden internationalen Beschlüsse und Vereinbarungen zu erläutern, soweit diese für die lokale Ebene relevant sind. Auch im Sinne einer vertikalen Kohärenz des politischen Handelns aller drei staatlichen Ebenen, sollten sich auch die nachgeordneten Ebenen zu den nationalen Zielen und Prinzipien der deutschen Ent-wicklungspolitik bekennen, zumindest aber diesen nicht zuwider handeln.

3.2.1 Internationale Berufungsgrundlagen für die deutsche Entwicklungspolitik

Neben der Agenda 21 (UNCED in Rio de Janeiro 1992) dienen die Millenniumserklärung und die darin vereinbartenMillenniumsentwicklungsziele als Grundlage der deutschen Ent-wicklungszusammenarbeit. Die in diesem Zusammenhang von mehr als 189 Staats- und Re-gierungschefs beschlossenen Vereinbarungen zur Halbierung der Armut bis 2015 wurden in den Jahren nach 2000 immer wieder bekräftigt (z.B. UN-Konferenz zu nachhaltiger Entwick-lung 2002 in Johannesburg; Millennium+5-Gipfel der Vereinten Nationen in New York 2004) und den aktuellen Gegebenheiten angepasst.60Neben weiteren Beschlüssen zur Erhöhung der Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit (z.B. Monterrey-Konsensus 2002)wurden im Rahmen derParis-Deklaration2005 (erarbeitet auf dem2. High Level Forum on Aid Effecti-venessdes OECD/DAC) Vereinbarungen zur besseren Koordination und Abstimmung der in-ternationalen EZ getroffen. Mit dem Ziel, eine effizientere und auch effektivere Entwicklungs-zusammenarbeit zu erreichen, verpflichten sich die Unterzeichner der Paris Deklaration dazu,

„…ihre Entwicklungszusammenarbeit an Strategien, Institutionen und Strukturen der Partner-länder anzupassen und stärker aufeinander abzustimmen.“61Als wichtigste Grundprinzipien der Entwicklungszusammenarbeit wurden im Rahmen dessen die folgenden Punkte festge-halten:

– Eigenverantwortung – (Geber-)Harmonisierung – Partnerausrichtung – Ergebnisorientierung

– gegenseitige Rechenschaftspflicht

Auf dem3. High Level Forum of Aid Effectivnessin Accra im September 2008 wurde die Um-setzung der Paris-Deklaration bilanziert, und es wurden zukünftige Herausforderungen sowie entsprechende Maßnahmen zur Zielerreichung identifiziert. In der Accra Agenda of Action werden die Grundprinzipien der Paris-Deklaration bestätigt und besonders Maßnahmen zur Geberharmonisierung und Koordination sowie zur Eigenverantwortlichkeit festgehalten.62

60 Vgl. online: http://www.bmz.de/de/ziele/ziele/index.html (Stand: 15.12.2008).

61 Vgl. online: http://www.bmz.de/de/ziele/ziele/parisagenda/index.html (Stand: 15.12.2008).

62 Vgl. online: http://www.accrahlf.net/WBSITE/EXTERNAL/ACCRAEXT/0,contentMDK:21687851~

pagePK:64861884~piPK:64860737~theSitePK:4700791,00.html (Stand: 15.12.2008).

Die genannten internationalen Vereinbarungen wurden auf europäischer Ebene bekräftigt und in den Programmen der Europäischen Union berücksichtigt. Auf diese Beschlüsse und Richt-linien der europäischen EZ wird im Folgenden allerdings nicht direkt eingegangen, da deren entscheidende Aspekte größtenteils einerseits in den internationalen Vereinbarungen, anderer-seits in den Programmen der Bundesregierung wieder zu finden sind (vgl. Kapitel 3.2). Wich-tig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass sich die EU-Mitgliedsstaaten zu einem Stufenplan zur Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit bekannt haben, der den Anforderungen bzw.

Empfehlungen der oben genannten Beschlüsse Rechnung tragen soll. Dieser verbindliche Plan sieht durch stufenweise Erhöhung der ODA-Beiträge der einzelnen Länder (gemessen an de-ren Bruttonationaleinkommen – BNE) vor, das Ziel von 0,7 % des BNE für öffentliche Ent-wicklungszusammenarbeit bis 2015 zu erreichen. So verpflichten sich Länder wie Deutsch-land, die bereits vor 2002 der EU angehörten, bis 2010 die jährlichen Ausgaben für Entwick-lungshilfe auf 0,56 % des BNE zu erhöhen.63Ein weiteres wichtiges Dokument der EU zur ge-meinsamen Entwicklungspolitik der Mitgliedsländer ist der sog.„Code of Conduct“64, der ei-ne Harmonisierung, Koordinierung und Arbeitsteilung der europäischen Aktivitäten vorsieht.

3.2.2 Die deutsche Entwicklungspolitik

Zur Umsetzung der internationalen Beschlüsse in nationale Handlungsanweisungen wurden in Deutschland u.a. folgende Richtlinien und Vorgaben für die deutsche Entwicklungszusam-menarbeit festgelegt:

DasAktionsprogramm 2015 stellt den deutschen Beitrag zur Erreichung der internationalen Zielvereinbarungen und damit den entscheidenden Leitfaden der deutschen EZ dar. Besondere Berücksichtigung finden darin die Millenniumserklärung, der Monterrey-Konsensus sowie der Aktionsplan von Johannesburg.65Dieses Programm beinhaltet u.a. zehn Ansatzpunkte und da-zu gehörige Maßnahmen da-zur Erreichung der MDGs und da-zur Erfüllung der Millenniumserklä-rung. Neben den grundlegenden Zielen der Entwicklungszusammenarbeit, wie Armut mindern, Frieden sichern und Ressourcen schonen, nennt das Aktionsprogramm 2015 auch weitere wichtige Ziele, die für die kommunale Entwicklungszusammenarbeit von Bedeutung sind. So setzt sich die Bundesregierung das Ziel „Menschrechte verwirklichen – Kernarbeitsnormen respektieren“ und führt unter dem Aspekt „Beteiligung der Armen sichern – verantwortungs-volle Regierungsführung stärken“ als Handlungsfeld Dezentralisierungsprozesse und die Stär-kung kommunaler und regionaler Selbstverwaltung auf. Dazu gehören auch Maßnahmen der Stadtentwicklung.66Im Medienhandbuch Entwicklungspolitik 2006/2007 sind die Themen De-zentralisierung und Stärkung kommunaler Selbstverwaltung unter dem Schwerpunkt „Demo-kratisierung, Zivilgesellschaft und öffentliche Verwaltung“ zusammengefasst und als wichtige Handlungsfelder bestätigt worden.

Nachhaltigkeitsstrategie:Ausgehend von der Agenda 21 bekennt sich die Bundesregierung zu den in Rio de Janeiro getroffen Vereinbarungen, aus denen sich die zentralen

Handlungs-63 Vgl. online: http://www.bmz.de/de/ziele/ziele/monterreykonsens/index.html. (Stand: 15.12.2008).

64 Vgl. Europäische Union (s. a.[a]).

65 Vgl. online: http://www.bmz.de/de/ziele/deutsche_politik/aktion_2015/index.html (Stand: 15.12.2008).

66 Vgl. Braun / Jentsch (2003, 31 u. 35).

felder für die deutsche EZ ableiten lassen. Grundprinzip der Politik der Bundesregierung in al-len Bereichen soll das Leitbild der Nachhaltigkeit sein. Als eine der vier Leitlinien der Nach-haltigkeitsstrategie bezieht sich die Komponente „Internationale Verantwortung“ direkt auf die Entwicklungspolitik. Durch die Forderung alle Politikbereiche im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung auszurichten, nimmt sich diese Strategie weiterhin der globalen Verantwortung der deutschen Politik im Inland an (vgl. z.B. Klima- und Ressourcenschutz, sozialer Zusam-menhalt).67Im Zuge der Ansätze intra- und intergenerativer Gerechtigkeit beinhaltet das Nach-haltigkeitskonzept einerseits den Versuch, Gerechtigkeit zwischen den heute lebenden Men-schen zu erreichen (Begründung der Dimension „internationale Verantwortung“), andererseits dürfen die Lebenschancen zukünftiger Generationen nicht beeinträchtigt werden (Stichwort:

Ressourcennutzung). Diese Nachhaltigkeitsstrategie beinhaltet zudem die Einbeziehung der lo-kalen Ebene und fordert Kommunen auf, eine Lokale Agenda 21 unter Beteiligung der Bürger zu entwickeln, nicht zuletzt, um dieses Leitbild der Nachhaltigkeit in der Bevölkerung zu ver-ankern. Durch verschiedene Kampagnen und die Einrichtung der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) / InWEnt unterstützt die Bundesregierung die lokalen Gebietskörper-schaften, in einen solchen Prozess einzutreten.68 Im Fortschrittsbericht 2008 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie vom 05. Mai 2008 gibt es auch ein Kapitel über den Beitrag der kom-munalen Ebene. Damit wird das Engagement der Kommunen als ein Teil der nationalen Nach-haltigkeitsstrategie verstanden und wertgeschätzt.69

Auf der Internetseite des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-wicklung (BMZ) heißt es unter Berufung auf die Koalitionsvereinbarung von 2005: „Die Bun-desregierung bekennt sich darin weiterhin klar zur Millenniumserklärung und zu den Millen-niumsentwicklungszielen. Sie sieht Entwicklungspolitik als internationale Gemeinschaftsauf-gabe, zu der Deutschland wirksame und sichtbare Beiträge leistet. Die internationalen Ge-meinschaftsziele bilden damit den politischen Maßstab für die Politik der Bundesregierung.“70 Die Bundesregierung bekennt sich also zu den oben genannten internationalen Vereinbarungen und sieht diese als Grundlage ihres Handelns im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit.

In dem Bemühen, die Entwicklungszusammenarbeit wirksamer zu gestalten, orientiert sich die Bundesregierung an den Vereinbarungen der Paris-Deklaration. Folgende Maßnahmen hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang in Angriff genommen und bereits teilweise umge-setzt:

– Bildung regionaler Schwerpunkte und Reduzierung der Partnerländer (2008: nur noch 57 Partnerländer),

– Intensivierung des Dialogs mit den Partnerländern und anderen Gebern, um eine Harmoni-sierung der Entwicklungszusammenarbeit zu erreichen,

– Konzentration auf wenige, mit den Partnerländern vereinbarte Schwerpunktstrategien je Partnerland,

67 Bundesregierung (s. a., 2 u. 128).

68 Vgl. ebd., 73.

69 Vgl. Bundesregierung (2008, 196 ff.).

70 Vgl. online: http://www.bmz.de/de/ziele/deutsche_politik/index.html (Stand: 15.12.2008).

– Reduktion von Einzelprojektansätzen und Stärkung instrumenten- und geberübergreifender Programmansätze.71

Diese Maßnahmen können neben einem Beitrag zur Umsetzung der Paris Deklaration auch als erste Schritte auf dem Weg zu einer kohärenten europäischen Entwicklungspolitik gesehen werden, die die Vorgaben des„Code of Conduct“der EU berücksichtigt.

Weitere organisatorische und strukturelle Reformen sollen das Handeln der Bundesregierung an diesen Vorgaben (Paris Deklaration,Code of Conduct) ausrichten und die Wirksamkeit der deutschen EZ erhöhen. Neben den bereits genannten Punkten ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Reformagenda der Vorsatz, Kohärenz des gesamten Regierungshandelns gegenüber den ge-nannten nationalen und internationalen Zielen in allen Politikbereichen zu berücksichtigen.72